17.51

Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn bei der Bildung gespart wird, ist es kein gutes Budget, es ist ein schlechtes Budget für dieses Land. Seit Beginn Ihrer Regierungskoalition wurden uns immer große Würfe versprochen, gekommen ist bis heute aber lei­der nur wenig. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Budgeterhöhung von plus 2,3 Prozent heuer – somit weit unter der prognostizierten Inflation – bedeutet, dass es trotzdem Kürzungen an anderen Stellen geben wird, seien wir ehrlich! Herr Minister, Sie reden von Meilen­steinen, aber die Realität ist, dass Reformen oder auch nur kleine Fortschritte mit diesem Budget wieder nicht möglich sind, dass nachhaltige Lösungen nicht möglich sind und dass keine einzige Baustelle, die wir haben – und wir haben vie­le –, behoben wird.

Der größte Teil des Budgets wird für Gehälter verwendet, das ist normal in diesem Dienstleistungssektor. Große Würfe sind da also nicht möglich. Wenn Sie sagen, 10 Millionen Euro werden zusätzlich für die Deutschförderklassen und Deutschförderkurse ausgegeben, dann muss ich schon fragen: Sie investie­ren in ein System, das von allen Expertinnen und Experten als nicht sinn­voll bewertet wird? Die 10 Millionen Euro wären vermutlich an anderen Stellen besser aufgehoben.

Wir haben im Bildungsbudget die gleiche Situation wie in den Jahren zu­vor. Es werden weder Empfehlungen der Expertinnen und Experten noch die Hilferufe aus der Praxis und schon gar nicht die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen und deren Eltern berücksichtigt.

Meine Damen und Herren! Mittlerweile ist jedem hier bewusst, dass mit der Blockadehaltung der ÖVP wirklich keine Verbesserungen möglich sind. (Beifall bei der SPÖ.) Sie tragen die Verantwortung für sämtliche längerfristige Schäden und Versäumnisse. Es ist ein Humankapitalverlust, das bedeutet in der Summe Einkommensverluste auf allen Seiten. Das, Herr Minister, wird das Budget in den kommenden Jahren belasten. Sie erkennen dem gegenüber weder die Notwendigkeit noch zeigen Sie Wertschätzung. Man muss schon sa­gen, dass Sie in dem Bereich leider versagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Bildung ist die Basis für alles. Sie ist das Fundament für jeglichen erfolgreichen Lebensweg. Eine gut ausgebildete nächste Generation ist die Ressource unseres Landes und sichert uns somit die Zukunft Österreichs – und das muss oberste Priorität haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Um Österreich in eine sichere Zukunft zu führen, ist das hier leider zu wenig. Unser Weg der Bildung sieht anders aus. Wir wollen ein Bildungssystem, das echte Chancengerechtigkeit bietet und unsere Kinder auf die Heraus­forderungen auch vorbereiten kann. Wir wollen eine gemeinsame Schule der Sechs- bis 14-Jährigen, verschränkte inklusive ganztägige Bildungseinrichtungen mit warmem Mittagessen, in die Kinder ohne Schultasche hineingehen und ohne Hausübung und Nachhilfebedarf herauskommen.

Wir wollen multiprofessionelle Teams und ausreichend Supportpersonal für je­den Standort. Wir wollen bedarfsorientierte Ressourcen und Bildungsein­richtungen, die für die Bedürfnisse der Kinder da sind, die kinderorientiert sind und in denen sich die Lehrerinnen und Lehrer wieder um ihre eigentliche Aufgabe kümmern können. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Mittel für ein modernes, innovatives und sozial gerechtes Bildungssystem!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung und der Bundesminister für Finanzen, wird aufge­fordert, im BVA 2024 die notwendigen Mittel für ein modernes, innovatives und sozial gerechtes Bildungssystem vorzusehen. Insbesondere sollen damit ein Ausbau vor allem der Ganztagsschule in ihrer verschränkten Form, indivi­duelle Förderung und Inklusion, die nächsten Schritte zu einer gemein­samen Schule der 6- bis 14-Jährigen, ein tägliches warmes Mittagessen für jedes Kind, eine soziale Indexierung bei der Mittelzuteilung, zusätzliches Support­personal und multiprofessionelle Teams und adäquate Schulbauten finanziert wer­den und Lehrer:innen ein eigener Arbeitsplatz und notwendige Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden.“

*****

Das stelle ich mir unter einem Bildungssystem vor, das für die nächsten Genera­tionen die notwendigen Voraussetzungen bietet.

Ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Tanzler, Katharina Kucharowits,

Genossinnen und Genossen

betreffend Mehr Mittel für ein modernes, innovatives und sozial gerechtes Bildungssystem!

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (2178 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bun­desvoranschlages für das Jahr 2024 samt Anlagen (2300 d.B.), UG 30 Bildung (TOP 9)

Während der Budgetberatungen wurden von den Regierungsparteien florierende ös­terreichische Bildungslandschaften beschworen. Die Wahrheit sieht jedoch anders aus. Die Schulautonomie zeigt sich als Mangelverwaltung, wo entschieden werden muss, ob nun den Schüler:innen Klopapier oder schnelles Internet zur Verfügung gestellt wird. Lehrkräfte haben nach wie vor keinen eigenen adäquaten Arbeitsplatz und Ausstattung mit z.B. Laptops. Unterstützungskräfte fehlen aller­orts und Lehrer:innen werden allein gelassen mit all den Problemen, die ihnen im schulischen Alltag begegnen. Die Mittel für Förderunterricht werden reduziert statt aufgestockt, obwohl die Pandemie immer noch nachwirkt, Nachhilfe floriert weiterhin. Die Diagnose von Entwicklungsherausforderungen und eine ge­eignete Behandlungs- bzw. Therapieunterstützung sind aktuell eher Glücks­sache. Ganztagsschulen – vor allem in der pädagogisch wertvollen verschränkten Form – sind außerhalb von Wien immer noch Mangelware. Aufgrund von Lehrer:innenmangel muss vielfach fachfremd unterrichtet werden und werden Lehramtsstudierende, bereits bevor sie ihre Ausbildung abgeschlossen ha­ben, im Schuldienst verbrannt. Aktuelles wie Künstliche Intelligenz oder demokra­tiegefährdende Entwicklungen wie Fake News sind ebenfalls nur in homöopa­tischen Dosen im Schulalltag angekommen. Inklusion ist in Österreich im Rückwärtsgang, wie ein aktueller Bericht über die Umsetzung der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich feststellte. Ähnlich trist sieht die Situation in der Elementarpädagogik und Erwachsenenbildung aus.

Außerdem fehlen Mittel, um die Teuerung für Eltern und Schüler:innen abzu­federn, die die Bundesregierung verabsäumt hat, rechtzeitig zu bekämpfen. Laut AK-Schulkosten-Studie gab jede dritte befragte Familie an, dass ihr durch die Teuerung weniger Geld für schulische Ausgaben zur Verfügung steht. Damit wird klar, in welchem Ausmaß die Teuerung die Bildungsteilhabe von Kindern und Jugend­lichen einschränkt. Für die Behebung all der geschilderten Probleme wurde im BVA 2024 nicht vorgesorgt. Das Bildungsministerium gibt im nächsten Jahr 11,5 Mrd € aus, das sind (nur) 263 Mio. € mehr als im Jahr zuvor (+2,3%). Die Regie­rung kalkuliert allerdings 2024 mit einer Inflation von +4%. Selbst wenn man niedrigere Auszahlungen aufgrund ausgelaufener COVID-19-bedingter Zahlungen und nicht ausgeschöpfter Mittel aus dem Vorjahr berücksichtigt, ist klar, dass mit diesem Budget all die bestehenden Herausforderungen nicht gemeis­tert werden können. Die Mehrauszahlungen werden für die Kompensation der Inflation und Lohnabschlüsse aufgewendet werden müssen. Es wird so nicht gelingen, Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern ein innovatives, modernes Bildungssystem zu garantieren, das sicherstellt, dass alle Kinder ihre Chancen optimal nützen können.

Für ein modernes, innovatives und sozial gerechtes Bildungssystem braucht es vor allem folgendes:

–    Konsequent kostenlose Bildungseinrichtungen inklusive einem warmen und gesunden, kostenlosen Mittagessen für alle

–    Ein Schulsystem, das von den Bedürfnissen der Kinder ausgehend gedacht wird

–    Individuelle Förderung, die unabhängig davon verfügbar ist, ob ein Kind aus einem Arbeiter*innenhaushalt kommt, ob Deutsch die Erstsprache ist oder nicht, ob ein Kind eine Behinderung und/oder eine besondere Leidenschaft oder Begabung hat

–    Soziale Indexierung bei Mittelzuteilung für Bildungsstandorte: Jene Bildungseinrichtungen müssen besonders ausgestattet werden, die besonders viele Herausforderungen zu meistern haben.

–    Sprachenvielfalt fördern: Schulische Sprachförderung ist so zu organisieren, dass Mehrsprachigkeit nicht als Defizit, sondern als Stärke und Ressource erkannt wird.

–    Die besten Lehrkräfte für die beste Bildung: Bessere Arbeitsbedingungen für Leh­rer:innen, um auch den Lehrer:innenmangel abzufedern.

–    Gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jährigen: In Österreich trennen sich die Bildungswege schon bei den Zehnjährigen, das ist viel zu früh.

–    Zusätzliches administratives Support-Personal und multiprofessionelle Teams (Sonderpädagog:innen, Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Psycholog:in­nen, Ergotherapeut:innen, medizinisches Personal etc.), um gleiche Chancen für alle Kinder zu schaffen und das Lehrpersonal zu entlasten.

–    Schule ohne Rucksack, ein Leben ohne Nachhilfe: Alles Schulische muss in der Schule bleiben. Der Bildungserfolg der Kinder darf nicht davon abhängen, ob zu Hause ein Elternteil ist, der die Zeit, die Geduld oder die Fähigkeit hat, mit dem Kind ausreichend zu üben, zu lesen und es zu fördern. Oder ob ausrei­chend Geld vorhanden ist, externe Lern- und Nachhilfe zu zahlen.

–    Ausbau ganztägiger Schulformen mit entsprechendem Rechtsanspruch

–    Schulbauten als multifunktionale Lern- und Wohlfühlräume: Konsequenterweise müssen auch die Schulräume verändert oder neu geschaffen werden, um einem progressiven Zugang entsprechen. Es muss möglich sein, in kleinen Grup­pen zu lernen, zu üben, zu spielen, gemeinsam zu feiern, zu essen, zu musi­zieren, sich zu bewegen, Sport auszuüben und sich zu entspannen.

–    Sport und kulturelle Bildung für alle Kinder: Vielen Kindern ist es heute schon möglich Hobbys nachzugehen. Für andere ist es aus finanziellen Grün­den gar nicht möglich, einen Musik-, Kreativ- oder Sportkurs zu besuchen. Bildungseinrichtungen müssen vielfältige Freizeitaktivitäten für alle Kinder zu­gänglich machen. Die tägliche Turnstunde und regelmäßige Kreativein­heiten müssen selbstverständlicher Teil von Schule sein!

–    Mehr Inklusion: Die Mittel für den Sonderpädagogischen Förderbedarf dürfen nicht mehr gedeckelt sein und jedes Kind soll ein Recht auf ein 11. und 12. Schuljahr haben.

–    Massive Investitionen in die Elementarpädagogik – zumindest 1 Milliarde Euro jährlich mehr – und Erwachsenenbildung.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, im BVA 2024 die notwendigen Mittel für ein modernes, innovatives und sozial gerechtes Bildungssystem vorzusehen. Insbesondere sollen damit ein Ausbau vor allem der Ganztagsschule in ihrer verschränkten Form, individuelle Förderung und Inklusion, die nächsten Schritte zu einer gemeinsamen Schule der 6- bis 14-Jährigen, ein tägli­ches warmes Mittagessen für jedes Kind, eine soziale Indexierung bei der Mittelzutei­lung, zusätzliches Supportpersonal und multiprofessionelle Teams und adäquate Schulbauten finanziert werden und Lehrer:innen ein eigener Arbeitsplatz und notwendige Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.