17.28

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um einen Entschließungsantrag, in dem der Bildungsminister ersucht wird, „in seinem Wirkungsbereich Maßnahmen zu ergreifen“, um wirksam Antisemitismus zu bekämpfen „sowie Extremismus von linker, von rechter oder von islamistischer Seite präventiv“ entgegenzuwirken.

Das ist eine Präambel, die wir selbstverständlich auch unterstützen können, aber in diesem Entschließungsantrag finden sich Punkte, mit denen wir einfach nicht einverstanden sind. Wir haben im Vorfeld Gespräche geführt, und das waren auch sehr konstruktive, gute Gespräche. Wir haben aber von Anfang an klargestellt, dass wir ganz einfach mit einem solchen Antrag nicht dafür eintreten wollen, schulfremde Personen oder Institutionen in die Schulen zu holen. Es gibt gut ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen an den Schulen, und das ist einfach eine Maßnahme, die nicht notwendig ist, daher haben wir uns schlussendlich auch dazu entschlossen, bei diesem Antrag nicht mitzustimmen.

Ich möchte aber auch erwähnen, dass es ja bereits im Juli 2022 einen nahezu ähnlich lautenden Entschließungsantrag gegeben hat, der auch angenommen wurde. In diesem Antrag ist unter anderem die Rede von einem „Ausbau der Angebote der Demokratiewerkstatt“ und einer bundesweiten Initiative, „um das Interesse an Demokratiebildung zu stärken.“ Es geht darum, „das Vertrauen in die Demokratie zu stärken“, und um die „Aufbereitung von Materialien für Schulen sowie Lerninhalte“ und so weiter.

Da frage ich mich jetzt: Was bitte sehr ist denn aus diesem Antrag geworden? Das verhält sich ja genau so, wie ich es heute bereits in meiner vorigen Rede gesagt habe: Man beschließt etwas, aber man kontrolliert es nicht, man verfolgt es nicht, und das verschwindet einfach in einer Schreibtischlade.

Daher bringt uns dieser Antrag aus unserer Sicht nicht weiter. Wir haben da als Freiheitliche ganz einfach einen anderen Zugang. Wir fordern hier konkrete Maßnahmen, einen ganz konkreten Plan und einen ganz konkreten Katalog, den wir hier auch vorlegen, weil an unseren Schulen tatsächlich zum Teil erschütternde Zustände herrschen. Das wissen wir ja alle.

Weil das so ist und es an unseren Schulen teilweise wirklich so schlimm ist, hat zum Beispiel die Stadt Wien vor Kurzem ein neues Antigewaltpaket vorgestellt. Eine Tageszeitung berichtet darüber und schreibt: Pädagogen schlagen Alarm. In Wiens Schulen regiert die Angst. „Österreich ist ein tolerantes Land. Doch das wird mitunter schamlos ausgenutzt. Religiöse und gewaltverherrlichende Ideologien finden immer öfter den Weg in die Klassenzimmer.“ Dann geht es so weiter: Die Gewaltspirale dreht sich, Suspendierungen. Es gibt Anzeigen. Lehrer berichten von immer heftigeren Attacken gegen die Pädagogen und andere Mitschüler.

Also das, was sich in den Schulen abspielt, ist teilweise wirklich dramatisch. Es ist erschütternd. Daher wollen wir, dass man hier konkrete Maßnahmen einleitet. Wir bringen daher einen Entschließungsantrag ein, einen Neunpunkteplan als Antwort auf dieses zunehmende Gewalt- und Konfliktpotenzial an unseren Schulen.

Dieser Antrag umfasst neun Punkte. Im ersten Bereich geht es um die Prävention. Da geht es um die Konfliktprävention. Da geht es darum, dass wir in den Schulen Gruppenbildungsprozesse einführen. Da geht es darum, dass wir den Lehrern die notwendige Ausbildung geben. Da geht es auch darum, dass wir einfach dieses Selbstbildnis der gewaltfreien Schule stärken.

Im zweiten Teil geht es dann um die Stärkung der Resilienz. Es geht darum, die Konfliktresilienz zu stärken.

Im dritten Teil geht es um Eskalation und Deeskalation beziehungsweise darum, dass falsches Handeln auch tatsächlich Konsequenzen haben muss. Das ist etwas, was wir heute nicht haben. Die Lehrer sind ja vielfach machtlos, etwas zu tun, wenn ein Schüler völlig aus der Rolle fällt. Die Lehrer sind nahezu machtlos, da etwas zu tun. Das ist es, was wir ändern wollen. Das fordern wir hier ein, dass man einfach auch so weit geht, dass man Konsequenzen ziehen kann.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „9-Punkte-Plan als Antwort auf das zunehmende Gewalt- und Konfliktpotenzial an Schulen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Umsetzung der dargestellten Maßnahmen des 9-Punkte-Programms gegen das Konflikt- und Gewaltpotenzial an Schulen beinhaltet.“

*****

Ich ersuche hier um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

17.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Brückl, MA

und weiterer Abgeordneter

betreffend 9-Punkte Plan als Antwort auf das zunehmende Gewalt- und Konfliktpotenzial an Schulen

eingebracht in der 245. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Dezember 2023 im Zuge der Debatte zu TOP 17, Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 3717/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prävention vor Extremismen (2332 d.B.)

Das österreichische Schulwesen sieht sich insgesamt mit neuen und größeren Herausforderungen im Bereich der Gewalt- und Konfliktprävention konfrontiert. Sie sind das Ergebnis eines längerfristigen Prozesses dem nun gegengesteuert werden muss.

Im Wissen um die Dringlichkeit der Problemlage hat die türkis-blaue Bundesregierung bereits 2019 einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der aber vom ÖVP-geführten Bildungsministerium bis heute nicht umgesetzt wurde. Prävention, Konflikt-Resilienz und Eskalation sind die Eckpfeiler des 9-Punkte-Programms.

Prävention

1.         Gruppenbildungs-Prozesse in Neuklassen: Am Beginn der jeweiligen Bildungsübergänge werden in neu eingerichteten Klassen der Sekundarstufe 1 und 2 Gruppenbildungs-Maßnahmen vorgesehen. Diese werden auf Basis eines Konzepts durchgeführt.

2.         Verbesserte Ausbildung von Lehrkräften, insbesondere der Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger: Im Rahmen der Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen wird ein stärkerer Fokus auf die Bewältigung von Konfliktsituationen gelegt. Derzeit sind entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht standardisiert vorgesehen. Bestehende Modelle (z.B. wie jenes des Programms Teach for Austria) sollen in die Aus-, Fort- und Weiterbildung verbindlich und standardisiert Eingang finden.

3.         Stärkung des Selbstbildes „Gewaltfreie Schule“: Durch verstärkte Anwendung von Verhaltensvereinbarungen soll das gewaltfreie Selbstbild von Schulen gefördert und forciert werden.

Konflikt-Resilienz

4.         Abkühlphase: Schülerinnen und Schüler, die einmalig ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen, es sich hier aber um keine regelmäßige Verhaltensauffälligkeit handelt, sollen ihre Klasse vorübergehend – für ein paar Stunden bzw. einen Halbtag – verlassen und die Möglichkeit zur Beruhigung geschaffen werden. 

5.         Plattform für betroffene Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler: Abseits aller bestehenden Weisungsketten wird von Seiten des Ministeriums eine anonyme Online-Plattform eingerichtet. Dadurch soll eine unbürokratische Ansprechstelle für Notsituationen geschaffen werden. Ein zügigeres Eingreifen der jeweils zuständigen Stellen soll dadurch ermöglicht werden.

6.         Qualifizierung von Lehrkräften zu Streitschlichterinnen bzw. Streitschlichtern: Im Rahmen der Pädagogischen Hochschulen werden Ausbildungsformate zur Streitschlichtung und Deeskalation eingeführt. Lehrerinnen und Lehrern sollen die Möglichkeit haben, sich dafür ausbilden zu lassen. Solche eigens ausgebildeten Lehrkräfte sollen an ihren jeweiligen Schulstandorten im Bedarfsfall deeskalierend einwirken. 

7.         Schulmanagement – Direktionen und Schulaufsicht: Um das Wissen über bereits jetzt bestehende schuldisziplinarische Maßnahmen auf allen Ebenen der Schulaufsicht zu stärken werden umfangreiche Informations- und Schulungsmaßnahmen vorbereitet und durchgeführt. 

Eskalation

8.         Verbindliche Einrichtung von „Auszeit-Gruppen“ für (dauerhaft oder regelmäßig) aggressive und auffällige Schülerinnen und Schüler: Schülerinnen und Schüler, die durch massive disziplinarische Verfehlungen den Unterricht in der Klasse bzw. an der Schule behindern, sollen verbindlich und unverzüglich einer Auszeit-Gruppe zugewiesen werden können. Die entsprechenden Regelungen für die allenfalls zügige Anwendung des Verfahrens werden präzisiert

Eine Auszeit-Gruppe an einem Schulstandort bewegt sich im Ausmaß von 5 bis maximal 8 Schülerinnen bzw. Schüler. Diese Gruppen sollen möglichst außerhalb der Schule in geeigneten (bereits bestehenden) Einrichtungen betreut werden. Im Fall einer geringeren Anzahl sollen auch regionale oder individuelle Lösungen angewandt werden können. Eigens geschultes Personal zur Leitung der Gruppen wird zum Einsatz kommen.

Ziel der Auszeit-Gruppe ist es, eine möglichst rasche Rückkehr der betreffenden Schülerinnen und Schüler in die Regelklasse zu ermöglichen. Sie stellen deshalb ein dynamisches Modell dar, das strikt an den jeweiligen Problemlagen ausgerichtet ist. Die Zuweisung in eine Auszeit-Gruppe kann bedeuten, dass eine Schülerin oder ein Schüler lediglich ein, zweimal in der Woche an entsprechenden Maßnahmen der Auszeit-Gruppen teilnimmt, ansonsten jedoch in der Regelklasse verbleibt. Es wird jedoch auch Fälle geben, in denen es notwendig erscheint, dass zunächst die gesamte Unterrichtszeit in der Auszeit-Gruppe verbracht wird und erst nach einigen Wochen eine schrittweise - und gut begleitete - Rückkehr in die Klasse erfolgt.

Auszeit-Gruppe sollen bei Vorliegen entsprechender Fälle in der Primarstufe und Sekundarstufe I verbindlich eingerichtet werden.

9.         Klarere, Regeln für die zügige und permanente Wegweisung von aggressiven und verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern: Im Fall von nicht mehr schulpflichtigen Schülerinnen und Schülern, die durch sehr aggressives Verhalten die Arbeit in einer Klasse oder der ganzen Schule stören, sollen die Bestimmungen für den Schulausschluss präzisiert werden. Der zügige(re) Ausschluss auf Basis klarer(er) Regeln soll ermöglicht werden.

Damit diese Schülerinnen und Schüler nicht einfach ohne jegliche Ausbildung verbleiben, wird (in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend und dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz aufgrund des Ausbildungspflichtgesetzes) konkret durch das AMS bzw. das Sozialministeriumsservice (SMS) und seinen Koordinierungsstellen in den Bundesländern ein Perspektiven- und Betreuungsplan erarbeitet.  

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Umsetzung der dargestellten Maßnahmen des 9-Punkte-Programms gegen das Konflikt- und Gewaltpotenzial an Schulen beinhaltet.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Rudolf Taschner. – Bitte.