Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Unabhängigkeit der Justiz gilt als tragende Säule aller modernen Demokratien. Sie gerät trotzdem selbst in Europa immer wieder unter Druck.

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„Wie haben Sie als Justizministerin die Unabhängigkeit der Justiz strukturell abgesichert?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die Justiz ist eine tragende Säule unserer offenen und liberalen Demokratie, und sie ist essenziell für das Funktionieren eines Rechtsstaates. Man kann das Funktionieren des Rechtsstaates nur dann sicherstellen, wenn die Justiz auch ausreichend Ressourcen zur Verfügung hat, sprich, wenn ausreichend Personal da ist. Die Justiz braucht Personal, sowohl bei den Staatsanwaltschaften als auch bei den Gerichten als auch beim Supportpersonal.

In den letzten vier Jahren ist es uns gelungen, deswegen 650 Planstellen mehr für die Justiz zu bekommen. Diese fließen in die Staatsanwaltschaften, in die Gerichtsbarkeit, sie fließen in das Supportpersonal, und – was mir wichtig ist – gerade wenn es darum geht, Verfahren zu beschleunigen, haben wir zwei neue Berufsgruppen in der Justiz geschaffen: Das sind die Verfahrensmanager – diese managen große Verfahren –, und ich glaube, dass das entscheidend ist.

Natürlich gibt es dann auch weitere umfangreiche strukturelle Maßnahmen, die wir getroffen haben.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Daran anknüpfend, und um das noch etwas zu präzisieren: Welche Maßnahmen haben Sie im Bereich des Justizbudgets dafür getroffen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Beim Justizbudget haben wir in den letzten vier Jahren eine 50-prozentige Steigerung erreicht, das bedeutet für die Justiz 800 Millionen Euro mehr. Weil ich vorhin von den zwei Gruppen gesprochen habe: Das eine sind eben die Verfahrensmanager und das andere sind juristische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Gericht, weil es ja letzten Endes auch darum geht, dass es, wenn große Verfahren geführt werden müssen, immer sinnvoll ist, wenn man auch juristische Unterstützung hat.

Ich glaube, im Großen und Ganzen ist uns diese Trendwende gelungen, denn wie Sie wissen hat ja mein Amtsvorgänger immer wieder vom „stillen Tod“ der Justiz gesprochen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte sehr.

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Ich möchte nochmals zum Thema Unabhängigkeit der Justiz nachhaken. Es ist ja nicht nur in Nachbarländern so, dass die Justiz unter Druck steht – wie zum Beispiel in Ungarn, wo etwa der Verfassungsgerichtshof beschränkt wird –, sondern auch in Österreich erleben wir, dass die Justiz immer wieder Angriffen ausgesetzt ist. Ich erwähne nur die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die auch immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt ist.

Daher möchte ich nochmals nachhaken. Sie haben zwar heute gesagt, dass Sie in stärkerem Ausmaß Ressourcen zur Verfügung stellen, mir geht es aber wirklich darum: Wie kann man die Unabhängigkeit der Justiz auch strukturell mit anderen Maßnahmen sicherstellen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Die wichtigsten Maßnahmen, wie Sie auch erwähnt haben, sind natürlich jene im Bereich der Ressourcen und des Personals – und dann gibt es die strukturellen Maßnahmen.

Wir haben einerseits umfangreiche strukturelle Maßnahmen gesetzt, wie zum Beispiel auch die innere Gewaltenteilung im Justizministerium – es gibt eine Sektion für Einzelstrafsachen, die nur nach innen arbeitet, und eine Sektion für Straflegistik, die auch mit Stakeholdern spricht und mit Abgeordneten redet, weil Legistik zu erarbeiten ist. Somit haben wir quasi den Zustand von vor 2009 wiederhergestellt, der sich meines Erachtens auch bewährt hat.

Andererseits haben wir uns gemeinsam mit Expert:innen angeschaut, welche weiteren Compliancemaßnahmen man setzen muss, um da auch Regelungen zu schaffen. Zum Beispiel wurde explizit geregelt, dass das Versenden von Aktenteilen über Messengerdienste verboten ist. Das haben wir geregelt und bei jedem Verstoß droht ein Disziplinarverfahren. Außerdem wurde ein justizinternes Hinweisgeber:innensystem eingerichtet. Das ist ein Teil eines ressortweiten Compliancemanagementsystems und ich glaube, dass das im Sinne einer strukturellen Absicherung richtig ist.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Reifenberger. – Bitte.

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sie haben der Staatsanwaltschaft Wien die Weisung erteilt, gegen die Enthaftung der Klimakleberin Anja Windl keine Beschwerde einzulegen. Sollten Sie persönlich – oder als Grünpolitikern – Sympathien für Frau Windl hegen, ist Ihnen das natürlich unbenommen. Persönliche Befindlichkeiten in Ihr hoheitliches Handeln als Justizministerin einfließen zu lassen, ist aber etwas anderes. Das geht nicht. Das ist unangemessen, unangebracht und schadet auch dem Ansehen der Justiz massiv. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie exkulpieren damit durch die Hintertür auch klimaterroristische Aktionen. Die Optik ist jedenfalls verheerend.

Sie widersprechen sich aber auch selbst, Frau Bundesminister. Im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft sprechen Sie immer davon, wie wichtig die Weisungsfreiheit sei. (Abg. Lukas Hammer: Frage stellen!) Mit Verlaub, so zu argumentieren, aber völlig anders zu handeln, das geht sich nicht aus. Solche Einflussnahmen als Wahrnehmung der Fachaufsicht und Qualitätskontrolle durch die Fachabteilung vom Tisch zu wischen, das geht sich auch nicht aus, Frau Bundesminister.

Daher folgende Zusatzfrage: Steht die Weisung, die U-Haft der Klimaterroristin Anja Windl aufzuheben, nicht in krassem Widerspruch zu Ihrer Intention, eine weisungsunabhängige Bundesstaatsanwaltschaft einzurichten? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Man muss von dem, was Sie gesagt haben, einiges zurechtrücken. Wir haben in der Justiz ein Dreiinstanzensystem: die Staatsanwaltschaft, die Oberstaatsanwaltschaft und eine Fachabteilung im Ministerium, die Fachsektion, die sich in dritter Instanz damit beschäftigt. Es gibt sogar eine vierte Instanz, den Weisungsrat.

In diesem Fall hat das Landesgericht entschieden, dass eine Haft nicht verhältnismäßig ist, und hat gelindere Mittel angeordnet. Das heißt, die Haft ist ja nicht vom Tisch. Es gibt gelindere Mittel.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat geplant, dagegen eine Beschwerde zu erheben. Dann ging es ins Ministerium, die Fachabteilung im Ministerium hat auch die für die Legistik zuständige Strafrechtssektion eingebunden und sie sind zu dem Schluss gekommen, dass das gelindere Mittel ausreichend ist und eine Beschwerde gegen das Landesgericht in diesem Zusammenhang nicht erfolgsversprechend wäre. (Abg. Gerstl: Wir haben ja ein Gericht!)

Daher wurde die Weisung erteilt, und ich wurde dann darüber informiert.

Stellen Sie sich vor, ich hätte in diese Weisung eingegriffen und hätte gesagt: Nein, weil politischer Druck zu erwarten ist, bitte diese Weisung streichen. – Das wäre politische Einflussnahme. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Gödl: Das ist eine Sauerei! – Ruf bei der ÖVP: Wirklich!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Margreiter. – Bitte.