Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Frau Ministerin! Sie haben ja vor mittlerweile mehr als vier Jahren im Regierungsprogramm verankert, die Klimaneutralität bis 2040 erreichen zu wollen. Jetzt ist es so, dass die europäischen Ziele für Österreich weniger ambitioniert sind als jene der Bundesregierung. Um diese europäischen Ziele zu erreichen – also ohnehin jene, die unter Ihren eigenen Zielen liegen –, gibt es den Nationalen Energie- und Klimaplan.
Jetzt muss man wissen, dass eine erste Frist bereits verstrichen ist und von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausschließlich Österreich und Polen keinen Plan eingereicht haben – beziehungsweise in Ihrem Fall haben Sie einen Plan eingereicht, den Ihre Ministerkollegin Edtstadler wieder zurückgezogen hat. Jetzt verhält es sich also so, dass wir das einzige Land in der Europäischen Union sind, das keinen Regierungswechsel hatte und keinen Plan vorgelegt hat, und der Plan, den Sie ursprünglich vorgelegt haben, sogar lückenhaft war, also deutlich unterhalb der Ziele, die Sie als Regierung sich gesetzt haben.
Frau Ministerin, die konkrete Frage ist daher:
„Wann werden Sie den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans bei der Europäischen Kommission einreichen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie haben es in Ihrer Fragestellung selbst schon angesprochen – als kurze Antwort: Ich habe den Entwurf vom 3. November 2023 eingereicht, dieser wurde dann zurückgezogen – wie Sie auch wissen, nicht von mir. Wir arbeiten, das ließe sich sehr schnell erledigen, aber wir haben eine Verpflichtung der Europäischen Union gegenüber, nämlich bis Ende Juni, also bis Halbjahr, einen finalen Plan abzugeben.
Beim Entwurf für weitere Maßnahmen, der sich weitestgehend am aktuellen Rechtsbestand, an den Maßnahmen, die die Bundesregierung schon beschlossen hat, orientiert, hat uns das Bundesumweltamt unterstützt, auch die anderen Ressorts haben sich in diesen Prozess eingebracht, aber Sie haben recht, da gibt es noch eine Lücke. Ich konzentriere mich jetzt darauf, diese Lücke zu schließen, denn darum geht es. Wir haben in der Frage davor gerade die Strafzahlungen diskutiert.
Um diese Zielerreichungslücke zu schließen, haben wir im Sommer eine öffentliche Konsultation gehabt, da gab es Gelegenheit, auch Vorschläge für zusätzliche Maßnahmen zu machen. Die Stadt Wien etwa, wo Sie ja auch in der Regierung sind, hat Tempo 100 auf Autobahnen vorgeschlagen. Temporeduktionen kamen zum Beispiel auch vom ÖGB, um nur Beispiele zu nennen.
Vor Kurzem hat das CCCA auch eine wissenschaftliche Analyse der Maßnahmenvorschläge aus der Konsultation abgeschlossen, auch diese Vorschläge fließen in die weitere Arbeit ein. Mein Ziel ist also, bis Sommer fristgerecht einen finalen Plan mit zusätzlichen Maßnahmen im Inland vorzulegen, mit dem wir die Lücke schließen können.
Klar ist aber auch – das zeigen auch schon die genannten Beispiele –: Wir brauchen Maßnahmen, die eine breite Akzeptanz haben und die auch eine Mehrheit in diesem Haus haben. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir, wenn wir das gut abschließen und gemeinsam auch einen guten finalen Plan erarbeiten, da gut vorankommen. Wir haben schon oft auch schwierige Aufgaben gemeistert.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich Ihnen für die Zusatzfrage das Wort erteile, darf ich noch die Reihenfolge der zusätzlichen Zusatzfragen bekannt geben, weil sich diese ja während der Sitzung geändert hat: Die erste Zusatzfrage stellt dann Abgeordneter Linder, erst die zweite dann Abgeordneter Litschauer und die dritte dann Abgeordnete Schmidt.
Jetzt ist zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Bernhard zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Ministerin, man muss aufgrund der Antwort schon auch festhalten, dass Sie selbst nach vier Jahren des Regierens noch keinen Plan vorgelegt haben, wie Sie das Ziel, das Sie sich im Regierungsprogramm gesetzt haben, in irgendeiner Form erreichen wollen.
Jetzt haben Sie das CCCA angesprochen, das wissenschaftliche Gremium. Es gibt aus unserer Sicht den Bedarf, nicht nur mit der Wissenschaft zu reden – was zweifellos wichtig ist –, sondern auch mit der mittelständischen Wirtschaft, die ja nicht von der Wirtschaftskammer vertreten wird, denn die Wirtschaftskammer verfolgt ja Klimaziele aus dem 19. Jahrhundert.
Jetzt wäre meine Frage: Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Ministerium auch wirklich mit der mittelständischen Wirtschaft in einen Austausch kommt, damit man gemeinsam die Klimaziele erreichen kann?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben natürlich – da stimme ich Ihnen zu – bei Beteiligungsformaten immer auch eine Aufgabe – ganz egal, ob es um Konsultationen geht, ob es um Formate wie einen Klimarat geht, ob es um Formate wie den Klimadialog geht, der gerade stattfindet –, nämlich uns wirklich immer umfassend anzuschauen, dass wir alle Sektoren vertreten und eine gute Repräsentation auch in der Teilhabe haben, dass wir einen umfassenden Austausch haben.
Sie können sich sicher sein: Gerade die kleinen, gerade auch die Unternehmen, die Sie jetzt noch gar nicht genannt haben – Einpersonenunternehmen und alles, was zum bunten Ökosystem der Wirtschaft dazugehört –, sind besonders der Grünen Partei ein großes Anliegen. Wenn wir bei bestimmten Formaten noch nachbessern können, dann bin ich gerne bereit, das auch zu tun. Ein umfassender Austausch ist speziell in dem Bereich wichtig, und deswegen versuchen wir auch, mit ganz konkreten Fördermöglichkeiten auf genau die Unternehmensnotwendigkeiten einzugehen, weil es da eben andere Voraussetzungen als bei großen Unternehmen gibt, die vielleicht eine eigene Abteilung für den Bereich Klimaschutz haben. Es geht darum, wirklich dort hinzuschauen, wo wir noch konkret unterstützen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Linder. – Bitte sehr.
Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Teil Ihrer Klimastrategie oder Ihres Klimaplans ist ja auch die Besteuerung von CO2, die natürlich zu ganz hohen Energiepreisen führt, die auch die Konsumenten an den Tankstellen merken. Um das ein bisschen abzufedern, wurde der Klimabonus ins Leben gerufen.
Aus der Praxis heraus wissen wir, dass die Verteilung dieses Klimabonus sehr, sehr ungerecht ist. Ich nehme meine Gemeinde her: Bei uns bekommen die Bürger Klimabonusklasse drei: 185 Euro. Die zwei Nachbargemeinden, die näher an den Städten liegen, die an denselben Buslinien liegen – der Bus fährt durch das Tal durch –, sind in der Klimabonusklasse vier, da bekommen die Menschen 220 Euro. Das bedeutet für eine Familie mit vier Personen eine Ungerechtigkeit von 140 Euro, die keiner versteht. Wir haben auch vom Kollegen Kollross Ähnliches gehört.
Meine Frage an Sie: Wann, denken Sie, werden Sie die Verteilung des Klimabonus überarbeiten und wann werden Sie dafür sorgen, dass da Gerechtigkeit – nachvollziehbare Gerechtigkeit – eintritt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben mit der CO2-Bepreisung wirklich einen Meilenstein im österreichischen Steuersystem geschaffen, und wir haben dafür gesorgt, dass es sozial gerecht ausgestaltet wird. Das hat auch der Budgetdienst des Parlaments evaluiert: Der Klimabonus sorgt dafür, dass gerade den einkommensschwächeren Haushalten nach unten hin mehr übrig bleibt. Er wirkt also progressiv, und trotzdem hat die Steuer eine Lenkungswirkung. Also das ist wirklich ein gut durchdachtes und gut konzipiertes System.
Wir haben uns deswegen auch darum bemüht, einen regionalen Ausgleich zu finden, denn es hat nicht jede Gemeinde die Infrastruktur einer Großstadt. Es gilt zu beachten: Wie nah ist die Bezirkshauptmannschaft, die Schule, der Arbeitsplatz, das nächste öffentliche Verkehrsmittel? Diese Kategorisierung hat aber nicht das Ministerium vorgenommen, sondern diese Kategorisierung haben wir bewusst an Expertenorganisationen ausgelagert. Die Statistik Austria war daran federführend beteiligt. Wir haben auch vor, diese Kategorisierung regelmäßig zu evaluieren. Das ist letztes Jahr geschehen, wonach wir teilweise umkategorisiert haben. Die nächste Evaluierung wird nach dem Durchlauf 2024 stattfinden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Litschauer. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Die nationalen Energie- und Klimapläne sind ja für alle Länder in der EU eine Herausforderung. Jetzt haben wir in den letzten Jahren erlebt, dass vor allem die atomkraftfreundlichen Länder viele Regelungen auf EU-Ebene verschleppt und verwässert haben und uns die Aufgabe noch schwerer gemacht haben. Gleichzeitig sind die Atomkraftanlagen selber vom Klimawandel betroffen: Steigende Meeresspiegel, Hochwasser, Stürme und Co sowie fehlendes Kühlwasser setzen den Atomanlagen zu.
Aktuell liefert die Atomindustrie weniger Strom als eigentlich ursprünglich zugesagt. In Frankreich wurden wieder Kohlekraftwerke angeworfen, und jetzt wurde angekündigt, dass neue Atomkraftwerke in Frankreich gebaut werden sollen, wo es noch gar keine fertigen Pläne, keine Finanzierungen und auch noch keine Atommülllager gibt, die man dafür bräuchte.
Wie realistisch ist es denn überhaupt, dass diese Länder mit diesen Ankündigungen die nationalen Energie- und Klimapläne überhaupt einhalten können, sodass die Klimaziele dann erreicht werden, denn wir wissen ja, dass der Bau meistens länger dauert?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Das ist ein Thema, das die europäische Atomindustrie seit Jahren und Jahrzehnten begleitet: Sie kann ihre eigenen Versprechen nicht einlösen. Ich finde, das zeigt sich ja auch sehr gut in den Aussagen bei der letzten Klimakonferenz. Wir haben für alle Staaten verbindlich beschlossen, wir verdreifachen den Erneuerbarenanteil bis 2030. Die Atomindustrie traut sich das Versprechen nicht einmal gescheit bis 2050 abzugeben. Wir sehen aber in der Realität: Sie hält diese Versprechen nicht ein.
Warum? – Weil sich die Bauzeiten ständig, und zwar massiv, um Jahre und Jahrzehnte verzögern, weil die Kosten bei allen bekannten Projekten, die derzeit in Bau sind, explodieren und weil sich damit einfach die bessere Technologie durchsetzt – und das sind die Erneuerbaren. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist die kostengünstigste Möglichkeit für die Klimazielerreichung. Ganz egal, welches Szenario man sich anschaut, das Szenario der Europäischen Kommission und sogar das Szenario der französischen Umweltagentur zeigen ganz klar: Der Großteil des Strommixes, des Energiemixes wird 2050 aus Erneuerbaren kommen, und genau deswegen müssen wir dort hinschauen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Schmidt.
Abgeordnete MMag. Michaela Schmidt (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Dass sich die Regierung beim Klimaschutz nicht einig ist, zeigt ja vor allem das nach wie vor fehlende Klimaschutzgesetz. Es fehlt mittlerweile seit 1 170 Tagen und sollte ja eigentlich die nationalen Klimaziele definieren, damit man eben Strafzahlungen, die ansonsten drohen, vermeiden kann.
Meine Frage dahin gehend wäre jetzt: Ist es zutreffend, dass sich die ÖVP-geführten Ministerien im Prozess zum Nationalen Energie- und Klimaplan dafür eingesetzt haben, zur Vermeidung dieser Strafzahlungen lieber CO2-Zertifikate zu kaufen, als Maßnahmen zu setzen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Krainer: Eine gute Frage!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Dass diese Regierung im Klimaschutz sehr, sehr, sehr viel in den letzten Jahren weitergebracht hat, das sind nicht meine Aussagen, das zeigen die Zahlen. Es ist das erste Mal in der Republik, dass die Emissionen tatsächlich runtergehen, und zwar deutlich, nicht nur in den Prognosen, sondern in der Realität, von Jahr zu Jahr und in allen Sektoren, inklusive des Verkehrsbereiches, in dem wir jahrzehntelang nur Steigerungen zusammengebracht haben. Das liegt an den ganz konkreten Maßnahmen, die wir in den letzten vier Jahren umgesetzt, die wir durchgesetzt haben und die jetzt zu wirken beginnen. Das ist gut und es freut mich wirklich, dass wir das so geschafft haben.
Ja, wir sind noch nicht in allem einig. Ich habe auch schon gesagt: Könnte ich es allein entscheiden, hätten wir schon ein Klimaschutzgesetz, aber am Ende geht es darum: Wir kriegen eine Lösung auf den Boden, das werden wir auch beim Nationalen Energie- und Klimaplan schaffen. Es ist kein Geheimnis: Ich halte es nicht für die beste Lösung, Klimaschutz im Ausland zu finanzieren, indem wir Milliarden für Zertifikatskäufe ins Ausland überweisen, sondern wir tun uns alle einen Gefallen, wenn wir diese Milliarden in die Hand nehmen und sie im Inland in den Klimaschutz investieren. Das bringt Wohlstand, Jobs und Klimaschutz.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage, 329/M, stellt Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte sehr. (Abg. Krainer: Die Frage haben Sie aber nicht beantwortet! Die war sehr klar!)