19.36
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte es etwas ruhiger angehen, aber Gabriel Obernosterer hat sich ja beim letzten Tagesordnungspunkt fast ein bisschen in Rage geredet. Es war ein bisschen eine Mischung aus einem jungen Wolfgang Schüssel und einer Maggie Thatcher aus dem Kärntner Lesachtal. Er hat da Brandreden über die Wirtschaftskompetenz der ÖVP gehalten. Franz Hörl hat fast Tränen in den Augen gehabt, hat das wirklich auch geglaubt. Gerald Loacker hat sogar vergessen, seinen Antrag einzubringen, weil es geheißen hat: Wir werden die Wirtschaft entfesseln!
Wenn wir uns die Performance der ÖVP im Bereich der Bekämpfung der Teuerung der letzten Jahre anschauen (Abg. Michael Hammer: Es geht um den Finanzausgleich!), dann passt natürlich die Entwicklung Österreichs nicht ganz zu den Fakten und zur angeblichen Wirtschaftskompetenz der ÖVP. Um das noch einmal kurz auch vor dem Hintergrund des Budgets in Österreich zu thematisieren: Wir haben es geschafft, 18 Monate in Folge die höchste Inflationsrate in ganz Westeuropa zu haben – die höchste Inflationsrate in ganz Westeuropa!
Die Regierung feiert sich dafür, dass sie am allermeisten Geld ausgegeben hat, aber wir sind als die Schlechtesten durch diese Krise gekommen, und das ist dramatisch für die breite Masse der Bevölkerung, für die Pensionistin, die vielleicht jetzt heute am Abend noch im Supermarkt gestanden ist, was eingekauft hat, die mehr zahlt als andere, für die Menschen, die hohe Heizkosten tragen müssen oder die explodierenden Mieten in Österreich. Das ist die Gemengelage, die uns die ÖVP in Österreich eingebrockt hat.
Das ist nicht nur dramatisch für die breite Masse der Bevölkerung, es ist natürlich auch eine Katastrophe für das österreichische Budget – mehr als 20 Milliarden Euro Defizit. Das ist eine Katastrophe auch für den Wirtschaftsstandort Österreich, weil wir deutlich schlechter durch diese Krise gekommen sind.
Ich verstehe in dieser Gemengelage – schlechtes Management dieser Krise, Milliardenschulden –, dass der Finanzminister dann nicht unbedingt sparsam unterwegs ist – eh nicht mit seinem eigenen Geld, sondern mit dem Steuergeld der Bürger – und sich irgendwie überlegt hat: Kann man nicht marketingtechnisch in einem nahenden Wahlkampf irgendetwas platzieren, das noch super klingt? Ihm ist dann eingefallen: Da hat es ja damals zwei Spezialisten gegeben, Hartinger-Klein, die gemeinsam mit Herbert Kickl auch so einen Marketinggag produziert hat, nämlich eine Patientenmilliarde. (Zwischenruf bei der FPÖ.)
Dann hat sich der Finanzminister gedacht, was unter Hartinger-Klein funktioniert hat, das müssen wir jetzt noch einmal machen: Wir machen jetzt eine Wohnbaumilliarde in Österreich! – Da hat sich die Regierung doch jetzt monatelang für eine Wohnbaumilliarde gefeiert. (Abg. Hörl: Clever, oder?! – Ruf bei der ÖVP: Ja!) – Clever? Franz Hörl kommt auch ein bisschen aus dem Marketing. Man soll nur die eigenen Schmähs nicht glauben (Abg. Michael Hammer: Aber die Roten in der Steiermark haben es schon beschlossen! In der Steiermark gibt es sie!), sonst geht es dir so wie Hartinger-Klein, die gesagt hat, das war alles nur ein Schmäh.
Gehen wir zu den Fakten zurück (Abg. Michael Hammer: Ja, Steiermark!): Diese Wohnbaumilliarde – und das ist schon ein Kunststück (Abg. Lindinger: Die Kollegen in der Steiermark fragen! Das ist eigentlich eine gute Idee!), das musst du erst schaffen – ist ein Wohnbaupaket, das es schafft, dass keine einzige Miete in Österreich gesenkt wird – keine einzige Miete! Kein einziger Häuslbauer in Österreich hat da auch nur irgendetwas davon. (Abg. Michael Hammer: Ja gegen die Wiener Mafia kann man nicht an! – Ruf bei der ÖVP: Da kennt ihr das Paket aber schlecht!) Im Gegenteil, ihr habt es handwerklich so schlecht gemacht, dass sich bis heute in Österreich niemand auskennt (Abg. Michael Hammer: In der Sozialdemokratie vielleicht! – Ruf bei der ÖVP: Ich glaube, ich darf das Wohnbaupaket noch mal neu vorstellen!) und die Menschen in Wahrheit jetzt eher gezögert haben, ob sie noch bereit sind, in ein Häusl zu investieren.
Ich möchte das jetzt ganz konkret machen. (Abg. Schroll: Die kennen sich ja selber nicht aus!) Da gibt es zum Beispiel das Versprechen eines Zinssatzes von 1,5 Prozent, wenn du ein Häusl für 200 000 Euro bauen willst. Das Pech ist nur, dass du das Ganze nur drei, vier Jahre kriegst.
Der Finanzminister erzählt das ja hier im Hohen Haus immer wieder, wie wichtig die Finanzbildung ist. Jetzt möchte ich nur ein paar Fragen stellen. Wer ist denn in der Lage, 200 000 Euro für ein Häusl innerhalb von drei bis vier Jahren zurückzuzahlen? Das kann sich nicht einmal Herbert Kickl leisten, der, wie man heute in der Zeitung gelesen hat, über 22 000 Euro im Monat kassiert. (Abg. Zarits: 24! Nicht einmal da kennst du dich aus!) Sogar der wird sich schwertun, in drei, vier Jahren 200 000 Euro auf die Seite zu legen.
Jetzt erklärt mir bitte, ob die Leute, die sich ein Haus auf 30, 40 Jahre finanzieren, sich nicht die Frage stellen: Was ist denn danach, nach diesen drei, vier Jahren mit 1,5 Prozent Zinsen? Was mache ich denn danach? Was wird mich das alles kosten? Diese Frage ist ja bis heute nicht einmal beantwortet worden. (Abg. Hörl: Wieder ÖVP wählen, weil wir verlängern das dann!) – Das also zur Finanzbildung und zur Wirtschaftskompetenz auch der ÖVP, wie ihr in diesem Zusammenhang umgegangen seid. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Lei, lei!)
Ein Punkt, der mir wirklich nahegeht, weil es 500 000 Haushalte in Österreich betrifft, ist: Eine Million Menschen, die jetzt einen Häuslbauerkredit laufen haben – das sind ganz normale Mittelstandsfamilien, in denen beide aufstehen und fleißig arbeiten gehen –, müssen auf einmal, innerhalb weniger Monate, 500, 600 Euro mehr für den Kredit zahlen, und für die tut ihr gar nichts. Für die tut ihr gar nichts – und auf der anderen Seite erleben wir, dass die österreichischen Banken, nachdem sie jahrelang durchschnittlich 6 Milliarden Euro Gewinn gemacht haben, in diesem Jahr 14 Milliarden Euro Gewinn machen.
Ich möchte noch ein paar konkrete Beispiele heraussuchen – schaut euch nur die Bilanzgewinne aus dem letzten Jahr an! –: Bei gleichem Umsatz werden 380 Prozent Gewinnsteigerung in einem Jahr verzeichnet. Ist das die Regel? Ist das branchenüblich? Liebe ÖVP mit eurer Wirtschaftskompetenz, wie viele Fliesenlegerbetriebe, die 380 Prozent Gewinn in einem Jahr machen, kennt ihr? Wie viele Handwerksbetriebe, die 380 Prozent Gewinn machen, gibt es in Österreich?
Das heißt, auf Kosten der breiten Masse der Bevölkerung, die ihre Häuslbauerkredite nicht mehr zurückzahlen können, und auch der Pensionistinnen und Pensionisten, die für die paar Euro, die sie am Sparbuch haben, keine Zinsen bekommen haben, haben die Banken Milliardengewinne gemacht. Und das Schlimme ist, das kann passieren – aber da darf man nicht zuschauen! (Beifall bei der SPÖ.)
Noch besser wäre, man verhindert das Ganze. Dazu hat es von der SPÖ Vorschläge gegeben, aber es gab keinen einzigen konkreten Vorschlag der ÖVP, was wir machen können.
Das sind ganz normale Familien in Österreich, die heute vor dem Schlafengehen nicht mehr wissen, ob sie sich das Häuschen noch leisten können. (Abg. Michael Hammer: Die schlafen jetzt eh schon bei der Rede!) Und dann reden wir von 14 Milliarden Euro Gewinn, und ihr schaut da genauso zu. Die Leute verlieren unter Umständen ihr Eigenheim – ihr macht gar nichts (Abg. Baumgartner: Das stimmt nicht!) –, während die Gewinne explodieren. Franz Hörl, 380 Prozent Gewinn in einem Jahr, ist das branchenüblich? Wir erklärst du denn das den kleinen Betrieben in Tirol? Und du schaust zu, du tust gar nichts. Die zahlen drauf! Die Pensionistin mit dem Sparbuch zahlt drauf. Es ist die Aufgabe der Politik, in diesem Bereich auch gegenzusteuern! (Beifall bei der SPÖ.)
Um das, was wir als SPÖ fordern, ganz konkret zu machen: Wir brauchen in Österreich eine Mietpreisbremse. Ein Viertel der Leute können sich in unserem Land das Wohnen kaum noch leisten. Mietpreissteigerungen von 25 Prozent innerhalb von zwei Jahren – fühlt euch einmal hinein in die Familien, was das heißt, wenn du die Miete zahlen musst und nicht mehr weißt, wie, und nicht weit hüpfen kannst. Das sind ganz normale Menschen in Österreich, die doch ein Recht haben, sich das Wohnen leisten zu können.
Lassen wir dann bitte auch die Häuslbauer in Österreich nicht im Stich und schauen wir, dass wir zumindest einen Bruchteil der Übergewinne der Banken abschöpfen und den Menschen in Österreich ihr Eigenheim in Zukunft garantieren können. (Ruf bei der ÖVP: Lei, lei!) Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, und wir im Parlament haben die Möglichkeit, da gegenzusteuern – statt angesichts von 14 Milliarden Euro auf der einen Seite einfach nur zuzuschauen. Fühlt in euch hinein und erklärt euren Betrieben vor Ort 380 Prozent Gewinn in einem Jahr, während andere Menschen ihr Häuschen verlieren. Es ist unsere Aufgabe, da gegenzusteuern und etwas zu tun – und nicht wie im Bereich der Energiekonzerne zuzuschauen und zu sagen, dass man ordentlich abschöpfen wird, dass man 4 Milliarden Euro abschöpfen wird, und dann werden es nur ein paar Hundert Millionen Euro.
Das wäre unsere gemeinsame Aufgabe. Es hat eh nicht gut funktioniert – wir sind schlechter durch die Krise gekommen als alle anderen Staaten in Westeuropa. (Abg. Michael Hammer: So ein Blödsinn! So ein Blödsinn! – Abg. Zarits: ... Blödsinn!) Werden wir wenigstens jetzt munter und tun wir etwas, um die Menschen in Österreich zu unterstützen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ich tät einmal nach Deutschland schauen zu deinen Genossen! – Abg. Kucher – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Wie hoch ist dort die Inflationsrate? – Abg. Michael Hammer: Ja, der Herr Scholz, der hat alles obigewirtschaftet! – Ruf bei der ÖVP: Wie hoch ist die Inflationsrate? 3,5 Prozent! – Abg. Michael Hammer: Die deutschen Sozis haben alles obidraht, und uns mit! – Ruf: ... Frechheit! – Abg. Michael Hammer: Ja, ist ja so!)
19.43
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.