11.15
Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Besonders begrüßen darf ich die Generation plus aus Oberösterreich. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
Man kann politische Berichte einordnen, wie man möchte. Man kann sie auch kritisieren. Aber eines braucht es in der Politik immer, und das ist Respekt, und ich möchte mich zu Beginn bei allen bedanken, die umfassend an diesem Bericht gearbeitet haben. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
Weil ich immer höre, die Armutszahlen hätten sich verschärft, die Regierung tue nichts: Das ist populistisch, gefährlich und dient auch nicht der Sache. Zum Glück haben wir einen starken Sozialstaat, der wirkt. In Österreich findet eine hohe Umverteilung statt, von Sachleistungen wie Gesundheitsvorsorge oder Bildung, aber auch Geldleistungen in Form von Sozialhilfe, Familienbeihilfe oder Pensionen, die Ungleichheiten beseitigt und auch armutsverringernd wirkt, und zwar von 42 Prozent auf 14,9 Prozent. Da sieht man, wie wichtig der Sozialstaat ist, vor allem für diejenigen, die ihn immer wieder angreifen. Wir sehen, was das sonst für die Bevölkerung heißen würde.
Zur sozialen Lage: Die Zahlen zur Armutsgefährdung wurden auf dem Höhepunkt der Inflation gemessen. Wir sehen, dass sich die Situation seit damals kontinuierlich positiv entspannt, aber nicht von selbst, sondern weil wir eine Reihe an Maßnahmen auf die Beine gestellt haben (Abg. Wurm: Märchen, Barbara!), denn wir wissen, dass gerade in Krisenzeiten – und wir haben einige Krisen hinter uns – diejenigen am meisten darunter leiden, die es ohnehin schon nicht einfach haben. Darum haben wir ein 500 Millionen Euro schweres Kinderarmutspaket auf die Beine gestellt, das treffsicher wirkt.
Auch der Budgetdienst gibt uns recht mit den Berechnungen, dass die 400 Millionen Euro bei den 30 Prozent der Menschen mit dem niedrigsten Haushaltseinkommen ankommen.
Wir haben 40 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Teuerung in die Hand genommen, damit Menschen eben nicht weiter in die Armut abrutschen oder in der Armutsfalle landen. Mit der Valorisierung aller Familien- und Sozialleistungen haben wir einen sozialpolitischen Meilenstein gesetzt. Die Leistungen sind jetzt um 10 Prozent gestiegen, und die Leute sind nicht vom Goodwill des jeweiligen Ministers oder der jeweiligen Ministerin abhängig, sondern das passiert automatisch. (Beifall bei den Grünen.)
Mit allen Sofortmaßnahmen und Maßnahmen konnten wir viel abfedern. Der Koalitionspartner hat es gesagt: Ja, wir haben gute Familienleistungen in Österreich, aber wir dürfen zugleich auch nicht die Augen davor verschließen, dass es Kinder gibt, die armutsgefährdet sind.
Was bedeutet Kinderarmut? – Es bedeutet, seinen eigenen Geburtstag nicht feiern zu können. Es bedeutet, nicht mit auf Schulausflüge gehen zu können. Es bedeutet, wegen enger Wohnverhältnisse seine Freunde nicht zu sich nach Hause einladen zu können. Es wirkt sich auf die Chancengleichheit der Kinder aus. Es bedeutet keine soziale Teilhabe und nicht dazuzugehören, und das ist nicht nur ein unschönes Gefühl, sondern wirkt sich massiv auf unsere Kinder aus, auf das Selbstbild unserer Kinder, das dann lautet: Ich habe nichts, ich kann nichts, ich bin nichts! Das ist unwürdig, das ist eine unwürdige Situation für unser Land.
Ich sage immer wieder: Niemand ist freiwillig arm. Armut ist kein individuelles Problem. Armut ist ein strukturelles Problem, und darum müssen wir auch strukturell ansetzen. Darum wird früher oder später kein Weg an einer Kindergrundsicherung vorbeiführen. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
Ich bin sehr froh, dass endlich ein Sozialminister alle Experten und Expertinnen und Organisationen, die zu diesem wichtigen Thema arbeiten, an einen Tisch holt und ein Modell erarbeitet, das die nächste Bundesregierung sofort umsetzen kann, denn so funktioniert vorausschauende Politik. Das Modell besteht aus Familienleistungen, aus Geldleistungen und Sachleistungen wie beispielsweise eine warme Mahlzeit pro Tag.
Wir wissen, dass Kinderarmut uns jährlich 17 Milliarden Euro kostet. Wir brauchen dringend Fachkräfte. Trotzdem leisten wir es uns, dass wir Jugendliche zurücklassen.
Die Investition in eine Kindergrundsicherung ist nicht nur im Sinne von Zukunftschancen sinnvoll, sondern sie ist auch ökonomisch grundvernünftig. Das sollten alle Parteien hier herinnen endlich verstanden haben.
Geben wir den Kindern das Gefühl zurück, sie haben etwas, sie können etwas, sie sind etwas, sie haben eine Zukunft in diesem Land! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Saxinger.)
11.20
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Muchitsch. – Bitte.