17.00

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! (Der Redner legt einen Schutzhelm auf das Redner:innenpult. – Ruf: Heiterkeit bei den NEOS!) Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde Ihnen gleich verraten, was es mit dem Helm auf sich hat. Keine Sorge, wir bauen hier nicht um; ich werde es dann gleich auflösen.

Zunächst einmal sei vielleicht noch Folgendes erwähnt, weil wir jetzt schon relativ am Ende der Debatte sind: Was ich schon recht beschämend finde, ist, dass während der laufenden Debatte der ÖVP-Sektor de facto gar nicht besetzt war (Abg. Bogner-Strauß: Es ist immer schlecht, es jenen zu sagen, die herinnen sitzen! – Ruf bei der ÖVP: Wie in der Kirche! – Abg. Lindinger – auf die Reihen der NEOS weisend –: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!), de facto keine Abgeordneten hier dieser dringlichen Debatte zur Bildungspolitik gelauscht haben. Das ist aber sehr bezeichnend dafür, wie die ÖVP zu dieser Bildungs­politik steht: Es ist Ihnen einfach komplett wurscht. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Wie viele sind denn bei euch da? Ihr seid der Einbringer!)

Bevor ich jetzt zu den Punkten komme, die ich vorbereitet habe, die ich gerne mit Ihnen diskutieren würde, würde ich gerne noch auf ein paar Redebeiträge eingehen.

Als Erstes, was mich sehr gewundert hat, Frau Hamann, Herr Taschner – ich weiß nicht, ob Sie jetzt im Saal sind –: Sie haben in Ihren Reden – Herr Taschner ist da (Abg. Michael Hammer: Herr Hechenberger ist auch da!) – eine lange Liste aufgezählt, was man alles tun müsste, also Ihre Vision der Bildungspolitik. – Ja, guten Morgen, Herr Taschner, Sie regieren seit 37 Jahren! Sie regieren seit 37 Jahren: Wann haben Sie denn vor, das umzusetzen? (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben nicht nur 37 Jahre Regierungserfahrung – nicht Sie persönlich –, Sie haben, glaube ich, auch ungefähr 37 Prozent gemacht. Man wird mir jetzt, glaube ich, das nicht als Bösartigkeit auslegen, wenn ich Ihnen sage – und ich glaube, Sie sehen es ja auch so –, dass Sie an dieses Ergebnis nicht mehr herankommen. Wann haben Sie denn vor, das umzusetzen, diese ganze Liste an Ideen? Das nimmt doch niemand mehr ernst!

Sie stehen da als Regierungspartei, als die Partei, die in Österreich mit Abstand am längsten regiert hat (Ruf bei der ÖVP: Und weiter?), die mit Abstand am längsten den Bildungsminister gestellt hat, und sagen: Ja, da haben wir eine lange Liste, und die werden wir irgendwann abarbeiten. – Wer soll Ihnen das glauben?

Das Gleiche gilt für Kollegin Hamann von den Grünen, die hier eine lange Liste an Visionen aufgezählt hat. Sie haben die Möglichkeit gehabt, zu regieren. (Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Koza: ... nicht alles aufräumen in drei Jahren!) Glauben Sie denn wirklich, dass Sie nach dem Herbst weiterregieren werden? Das halte ich leider für eine Art von Wählertäuschung, was Sie hier vorgetragen haben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Taschner: Schule ist Work in Progress, Herr Kollege, wissen Sie? Man muss immer weiterdenken!) – Work in Progress (Abg. Taschner: Jawohl!) – damit das alle hören –, sagt Herr Taschner. Ja, ich glaube, man kann sich selber ein Bild von der Bildungspolitik machen: Work in Progress, das ist das Motto – genau.

Meine Kolleginnen und Kollegen haben es ja schon angesprochen: Wir haben eine repräsentative Umfrage bei Triple M, also bei einem Meinungsforschungs­institut, unter 1 000 Eltern von Kindergarten- und Schulkindern in Auftrag gegeben, also wirklich ein repräsentatives Sample, und die Ergebnisse sind erschreckend. Die Eltern geben dem Schulsystem eine Durchschnittsnote von 3, von Befriedigend – also Durchschnitt, Mittelmaß, in einem der reichsten Länder der Welt! –, und – noch schlimmer –, Herr Bildungsminister Polaschek: Sie bekommen die Note 4 von den Eltern, Genügend. Ich finde es ja fast schon gnädig, wie die Eltern Sie hier bewerten. Wir würden da, glaube ich, noch weiter gehen.

Sie sind ja immer recht beleidigt, wenn wir unsere Kritik vortragen, dabei sollte Ihnen vielleicht Folgendes zu denken geben: Ja, die Oppositionsparteien kritisieren viel – das ist auch die Aufgabe der Opposition –, aber ich kenne keinen einzigen anderen Minister, bei dem die Kritik quer durch die Parteien so drastisch ausfällt, die Kritik so einhellig ist und sich die Parteien so einig darin sind, dass bei Ihnen im Bildungsministerium null Vision da ist. Sie sind nämlich kein Ermöglicher, Herr Minister, Sie sind ein Verhinderer! Sie sind auch kein Visionär, sondern Sie sind ein Blockierer, wo es nur geht. In diesem Sinne sind Sie, Herr Minister, für mich eigentlich auch kein Bildungsminister, sondern ein Bürokrat, der auf dieser Position sitzt. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Minister, seien Sie uns nicht böse: Wir können es uns in einer Zeit wie der, in der wir uns befinden, nicht leisten, an dieser so wichtigen Position einen Verwalter zu haben, der einfach nur den Status quo verwaltet, der sagt: weiter so, Work in Progress!, ganz nach dem Motto des Herrn Kollegen Taschner. Das können wir uns nicht leisten, weil der Trend nach unten geht. (Abg. Blimlinger: Das ist ein Blödsinn!) Es geht in allen Rankings nach unten: in den Grundkom­petenzen, in der digitalen Kompetenz. – Ja, natürlich sind wir noch nicht auf dem untersten Niveau – ja, logisch, wir sind ja auch eines der reichsten Länder der Welt –, aber es geht bergab! Wollen wir warten, bis wir wirklich am untersten Ende der jeweiligen Skala sind? – Nein, Herr Minister, wir können es uns nicht leisten, auf der Position, auf der Sie sind, jemanden zu haben, der null Vision fürs Bildungssystem in Österreich hat. (Beifall bei den NEOS.)

Was sind denn laut dieser Bildungsumfrage, laut dieser Studie, die ich jetzt zitiert habe, die hier schon mehrmals zitiert wurde, die größten Probleme? – Eine der größten Sorgen der Eltern ist seit geraumer Zeit – nämlich 50 Prozent der befragten Eltern geben das an –, dass die Gewalt an ihren Schulen eine ihrer Hauptsorgen sei. – Mobbing, Gewalt an Schulen sind komplexe Herausforderungen, auf die es auch keine einfachen Antworten gibt.

Jetzt würde mich aber eines interessieren, Herr Minister: Wenn 50 Prozent der Eltern sagen, wenn jede zweite Mutter und jeder zweite Vater sagt: Mobbing, Gewalt an Schulen, das ist für mich ein großes Problem!, was entgegnen Sie denen dann? Was sind denn die konkreten Maßnahmen, um diesen Sorgen zu begegnen, um diese Sorgen abzufedern? (Zwischenruf des Abg. Stocker.) Ich habe heute nichts von Ihnen gehört – nichts! –, nichts, was dem entgegenwirkt. (Abg. Tomaselli: Was ist mit dem Helm? Was ist mit dem Helm?)

Ich sage Ihnen einmal, was wir tun würden, um dieses eine Problemfeld zu beackern: Da wäre ein erster Punkt, der sich vielleicht indirekt nach einer Lösung anhört, radikal Bürokratie abzubauen. Lehrerinnen und Lehrer sollen für ihre pädagogischen Aufgaben freigespielt werden, und indem Bürokratie vermieden, vereinfacht wird – ja, ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass Bürokratie in Schulen halbiert wird –, könnten sich Lehrkräfte um das kümmern, wofür sie eigentlich da sind. Bei Ihnen habe ich das gegenteilige Gefühl: Immer, wenn ein Problem auftaucht, wollen Sie es mit einem neuen Formular bekämpfen, und das ist auf jeden Fall nicht die Lösung, Herr Polaschek.

Zweitens: Wir brauchen eine praxisnähere Fortbildung – eine viel praxisnähere Fortbildung! –, nämlich indem die Lehrkräfte auch in ihrer pädagogischen Lösungskompetenz gestärkt werden. (Abg. Taschner: Das haben wir jetzt beschlossen! Kollege Shetty, das haben wir jetzt beschlossen!) Dazu haben wir auch schon lange gefordert, dass wir das Fortbildungsmonopol der pädagogischen Hochschulen aufbrechen wollen und auch das Fortbildungsbudget und die Fortbildungs­verpflichtung erhöhen möchten.

Dritter Punkt, Herr Minister Polaschek: Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen an den Schulen müssen die Regel werden und nicht die Ausnahme sein, so wie es derzeit ist. Wir brauchen mehr davon! Ja, natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, wir haben eine Personalnot, aber irgendwo muss man anfangen. Sie haben 37 Jahre lang die Möglichkeit gehabt, anzufangen, irgendwann ist es halt zu spät; ja, das mag schon sein. (Abg. Tomaselli: Was ist mit dem Helm?)

Ausbau bei Schulsozialarbeiter:innen, bei Schulpsycholog:innen, und zwar nicht im Mickymausformat, so wie Sie es machen, sondern das müssen wir ordentlich machen. Das müssen wir ernst nehmen und das müssen wir gescheit machen.

Wenn wir über dieses Thema reden, kommen wir nämlich gleich zu einem anderen Themenkomplex, der während der Pandemie auch mich sehr stark beschäftigt hat, nämlich das Thema - - (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) – Bitte? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) – Herr Kollege Obernosterer, ich versuche, es zu hören. Sie schreien jetzt schon die ganze Zeit dazwischen – okay, gut. (Abg. Obernosterer: Schlusssatz!) – Schlusssatz? Nein, ich glaube nicht, dass ich den Schlusssatz formulieren muss. Ich glaube, das müssen Sie noch aus­halten, Sie müssen sich das noch anhören. (Heiterkeit des Abg. Scherak.)

Also, was ich sagen wollte, ist, dass beim Thema Schulpsychologie ein Thema auf den Tisch kommt, das uns schon so lange beschäftigt und bei dem ich immer das Gefühl habe – ja, die Kollegen lachen eh schon wieder –, dass Sie das Thema der psychischen Gesundheit null interessiert. Seit Beginn der Pandemie ist die Suizidalität bei den jungen Menschen um 200 Prozent gestiegen, und was machen Sie? – Ja, ein Fördertopf da, ein Fördertopf dort, aber die Schulpsychologie wird noch immer nicht gescheit ausgebaut, von Psychotherapie als Kassenleis­tung immer noch keine Spur – und auch da müssen wir dringend mehr tun. (Zwischenruf des Abg. Stocker.)

Lassen Sie mich jetzt noch zur Stadt Wien kommen, weil Sie sich ja so gern an der Stadt Wien abarbeiten – Herr Taschner, Sie sind da ja richtig in Rage gekommen. (Abg. Taschner: Na, Sie wollen die Schule zum Psychotherapiezentrum machen!) Jetzt haben Sie, Herr Taschner, doch, glaube ich, das Bild von sich, ein Intellektueller zu sein, und so nehme ich Sie auch wahr. (Abg. Taschner: Danke!) Da können wir uns doch darauf einigen, dass, wenn wir – und da würde ich Ihnen zustimmen – in der Bundeshauptstadt Wien sehr viel größere Probleme haben als anderswo (Abg. Taschner: Ja!), diese vielleicht nicht innerhalb der letzten drei Jahre entstanden sind. (Abg. Disoski: Aber auf Bundesebene ...! Aber in der Bundesregierung ...!) Stimmen Sie da zu, dass die Ursachen dafür vielleicht schon länger zurückliegen?

Jetzt kann man sagen, man müsste dort mehr machen und da mehr machen, aber uns, weil wir seit vier Jahren den Bildungsstadtrat stellen, umzuhängen, dass wir für alle Probleme in Wien verantwortlich sind (Abg. Taschner: ... müssen Sie die Verantwortung übernehmen, mein Herr!) – das ist ja nur reine Polemik, was Sie da machen. (Beifall bei den NEOS.) Das ist ärgerlich! Es ist ärgerlich, weil Sie den Menschen etwas vorgaukeln (Abg. Taschner: Sie wollen die Verantwortung nicht übernehmen? Bitte!), und so verlieren die Menschen auch das Vertrauen in die Politik, wenn Sie hier so eine Show abziehen.

Ja, in Wien sind die Probleme groß, aber was Christoph Wiederkehr dort seit vier Jahren konsequent macht, ist, die Weichen zu stellen. (Abg. Taschner: Nein, er gibt Herrn Strolz die Möglichkeit, sich zu präsentieren!) Ja, wir werden dort die Ergebnisse nicht heute sehen und nicht morgen sehen, aber die Weichen werden dort gestellt: ein regelmäßiger runder Tisch zur Gewalt an Wiener Schulen, eine Hotline für die Lehrerinnen und Lehrer direkt bei der Bildungsdirektion bei Konflikten im Klassenzimmer, es gibt in der Bildungsdirektion endlich eine Kompetenzstelle Kinder- und Jugendschutz – das gab es davor nie –, es gibt Schulkooperationsteams in der MA11, es gibt diverse großartige einzelne Programme – schauen Sie sich das einmal an, wenn Sie es mir nicht glauben! –, zum Beispiel: Respekt: Gemeinsam stärken, oder: Wir alle sind Wien. Die machen eine super Arbeit in den Schulen. Auch das wurde unter Christoph Wiederkehr umgesetzt. Eine eigene neue Fachstelle Demokratie für die außerschulische Jugendarbeit ist ein weiterer Punkt.

Die Schulsozialarbeit haben wir mit der Ausdehnung um 400 Stunden pro Woche in Wien gestärkt. Würden wir gerne mehr machen? – Ja. An wem scheitert es? – Der Mann sitzt hier auf der Regierungsbank. Er könnte dafür sorgen, dass wir die Schulsozialarbeit noch weiter stärken. Oder: Stärkung von Time-out-Klassen und so weiter und so fort. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen, weil wir in Wien eben viel tun.

Um jetzt zum Schluss zu kommen und auch aufzulösen, warum ich hier diesen gelben Helm dabeihabe (Ruf: Endlich!) – endlich; ja, das war der Cliffhanger bis zum Schluss –: Herr Minister, wir haben den Bildungsbeton angesprochen, der bei Ihnen, in Ihrem Ministerium seit vielen Jahren die Regel ist, und wir sind der Meinung, dass Sie etwas Mut brauchen, um diesen Bildungsbeton zum Platzen zu bringen. Und weil wir an Sie denken, haben wir Ihnen da ein bisschen Schutzausrüstung mitgebracht. Ich lege Ihnen den Helm hierher (den Schutzhelm auf die Regierungsbank legend), Sie bekommen von uns heute laufend Geschenke.

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, jetzt muss ich Sie wirklich darauf aufmerksam machen, dass Ihre Fraktionsredezeit ausgeschöpft ist und Sie zum Schlusssatz kommen müssen. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (fortsetzend): Ich formuliere gerne den Schlusssatz: Herr Minister Polaschek, bitte nutzen Sie diesen Helm im übertrage­nen Sinne, um den Bildungsbeton aufzubrechen! Es wäre dringend an der Zeit. Sie sind jetzt noch drei Monate Minister, es ist nicht zu spät, Ihrer Amtszeit einen Stempel aufzudrücken. Wir würden das sehr begrüßen. (Beifall bei den NEOS.)

17.11

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Katharina Kucharowits zu Wort. – Bitte.