12.22

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Ich darf zum Tagesordnungspunkt 7 Stellung beziehen.

Im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz sollen die Versehrtenrente, die Be­triebsrente, das Versehrtengeld sowie die Integritätsabgeltung nach den dafür zuständigen Gesetzen künftig nicht mehr auf die Ausgleichszu­lage angerechnet werden.

Die Leistungen der Unfallversicherung sollen auch Sozialhilfebezieherinnen und ‑beziehern ungeschmälert zukommen. Gleiches soll auch für Kin­derzuschüsse und Sonderzahlungen zu Versehrtenrenten gelten.

Das ist auch noch ergänzt durch andere Bestimmungen, die eher technischer Na­tur sind, das ist grundsätzlich auch in Ordnung – so weit, so gut. Wir als SPÖ haben im Ausschuss gesagt, das ist so in Ordnung. Dem können wir zustimmen.

Jetzt kommt hier aber ergänzend ein Abänderungsantrag herbeigeflattert. Ich verstehe die Freundinnen und Freunde von den Grünen nicht: Warum habt ihr hier zugestimmt, das mit diesem Abänderungsantrag aufzunehmen, wo es doch vorher in Ordnung war? Warum wurde das von der ÖVP junktimiert?

Da geht es um einen Abänderungsantrag, in dem es um die Berufe im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege geht, der völlig unzureichend ist, der völ­lig abzulehnen ist. Daher wird es auch keine Zustimmung geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen aber auch mehr an fairen Maßnahmen, um den Versicherten faire und gerechte Leistungen langfristig und nachhaltig anzubieten.

Wir müssen wirklich darauf schauen, dass unser Gesundheitssystem vor steigen­der Privatisierung und Profitgier geschützt wird. In den letzten Wochen ist da einiges passiert. Am 4. Juni gab die Öbag bekannt, ihre Beteiligung an der Vamed zu verkaufen. Dieser Schritt ermöglichte, die Vamed an einen Finanzinvestor zu verkaufen. Betroffen sind insgesamt 21 ehemalige Vamed-Standorte in Österreich, von Rehakliniken oder Pflegeeinrichtungen über Therapie- und Rheumazentren bis hin zu – teilweise – Kindereinrichtungen. Das heißt, insgesamt betrifft das in der Betreuung im Gesundheitsbereich 9 100 Betten. Durch den Verkauf der Vamed-Anteile gehen die Rehaeinrichtun­gen an private Investoren, an den Hedgefonds PAI verloren.

Wie aus der Branche berichtet wird, sind gerade diese internationalen Konzerne so ausgerichtet, ihren Kliniken Vorgaben zu machen, nämlich dass nur mehr Gesundheitsleistungen anzubieten sind, bei denen es eine hohe Rendite gibt, das heißt, mit denen man Kohle macht. Das ist für die Versorgung der Patient:innen in Österreich sicherlich kein guter Ausblick.

Da kritisieren wir schon, dass die Regierung von ÖVP und Grünen bei diesem Verkauf der Vamed nicht eingegriffen hat. Ich glaube, aus der Vergangen­heit haben wir gelernt, dass wir das nicht wollen. Unsere Position ist klar: Wir wollen Bereiche wie Pflege und Gesundheit nicht privatisieren (Abg. Hörl: Aber in Kirchberg 4 Hektar verkaufen! ... Muchitsch!), sondern das Beste ist, diese in öffentlichen, stabilen Versorgungseinrichtungen zu gewähr­leisten.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mit dem Gesundheitswesen darf kein Profit gemacht werden!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Ausverkauf unserer Gesund­heitseinrichtungen an private Investoren sofort zu stoppen und alles zu unternehmen um den Verkauf der österreichischen VAMED-Anteile rück­gängig zu machen.

Sollte dies nicht mehr möglich sein, hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dafür zu sorgen, dass die Verträge der Sozialversicherung mit diesen Gesundheitsunternehmen so gestaltet werden, dass Kostenerstattungen nur bei entsprechendem Leistungsangebot (nicht nur Leistungen mit hoher Rendite) mit wirksamer Qualitätskon­trolle erfolgen dürfen.

Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird darüber hinaus aufgefordert, bezüglich des Vorganges rund um den Verkauf der VAMED-Anteile die Investitionskontrolle einzuleiten und, sollte diese in diesem Fall nicht greifen, umgehend eine wirksame staatliche Überprüfung von Übernahmen von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zu erarbeiten und dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen, um den Kontrollverlust im Gesundheits- und Pflegebereich zu vermeiden.“

*****

(Abg. Hörl: Wie ist das in Kirchberg? ... Muchitsch! Wie ist das in Kirchberg mit den Zigtausend ...?) – Herr Abgeordneter Hörl, „im Gesundheits- und Pflege­bereich“! (Abg. Hörl: Muchitsch, der Immobilienhändler! Bau-Holz, der große Profiteur!)

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Josef Muchitsch

Genossinnen und Genossen

betreffend mit dem Gesundheitswesen darf kein Profit gemacht werden!

Eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 4115/A der Abgeordneten August Wöginger, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allge­meine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert werden (2694 d.B.)

Am 4.6.2024 gab die ÖBAG bekannt, ihre Beteiligung an der VAMED ver­kauft zu haben. Die ÖBAG hielt bislang 13% an der VAMED und überträgt diese nun an die (private) deutsche Fresenius-Gruppe. Dabei stellt sich schon die Frage, wie viel de facto Einfluss durch die ÖBAG tatsächlich bestanden hat: Kann tatsäch­lich ausgeschlossen werden, dass die ÖBAG nicht auch Anteile gezielt aufsto­cken hätte können? Oder handelt es sich um Schwächen in der Verhandlungsstrate­gie, da Fresenius offenbar den ÖBAG-Ausstieg als Art Vorbedingung dafür „gebraucht“ hat, die Reha-Sparte herauszulösen und im Duett mit dem Private Equity Fonds PAI zum alleinigen Geschäftsobjekt zu machen.

Dieser Schritt der ÖBAG ermöglichte jedenfalls den Verkauf des so genannte Post-Akut-Segment (zu 2/3) durch die VAMED an den Finanzinvestor PAI Partners (kolportierter Verkaufswert 853 Mio. Euro). Davon betroffen sind 97 Beteili­gungen der VAMED (21 in Österreich) an Reha-Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Thera­pie- und Rheumazentren, teilweise solche für Kinder mit gesamt 9.100 Betten. Diese Einrichtungen betreuen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Tschechien und Großbritannien pro Jahr 100.000 Patient:innen und beschäftigen 10.000 Angestellte, 6.000 und somit der Großteil davon in Österreich. Einen großen Teil dieses Portfolios hatte die VAMED erst 2018 um 485 Mio. Euro von Fresenius übernommen. Die technische Betriebsführung des AKH wurde von der VAMED bereits Anfang Mai an Porr/Strabag verkauft.

Durch den Verkauf der VAMED-Anteile gehen die Reha-Einrichtungen end­gültig an private Investoren verloren. Das muss verboten werden, aber die Regierung schwiegt dazu.

Der Käufer, PAI Partners, ist ein französisches private equity-Unternehmen, dass ca. 26 Mrd. Euro an Vermögen verwaltet. PAI stand wiederholt dafür in der Kritik, seine Beteiligungen lediglich zur Profitmaximierung zu betreiben.

Aus der Branche wird berichtet, dass Konzerne wie PAI etwa an ihre Kliniken vor­geben würden, dass nur Leistungen mit hoher Rendite anzubieten seien. Auch der Vorwurf der Steuervermeidung wurde laut: So würden einzelne Gesellschaf­ten überschuldet und anschließend in Insolvenz geschickt.

Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnete Konzerne wie PAI überhaupt als „Heuschrecken“.

Es gibt Bereiche, mit denen kein Profit gemacht werden darf. Dazu gehören selbst­verständlich die Pflege und das Gesundheitswesen. Wenn wir durch die Ver­gangenheit eines gelernt haben, dann, dass Konzerne immer Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren. Das dürfen wir gerade im Gesundheits- und Pflege­bereich nicht zulassen. Gemeinnützige eigene Einrichtungen der Sozialversicherungs­träger waren jahrzehntelang unter Kritik (mehr privat weniger Staat). Jetzt zeigt sich die Kehrseite: dieser Verkauf gefährdet die Versorgungssicherheit im Rehabereich.

Doch der schwarz/grünen Regierung sind die Menschen egal, sonst hätte sie sich eingemischt. Aus Sicht des Finanzministers kommt der Ausstieg der ÖBAG ja sehr gelegen, denn er braucht die Verkaufserlöse, um sein Budgetloch zu stop­fen. Es scheint, als wäre der Bund ganz bewusst ausgestiegen, um die Zerschlagung der VAMED mit einem anschließenden Ausverkauf an Investoren zu ermögli­chen. Der Rückzug der ÖBAG ermöglicht nun den Verkauf von Rehabilitationseinrich­tungen an den französischen Hedgefonds.

Um diese Entwicklungen vor allem auch im Pflegebereich zu vermeiden, ist es notwendig rasch zu handeln. Einige große Konzerne wittern hier bereits das große Geschäft. Sie versprechen sich dadurch stabile Renditen bei einem weitgehend von der öffentlichen Hand gestützten, risikolosen Geschäft.

Besonders deutlich zeigt sich das in der stationären Altenpflege: Hier haben die 25 größten shareholderorientierten Investoren ihre Bettenkapazität in Europa seit 2017 um mehr als ein Fünftel auf geschätzt 455.000 Betten erhöht.

Die Folgen für die kritische soziale Infrastruktur, wenn shareholderorientierte Ge­schäftsmodelle diese unterwandern, zeigen die bisherigen Erfahrungen: un­gleicher Zugang, höhere Kosten und unstabile Leistungserbringung.

So soll der Gesundheits- und Pflegebereich in Österreich nicht aufgestellt werden, daher muss die Gemeinnützigkeit in diesen Bereichen stark in den Vorder­grund gerückt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Ausverkauf unserer Gesundheitseinrich­tungen an private Investoren sofort zu stoppen und alles zu unternehmen um den Verkauf der österreichischen VAMED-Anteile rückgängig zu machen.

Sollte dies nicht mehr möglich sein, hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dafür zu sorgen, dass die Verträge der Sozial­versicherung mit diesen Gesundheitsunternehmen so gestaltet werden, dass Kosten­erstattungen nur bei entsprechendem Leistungsangebot (nicht nur Leistungen mit hoher Rendite) mit wirksamer Qualitätskontrolle erfolgen dürfen.

Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird darüber hinaus aufgefordert, bezüglich des Vorganges rund um den Verkauf der VAMED-Anteile die Investitionskontrolle einzuleiten und, sollte diese in diesem Fall nicht greifen, umgehend eine wirksame staatliche Überprüfung von Übernahmen von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zu erarbeiten und dem Nationalrat zur Beschluss­fassung vorzulegen, um den Kontrollverlust im Gesundheits- und Pflegebereich zu vermeiden.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.