Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Diese Bundesregierung hat in finanzieller Sicht der Republik eine große Bürde beziehungsweise einen großen Rucksack umgehängt. Wir machen alleine heuer über 20 Milliarden Euro Schulden. Sehr viele Gelder, die mit der Gießkanne verteilt werden, sind nicht treffsicher und haben auch nicht wirklich geholfen, das Land nach vorne zu bringen. Es waren sehr viele Investitionen in nicht nachhaltige Projekte.
Deswegen unsere Frage:
„Welche Schritte setzen Sie und Ihre Regierung bereits im laufenden Budgetjahr, um nicht – wie von Fiskalrat, WIFO und Europäischer Kommission prognostiziert – im heurigen Jahr die Maastricht-Defizitgrenze von 3% zu überschreiten?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen: Die Bundesregierung bekennt sich zu den europäischen Fiskalregeln. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass wir auch die Grenzen der Maastrichtkriterien einhalten. Am Jahresende wird abgerechnet, und dann lässt sich der Beweis führen, wer in dem Fall dann in der Einschätzung recht hatte.
Aber man muss auch eines ehrlich sagen, Frau Abgeordnete, und da haben Sie natürlich recht: Die Arbeit der Regierung war wie nie zuvor in der Geschichte von den Folgen globaler Krisen beeinflusst. Es war notwendig, oft sehr massiv gegen diese Form der Krisen, die bis dahin auch unbekannt waren oder für die es keine Handlungsanleitungen gegeben hat, vorzugehen, sie anzugehen, den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern, den Menschen in dieser schwierigen Zeit zu helfen.
Erinnern Sie sich zurück: Sowohl die Pandemie, mit der niemand in dieser Form und Dramatik der Auswirkungen gerechnet hat, als auch die Energiekrise, wie wir sie erlebt haben, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, waren mit Teuerung und Inflation – wie schon von mir angesprochen, lag sie letztes Jahr im Jänner noch bei 11,4 Prozent – verbunden, und das hat es notwendig gemacht, als Staat eben über diesen Weg der Mitte, den ich vorhin schon angesprochen habe, gegenzusteuern.
Darüber hinaus gibt es Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben, so etwa dem Klimawandel. Es gilt, die Energiewende fortzuführen. Wir sehen, wie wichtig es ist, von fossilen Energieträgern unabhängiger zu werden. Aufgrund der Digitalisierung und durch die erhöhte geopolitische Unsicherheit, die wir jetzt leider feststellen müssen– nicht nur durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern auch aufgrund der Lage im Nahen Osten –, bedeutet das langfristige und vor allem auch strukturelle Veränderungen unserer Gesellschaft.
Wenn man diesen Phänomenen begegnen und vor allem den Wirtschaftsstandort, den Forschungs- und Innovationsstandort Österreich weiter absichern will, ist es notwendig, weiter zu investieren. Vorletzte Woche hat die Europäische Kommission ihren Referenzpfad im Zuge der neuen EU-Fiskalregeln an Österreich geschickt, und das Finanzministerium hat diesen inklusive ausführlicher Erläuterungen des weiteren Vorgehens auch bereits an den Nationalrat übermittelt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Danke, Herr Kanzler, dass Sie auch auf diesen Bericht, der aus Brüssel kommt, eingehen. Dahin geht auch meine Zusatzfrage, weil ja auch sehr klar herausgekommen ist, dass Österreich, um den Budgetpfad gehen zu können, sehr viele Einsparungen vorzunehmen hat.
Es ist das eben vom Budgetdienst des Parlaments durchgerechnet worden, mit dem Ergebnis, dass es ein Einsparungserfordernis bei den Ausgaben von fast 10 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre geben muss.
Haben Sie sich jetzt schon konkrete Gedanken gemacht, wie Sie in diesem Jahr noch mit diesem Pfad starten können? Und was genau haben Sie für dieses Jahr geplant, um schon Einsparungen vorzunehmen, oder wollen Sie das alles, diesen finanziellen Scherbenhaufen, dem nächsten Finanzminister oder der nächsten Finanzministerin überlassen? (Abg. Holzleitner: Gute Frage!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen ist es so, dass ich im Österreichplan auch schon sehr klar skizziert habe, wie wir uns vorstellen, ein ordentliches Budget auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch den Rahmen dafür zu schaffen, dass die Wirtschaft in Österreich auch wieder wachsen kann.
Sie wissen, wir sind gerade in einer sehr herausfordernden Zeit, was dieses Themenfeld betrifft. Wir sehen auch, dass die deutsche Wirtschaft nach wie vor in einer sehr schwierigen Situation ist. Auch das hat große Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft.
Daher ist es aus unserer und aus meiner Sicht wichtig, zweierlei zu tun: Auf der einen Seite sind viele Maßnahmen, die wir gesetzt haben, jetzt nicht mehr notwendig. Das heißt, wir können die Unterstützungsleistungen betreffend die Krisenbewältigung sukzessive zurücknehmen. Es geht vielmehr darum, dass wir von der Subventionitis wieder wegkommen hin zu Investitionsprämien; so wie bei der Forschungsförderung, bei der wir eindeutig sehen, dass es Sinn macht, zu investieren. Wir sind das drittinnovativste Land innerhalb der Europäischen Union; wir wollen an die erste Stelle kommen und damit auch hier wieder Investitionen zulassen.
Warum ist das wichtig? – Es muss sich lohnen, wieder in einen Arbeitsplatz in Österreich zu investieren. Wirtschaftswachstum, ein besseres Wirtschaftswachstum, führt zu mehr Steuereinnahmen und damit auch zur Möglichkeit, das Budget damit zu entlasten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! (Abg. Michael Hammer: Er kann sogar höflich sein!) Alle Wirtschaftsforscher sagen in der Zwischenzeit, dass die Bundesregierung die gesamte Zeit jetzt einfach ungedeckte Schecks ausgestellt hat. Sie hat die Körperschaftsteuer, also die Konzerngewinnsteuer, ohne Gegenfinanzierung gesenkt. Sie hat Wahlzuckerl verteilt – man braucht das Parlament gar nicht dazu, das macht der Ministerrat eh jede Woche; Milliarden, Milliarden –, ohne jede Gegenfinanzierung.
Wir stehen jetzt vor dem Scherbenhaufen dieser verantwortungslosen Politik und werden 10 Milliarden bis 12 Milliarden Euro gegenfinanzieren müssen. Wann sagen Sie endlich, wie diese ungedeckten Schecks, die auch Sie persönlich ausgestellt haben, finanziert werden? (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es wird Sie jetzt nicht überraschen, dass ich eine andere Einschätzung zur Lage habe. (Abg. Krainer: Als alle Experten! Das ist interessant!) Wenn Sie den Expertinnen und Experten zuhören, werden Sie auch feststellen (Abg. Herr: Das sagt der Fiskalrat!), dass diese in der Krisenbewältigung mehrfach auch ihre Meinung revidiert haben – das ist nun einmal so. (Abg. Krainer: Wir nicht!) Bei einer unbekannten Lageentwicklung ist das notwendig.
Entscheidend ist, dass wir tatsächlich den Weg der Mitte gewählt haben. Das heißt, dass wir auf der einen Seite bei der Kostenexplosion durch den Stromkosten- und den Mietpreisdeckel – wie vorhin schon erwähnt – eingegriffen haben (Abg. Krainer: Schmähpreisdeckel!) und den Menschen mehr Geld zur Verfügung gestellt haben, damit sie tatsächlich die Teuerung auch besser bewältigen können. (Abg. Krainer: Das Ergebnis ist, dass Österreich ärmer geworden ist!) Wenn Sie den Expertinnen und Experten zuhören, werden Sie feststellen, dass das bestätigt worden ist.
Es ist auch bestätigt worden, dass durch diese Maßnahmen – nach wie vor – gerade im Bereich Dienstleistungssektor ausreichend Nachfrage besteht, weil die Haushaltseinkommen gestiegen sind. (Abg. Krainer: Nein, leider nicht! Leider nicht!) Das heißt: Durch das Mehr an Haushaltseinkommen gibt es natürlich aufgrund des höheren Konsums auch ein Mehr an Steuereinnahmen. Das führt eben dazu, dass unsere Einschätzung bei Weitem weniger pessimistischer ist als Ihre.
Es ist aus meiner Sicht notwendig, gegen die Krise zu investieren, es ist notwendig, dass wir auch Wirtschaften wieder viel stärker zulassen, deswegen war die Körperschaftsteuersenkung richtig und wichtig. Wir müssen Konzerne nach Österreich bringen, wir müssen die Industrie dazu bringen, weiter in Österreich zu investieren.
Industrie und Kleinunternehmen hängen zusammen, Sie wissen das. Es braucht einander. Ich glaube wir müssen auch damit aufhören: da die bösen Unternehmer, da die bösen Konzerne, da die armen Arbeitskräfte. – Es braucht ein Miteinander, das ist auch geschehen. Wir sehen eben, dass wir durch die unterschiedlichen Maßnahmen, auch die Abschaffung der kalten Progression, tatsächlich dafür gesorgt haben, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Geld zur Verfügung haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Nicht genügend, setzen, Krainer!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.
Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Grüß Gott, Herr Bundeskanzler! Wir wissen ja, dass gerade in der Vergangenheit die Situation europaweit, weltweit wirklich schwierig war: Zuerst die Pandemie, während der man den Unternehmern geholfen hat, während der man mit der Kurzarbeit geschaut hat, dass es keine Arbeitslosigkeit gibt. Das hat viel Geld gekostet. (Abg. Michael Hammer –auf den leeren Sitzplatz des Abg. Kickl weisend –: Der Kickl war lange da heute!)
Dann ist die Inflation dahergekommen, und Sie haben in Ihren Ausführungen ja schon geschildert, dass das noch einmal viel Geld gekostet hat, weil man einfach geschaut hat, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmer entsprechend erhalten bleibt. Wenn man das internationale Ranking anschaut, wissen wir, dass wir da sehr gut dastehen, wenn man immer das gesamte Bild anschaut.
Das hat viel Geld gekostet, es sind Schulden dazugekommen. Wir kennen auch die Schulden anderer Industriestaaten, auch da brauchen wir uns nicht zu verstecken.
Wie sehen Sie den weiteren Ausblick in der Schuldenentwicklung?
Ich bin selbst Unternehmer. Irgendwann muss man das wieder in den Griff bekommen (Abg. Herr: Ja, nach der Wahl!), muss man sich auch mit anderen vergleichen, aber wie ist Ihr Ausblick für die Zukunft betreffend die Schuldenentwicklung in Österreich?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für die Frage, Herr Abgeordneter. Wie bereits ausgeführt, haben die Krisen die Staatskasse ja tatsächlich mehr als belastet. Wir haben immer versucht, gegen die Krise zu investieren. Das hat Geld gekostet, und aus meiner Sicht war das auch richtig so.
Langfristig geht es natürlich darum, die krisenbedingt hohen Defizite wieder zu reduzieren und auch tatsächlich ein ausgeglichenes Budget herzustellen. (Abg. Krainer: Das strukturelle Defizit ist bei 2,7!) Um das zu bewerkstelligen, brauchen wir zum Beispiel auch Maßnahmen, die viele andere Bereiche treffen – also man muss es auch systemisch denken –, wie den Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem. Es gibt auch Vorschläge, wie wir das erreichen können.
Es ist ja tatsächlich so, dass viele Parteien auch hier im Hohen Haus den Begriff der sozialen Gerechtigkeit gerne vor sich hertragen. Das ist gut so – Österreich ist stolz darauf, zu den stärksten Sozialstaaten der Europäischen Union zu gehören –, noch wichtiger ist aber vor allem, dass es zur sozialen Gerechtigkeit eben auch die Leistungsgerechtigkeit geben muss.
Das heißt, wir müssen besonders auf die achten, die fleißig sind. Die, die fleißig sind, gehören entlastet, deswegen braucht es hier Maßnahmen, dass die Menschen, die arbeiten und den solidarischen Wohlfahrtsstaat finanzieren, auch tatsächlich mehr davon haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Obernosterer: Danke schön!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.