Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Ob die Maßnahmen wirken oder nicht – viele Bürgerinnen und Bürger empfinden es nicht so. Ein sehr wichtiger Indikator neben den nicht sehr rosigen Wirtschaftsdaten ist vor allem die extrem hohe Inflation bei den Preisen, die weit höher als in allen anderen Ländern Westeuropas (Ruf bei der ÖVP: Dafür ist die Kaufkraft gestiegen!) war und es nach wie vor ist. (Die Fragestellerin zeigt eine Tafel mit der Aufschrift „Bilanz ÖVP-Grün“, „Höchste Teuerung + geringstes Wachstum in Westeuropa“, „Teuerung: +22%“, „Wohlstand: -2,4% BIP/Kopf“, „10 Mrd. Euro fehlen im Budget“ in Richtung Bundeskanzler Nehammer.) Die Preise sind gestiegen, die Preise steigen weiter. (Abg. Wöginger: 3 Prozent ...! – Rufe bei der ÖVP: Die Preise sinken! Was ist denn die Inflation?) 22 Prozent hat die Teuerung bisher betragen (auf die Tafel deutend), und laut den Zeitungsartikeln dieser Woche betrifft das nach wie vor viele Güter des täglichen Bedarfs (Ruf bei der ÖVP: Die Frage! Was ist die Frage?), darüber hinaus aber zum Beispiel auch Tierfuttermittel. (Abg. Wöginger: Katzenfutter! Aber die Kinder haben nichts zum Essen!)
Deshalb ist meine Frage:
„Wieso verhindern Sie nach wie vor eine Politik, die in Preise eingreift“ (Abg. Michael Hammer: Weil wir keine Kommunisten sind! Ganz einfach!) „und somit die Inflation senkt, wo doch längst – zuletzt auch bestätigt von Wirtschaftsforscher:innen – erwiesen ist, dass die Regierungspolitik des Nicht-Eingreifens in die Preise gescheitert und ökonomisch schädlich ist?“
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Und an den Block der ÖVP: Sie haben wohl offenbar nichts für Tiere übrig. (Abg. Wöginger: Doch, schon! Aber du sagst, dass Kinder nichts zum Essen haben und ... Katzenfutter daher! Sei mir nicht böse! – Abg. Krainer: Jetzt beruhig dich! Alles gut! Hey!) Das merkt man an Ihren Zwischenrufen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Die sind auch für die Katz’! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Wöginger: Komplett Wahnsinn! – Abg. Michael Hammer: ... sind für die Katz’! Oder für die Fisch’! – Abg. Krainer: Alles mit der Ruhe!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte! Der Herr Bundeskanzler gelangt zu Wort.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Frau Abgeordnete! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Frau Abgeordnete, ich glaube tatsächlich, dass es so ist, dass wir in der Regierung uns eben für den Weg der Mitte entschieden haben, was einen Maßnahmenmix bedeutet. Es ist nicht so, dass wir keine Preisdeckel gemacht haben, wir haben sie nur sehr behutsam gemacht. Erinnern Sie sich an den Stromkostendeckel, der eben eingeführt worden ist, oder auch an den Mietpreisdeckel!
Was aber ein wichtiger Punkt ist – er ist in einem Zwischenruf auch schon angesprochen worden –: Das Entscheidende ist, dass man der Marktwirtschaft so weit Freiheit gibt und lässt, dass sie sich auch selbst weiterentwickeln kann, auch wenn die Krisen groß sind.
Sie haben die Länder zitiert, die durch Deckel massiv in die Preisstrukturen eingegriffen haben. Die Zahlen, die Sie ja auch gerne selbst präsentieren – auch jetzt hier in dieser Fragestunde –, zeigen dann ein ganz anderes Bild von der Effizienz: Ich denke da zum Beispiel an Spanien.
Ich kann mich erinnern, dass uns als Bundesregierung Spanien oft vorgehalten worden ist, weil tatsächlich in einer Phase der Teuerungswelle Spanien eine deutlich geringere Inflation aufzuweisen hatte als Österreich, was dafür aber das Budget durch die Maßnahmen, die dort gesetzt wurden, massiv belastet hat. Mittlerweile haben sie eine höhere Inflation als Österreich: Die spanische Inflation beträgt derzeit 3,8 Prozent, die österreichische 3 Prozent. Ich halte das für wichtig, um zu sehen, dass unser Weg der Mitte der nachhaltigere war, um eben durch die Mitte ins Ziel zu kommen, sodass sich die Wirtschaft, die Einnahmensituation entsprechend entwickelt und die Budgetkonsolidierung tatsächlich stattfinden kann.
Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel nennen, das auch wichtig ist: Ungarn war auch ein Land, das versucht hat, massiv in die Preisgestaltung einzugreifen, hat fast ein Jahr lang eine Preisbremse auf Benzin und Diesel festgelegt, musste diese wieder aufheben und hat einen Spitzeninflationswert von über 20 Prozent erreicht.
Das heißt, aus meiner Sicht muss man so redlich sein: Wenn man Krisen bewältigt, dann gibt es nicht die eine richtige Antwort. Es gibt das Ringen darum, die Krise bestmöglich so in den Griff zu bekommen, dass sie die Menschen nicht überbordend belastet. Ich bin mir sicher, dass Sie auch feststellen können, dass die eine oder andere Maßnahme der Regierung nicht die Wirkung erreicht hat, die wir uns versprochen haben. Das Wichtige aber ist, dass wir uns ständig darum bemüht haben, die Situation wieder in den Griff zu bekommen; und ein Inflationswert von 3 Prozent heute, eineinhalb Jahre später, ist ein deutliches Zeichen – denken Sie wirklich noch einmal daran, dass im Jänner letzten Jahres die Inflation bei 11,4 Prozent lag! (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Das ist richtig. Die 3 Prozent kommen nämlich noch einmal on top auf die 11 Prozent des vergangenen Jahres, also auf einen extrem hohen Inflationswert kommt noch einmal etwas drauf, auch in diesem Jahr. Und da Sie von Budgetbelastungen in anderen Ländern gesprochen haben: Man kann nicht verneinen, dass in Österreich durch die Politik dieser Bundesregierung auch eine extreme Budgetbelastung stattgefunden hat, während das nicht bei den Menschen angekommen ist.
Sie sprachen von Wahlzuckerl, die vieles kosten. Wir hätten eine Maßnahme, die nichts kostet, die wir hier im Hohen Haus noch beschließen könnten, wenn Sie uns beispielsweise eine Regierungsvorlage zuleiten würden, nämlich ein tatsächlicher Mietpreisstopp, ein Einfrieren der Mieten bis 2026 beispielsweise. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir wissen, dass Mieten und Wohnen in Österreich nach wie vor ein Faktor ist, der Haushalte extrem belastet, und mit einem Mietpreisstopp bis 2026, getragen von Immobilienbesitzerinnen und -besitzern, statt eines Schmähpreisdeckels, wie Sie ihn beschlossen oder vorgeschlagen haben, wäre eine gute Maßnahme und in diesem Jahr noch umsetzbar. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: War das jetzt ein Statement oder eine Frage? (Abg. Holzleitner: Die Frage ist: Wollen Sie uns eine derartige Regierungsvorlage zuleiten?) – Sie sehen, wir haben da natürlich unterschiedliche Zugänge. Auf der einen Seite haben wir die Wohnbauoffensive gestartet mit 10 000 geförderten Mietwohnungen, 10 000 geförderten Eigentumswohnungen. (Abg. Krainer: Für acht Millionen Menschen!) Auch das bedeutet Entlastung am Wohnungsmarkt.
Wir haben andererseits durch unterschiedliche Maßnahmen die Kaufkraft der Menschen gestärkt, und Sie sagen eines zu Recht: Die Menschen fühlen sich aber trotzdem weiter belastet, was ja auch logisch ist, denn die Preise sind ja hoch.
Das, wofür wir gesorgt haben, ist, dass durch mehr Geld das Leben auch besser bewerkstelligbar ist. Dass ist ein mühsamer Kampf, aber Eingriffe, so wie Sie es sich vorstellen, führen oft dazu, dass das Problem für die Menschen, die betroffen sind, nicht gelöst, sondern noch dazu verschärft wird. Das haben andere Länder bewiesen, Deutschland ist ein ganz schlechtes Beispiel. In Großstädten, die diesen Weg eingeschlagen haben, den Sie gerade vorschlagen, hat das zu einer Wohnraumverknappung geführt.
Daher: Mein Zugang ist einerseits, den Menschen nach wie vor durch Entlastung zu helfen, die Fleißigen in der Gesellschaft besonders zu animieren, weiter fleißig zu sein (Abg. Krainer: Viel Geld für die Hausbesitzer! Eine tolle Politik!), weil sie tatsächlich den solidarischen Wohlfahrtsstaat finanzieren, und auf der anderen Seite durch konkrete Fördermaßnahmen wie die Wohnbauoffensive auch die Bauwirtschaft und andere dabei zu unterstützen, wieder anzuspringen, damit tatsächlich auch da durch mehr Wirtschaftswachstum wieder mehr Wohlstand entstehen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner – auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Gerade dort steigt die Arbeitslosigkeit, in der Baubranche!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Baumgartner. – Bitte.
Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Wir sehen eine deutliche Erholung der Wirtschaft und der Inflation von der Krise. (Abg. Krainer – erheitert –: Wo sehen Sie die? – Abg. Herr: Wo?) Welche Vorhaben sollen vor allem die arbeitende Mitte weiterhin entlasten? (Abg. Herr: Welche Quelle ist das? – Abg. Krainer: Aus welchem Paralleluniversum kommen Sie? Wahnsinn!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für Ihre Frage, Frau Abgeordnete: Wir haben mit der ökosozialen Steuerreform, glaube ich, schon einen guten Weg eingeschlagen.
Besonders möchte ich noch einmal hervorstreichen: Nach unzähligen Bundesregierungsversuchen waren wir die Bundesregierung, die es tatsächlich geschafft hat, diesen schleichenden Lohnfraß, die kalte Progression abzuschaffen – ein Vorhaben, das wichtig ist. Man muss sich Folgendes vorstellen: Alleine seit 2023 bedeutet das 7,5 Milliarden Euro Entlastung für die Menschen – Geld, das ihnen zusteht und das ihnen davor zu Unrecht immer wieder vorenthalten worden ist.
Was braucht es aus meiner Sicht noch? – Es braucht aus meiner Sicht eine weitere Senkung des Eingangssteuersatzes von 20 auf 15 Prozent. Das entlastet alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und leistet einen wichtigen Beitrag dazu, einen Unterschied zwischen den Menschen, die arbeiten, und denen, die nicht arbeiten, zu machen.
Zweitens stehen wir immer noch vor der Herausforderung, die Menschen in Vollzeit zu bringen. Deswegen ist auch der Vollzeitbonus geplant, nämlich alle, die Teilzeit arbeiten, aber keine Betreuungspflichten haben, zu animieren, tatsächlich mehr zu arbeiten, dafür aber eben nachhaltig über mehr Einkommen zu verfügen. Leistung muss sich lohnen: Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Grundsatz; das darf keine leere Phrase sein, sondern muss sich direkt auswirken.
Wir müssen da weitere Schritte setzen, wie die komplette Streichung der Besteuerung von Überstunden. Nochmals: Die Fleißigen in unserem Land, der Mittelstand in unserem Land, tragen den solidarischen Wohlfahrtsstaat, und diese gilt es in diesem Falle auf dem Weg der Leistung für unser Land besonders zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Götze. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben soeben erläutert: Die Bundesregierung hat sich entschieden, die Haushalte unter anderem durch die Abschaffung der kalten Progression zu stärken. Ich möchte aber auch die Valorisierung der Sozialleistungen noch erwähnen, und wir beschließen ja auch im Rahmen des dritten Drittels zum Beispiel zusätzlich 60 Euro pro Kind, damit sich die Familien auch – es wurde erwähnt – Katzenfutter, aber auch Kopfsalat und alles, was sie zum Leben brauchen, leisten können.
Zielgerichtete Maßnahmen oder Preisbremsen, könnte man sagen, gab es aber sehr wohl: die Strompreisbremse – ich glaube, die war wichtig –, aber auch den Mietpreisdeckel. – So viel zu Kollegin Holzleitner.
Eine Frage zu den weiteren Forderungen, die von der Opposition gekommen sind, wie generelle Preiseingriffe wie zum Beispiel die Senkung der Umsatzsteuer, der Mineralölsteuer oder auch die künstliche Senkung oder Deckelung von Gaspreisen: Welche Verteilungswirkung hätte das gehabt? Oder warum hat man sich nicht dafür entschieden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das ist eine ganz wichtige Frage. Das ist in der Regierung immer wieder sehr intensiv diskutiert worden, auch mit den Expertinnen und Experten. Gerade zu Beginn der Krise war da die einhellige Meinung der Expertinnen und Experten, dass Preiseingriffe eigentlich die klassische Gießkanne sind – es profitieren davon auch jene, die es gar nicht brauchen. Die Bundesregierung hat daher Maßnahmen gesetzt, die vor allem immer die unteren Einkommen im Fokus gehabt haben, um diese zu entlasten. Das hat übrigens auch der Budgetdienst des Parlaments bestätigt.
Wie vorhin schon ausgeführt, sehen wir bei Ländern, die tatsächlich die Preiseingriffe vorgenommen haben, dass es schlichtweg oft nicht funktioniert hat und massiv belastend war, wenn sie dann bei den Preiseingriffen kompensieren mussten, damit es keinen Angebotsmangel gibt. Andere Länder haben eingegriffen und hatten dann wiederum auch eine Angebotsverknappung – also auch da mit viel Mühsal für die Menschen.
Das, was man gesehen hat, ist: Preiseingriffe sind nicht treffsicher, sie sind massiv budgetbelastend. Deswegen haben wir sie nur sehr maßvoll vorgenommen (Abg. Belakowitsch: Maßvoll?!) und uns eben für den anderen Weg entschieden, durch Entlastungsmaßnahmen immer wieder darauf zu achten, dass die Menschen mehr Geld zur Verfügung haben, um diese schwierige Phase besser überstehen zu können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Hauser. – Bitte sehr.