Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie kennen meine erste Frage, die ist ja vorher kundzutun. Trotzdem interessiert mich Ihre Antwort. Sie unterstützen also die Wiederwahl Ursula von der Leyens, obwohl Ursula von der Leyen in der letzten Periode wirklich viele Verfehlungen gemacht hat. (Abg. Michael Hammer: The schwurbler has a mind!)
Konkret zwei Punkte: Mich interessiert, wieso Sie Ursula von der Leyen unterstützen, obwohl Ursula von der Leyen erstens einmal das Mercosur-Abkommen – das Was-ihr-persönlich-wichtig-ist-Abkommen – unbedingt realisieren möchte und zweitens die Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur Europäischen Union gestartet hat. (Abg. Michael Hammer: Wo ist die Frage?!)
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 380/M, hat folgenden Wortlaut:
„Warum unterstützen Sie den politischen Postenschacher, der zur Wahl Ursula von der Leyens zur Präsidentin der EU-Kommission führen soll, obwohl diese entgegen der Interessen Österreichs EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine gestartet hat und das Mercosur-Abkommen befürwortet?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen – da, wo ich Ihnen recht gebe, Herr Abgeordneter –: In der letzten Periode der Kommission war es durchaus so, dass es viele Entscheidungen der Kommission gab – nicht zuletzt auch mit der Renaturierung –, die nicht die Unterstützung von uns gefunden haben, weil sie aus unserer Sicht – und auch aus meiner Sicht – überschießend waren, überregulierend sind. Wir brauchen genau das Gegenteil. Getragen war das aber auch davon, dass es eine linke Mehrheit im Europäischen Parlament gegeben hat, die wiederum natürlich auch die Kommission – durch die Wirkung des Parlaments auf die Kommission – sehr beeinflusst hat.
Im Wahlkampf war Ursula von der Leyen die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei. Sie hat ein klares Wahlprogramm vorgelegt, das Wettbewerbsfähigkeit, Deregulierung, wiederum mehr Subsidiarität für die Mitgliedstaaten vorsieht. Das sind Inhalte, die mir sehr wichtig sind, auch in der Umsetzung der Politik.
Die Europäische Volkspartei hat bei diesen Europawahlen, wenn man sie gesamthaft sieht, gewonnen und dazugewonnen. Viele andere haben verloren. Aus meiner Sicht ist jetzt genau diese Veränderung im Parlament auch zu nutzen, damit eine Kommission gebildet wird, mit der diesen Versprechen der zukünftigen Kommissionspräsidentin Rechnung getragen werden kann. Wir brauchen mehr Wettbewerbsfähigkeit, wir brauchen mehr Deregulierung und wir brauchen vor allem mehr Subsidiarität, das heißt also mehr eigenstaatliche Verantwortung bei den Problemen, die die Nationalstaaten effizienter und besser lösen können. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sie unterstützen also von der Leyen aufgrund ihrer Versprechungen – die Vergangenheit war nicht sonderlich rühmlich.
Weil auch immer die Schwierigkeit dieser Regierung dargestellt wird, Krisen zu meistern: Sie kennen schon die Protokolle des Robert-Koch-Instituts, die zum Teil geschwärzt veröffentlicht wurden? Sie wissen zum Beispiel, dass am 16. März 2020 (Zwischenrufe bei der ÖVP) die Experten des Robert-Koch-Instituts festgestellt haben (Abg. Pfurtscheller: ... nicht für Österreich! – Abg. Michael Hammer: Schwurbel woanders weiter! – neuerlicher Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller), dass Covid nur mäßig gefährlich ist und dass am Wochenende hochskaliert wird? Das war also (eine Tafel, auf der unter der Überschrift „Lagezentrum des RKI, Protokoll des Covid-19-Krisenstabs“, in roter Schrift das Datum „16.3.2020“ sowie ein Text mit dem Titel „Aktuelle Risikobewertung“ zu sehen sind, in Richtung Bundeskanzler Nehammer zeigend) eine politische Anweisung (Abg. Michael Hammer: Frage!), einen wenig gefährlichen Virus hochzuskalieren ...
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter (Abg. Michael Hammer: Du kannst eh nachher noch beim Volksbegehren schwurbeln!), die Zusatzfrage muss mit der Hauptfrage wenigstens ein bisschen im Zusammenhang stehen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Grünen. – Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich würde Sie bitten, wirklich ein wenig dazu zu sagen. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Herr Präsident, sie ist sehr im Zusammenhang (Abg. Michael Hammer: Na geh, jetzt gib a Ruh’! – Abg. Steinacker: Das ist ja ... jetzt stell die Frage!), weil von der Leyen aufgrund dieser Hochskalierung in einem persönlichen Beschaffungsstil (Abg. Michael Hammer: Frage!) um 35 Milliarden Euro 1,8 Milliarden Pfizer Impfstoffdosen bestellt hat und die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelt. Wieso unterstützen Sie trotzdem die Wiederwahl von von der Leyen? (Abg. Steinacker: Sie hat sicher keine persönliche Beschaffung gemacht!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ihre Frage, Herr Abgeordneter, hat ja ganz viele Ebenen. Ich möchte versuchen, in der 1 Minute, die mir bleibt, vielleicht einen Anreiz für Sie darzubieten.
Die österreichische Bundesregierung ist die einzige von jenen der 27 EU-Mitgliedstaaten, die sämtliche Coronamaßnahmen sozialwissenschaftlich hat aufarbeiten lassen – von der Akademie der Wissenschaften. (Abg. Belakowitsch: Was genau hat der Bundeskanzler in der Europäischen Union ...?) Der Bericht liegt umfassend vor. Er betrifft alle wesentlichen Bereiche – Politik, Medien, Wissenschaft – und er ist sehr lehrreich für die Zukunft. (Abg. Hauser zeigt die Tafel mit der Überschrift „Lagezentrum des RKI, Protokoll des Covid-19-Krisenstabs“ erneut in Richtung Bundeskanzler Nehammer.)
Das, Herr Abgeordneter, bei dem ich Ihnen nicht folgen kann und bei dem ich es auch nach wie vor für einen schweren Fehler halte, dass Sie diese Position vertreten, ist:
Ich habe bei meinen unzähligen Besuchen in Intensivstationen und im Austausch mit dem Pflegepersonal, den Ärztinnen und Ärzten – die würden jetzt bei dieser Zahl, die Sie mir da zu nennen versuchen, oder Ihren Ausführungen einfach nur entsetzt den Kopf schütteln (Abg. Hauser zeigt eine Tafel mit der Überschrift „EU-Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Von der Leyen“ in Richtung Bundeskanzler Nehammer) – erlebt, welche Leistung die Pflegerinnen und Pfleger und Ärztinnen und Ärzte erbracht haben.
Ich halte es nach wie vor für einen schweren Fehler, Corona in dieser Form zu verharmlosen, und ich würde auch davor warnen, denn Pandemien sind ernst zu nehmen. Die Bedrohung war ernst. Es sind viel zu viele Menschen gestorben. Ich alte es für redlich und wichtig, dass politisch Verantwortliche alles tun, um Menschenleben zu retten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Michael Hammer: Der letzte Schwurblertag heute!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Anfrage: Abgeordneter Reimon. – Bitte.