14.30

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Keiner wird zurück­gelassen werden oder keiner wird zurückbleiben, war einer der vielen Leitsprüche von Bundeskanzler Kurz. Die Realität schaut heute so aus, dass wir 600 000 Arbeitslose ha­ben, 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit – und statistisch noch nicht ausgewiesen sind die 400 000 Einzelunternehmen und Kleinstunternehmen in Österreich. Ich stelle jetzt einmal die Behauptung auf, es wird sehr wohl Verlierer geben, zum Teil auch große Verlierer.

Das alles hätte man meines Erachtens wesentlich einfacher als mit dem dreistufigen komplexen Bürokratiemonsterkonstrukt aus Härtefallfonds, Kurzarbeit, Fixkostenzu­schuss machen können. Warum hat man nicht mit einem Gesetz, einer Zeile gesagt: Die Lohnnebenkosten für März, April, Mai entfallen? Sie werden nicht gestundet, sondern entfallen. Man hätte das auch berechnen können; das ist von der Quantität her alles kein Problem. Dann sind das halt 15 Milliarden, 20 Milliarden Euro. Man hätte auch sagen können: Weiters wird ab 1. Mai die Körperschaftsteuer halbiert, werden die Einkommen­steuertarife halbiert et cetera. Das wären zwei Zeilen gewesen.

Warum hat man das nicht gemacht? – Ich denke, man hat es vor allem deshalb nicht gemacht, weil man dann den Einfluss verloren hätte. Das wären gesetzliche Ansprüche gewesen, die in ihrer Einfachheit unübertreffbar gewesen wären. Das hat man alles nicht gemacht. Man hat das Konstrukt Härtefallfonds, Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss über die Wirtschaftskammer gemacht.

Jetzt hat man die Cofag – also mehrere Bereiche –, sodass man Kontrolle hat, wer Geld bekommt und wer kein Geld bekommt. Da geht es also nicht um die Frage: Was ist das Beste für die Menschen? Was ist das Beste für die Unternehmer? Was ist das Beste für die Arbeitnehmer? Was ist das Beste für die Arbeitgeber? – Das wäre nämlich die Frage, die sich eine Führungskraft in der Situation hätte stellen müssen.

So hingegen wurde offenbar die Frage gestellt: Was ist das Beste für die Österreichische Volkspartei? Was ist das Beste für unsere Vorfeldorganisationen? Was ist das Beste für die Wirtschaftskammer? – Das sind meines Erachtens völlig falsche Fragen. (Beifall und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Man hätte es also viel einfacher machen können, und dann hätte man sich auch Kon­junkturpakete ersparen können. Zu diesen Konjunkturpaketen: Sie sind mit Vorsicht zu genießen. IHS-Chef Kocher sagt: Das Risiko, dass sie völlig ins Leere gehen, ist insbe­sondere dann gegeben, wenn hohe Unsicherheit herrscht.

Jetzt haben Sie durch Ihre Regierungsmaßnahmen das Musterbeispiel für hohe Unsi­cherheit gegeben, indem Sie einen langen Shutdown machen, mit Verordnungen, Erläs­sen, Pressekonferenzen Chaos verursacht haben und jetzt schon mit der zweiten Welle sozusagen wacheln.

Wirtschaft ist ja Psychologie. Vertrauen schaut anders aus, Zuversicht schaut anders aus. Da mutet es schon etwas eigenartig an, wenn Sie als Maßnahme jetzt den Covid-Startup-Hilfsfonds von 25 Millionen auf 50 Millionen Euro erhöhen und gleichzeitig die Signale geben: In Wahrheit ist es momentan viel zu gefährlich, ein Unternehmen zu gründen, oder anders formuliert: Welcher einigermaßen normal kalkulierende, planende und denkende Mensch gründet jetzt – mit den Signalen, die er von Ihnen bekommt – ein Unternehmen, erweitert sein Unternehmen? – Also das ist mir nicht erklärlich.

Letzter Punkt, den auch Kollegin Hammerschmid schon angesprochen hat: Selbstver­ständlich gibt es eine Kausalkette, insbesondere für Europa, einen direkten Zusammen­hang zwischen Bildung, Ausbildung, Forschung, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg. Das Wort Innovationleader wird immer wieder gebracht. Wir sind halt ständig auf Platz zehn oder noch weiter hinten, also bei Weitem nicht dort, wo die Schweden, die Schwei­zer und so weiter sind, da wir nicht in der Lage sind, Planbarkeit, Stabilität und Perspek­tive für den Forschungsbereich zu geben.

Das Forschungsfinanzierungsgesetz war bereits im Regierungsprogramm 2017 enthal­ten – ein starkes Begehren der Freiheitlichen Partei. Es ist aber in der letzten Regie­rungsperiode nicht zustande gekommen und auch jetzt im Jahre 2020 noch nicht zu sehen. Es wäre dringend notwendig. Immerhin haben Sie vor – wir werden uns das dann genauer anschauen –, dass das im Herbst endlich geschieht.

Abschließend möchte ich noch einen Entschließungsantrag zu meiner Frage bezie­hungsweise zur Frage, was das Beste für die Wirtschaftskammer ist (Abg. Angerer: Auflösen! Die Wirtschaftskammer auflösen!), wie sie von den Führungskräften offenbar gestellt wurde, einbringen.

Ich denke, das Beste für die Wirtschaft und die Unternehmer wäre, wenn die Wirt­schaftskammer die Rücklagen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro sofort auflösen und sie ihren Zwangsmitgliedern als Liquiditätsspritze zuführen würde.

Deshalb bringe ich den entsprechenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auflösung von Rücklagen der Wirtschaftskammern zur Unterstützung der heimischen Unternehmen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die regelt, dass die Wirtschaftskammern Österreich Rücklagen auflösen und mit diesen Mitteln die heimischen Unternehmen zur Bewältigung der COVID19 Krise un­mittelbar unterstützen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

14.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger und weiterer Abgeordneter

betreffend Auflösung von Rücklagen der Wirtschaftskammern zur Unterstützung der heimischen Unternehmen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anla­gen (183 d.B.) – UG 40

in der 32. Sitzung des Nationalrates am 27. Mai 2020

Die heimischen Unternehmen bangen seit Wochen um ihre Existenz und wissen nicht, wie sie die laufenden Kosten und die durch die Zwangsschließungen entstandenen Ein­nahmenverluste bewältigen sollen.

Gleichzeitig ist die Wirtschaftskammer Österreich nicht bereit, ihrer ureigensten Aufgabe – nämlich die Unterstützung der Unternehmen – ausreichend nachzukommen.

Mit der Ausnahme, dass die Vorschreibung der Grundumlagen für dieses Jahr „bis auf weiteres“ ausgesetzt werden und dass auf Antrag eine Ratenzahlung oder Stundung der Kammerumlagen 1 und 2 möglich ist, die dann selbstverständlich nachgezahlt werden müssen, ist nichts geschehen. Im Gegenteil!

Wirtschaftskammerpräsident Mahrer verweist in Zusammenhang mit der Frage einer Unterstützung der Betriebe seitens der WKO darauf, dass die rund 1,4 Mrd. Euro als Rücklagen in Wertpapieren und Immobilien veranlagt seien und daher ein Zugriff nicht möglich wäre.

Während die Wirtschaftskammer nicht daran denkt, ihren Mitgliedern zu helfen und auf das aus Kammerbeiträgen der Zwangsmitglieder entstandene Vermögen zuzugreifen, sehen sich aber in der aktuellen Krisensituation viele Unternehmer gerade gezwungen, auf ihre Rücklagen zuzugreifen oder bestehendes Vermögen aufzulösen.

Am 17. April 2020 forderten in diesem Zusammenhang die Österreichische Hotelierver­einigung, der Handelsverband, der Gewerbeverein und der Senat der Wirtschaft eine sofortige Liquiditätsoffensive:

„Seit einem Monat befindet sich Österreich im Corona-Krisenmodus. Immer mehr hei­mische Betriebe, darunter zahlreiche KMU, bekommen Liquiditätsprobleme. Viele kön­nen ihren Zahlungsverpflichtungen kaum noch nachkommen und stehen vor dem Ende ihrer Existenz.“

„Die Wirtschaftskammern sitzen zurzeit auf rund 1,4 Mrd. Euro an Finanzvermögen, fi­nanziert durch Pflichtbeiträge der österreichischen Unternehmen. 700 Mio. davon sind Wertpapiere, 400 Mio. Bankguthaben. Aus Sicht der Unternehmerverbände könnten die­se Rücklagen sofort an die betroffenen EPU, KMU und sonstigen Betriebe ausgeschüttet werden. Immerhin wurden die Kammerrücklagen von den Unternehmen genau für derar­tige Krisenfälle jahrzehntelang bezahlt. Wertpapiere lassen sich jederzeit liquidieren. Lieber jetzt ein kleiner Abschlag, als in wenigen Wochen ein unternehmerischer Kahl­schlag, muss das Motto lauten.“

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die regelt, dass die Wirtschaftskammern Österreich Rücklagen auflösen und mit diesen Mitteln die heimischen Unternehmen zur Bewältigung der COVID19 Krise unmit­telbar unterstützen.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.