10.42
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesministerin! Nach der Rede meiner grünen Vorrednerin fällt es mir als Angehöriger einer Oppositionsfraktion direkt schwer, überhaupt noch nachzulegen, denn noch treffender kann man die Kritik an dieser Nicht-Frauenpolitik der Bundesregierung, glaube ich, gar nicht auf den Punkt bringen, als zu sagen, „je stiller die Heldinnen, desto lauter muss“ die „Frauenpolitik sein“. – Noch deutlicher geht die Kritik an der Frau Bundesministerin, glaube ich, gar nicht, weil der zentrale Punkt der Kritik nämlich insofern ins Schwarze oder ins Türkise trifft, als das wirklich auch eine Frage der Lebensrealitäten ist.
Wir haben heute Geschichten von der Billa-Verkäuferin gehört, wir haben von der 24-Stunden-Betreuerin gehört, aber das Einzige, was der Bundesministerin eingefallen ist, wie man Danke sagen kann, ist, dass man diesen Frauen in Zukunft ein bisschen unter die Arme greifen muss und dass man in Zukunft dann den Sekt und den Champagner billiger macht. (Abg. Salzmann: Nein! – Zwischenruf der Abg. Deckenbacher.) Das war die einzige Maßnahme, mit der die Bundesministerin den Punkt getroffen hat. Man merkt also, sie hat ein Gespür für die Lebensrealität der Frauen.
Die alleinerziehende Mutter, die zu Hause sitzt, und deren Tochter, die nicht weiß, wie es weitergeht, die keinen Laptop hat und nicht weiß, wie sie die Schule bewältigen soll, waren kein Thema, sodass man gesagt hätte: Wir haben ein Gespür dafür, wir helfen dem jungen Mädchen in der Schule und der alleinerziehenden Mutter!
Sie hat auch kein Gespür gehabt oder sich jemals zu Wort gemeldet, als es geheißen hat, es gibt Frauen, die zu Hause sitzen, die arbeitslos sind, bei denen die Tochter dann vielleicht auch selber fragt: Wie geht es denn weiter, Mama, wie tun wir denn?, und die Mutter ist selber verzweifelt, weil sie keinen Job hat.
Jetzt verstehe ich, dass man in der Krise nicht sofort Patentrezepte hat, aber als Politikerin und gerade als Frauenministerin hätten Sie Orientierung und in Wahrheit diesen Frauen auch eine Stimme geben können. Das ist eigentlich das Schlimme: dass Sie sich nicht zu Wort gemeldet haben, dass das in dieser gesamten Krise für die Frauenministerin nie ein Thema war – Stimme sein für jene Menschen, denen es im Moment nicht gut geht. (Beifall bei der SPÖ.)
Weil gerade in dieser Krise, wie ich glaube, auch sichtbar ist, dass es um viel unbezahlte Arbeit geht, und damit man das auch dokumentiert, wenn es schon die Frauenministerin nicht macht, möchte ich im Namen der Kollegin Heinisch-Hosek und in meinem Namen einen Antrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beauftragung und budgetäre Vorkehrung einer Zeitverwendungsstudie“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, ehestmöglich die Durchführung einer neuen Zeitverwendungsstudie in Österreich im Gleichklang mit den EU-weiten Erhebungen zu beauftragen um dafür im BFG 2020 budgetär Vorkehrungen zu treffen.“
*****
Es ist nämlich wichtig, dass vor allem auch die unbezahlte Arbeit der Frauen sichtbar gemacht wird.
Ich möchte gar nicht auf den Bereich der Frauengesundheit eingehen – wir sind mittendrin in einer gigantischen Gesundheitskrise –, all das war für die Frauenministerin kein Thema. Sie weiß immer ganz genau darüber Bescheid, wofür sie nicht zuständig ist, sie weiß ganz genau darüber Bescheid, wofür alle anderen zuständig sind. Sie sagt dann immer, das ist ein Querschnittsthema, aber wenn man dann fragt: Haben Sie wenigstens nachgefragt, was dort passiert?, dann sagt sie: Ich bin ja nicht zuständig! – Das bedeutet Querschnittsthema nicht, das ist in Wahrheit einfach Das-Thema-Schleifenlassen.
Das haben sich all jene Menschen, von denen wir heute schon gehört haben – die Billa-Verkäuferin, die Pflegerin, die 24-Stunden-Betreuerin –, nicht verdient: dass man in dieser Krise nicht einmal die Stimme erhebt und in Wahrheit gar nicht spürt, wie es Menschen eigentlich geht, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Brandstötter und Künsberg Sarre.)
10.45
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Philip Kucher,
Genossinnen und Genossen
betreffend Beauftragung und budgetäre Vorkehrung einer Zeitverwendungsstudie
eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 7 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020 – BFG 2020) samt Anlagen (183 d.B.) –
UG 10 Frauen und Gleichstellung
Im Regierungsprogramm ist zwischen ÖVP und Grünen unter dem Titel Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt die „Umsetzung einer Zeitverwendungsstudie: bezahlte vs. unbezahlte Arbeit, Aufteilung Familienarbeit“ vereinbart. Das ist prinzipiell zu begrüßen, da ein Großteil gesellschaftlich unentbehrlicher Arbeiten wie Hausarbeit, die Versorgung von Kindern, alten oder kranken Menschen, etc. von Frauen unentgeltlich geleistet wird und Datenmaterial dazu fehlt.
In der Corona-Krise erleben wir zudem eine weitere deutliche Verschiebung. Wir wissen aus vielen Studien, dass 47 Prozent der Frauen im Moment noch mehr Zeit für Kinderbetreuung aufwenden, als vor der Krise. Frauen sind auch häufiger von reduzierter Arbeitszeit betroffen, was wiederum den Anteil der unbezahlten Arbeit zu Hause erhöht. Detaillierte Zeitbudgeterhebungen gibt es auch zur aktuellen Situation keine. Die letzte Zeitverwendungsstudie für Österreich wurde im Zeitraum 2008/2009 durchgeführt. Wissenschaftliche Standards empfehlen die Durchführung von Zeitverwendungsstudien alle zehn Jahre. In der EU wird in den Jahren 2020 bis 2022 eine neue „Welle“ von solchen Studien durchgeführt, weshalb im Sinne internationaler Vergleichbarkeit eine neue Erhebung in Österreich ebenfalls in diesem Zeitraum stattfinden sollte. Im nunmehr zu beschließenden Budget 2020 ist keine budgetäre Bedeckung einer solchen Zeitverwendungsstudie vorgesehen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, ehestmöglich die Durchführung einer neuen Zeitverwendungsstudie in Österreich im Gleichklang mit den EU-weiten Erhebungen zu beauftragen und dafür im BFG 2020 budgetär Vorkehrungen zu treffen.“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.
Nun ist Herr Abgeordneter Weber zu Wort gemeldet. – Bitte.