15.13

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schallmeiner hat gemeint, es gibt noch sehr viele Dinge, über die wir im Gesundheitsbereich diskutieren müssen, darüber, wie wir die Einnahmen- und Ausgabensituation verbessern und auch die Struk­tur unseres Gesundheitswesens in Zukunft gestalten und finanzieren können.

Herr Kollege Schallmeiner, wir haben jetzt eineinhalb Wochen intensive Budgetdiskus­sionen hinter uns, leider Gottes über vollkommen falsche Zahlen, wie uns der Herr Fi­nanzminister gesagt hat. Nichtsdestotrotz hätten wir diese Diskussion in den letzten ein­einhalb Wochen führen und sie nicht in die Zukunft verschieben sollen.

Herr Bundesminister Anschober hat gemeint, er möchte faktenbasiert arbeiten, zuerst Zahlen sehen und dann Entscheidungen treffen. – Herr Bundesminister, ich nenne Ihnen ein paar Zahlen, die für Sie relevant sind, und auf Basis dieser Zahlen müssen Sie poli­tisch agieren, denn es ist Ihr Budget.

Im aktuellen Budgetvoranschlag für 2020 steht für das Gesundheitsministerium, für Sie, ein Betrag von 1 231,6 Millionen Euro zur Verfügung. Das hört sich auf den ersten Blick gar nicht so wenig an, nur lassen Sie mich dem gegenüberstellen, was in den ersten drei Monaten des heurigen Jahres in Ihrem Ressort bereits ausgegeben wurde, und da hat die Coronakrise noch kaum zugeschlagen: Das waren 343,4 Millionen Euro für das erste Quartal.

Jetzt brauchen wir keine hohen mathematischen Kenntnisse, um sich auszurechnen, dass man, wenn man diese Kosten einfach nur linear hochrechnet, ohne weitere Son­derbelastungen, auf einen Finanzierungsbedarf für das Jahr 2020 in der Größenordnung von 1 373,6 Millionen Euro kommt. Fällt Ihnen da etwas auf, Herr Minister? – Da fehlen Ihnen 142 Millionen Euro im aktuellen Budget, selbst bei konservativster linearer Hoch­rechnung des ersten Quartals.

In einem Punkt muss ich Sie leider enttäuschen: Ich habe mir den Abänderungsantrag der ÖVP zum aktuellen Budget angesehen. Ihr Ressort, das Gesundheitsministerium, die UG 24, wird mit keinem einzigen Euro bedacht. Das heißt, Sie werden kein zusätz­liches Geld kriegen, also frage ich Sie: Wie wollen Sie diese 142 Millionen Euro bis zum Ende des aktuellen Finanzjahres eintreiben? Welche Leistungen wollen Sie kürzen, da­mit Sie mit 142 Millionen Euro weniger auskommen?

Wie wollen Sie die Kosten für die ganzen Coronatests, für die Schutzausrüstung und die medizinische Ausstattung, die bestellt wurden, die Kollege Schallmeiner gerade mit gut 400 Millionen Euro beziffert hat, denn bezahlen? Wie wollen Sie die notwendigen zu­sätzlichen Mittel für die Ages finanzieren? Wie wollen Sie die bereits bestellten Impfstoffe bezahlen? Wie wollen Sie die zusätzlichen Präventionsmaßnahmen und Informations­kampagnen, die Sie angekündigt haben, finanzieren?

Da rede ich gar nicht von den möglicherweise erforderlichen Kostendeckungen für die Sozialversicherungen oder für die Krankenkassen; da rede ich noch gar nicht von den zusätzlichen Kosten durch den Behandlungsrückstau, der wegen des Lockdown im Ge­sundheitswesen passiert ist; da spreche ich noch gar nicht von den notwendigen Inves­titionsanreizen, damit wir unser Gesundheitssystem so umformen, dass die nächste Krise noch besser bestanden wird; und da rede ich noch gar nicht von den Kosten, die zur Absicherung der Arzneimittelversorgung und der Versorgung mit Medizinprodukten notwendig sind.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich nicht mehr so ruhig hier sitzen, ich würde mir große Sorgen machen, wie das alles zu finanzieren ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Um dem Ganzen etwas Nachdruck zu verleihen und Sie vielleicht auch etwas mehr zum Nachdenken aufzufordern, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnah­menpaket zum österreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass ein Maßnahmenpaket zum österreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19 mit folgenden Eckpunkten ausgearbeitet und dem Nationalrat bis zum 30. Juni 2020 zugewiesen wird:

- Statusbericht über den Behandlungsrückstau in den Krankenanstalten und im nieder­gelassenen Bereich

- Statusbericht über die finanziellen, personellen und organisatorischen Konsequenzen der COVID-19-Krise für das österreichische Gesundheitswesen

- Statusbericht über die Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten in Folge der COVID-19-Krise

- Statusbericht über die finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die öffentli­chen Krankenversicherungsträger

- Finanzielle, personelle und organisatorische Maßnahmen für einen raschen Abbau des Behandlungsrückstaus in den Krankenanstalten und im niedergelassenen Bereich

- Budgetäre Maßnahmen für eine rasche finanzielle Bedeckung des Finanzbedarfs im österreichischen Gesundheitssystems inklusive der öffentlichen Krankenversicherungs­träger“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.18

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Mag. Gerhard Kaniak, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maßnahmenpaket zum österreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (55 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2020 (Bundesfinanzgesetz 2020-BFG 2020) samt Beila­gen (183 d.B.) –UG 24 (Gesundheit) in der 32.Sitzung des Nationalrates am 28. Mai 2020

Aktuelle Medienberichte berichten über weitreichende Folgen für das österreichische Gesundheitssystem in Folge der COVID-19-Krise:

CoV: Klagen über fehlende Behandlungen

Viele Patientinnen und Patienten in Wien beklagen, dass sie wegen des Coronavirus in den Ordinationen wie auch Spitälern nicht behandelt worden seien und sich ihr Zustand dadurch verschlechtert hätte. Bei Patientenanwältin Sigrid Pilz häufen sich deshalb Be­schwerden.

Auch jetzt, wo die Spitalsambulanzen wieder öffnen, sei die Situation noch immer nicht eindeutig, kritisierte Patientenanwältin Sigrid Pilz. So hat sich diese Woche unter ande­rem ein Diabetiker bei ihr gemeldet, der eine nicht heilende Wunde am Fuß hat und weggeschickt wurde. „Das hat mich veranlasst, dort sofort zu intervenieren, denn diese Dinge dürfen nicht sein, denn wenn jemand eine unversorgte diabetische Wunde hat, dann kann das leicht in einer Amputation münden.“

KAV will Operationsrückstau abarbeiten

Dieser Fall sei keine Seltenheit. Viele würden beklagen, dass sich ihr Zustand ver­schlechtert habe, weil sie wegen des Coronavirus nicht behandelt oder Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien. „Wir gehen in jedem einzelnen Fall der Sache nach, ob es hier nachweislich gesundheitliche Nachteile gibt“, sagte die Patientenanwältin. Der Krankenanstaltenverbund versicherte, den Rückstau an Operationen und Untersuchun­gen zügig abzuarbeiten.

Wichtig sei laut Pilz, die Angst bei den Personen abzubauen, denn es gebe auch Fälle, wo Personen aus Furcht vor dem Coronavirus keinen Arzt aufgesucht hätten. „Eine äl­tere Dame wollte nicht einmal die mobilen Dienste ins Haus lassen aus Angst. Die Pfle­gekräfte wissen, dass wenn die Frau nicht versorgt wird, ist das Risiko größer als ein allfälliges Infektionsrisiko durch das Coronavirus.“ (ORF Wien 22. Mai 2020)

Auswirkungen der Coronakrise auf die Österreichische Gesundheitskasse

Starker Einbruch der Beitragseinnahmen durch Rekordarbeitslosigkeit

Wien (OTS) - Die durch die Coronavirus-Pandemie bedingte Rekordarbeitslosigkeit im April 2020 macht sich auch in den Finanzen der Sozialversicherungsträger bemerkbar. Die Vorschreibungen für die Beiträge sind im Vergleich zum Vorjahr um 5,31 Prozent gesunken, es werden um 187,8 Millionen Euro weniger als im April des Vorjahres ein­genommen.

Im Voranschlag für 2020 hat die ÖGK im Jahresdurchschnitt noch mit einer Steigerung um 4,2 % im Vergleich zum Vorjahr gerechnet. Das bedeutet gegenüber dem bud­getierten Wert ein Minus von 335 Millionen Euro. Der Anteil der ÖGK beträgt dabei rund 19 Prozent.

Der starke Einbruch hängt vor allem mit dem Shutdown zusammen. Zusätzlich verstärkt wird der Effekt der sinkenden Beitragseinnahmen durch die automatische Stundung von nicht geleisteten Beitragseinnahmen der Unternehmen in Österreich. Die ausstehen­den Beitragseinnahmen summieren sich im Jahr 2020 insgesamt bereits auf mehr als 2,5 Mrd. Euro.

Aufgrund der Lockerungen der Bestimmungen durch die Bundesregierung rechnet die ÖGK mit einer Entspannung für Mai, da es bereits wieder mehr Anmeldungen gibt als im Vormonat. (APA 26. Mai 2020)

Ärztekammer: ÖGK droht an Hauptaufgabe zu scheitern

Teilweise Entschädigungen in Darlehensform sind zu wenig, um die niedergelassene Infrastruktur zu sichern, betont die Österreichische Ärztekammer.

Wien (OTS) - „Die Coronakrise hat die strukturellen Schwächen der Österreichischen Gesundheitskasse schonungslos offen gelegt“, kommentiert Johannes Steinhart, Vize­präsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niederge­lassenen Ärzte, die jüngsten Medienberichte um die wirtschaftliche Situation der ÖGK. Nun droht die ÖGK bei ihrer Hauptaufgabe, der Versorgungssicherung, zu scheitern. Denn eines ist sicher: „Den Ärzten 80 Prozent der Vorjahreseinnahmen als rückzahl­bares Darlehen zu acontieren, wird nicht reichen, um sicherzustellen, dass die niederge­lassene Infrastruktur auch bei einer möglichen zweiten Welle an Coronavirus-Infektionen ihre Versorgungsleistung aufrechterhalten kann“, betont Steinhart. Wie ÖGK-Vizeob­mann Andreas Huss richtig festgestellt hat, sind die Patientenkontakte während der Krise bedingt durch die Pandemievorschriften teilweise auf ein Minimum gesunken. „Das bedeutet für Ärztinnen und Ärzte teilweise existenzbedrohende Situationen“, unter­streicht Steinhart: „Man darf ja auch die Funktion der Ärzte als Arbeitgeber nicht verges­sen – über 25.000 Jobs hängen am niedergelassenen Bereich. Dieser ganze Bereich muss aufgefangen werden, das steht außer Frage. Ohne Geld auszugeben, wird das nicht funktionieren.“

Kassenärztinnen und -ärzte haben zu über 90 Prozent ihre Ordinationen während der Krise offengehalten, um die wohnortnahe Versorgung in Notfällen zu garantieren und damit die dringend notwendige Entlastung der Spitäler zu ermöglichen. „All das haben unsere Ärztinnen und Ärzte trotz Gefährdung ihrer persönlichen Gesundheit und unter wegen des kassenseitig verstärkten Mangels an Schutzausrüstung zusätzlich verschärf­ten Bedingungen verlässlich erfüllt. Auch wenn diesen bewundernswerten Einsatz ein Leistungskatalog nicht abbilden kann, muss diese Leistung ohne Wenn und Aber ho­noriert werden“, so Steinhart.

Rasche finanzielle Sicherstellung für alle niedergelassenen Ärzte

„Während die Patientenkontakte gesunken sind, sind die Kosten zu mehr als 100% weitergelaufen“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Gearbeitet wird noch immer unter sehr erschwerten Rahmenbedingungen. „Wir bedan­ken uns bei den niedergelassenen Ärzten für die Aufrechterhaltung der Gesundheitsver­sorgung. Sollte sich die Situation verschärfen, werden sich aber viele der niedergelasse­nen Ärzte es sich nicht leisten können, ihre Angestellten und den Betrieb weiter zu fi­nanzieren. Daher müssen ÖGK und Regierung eine rasche finanzielle Sicherstellung für alle niedergelassenen Ärzte leisten, um die Gesundheitsversorgung zu garantieren“, for­dert Szekeres.

Dachverbandschef Peter Lehner hat erst kürzlich öffentlich „volle Unterstützung“ beim Bund für die Ärzte bei ihrer Forderung nach vollem Verlustausgleich versprochen. „Wir gehen davon aus, dass das auch die Stoßrichtung der ÖGK sein wird“, sagt Steinhart. (APA 9. Mai 2020)

Insgesamt ist das österreichische Gesundheitssystem durch COVID-19-Maßnahmen an seine finanziellen, personellen und organisatorischen Grenzen angelangt. Darüber hi­naus sind auch dringend notwendige Reformschritte im österreichischen Gesundheits­system nicht eingeleitet worden und mit der Umsetzung des Regierungsprogramms ist noch gar nicht begonnen worden. Auch das aktuell vorgelegte Gesundheitsbudget unter der UG 24 des Bundesfinanzgesetzes 2020 (BFG-2020) bietet keine finanzielle Grundla­ge, um die Folgen von COVID-19, deren finanziellen, personellen und organisatorischen Konsequenzen und den seit Regierungsantritt bestehenden Reformstau zu überwinden.

Deshalb braucht es für das österreichische Gesundheitssystem dringend ein Maßnah­menpaket, das die Folgen der COVID-19-Krise beseitigt, auf die finanziellen, personellen und organisatorischen Konsequenzen reagiert und den seit Regierungsantritt bestehen­den Reformstau auflöst.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird auf­gefordert dafür Sorge zu tragen, dass ein Maßnahmenpaket zum österreichischen Ge­sundheitssystem nach COVID-19 mit folgenden Eckpunkten ausgearbeitet und dem Na­tionalrat bis zum 30. Juni 2020 zugewiesen wird:

-           Statusbericht über den Behandlungsrückstau in den Krankenanstalten und im niedergelassenen Bereich

-           Statusbericht über die finanziellen, personellen und organisatorischen Konse­quenzen der COVID-19-Krise für das österreichische Gesundheitswesen

-           Statusbericht über die Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten in Folge der COVID-19-Krise

-           Statusbericht über die finanziellen Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die öf­fentlichen Krankenversicherungsträger

-           Finanzielle, personelle und organisatorische Maßnahmen für einen raschen Ab­bau des Behandlungsrückstaus in den Krankenanstalten und im niedergelas­senen Bereich

-           Budgetäre Maßnahmen für eine rasche finanzielle Bedeckung des Finanzbedarfs im österreichischen Gesundheitssystems inklusive der öffentlichen Krankenversi­cherungsträger

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.