15.08

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Noch nie, noch nie sind durch einen politischen Personaldeal so viele hochrangige Personen ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten wie bei der Casinos-Affäre. Die ehemalige türkis-blaue Regierung hat das geschafft und schadet damit dem Ansehen der Republik, der Glaubwürdigkeit der Politik, dem Ansehen von uns allen.

Sehr geehrte Damen und Herren, hier in diesem Parlament sind sehr viele neu ge­wählte Abgeordnete. Wie kommen wir dazu, uns besudeln zu lassen, uns Vorwürfe machen zu lassen, uns mit Schmutz bewerfen zu lassen, immer nach dem Motto: Ir­gendetwas bleibt schon an allen hängen!? (Abg. Hauser: Wie ist das denn mit dem Dornauer in Tirol?) Wir versuchen, ehrliche und transparente Politik für die Menschen in diesem Land zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird gegen ehemalige Bundesminister, einen Staatssekretär, weitere ehemalige Spitzenpolitiker, Aufsichtsratsvorsitzende und Stellvertreter, Spitzenmanager und Su­perreiche ermittelt, die im Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben. Was bin ich doch froh über unsere Justiz, sehr geehrte Damen und Herren!

Es geht um nicht weniger als um den Verdacht (Abg. Pfurtscheller: Den Verdacht! Verdacht, nicht Verurteilung!) der Untreue, des Amtsmissbrauchs, möglicherweise auch der Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Vielleicht prüft die Staatsanwaltschaft auch den Versuch der Anstiftung zum Amtsmissbrauch (Abg. Pfurtscheller: Es gilt die Un­schuldsvermutung!); sehr schön, alle möglichen strafbaren Delikte. Es geht um Be­stechlichkeit oder um Bestechung, also um keine harmlosen Geschichten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Wöginger: Geht es um Bestechung?) Wir wissen, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht leichtfertig so schwer­wiegende Verdächtigungen prüft und so dramatische Maßnahmen und Schritte wie Hausdurchsuchungen und Mobiltelefonauswertungen setzt. (Abg. Nehammer: ... Ver­dächtigungen!) Da müssen schon ernsthafte Verdachtsmomente vorliegen, auch wenn selbstverständlich für alle die Unschuldsvermutung gilt.

Es stellt sich die Frage, ob all diese Aktivitäten der Verdächtigen nur deshalb erfolgt sind, weil ein – laut Personalberater für diese Funktion ungeeigneter – FPÖler einen Spitzenjob erhalten musste. (Abg. Belakowitsch: „Es stellt sich die Frage“, ob die „Aktivitäten der Verdächtigen“ - -!) Oder hatte die Personalbesetzung möglicherweise mit der Vergabe von Glücksspiellizenzen zu tun? (Abg. Belakowitsch: Wo denn? Wo gibt es denn das Gesetz dazu? Wo wird denn das beschlossen worden sein?) Ob straf­bare Taten tatsächlich vorliegen, wird von den staatsanwaltschaftlichen Behörden zu prüfen und allenfalls von Gerichten zu klären sein. Wichtig dabei ist, dass die Korrup­tionsstaatsanwaltschaft vollkommen unbeeinflusst arbeiten kann. (Abg. Belakowitsch: Was reden Sie denn da? Haben Sie das beschlossen in der letzten GP? Haben Sie eigentlich mitbekommen, was Sie beschlossen haben? Das ist ja eine Katastrophe! Sie sind Abgeordnete! Sie müssen wissen, dass es das nicht gibt!)

Keine Klagsdrohungen hier in diesem Parlament, wenn ich bitten darf! Die Staatsan­waltschaften, die Gerichte, unsere unabhängige, unbeeinflussbare Justiz sind eine Säule der Demokratie. – Respektieren Sie das! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.) Wer sie an die Kandare nehmen will, begeht einen großen Fehler. Das passiert, wenn man ihr zum Beispiel die finanziellen Mittel kürzt: Weniger Personal bedeutet längere Verfahren. (Abg. Hörl: Die SPÖ ...!) Weniger Personal bedeutet we­niger Gerechtigkeit in diesem Land, weniger Sicherheit in diesem Land.

Ich habe großes Vertrauen in unsere Justiz und in unseren Justizminister, der derzeit ein unabhängiger ist. Aber was kommt nach ihm, sehr geehrte Damen und Herren? (Abg. Zarits: Kein Roter!) Daher möchte ich eine langjährige Forderung der SPÖ wie­der aufgreifen und für einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt, der die Weisungs­spitze gegenüber den staatlichen Behörden darstellt, plädieren.

Eines steht fest: Wir können bei so schwerwiegenden Vorwürfen nicht zur Tagesord­nung übergehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich bin überzeugt davon, dass die Ge­rechtigkeit, wenn wir entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen, ihren Weg finden wird. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Das ist jetzt kein gutes Zeugnis für die politisch Agierenden. Wir müssen die Justiz stärken.

Ich möchte aber, weil doch sehr schwerwiegende Bedenken gegenüber Herrn Peter Sidlo im Raum stehen, folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen, betreffend „Abberu­fung von Peter Sidlo als Vorstand der Casinos Austria AG“.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um eine Abberufung von Herrn Peter Sidlo als Vorstand der Casinos Austria AG zu erwirken.“

*****

(Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

15.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maga. Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen

betreffend Abberufung von Peter Sidlo als Vorstand der Casinos Austria AG

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage betreffend „Von Ibiza zu den Korruptionsvorwürfen und Personalvergaben bei der Causa Casinos – wie Türkis-Blau die Republik verkaufen wollte“

Begründung

Der FPÖ-Politiker Peter Sidlo wurde am 28. März 2019 zum Finanzvorstand der Ca­sinos Austria AG bestellt.

Nach allem, was über die einschlägige Qualifikation von Peter Sidlo öffentlich bekannt ist und durch die Bewertung durch das beauftragte Beratungsunternehmen Zehnder unterstrichen wurde, hätte diese Bestellung erstens nicht stattfinden dürfen und zwei­tens hätte das Bundesministerium für Finanzen als Aufsicht Peter Sidlo schon längst wieder abberufen müssen.

Medial werden die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zum ver­muteten FPÖ-Novomatic-Deal so beschrieben: „Mag. Johann Gudenus, Heinz-Chris­tian Strache und MMag. DDr. Hubert Fuchs vereinbarten mit dem Vorstandsvorsit­zenden der Novomatic Mag. Harald Neumann und dem Eigentümer der Novomatic Johann Graf, dass Novomatic als FPÖ-Kandidaten Mag. Peter Sidlo benennen sollte. Im Gegenzug dafür wurde eine wohlwollende Unterstützung der Novomatic bei wesent­lichen ‚regulatorischen Glücksspielbelangen‘ durch die FPÖ ausgemacht. Gegenstand dieser Vereinbarung war insbesondere die Erteilung einer ‚Casino Lizenz in Wien‘ und einer ‚nationalen Online Gaming Lizenz‘, um die sich die Novomatic zu diesem Zeit­punkt auf Bundesebene bemühte und die von der Casag exklusiv gehalten wurde.“1

Die glücksspielrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter und die Geschäftslei­tung (Vorstand) sind unmissverständlich.

Gemäß § 31b Abs. 7 Glücksspielgesetz (GSpG) sind diese Anforderungen jedes Mit­glied des Vorstands der Casinos Austria AG dauernd zu erfüllen:

Unter anderem müssen nach Ziffer 3 Geschäftsleiter auf Grund der Vorbildung fachlich geeignet sein und für den Betrieb des Konzessionärs erforderlichen Erfahrungen ha­ben.

§ 31b Abs. 7 Glücksspielgesetz (GSpG) bestimmt genau, was damit erfüllt sein muss:

„Die fachliche Eignung eines Geschäftsleiters setzt voraus, dass dieser in ausreichen­dem Maße theoretische und praktische Kenntnisse in den beantragten Geschäften der Konzession sowie Leitungserfahrung hat; die fachliche Eignung für die Leitung eines Konzessionärs ist anzunehmen, wenn eine zumindest dreijährige leitende Tätigkeit bei einem Unternehmen vergleichbarer Größe und Geschäftsart nachgewiesen wird.“

Nun wird jeder, der den bisherigen Lebenslauf von Peter Sidlo anschaut, auf den ers­ten Blick sehen, dass dieser diese Voraussetzung nicht erfüllt.

Genau darauf hat der Personalberater Egon Zehnder hingewiesen: Eine ausreichende Qualifikation von Herrn Sidlo sei nicht feststellbar.2

In einer ersten Textversion lautete die Bewertung des Personalberaters zu Peter Sidlo „Aufgrund seines mangelnden Track-Records in einer breiten Finanzverantwortung von nennenswerter Größe und Komplexität (. . .) würde er (Anm.: Peter Sidlo) jedoch in den meisten Auswahlverfahren für eine entsprechende CFO-Position keine Berücksichti­gung finden."

In einer - mutmaßlich nach einer Intervention vom Aufsichtsratsvorsitzenden - ent­schärften Variante bleibt der Personalberater dabei, dass Sidlo in den meisten Aus­wahlverfahren wahrscheinlich keine Berücksichtigung finden würde, mit dem Zusatz: Sollte der Aufsichtsrat Sidlo dennoch in Betracht ziehen, müsse „seine mangelnde Führungs- und CFO-Kompetenz durch eine Veränderung der Geschäftsverteilung hin­reichend kompensiert werden[...]"3

Die eindeutige gesetzliche Bestimmung im Glücksspielgesetz verbietet freilich diese Variante einer Finanzvorstand-Schnupperlehre im Vorstand der Casinos Austria AG. Denn:

Die glücksspielrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsleiter und die Geschäftslei­tung (Vorstand) sind gem. § 31b Abs. 7 GSpG dauernd zu erfüllen.

Das Kriterium der dauernden zu erfüllenden Anforderung an einen Geschäftsleiter kann demnach nicht durch eine Veränderung der Geschäftsverteilung beim Konzes­sionär kompensiert werden.

Eine Aktennotiz des CASAG-Aufsichtsratspräsidenten Walter Rothensteiner zu einem Telefonat zwischen ihm und dem damaligen Bundesminister für Finanzen Hartwig Lö­ger (ÖVP) dokumentiert eine mögliche Absprache zur Bestellung von Peter Sidlo zum Geschäftsleiter der Casinos Austria AG:

"Hat (Anm.: Löger) mit Johann Graf (Anm.: Gründer und Alleinaktionär der Novomatic) konferiert, der hat irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss. Alternativkandidaten von Neumann (Anm.: Novomatic-Chef) gibt es nicht mehr, Graf will es nicht. Habe Löger gesagt, dass ich damit eigentlich meine Funktion über­denken muss. Versteht er, bittet mich, ihn zu verstehen."4

Am 10.12.2019 wird eine außerordentliche Hauptversammlung der Casinos Austria AG stattfinden, sie wird sich mit dem Entzug des Vertrauens betreffend des Finanzvor­standes Peter Sidlo beschäftigen.5

Am 20.11.2019 hat das Finanzministerium gegenüber der Austria Presseagentur er­klärt, sich nicht in die Hauptversammlung der Casinos Austria AG einmischen zu wol­len, mit der Begründung: "An der außerordentlichen Hauptversammlung der Casinos Austria AG nimmt nicht die Republik Österreich, vertreten durch das Bundesminis­terium für Finanzen, sondern die Österreichische Beteiligungs AG als Anteilsinhaberin von Aktien an der Casinos Austria AG teil. Die Beschlussfassung über den Entzug des Vertrauens eines Vorstandsmitgliedes obliegt den an der außerordentlichen Hauptver­sammlung teilnehmenden Aktionären der Casinos Austria AG."6

Aber das steht im Widerspruch zum Glücksspielgesetz. Es steht dem Bundesminister für Finanzen nicht frei, in dieser Frage auf eine Entscheidung der Hauptversammlung zu warten.

Der Bundesminister für Finanzen hat den Konzessionär auf die Einhaltung der Be­stimmungen des Glücksspielgesetzes oder des Konzessionsbescheides, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, zu überwachen (§ 31 GSpG).

Die Anforderungen an die Geschäftsleiter des Konzessionärs sind gem. § 31b GSpG dauernd zu erfüllen, weshalb ein Zuwarten bis zu Hauptversammlung gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um eine Abberufung von Herrn Peter Sidlo als Vorstand der Casinos Austria AG zu erwirken.“

1          Profil, „Alles auf Schiene?“, 24.11.2019

2          Die Presse „Die Beurteilung von Peter Sidlo wurde nachträglich entschärft“, 14.11.2019

3          Die Presse „Die Beurteilung von Peter Sidlo wurde nachträglich entschärft“, 14.11.2019

4          Die Presse, „Hintergrundeal mit den Blauen“, 13.11.2019

5          APA, „Casinos - Außerordentliche Hauptversammlung zu Sidlo-Abberufung fix“, 20.11.2019

6          APA, „Casinos - Finanzministerium mischt sich in Hauptversammlung nicht ein“, 20.11.2019

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter August Wöginger. – Bitte.