10.44

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Geschätz­te Mitglieder der Bundesregierung! Jetzt haben wir 30 Minuten lang dem Finanzminister zugehört, der uns erklärt hat, warum sein Budget ganz hervorragend ist, warum es so brillant ausbalanciert ist wie sein Stand auf einem Balanceboard. Wir haben immer wie­der gehört, dass es kein Land gibt, das besser durch die Krise gekommen wäre als Ös­terreich. Die Wahrheit ist nur: Das stimmt nicht!

Das BIP ist in Österreich real um 6,8 Prozent gesunken, in Deutschland um 5,2 Prozent. Das Budgetdefizit ist in Österreich fast doppelt so hoch wie in Deutschland, und auch die Inflation ist doppelt so hoch. Die Zahl der Arbeitslosen ist in Deutschland um 20 Pro­zent gestiegen, bei uns in Österreich leider um 34 Prozent. Was diese Regierung also tut, ist, die Wahrheit so zu biegen, bis sie in türkisen Socken dasteht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt könnte man sagen: Gut, er ist ein Wahlkämpfer, Teilzeitfinanzminister, Laptop hat er keinen, erinnern tut er sich nicht!, aber dann stellt sich schon die Frage: Wie sieht es zumindest mit der Lernkurve aus, was wurde in den letzten Monaten tatsächlich gelernt? Wenn man das seriös beurteilen will, dann muss man sich vier Punkte anschauen. Ein Budget in der größten Krise muss nämlich vier Punkte bewirken: Es muss erstens die Arbeitslosigkeit bekämpfen, zweitens Unternehmen das Überleben sichern, drittens die Kaufkraft besonders der Bezieher kleiner Einkommen garantieren sowie viertens durch öffentliche Investitionen das auffangen, was der Einbruch bei den privaten Investitionen ausmacht. Wenn wir uns das Budget nach diesen Kriterien anschauen, dann muss man sagen: Wenn im Budget überhaupt etwas dazu drinnen steht, diesen Kriterien genügt es leider nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Es fehlt Substanzielles für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Sie tun wenig für die Hundert­tausenden Menschen, die als EPUs oder auch als Arbeitslose den Großteil ihres Ein­kommens verloren haben, und massive öffentliche Investitionen und vor allem Auffanglö­sungen für Unternehmen bleiben zur Gänze aus. Während Wien mit der StolzaufWien GesmbH vorzeigt, wie man sich um unverschuldet in Not geratene Unternehmen küm­mert, stellt sich die Frage: Was macht eigentlich, Herr Finanzminister, die österreichische Staatsholding? Womit ist die Öbag beschäftigt? In Wahrheit ist es doch so, dass man es dort mittlerweile mehr mit Hausdurchsuchungen zu tun hat als mit wirtschaftspolitischen Fragestellungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Das ist unglaublich, wirklich un­glaublich!)

Ich komme aus Oberösterreich, aus Traun, und ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, was sich im industriepolitischen Herzen Österreichs einst abgespielt hat. Wenn Sie heute tatenlos und anstandslos zusehen, wie die FACC 650 Mitarbeiter entlässt, wie in Steyr eine hundertjährige Qualitäts- und Erfolgsgeschichte von deutschen Managern zum Ausgleich der eigenen Unfähigkeit zu Grabe getragen wird, dann zeigt das nur, dass von ökonomischen Zusammenhängen in dieser Regierung wenig verstanden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich lasse hier aus, was es für die 2 500 Beschäftigten in Steyr emotional heißt, wenn ihnen gegen jede Verabredung (Abg. Pfurtscheller: Zum Thema, Herr Kollege!) – und das hören Sie sich jetzt an! – das Werk zugedreht wird. (Abg. Gerstl: Zur Tagesordnung! Zur Sache!) Wir wissen eines: Jede dieser Arbeitslosen, jeder dieser Arbeitslosen kostet das Budget 30 000 Euro. Der Herr Finanzminister ist im Multiplizieren nicht so stark, ich mache mir die Mühe, ihm das vorzurechnen: Mit zusätzlichen 100 000 Arbeitslosen wird das Budget mit 3 Milliarden Euro belastet. (Ruf bei der ÖVP: Was hat das mit Tourismus zu tun?) Eine Politik, die sich um diese Frage nicht kümmert, soll keine Budgets machen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hanger: Herr Kollege Drozda, kennen Sie die Tagesord­nung? Die Debatte haben wir morgen!)

Es ist nämlich die gleiche Politik, die glaubt, in der Frage der Gemeindefinanzen und der Gemeindefinanzierung einen besonders schlauen Weg gefunden zu haben, indem näm­lich die Gemeinden zur Kofinanzierung verpflichtet werden, bei Hilfen, die jetzt dringend notwendig sind, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dachdecker, Spengler, Gärtner, unzähli­ge Betriebe werden keine Hilfe bekommen. Mir kommt das so vor – weil Sie ja im Wahl­kampf gern vom Nikolaus geredet haben –, wie wenn Sie sagen: Ein Nikolaussackerl gibt es nur für die Kinder, die vorher schon etwas in das Sackerl reingegeben haben! – Das scheint mir relativ sinnlos zu sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pfurtscheller: Zur Tagesordnung, Herr Kollege!)

Sie haben vollkommen recht, wir sind beim Tourismus, bei den Künstlerinnen und Künst­lern. (Abg. Lopatka: Was haben Sie heute gefrühstückt? Da muss etwas dabei gewesen sein!) Wir haben im Ausschuss den Experten aufmerksam zugehört, wir wissen um die desaströse Situation. Es gibt einen kompletten Einnahmeneinbruch im Veranstaltungs­wesen, im Bereich der Kunst und Kultur.

Was war die Reaktion? – Großspurig wurde ein Rettungsschirm angekündigt, der einmal mehr keiner ist, weil er wieder keine rasche und wirksame Hilfestellung leistet. Frau Bun­desministerin, Sie haben mir die Frage nicht beantworten können, was eine Institution, die im März etwas plant, tatsächlich aus diesem Fonds bekommt. Das ist aber die ent­scheidende Frage für die Künstlerinnen und Künstler und die Veranstalter.

Aus diesem Grund bringen wir heute einen Entschließungsantrag ein, damit jedenfalls sichergestellt ist, dass die angekündigten Ausfallsentschädigungen so aufgesetzt wer­den, dass bei Absage einer geplanten Veranstaltung nicht nur der Veranstalter selbst, sondern auch die Vertragspartner – das sind die Künstlerinnen und Künstler, die Tech­nikerinnen und Techniker – entschädigt werden. Die vereinbarten Gagen sind in jedem Fall auszubezahlen. Der Antrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Echte Hilfe für Kulturveranstalter“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, in seinem Ressort eine Anlaufstelle für Kulturschaffende und Kulturinstitutionen zu schaf­fen und Hilfestellungen direkt zu vergeben, anstatt Kulturbetriebe und KünstlerInnen an fachfremde Institutionen weiterzureichen. Dabei soll auch ein eigener Haftungsschirm geschaffen werden, der sicherstellt,“ – und das ist jetzt der wichtige Unterschied – „dass Kulturinstitutionen beim Entfall geplanter Veranstaltungen wahlweise 90 Prozent der prognostizierten Einnahmen oder die bereits entstandenen Aufwendungen ersetzt wer­den.“

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Abschließend vielleicht noch – weil so gern Hayek und auch Keynes zitiert werden – das Wort eines Ökonomen, den Sie gern zitieren, der etwas sehr Philosophisches über die Frage der Fristigkeit gesagt hat: „In the long run we are all dead.“ (Beifall bei der SPÖ.)

10.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Henrike Brandstötter

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Echte Hilfe für Kulturveranstalter

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 900/A der Abgeordneten Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förde­rungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (402 d.B.) (TOP 2)

Die Kultur-, Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft ist von der COVID-19-Krise massiv betroffen. Nicht nur waren massive Einnahmenausfälle zu verzeichnen, sondern auch die Planung von zukünftigen Veranstaltungen ist mit Blick auf das jeweils aktuelle Infek­tionsgeschehen mit einem großen Risiko verbunden. Damit drohen massive Nachwir­kung für die Zeit selbst nach Ende der Pandemie. Um das Risiko für VeranstalterInnen und Kulturbetriebe zu minimieren, braucht es adäquate Unterstützungen des Staates. Nur so können Planungsprozesse trotz der derzeit unsicheren Situation ermöglicht wer­den. Sonst droht die kulturelle Verödung Österreichs.

Mit der vorliegenden Novelle des KMU-Förderungsgesetzes versucht die Bundesregie­rung diesem Umstand Rechnung zu tragen. Aufgrund der fehlenden Richtlinien sind der­zeit Details noch nicht bekannt. Im Ausschuss wurde von der Landwirtschaftsministerin lediglich ausgeführt, dass es sich um kein direktes Förder-instrument für Unternehmen bzw. für Veranstaltungen, sondern um Haftungen des Bundes für nicht stornierbare Kosten handeln solle. Auf die spezifische Situation von Kulturbetrieben wurde dabei nicht eingegangen. Auch in den Erläuterungen finden sich es hierzu keine Erwägungen. Je­denfalls sichergestellt werden muss, dass die angekündigten Ausfallsentschädigungen so aufgesetzt werden, dass bei Absage einer geplanten Veranstaltung nicht nur der Ver­anstalter selbst, sondern auch die VertragspartnerInnen (KünstlerInnen, TechnikerInnen etc.) entschädigt werden können. Die vereinbarten Gagen sind in jedem Fall auszube­zahlen. Darüber hinaus liegt die Entscheidungsbefugnis für die Veranstalter-Unterstüt­zung bei der Landwirtschaftsministerin.

Es ist daher zu befürchten, dass hier ein weiteres Instrument geschaffen wird, das wie­derum die spezifische Situation der Kulturbranche nicht berücksichtigt. Die Vergabe der Mittel soll über die Österreichische Hotel und Tourismusbank abgewickelt werden, die kein spezifisches Know-How zu Kulturinstitutionen verfügt. Bereits bisher wurden Kultur­schaffende für Hilfestellungen an fachfremde Institutionen wie Wirtschaftskammer oder aws verwiesen. Dabei haben Kulturschaffende leider die Erfahrung gemacht, dass sie durch die Richtlinien und Anspruchsvoraussetzungen von Leistungen der Fonds ausge­schlossen wurden. Kreative und Kulturinstitutionen brauchen jedoch endlich kompetente AnsprechpartnerInnen und eigens auf sie zugeschnittene Hilfsmaßnahmen. Es muss si­chergestellt sein, dass Kulturbetriebe – und hier vor allem auch kleinere Kulturinitiativen – von den Hilfsmaßnahmen auch tatsächlich profitieren können!

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, in seinem Ressort eine Anlaufstelle für Kulturschaffende und Kulturinstitutionen zu schaffen und Hilfestellungen direkt zu vergeben, anstatt Kulturbetriebe und KünstlerIn­nen an fachfremde Institutionen weiterzureichen. Dabei soll auch ein eigener Haftungs­schirm geschaffen werden, der sicherstellt, dass Kulturinstitutionen beim Entfall geplan­ter Veranstaltungen wahlweise 90 Prozent der prognostizierten Einnahmen oder die be­reits entstandenen Aufwendungen ersetzt werden.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.