11.14
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Bürger Österreichs! Heute verhandeln wir ein Budget, das auf einer Datenbasis berechnet worden ist – und das hat der Finanzminister ja auch gar nicht abgestritten –, in der dieser neuerliche harte Lockdown gar nicht berücksichtigt ist. Meine Damen und Herren, daher kann dieses Budget, so wie es hier vorliegt, nicht halten.
Aber ja, eines hat der Herr Finanzminister klargestellt: Alle Hilfen, die jetzt ausbezahlt werden, zahlt er aus seinem 20-Milliarden-Körberlgeld, das hat er sich ja per Ermächtigungsgesetz im Frühjahr dieses Jahres zuweisen lassen und das muss er jetzt verbraten, das wird jetzt hinausgeschmissen. Das ist aber in Wahrheit der völlig falsche Weg, meine Damen und Herren, denn das, was ich von meinem Vorredner gehört habe, war ein Offenbarungseid der ÖVP.
Es wird einfach planlos zugesperrt, die Unternehmer werden mit ihren Sorgen und Ängsten alleingelassen, die werden im Stich gelassen. Man gibt ihnen gar nicht die Chance und die Möglichkeit, arbeiten zu gehen, stattdessen macht man sie zu Bittstellern, zu Hilfeempfängern, zu Almosenempfängern, und man macht sie damit abhängig. Das ist genau das System, das man da erkennen kann: Die Bürgerinnen, die Bürger, die Unternehmer, alle sollen abhängig gemacht werden. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren, und so wird unsere Wirtschaft auch nicht wieder nach oben kommen. (Beifall bei der FPÖ.)
Herr Minister! Es ist ja schon recht spannend gewesen, was man beobachten konnte, wenn man sich die Entwicklung in den letzten Wochen angesehen hat. Sie haben, und das hat Kollege Fuchs genau ausgeführt, während dieser ganzen Budgetverhandlungen offensichtlich so getan, als wüssten Sie nichts von diesem harten Lockdown, als wäre Ihnen überhaupt nicht bewusst, dass das käme. Bei den ersten Beratungen am 6. November hat Wirtschaftsexperte Badelt bereits davon gesprochen, dass der Lockdown soft bis kurz vor Weihnachten dauern wird. Ihnen war das offensichtlich nicht bekannt, und die Bevölkerung durfte das auch nicht wissen.
Es ist aber schon spannend, dass ein befreundeter Unternehmer vom Herrn Bundeskanzler und von Ihnen in Wien schon Wochen, bevor dieser sanfte Lockdown gekommen ist, geschrieben hat, dass seine Lokale wieder sperren werden. Also offensichtlich gibt es Gleichere als Gleiche in dieser Republik, und die erfahren schon im Vorfeld, was wann geplant ist. Kommt ein sanfter Lockdown, kommt ein scharfer Lockdown? – All das darf die Bevölkerung nicht wissen, die muss man immer schön ruhig halten, immer schön dumm halten.
Da arbeiten wir mit Panikmache, mit Angstmache, denen bereiten wir irgendwie die Sorge, dass sie jetzt alle sterben werden, und dann werden sie schon ruhig sein. – Meine Damen und Herren, das ist die perfide Politik der ÖVP, die Sie jetzt seit Monaten betreiben und die uns jetzt schon wieder in einen Lockdown geführt hat, der für viele Leute draußen eine echte existenzielle Bedrohung ist.
Schon nach dem ersten Lockdown war es so, dass viele Unternehmer nicht gewusst haben, wie sie denn diese Verluste aufholen und ausgleichen sollen, aber jetzt tun sie sich noch viel, viel, viel schwerer. Viele haben jetzt schon angekündigt, sie werden wahrscheinlich gar nicht mehr aufsperren, weil es sich für sie nicht mehr rentiert, meine Damen und Herren. Österreich ist ein Land, in dem über 60 Prozent aller Arbeitsplätze in klein- und mittelständischen Unternehmen zu finden sind, aber die Einzigen, die bei Ihnen gefördert werden, sind die Großkonzerne, die aber nur für einen geringen Anteil an Arbeitsplätzen tatsächlich verantwortlich sind, Herr Bundesminister.
Auf der anderen Seite schaffen Sie es nicht, die Kaufkraft der Bevölkerung zu erhöhen. Da haben Sie ein völlig blindes Auge, das ist Ihnen völlig egal. (Abg. Ottenschläger: Das stimmt ja gar nicht! Kinderbonus ...!) – Da können Sie jetzt reinbrüllen, was Sie wollen, Herr Kollege von der ÖVP: Sie von der ÖVP sind es doch, die diese Krise den Arbeitnehmern und den Pensionisten umbinden werden. Sie wollen am Freitag die Langzeitversicherung abschaffen. Das ist der erste Anschlag. Was ist denn als Nächstes zu erwarten? Haben wir dann die generelle Pensionssenkung? Was planen Sie denn noch? Sagen Sie doch den Leuten heute schon ehrlich, was Sie alles an Sozialabbau in diesem Land planen, damit sich die Österreicher darauf einstellen können! Sie sind es nämlich, die die Krise werden bezahlen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)
Genau das ist das Spiel (Zwischenruf der Abg. Baumgartner), das Sie hier betreiben: Sie spielen mit der Bevölkerung. Ihnen ist es völlig egal, ob die Leute verzweifelt sind. Erst am Mittwoch letzter Woche – es ist noch nicht einmal eine Woche her – sind wir hier herinnen gesessen und haben den Lockdown light verlängert. Am nächsten Tag gab es bereits die Schlagzeilen: Es kommt eine Verschärfung. Diese konnte am Mittwoch nicht beschlossen werden, denn da war die Dramaturgie noch nicht gegeben. Da hat es zuerst noch eine Pressekonferenz des Herrn Bundeskanzlers gebraucht – natürlich am Samstagnachmittag, damit die Österreicher alle daheim und vor dem Fernsehgerät sind –, und dann musste man noch sagen: Die Abgeordneten müssen am Sonntag reinkommen, weil die Situation so dramatisch ist.
Das Einzige, worum es Ihnen geht, ist die Dramaturgie, ist, dass die Regie das gut aufbaut, damit die Leute auch tatsächlich in die Angst- und Paniksituation verfallen und damit sie Ihre Maßnahmen auch schlucken, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich sage Ihnen aber auch: Immer weniger Österreicher sind dazu bereit. Was Sie diesmal gemacht haben, ist wirklich nicht mehr nachvollziehbar. Sie haben nämlich diesmal den Kindern schon wieder die Schulen und die Kindergärten gesperrt. Wissen Sie, beim ersten Mal waren die Kinder vielleicht noch relativ neutral, aber jetzt haben sie Angst und Panik, jetzt war es eine traurige Stimmung in den Schulen, weil die Kinder wissen, was sie erwartet, weil sie wieder auf Distancelearning umgestellt werden, weil das einfach nicht funktioniert und weil Kinder natürlich auch den persönlichen Kontakt brauchen.
Das ist das zweite Schulsemester, das Sie unserer Jugend nehmen. Sie nehmen den Kindern damit ein gesamtes Lebensjahr – aber vielleicht ist Ihnen das egal. Wahrscheinlich interessiert Sie die Zukunft Österreichs überhaupt nicht, meine Damen und Herren von dieser Bundesregierung, aber machen Sie sich doch einmal Gedanken darüber! Das ist die Zukunft, und wenn Sie jemals Österreich wirtschaftlich wieder hochfahren wollen, dann werden Sie auch gut ausgebildete junge Menschen brauchen, dann brauchen Sie auch Kinder, die in den Schulen etwas gelernt haben, Jugendliche, junge Erwachsene, die auf den Universitäten ausgebildet worden sind – das alles fahren Sie aber runter, sehenden Auges hinein in das Chaos!
Ich bringe jetzt einen Antrag ein, der mir sehr wichtig ist, weil das auch zeigt, wie Sie über die Dinge hinweggehen. Sie sind verantwortlich für die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. Sie sind verantwortlich dafür, dass viele Menschen nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben leisten sollen. Ich stelle daher folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung ausgezahlt werden.“
*****
Damit würden Sie die Kaufkraft ganz vieler Menschen in diesem Land erhöhen. (Beifall bei der FPÖ.)
11.21
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
betreffend Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)
eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (408 d.B.): Budgetbegleitgesetz 2021 (440 d.B.) in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII.GP) am Dienstag, 17. November 2020
Die von der schwarz-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler gesetzten COVID-19-Maßnahmen seit März 2020 haben massive negative Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt, die Österreich die höchste Zahl an Arbeitslosen und die meisten Arbeitnehmer in Kurzarbeit seit 1945 beschert haben.
Das bedeutet, dass zeitweise weit mehr als eine halbe Millionen Menschen seit März 2020 mit lediglich 55 Prozent ihres letzten Nettogehalts ihre Lebenshaltung (Nahrungsmittel, Wohn- und Betriebskosten usw.) bestreiten müssen. Die weit überwiegende Anzahl dieser betroffenen Arbeitslosen hat durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung den Arbeitsplatz verloren bzw. wurde der Chance beraubt, nach einer Phase der Arbeitslosigkeit oder einer AMS-Aus-, Fort- und Weiterbildung wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.
Um dieser Gruppe von rund 500.000 Personen einen finanziellen Ausgleich für die Arbeitsplatzvernichtung durch die COVID-19-Maßnahmen der Bundesregierung zu gewährleisten und damit ihr ökonomisches Überleben abzusichern, ist aber eine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes (inklusive Notstandshilfe) von 55 Prozent auf 70 Prozent dringend notwendig und auch volkswirtschaftspolitisch vernünftig. Dies ist durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge um 30 Prozent (entspricht einer Nettoersatzrate von 70 Prozent) umzusetzen.
Durch diese 15 prozentige Nettorersatzratenerhöhung wird die Kaufkraft und damit auch die innerösterreichische Konjunktur durch vermehrte Konsumausgaben gestärkt. Dies führt wiederum zu vermehrten Einnahmen der Unternehmer, aber auch Steuereinnahmen und schafft dadurch neue Arbeitsplätze bzw. sichert bestehende Arbeitsplätze ab.
Über die Sommermonate und nach Ende des Ersten Lockdown sind die Arbeitslosenzahlen zwar kurzfristig wieder zurückgegangen, durch den Zweiten Lockdown werden die Arbeitslosenzahlen wohl bis Ende 2020 die arbeitsmarkpolitische „Schallmauer“ von 500.000 Arbeitslosen wieder deutlich durchschlagen.
Demgegenüber sind die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung, die von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Anschober (Die Grünen) vorgestellt worden sind, absolut untauglich. Ein „Arbeitsmarktbonus“ von lediglich 450 Euro für die Monate Juli bis September, wobei man zwei von diesen drei Monaten durchgehend arbeitslos sein muss, war und ist weder treffsicher noch sozial. Ganz im Gegenteil, die seit Mitte März durch Regierungsmaßnahmen bewusst produzierte Arbeitslosigkeit wird ignoriert, und man enthält den betroffenen Arbeitnehmern einen gerechten Ausgleich vor.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31.Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein "COVID-19-Ausgleich" für Arbeitslose in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne formale AntragsteIlung ausgezahlt werden.“
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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.