11.41

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause! In der „Pressestunde“ am Sonntag wurde Kanzler Kurz gefragt, warum es nicht schon früher strengere Maßnahmen gegeben hat, und er bemühte die Demokratie als Rechtfertigung. Er sagte, „wir leben in einer Demokratie“, und da kann der Bundeskanzler ja „nicht alleine entscheiden“.

Das ist eine spannende Aussage im Kontext mit Schulschließungen, denn dabei war die Mitbestimmung keineswegs gefragt. Da wurde nicht auf die Meinung von zahlreichen Expertinnen und Experten aus der Medizin, aus dem Public-Health-Bereich, aus der Psychologie, aus der Kinder- und Jugendheilkunde gehört; auch nicht auf die Ärzte­kammer und schon gar nicht auf die Eltern und auf die Schülerinnen und Schüler.

Nicht nur das: Auch auf die Meinung der Ages als dem Gesundheitsministerium unter­stelltes Institut und die eigene Coronaampelkommission, die einstimmig – außer der Enthaltung des Vertreters des Bundeskanzleramts – für Schulöffnung gestimmt hat, wurde nicht gehört. Nicht zuletzt hat sich auch der Bundesminister für Bildung – er ist leider gerade nicht hier – dafür eingesetzt, dass die Schulen offen bleiben. Man könnte meinen, Bundeskanzler Kurz hat seine eigenen Regierungsmitglieder entmündigt, und so schaut es in der Tat auch aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl sich auch Westeuropa im Teillockdown oder in Zuständen eines Lockdowns befindet, hat Westeuropa Schulen offen gehalten. Deutschland hat die Schulen offen, Irland hat die Schulen offen. Irland ist ein gutes Beispiel, um zu sehen, wie schnell die Infektionszahlen mit konsequenten Maßnahmen wieder hinuntergehen können, ohne die Schulen zuzumachen; dort hat sich die Lage binnen einiger weniger Wochen wieder entspannt.

Es drängt sich die konkrete Frage auf: Wer trägt denn in der Folge – heute, morgen und in der Zukunft – die Verantwortung für diese Fehlentscheidung, die Schulen zu schließen? – Diese Regierung und der Bundeskanzler wahrscheinlich nicht, denn das vorgelegte Budget adressiert in keinster Weise die Defizite aus dem ersten Lockdown und schon gar nicht jene aus der jetzigen Situation. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Es bräuchte mehr Förderungen, es bräuchte mehr PädagogInnen, es bräuchte mehr Unterstützungspersonal, es bräuchte einen Ausbau der ganztägigen Schulen. All das sehen wir in diesem Budget nicht. Was wir hier haben, ist ein Pop-up-Chancenindex – mehr fällt mir dazu leider echt nicht ein. Es sind einmal 15 Millionen Euro in einem Jahr, um Schulen mit Herausforderungen zu unterstützen. Es sind Budgets für Computer, die im nächsten Schuljahr, nämlich 2021/2022, in die Schule kommen, und dann auch nur für die 5. und 6. Klassen. Das ist zukunftsvergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und stiehlt unseren Kindern wirklich die Zukunft!

Das Dilemma, das wir heute sehen, ist Folgendes: Die Eltern müssen sich fragen: Was tue ich denn jetzt mit den Kindern? Gestern adressiert Generalsekretär Netzer in der „Zeit im Bild 2“ noch einmal die Eltern und sagt: Bitte lasst die Kinder zu Hause! – Auf der anderen Seite müssen die Eltern arbeiten gehen, denn den Anspruch auf Sonder­betreuungszeit gibt es auch nicht. Dann sollen sie irgendwie zwischen Homeoffice und Homeschooling jonglieren, und Sie wissen aus der ersten Phase genau, dass das nicht funktioniert.

Am meisten tun mir aber die Lehrerinnen und Lehrer leid, denn sie werden aufgefor­dert, flexibel zu sein. Sie müssen Onlineunterricht machen, auf der anderen Seite die Betreuung der Schülerinnen und Schüler, die in der Schule sind, irgendwie sicherstellen, sie auch noch in Lern- und Kleingruppen unterstützen und Onlinetools in der Schule zur Verfügung stellen. Das geht sich mit ein und derselben Lehrkraft beim besten Willen nicht aus. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Das in nur zwei Tagen umzusetzen ist Harakiri. Wenn es klappt, ist es faktisch wieder einmal dem Engagement der Lehrerinnen und Lehrer zu verdanken, die Schule irgend­wie funktionieren zu lassen, aber sicher nicht dem Bundesminister für Bildung und schon gar nicht dem fragwürdigen Demokratieverständnis unseres Kanzlers. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

11.46

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Heike Grebien. – Bitte.