15.49
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werter Kanzler! Frau Minister! Hohes Haus! Es ist immer recht lustig, wenn man nach Kollegen Wöginger ans Rednerpult treten darf. Er hat ja einiges ausgeführt. Ich darf auch die Glaubwürdigkeit von einem August Wöginger und von der ÖVP (Ruf bei der SPÖ: Gibt’s nicht!) kurz auf die Probe stellen; ich möchte aus dem Nationalratsprotokoll vom 19. September 2019 zitieren, 10.44 Uhr – das war jener Tag, als eben diese ominöse Hacklerregelung eingeführt wurde, wo die ÖVP mitgestimmt hat. August Wöginger hat damals gesagt: „Das, was wir zugesagt haben, halten wir ein, meine Damen und Herren, das ist die Politik der Volkspartei in den letzten Jahren, das ist die Politik heute.“ (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) – Zitat aus dem Protokoll dieser Sitzung im September 2019. So viel in Richtung ÖVP nur dazu, was man von eurer Handschlagsqualität halten darf.
Es gibt dazu noch einen Zwischenruf von Abgeordnetem Kickl – Herbert, du hast damals gesagt –: „Da muss er selber lachen!“ – Du hast damals und auch heute recht gehabt. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich bin jetzt sieben Jahre hier im Hohen Haus und habe zwei Ordnungsrufe erhalten. Ich bin guter Hoffnung, dass ich das heute, auch unter Mithilfe des Präsidenten, steigern darf und kann. An die ÖVP und an die Grünen: Seid ihr irre?! Die Hacklerregelung abzuschaffen ist eine Schweinerei! Das sage ich hier von diesem Rednerpult aus ganz klar. Wenn kein Ordnungsruf kommt, freue ich mich. (Beifall bei der FPÖ.)
Jene, die 45 Jahre gearbeitet haben, die Steuern gezahlt haben, Sozialabgaben gezahlt haben, wollt ihr jetzt strafen. Die Aussage, die ihr damit trefft, und auch die Botschaft halte ich für fatal, nämlich: Fleiß, Ausdauer, Einsatz, das alles ist plötzlich – vor allem für die ÖVP – nichts wert.
Es ist ja ganz spannend, dass ich da die zwei Richtigen sitzen habe: Frau Kollegin Maurer und auch Bundeskanzler Kurz. Dass natürlich für Sie beide die Vorstellung, mit 15, 16, 17 Jahren zu arbeiten anzufangen, völlig jenseitig ist, Frau Kollegin Maurer und Herr Bundeskanzler, ist mir schon klar, aber für Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher ist und war das immer ganz normal. Das ist auch der Grund, warum wir heute als Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg so dastehen: weil unzählige Österreicherinnen und Österreicher fleißig waren und über Jahrzehnte durchgehend gearbeitet haben und dieses System am Leben gehalten und gefüttert haben. Das vergesst ihr alles, und das alles ist für euch nichts mehr wert. Mit einem Federstrich ist das plötzlich vom Tisch. (Beifall bei der FPÖ.)
Zu den Fakten noch einmal ganz kurz: Es betrifft derzeit rund 7 000, die in den Genuss der abschlagsfreien Pension kommen und sich Abschläge von bis zu 12,6 Prozent ersparen. Ich darf schon noch einmal darauf hinweisen: Die Kosten belaufen sich auf 30 bis 40 Millionen Euro pro Jahr. Das ist ein Betrag – in den letzten Monaten habt ihr Milliarden mehr oder weniger hinausgeschmissen (Abg. Wöginger: Das ist doch nicht wahr!) –, der kann ja gar keine Rolle spielen.
Auch in Richtung der NEOS, weil Kollege Loacker das ja immer hochrechnet, ein ganz entscheidender Hinweis (Zwischenruf des Abg. Hörl), ein wichtiger Hinweis: Die Lebenserwartung von Arbeitern ist in Österreich im Vergleich zu der von Akademikern um sechs Jahre geringer. Das heißt, jene Menschen, von denen wir hier sprechen, haben eine um sechs Jahre geringere Lebenserwartung, und das wird in keinem Modell, in keinem Budgetmodell – auch bei der ASVG – einberechnet, aber die Leute sollten es wissen. Die Arbeiter leben auch alle im Durchschnitt um sechs Jahre kürzer.
Wie gesagt, das ist typisch ÖVP und Grüne. Das ist auch offensichtlich nicht mehr eure Wählerklientel, das interessiert euch nicht. Ihr vergesst nur eines, nämlich das, was ihr jetzt auch aktuell bei der Coronakrise immer anführt: Diese Lebensretter, die ominöse Billa-Verkäuferin oder die Krankenschwester, auch das sind jene Frauen, die von dieser Regelung in Zukunft profitieren werden, weil die Anpassung des Pensionsalters für Frauen kommt, und zwar bereits ab den Jahrgängen 1963 aufwärts. Spätestens mit dem Jahrgang 1968 geht es den Frauen ganz gleich wie den Männern, die müssen dann 45 Jahre arbeiten und haben dann die Abschläge. Das ist für die Grünen nichts wert und auch für die ÖVP nichts wert. Das ist eine wilde Frauenpolitik. (Beifall bei der FPÖ.)
Der Marketinggag – das ist eben auch typisch für diese Regierung – mit diesem Frühbucherbonus oder Neueinsteigerbonus oder wie das heißen soll, schaut so aus: Ihr wollt 60 Euro brutto hergeben und nehmt 300 Euro weg. Glaubt mir das: So dumm sind die Leute nicht, wie ihr immer glaubt! Irgendwann einmal ist diese Reise von euch zu Ende. Die Leute wachen auf, und sie werden sehen, dass das System, das Grüne und ÖVP da vertreten, nicht zu ihrem Nutzen ist. Es gibt einen schönen Spruch von Brecht, wenn ich ihn richtig im Kopf habe – da muss ich nachlesen –: Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selbst. Es wird irgendwann einmal auch jedem klar werden, was er da gewählt hat und was da auf ihn zukommt.
Wie gesagt: Das, was mir abgeht, ist einfach Respekt vor der Arbeit, vor Fleiß, Einsatz, Leistungsbereitschaft. Sie sind meiner Meinung nach komplett abgehoben und asozial. Ich kann nur sagen: Alles, was Sie in letzter Zeit für die Arbeitnehmer und Arbeiter abliefern, ist eigentlich ein Offenbarungseid, und ich hoffe, dass die Leute irgendwann aufwachen und das auch einmal eindeutig abstrafen.
Bevor ich es vergesse, möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der
- die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,
- der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog der Bestimmungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie
- die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwirkend mit dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.“
*****
(Beifall bei der FPÖ.)
Ich hatte die stille Hoffnung, dass diese Abschaffung und diese Bestrafung von fleißigen Arbeitnehmern in Österreich die ÖVP noch abwenden wird, weil ich da am ehesten Hoffnung gehabt habe, dass ihr ein bisschen vernünftig seid. Bei den Grünen habe ich die Hoffnung nie gehabt. Dass die ÖVP diese Grundsätze jetzt endgültig aufgibt, ist auch für Bundeskanzler Kurz wirklich eine Bankrotterklärung. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
15.57
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Michael Schnedlitz, Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
betreffend Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen
eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag der Abg. Rainer Wimmer, Gabriele Heinisch-Hosek, Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit sozialpolitischen Fehltritten dieser Bundesregierung-die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren muss bleiben ! (993 (A/E)) in der 62. Sitzung des Nationalrats (XXVII.GP) am Dienstag, 17. November 2020
Mit Beschlussfassung vom 19. September 2019 wurden Pensionsleistungen mit 540 Beitragsmonaten aus Erwerbstätigkeit abschlagsfrei gestellt. Diese Bestimmungen wurden im ASVG, BSVG und GSVG festgeschrieben. Nicht erfasst sind davon Beamtinnen und Beamte sowie definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn. Dies ist allen der Tatsache geschuldet, dass die Geschäftsordnung des Nationalrates eine Beschlussfassung für diese Gruppen nicht ermöglichte. Hier ist es daher erforderlich eine analoge Regelung zu schaffen.
Außerdem sollen jene Jahrgänge, die nach Abschaffung der Langzeitversichertenregelung Pensionen mit bis zu 12,6 Prozent Abschlägen trotz 540 Beitragsmonaten zuerkannt bekamen, mit 1.1.2020 eine Neuberechnung ihrer Pensionsleistung ohne Abschläge erhalten.
Die aktuelle Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wollen die sogenannte „Hacklerregelung“, d.h. die abschlagsfreie Pension für Langzeitversicherte einfach abschaffen. Ersetzt werden soll sie durch einen undurchsichtigen „Frühstarterbonus“.
ÖAAB-Arbeiterkammerpräsident Hämmerle aus Vorarlberg, ein enger Parteifreund von ÖVP-Klubobmann August Wöginger findet klare Worte dazu:
Für AK-Präsident Hämmerle ist der Frühstarterbonus "ein Schlag ins Gesicht jener, die am längsten in die Pensionsversicherung einbezahlt haben"
Geht es nach der Regierung, soll ein "Frühstarterbonus" die Hacklerregelung ersetzen. "Das ist teurer und belohnt in Wahrheit all jene, die in Frühpension gehen. Wo liegt da der Sinn?", fragt AK-Präsident Hubert Hämmerle. Die Hacklerregelung sei der Regierung Kurz von Beginn an ein Dorn im Auge gewesen. Sie sieht vor, dass Arbeitskräfte nach 45 "echten" Beitragsjahren mit 62 Jahren in Pension gehen können, ohne Abschläge zu erleiden. Das kostet jährlich 30 Millionen Euro. Geld, das ohnedies von den Versicherten selbst eingezahlt wurde, so die AK. Weil Präsenzdienst und Zivildienst nicht angerechnet werden, erreichen nur wenige die Abschlagsfreiheit. "Und die haben sich das – weiß Gott – verdient", betont Hämmerle.
Aber die Regierung Kurz sehe das anders. Es ist beschlossene Sache, dass die mit Anfang 2020 eigentlich gestrichenen Pensions-Abschläge ab 2022 mit jährlich 4,2 Prozent wieder eingeführt werden. An die Stelle der Hacklerregelung setzt Türkis-Grün nun einen sogenannten "Frühstarterbonus", den Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer als große Errungenschaft pries: Wer früh zu arbeiten beginnt, soll davon profitieren. Personen, die bereits zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr "gehackelt" haben, sollen in der Pension monatlich 60 Euro zusätzlich zu ihrer fixen Pension bekommen. Klingt gut? "Nicht einmal auf den ersten Blick", verneint Hämmerle.
Schon am Freitag soll dieses Modell im Nationalrat abgesegnet werden und am 1. Jänner 2022 in Kraft treten. Kosten soll die Maßnahme den Staat rund 40 Millionen Euro. "War nicht ein großes Argument gegen die Hacklerregelung ihre angebliche Unfinanzierbarkeit?", fragt Hämmerle. Jetzt entscheide sich die Bundesregierung für ein deutlich teureres Gießkannenprinzip, das alle belohne, egal, wie viel sie gearbeitet haben. Denn Voraussetzung für den "Frühstarterbonus" sind lediglich 25 Versicherungsjahre, die Auszahlung des Betrags soll unabhängig vom Zeitpunkt des Pensionsantritts geschehen.
Dass die Regierung mit dem Frühstarterbonus zudem Hackler und Frauen gegeneinander ausspiele, sei besonders perfide, so der Präsident der Arbeiterkammer: "Auch die AK ist der Ansicht, dass Frauen für ihre geleistete Arbeit eine höhere Pension gebührt. Aber Wege gäbe es da viele. Man könnte ja Kinderbetreuungszeiten stärker bewerten", schlägt Hämmerle vor. Denn die niedrigen Frauenpensionen hängen mit den Berufsunterbrechungen durch Familienarbeit und den langen Durchrechnungszeiten zusammen. Die AK zeige das schon lange auf.
Die neue Regelung zeige in den Augen von Hämmerle überdeutlich, wie viel der Regierung tatsächlich geleistete Arbeit wert ist: "Sie ist ein glatter Wortbruch und ein Schlag ins Gesicht der wirklichen Hackler."
https://www.vol.at/ak-statt-hacklerpension-teure-giesskanne/6809911
Soweit der ÖAAB-Kamerad von Klubobmann August Wöginger.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Finanzen werden aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der
· die mit 1.1.2020 geltende Regelung grundsätzlich als Basis beibehalten wird und in § 236 Abs. 4b ASVG und den analogen Bestimmungen im GSVG und BSVG Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit anerkannt werden,
· der abschlagsfreie Ruhebezug bei 540 Beitragsmonaten analog der Bestimmungen des § 236 Abs. 4b ASVG für Beamtinnen und Beamte sowie für definitiv gestellte Bedienstete der Post und Bahn geregelt wird, sowie
· die Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen mit 1.1.2020, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen. Diese Leistungen sollen rückwirkend mit dem 1.1.2020 ohne Abschläge ausbezahlt werden.
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte.