15.45
Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Danke, Nikolaus Prinz, dass du mir so viel Aufmerksamkeit im Saal geschaffen hast. (Abg. Prinz: Gern geschehen, Clemens!) Das ist bei einem Budgetplenum nicht selbstverständlich.
Wir haben gestern gehört: Österreich ist Weltmeister, was die Coronainfektionszahlen anbelangt. Österreich ist aber auch Europameister, und zwar Europameister an Supermarktfläche je Einwohner. Österreich hat die größte Supermarktdichte und nebenbei auch noch 15 Laufmeter Straßennetz je Einwohner, das ist eines der dichtesten Straßennetze in Europa. (Abg. Schellhorn – in Richtung ÖVP –: Nur dass ihr es wisst: Das geht gegen euch!)
Das zeigt, dass man, wenn man will, auch den schwer erarbeiteten Wohlstand gegen sich selbst richten kann. Ich rede nämlich von unseren Böden, das sind die Böden, auf denen unser Essen wächst. Wir betonieren nach wie vor jeden Tag 20 Hektar zu – und genau da beginnt die Katze, sich in den Schwanz zu beißen. 1950 betrug der Erlösanteil für die Landwirtschaft bei Lebensmitteln noch 55 Prozent; heute sind wir bei 20 Prozent. Der Rest geht in die Verarbeitung und hauptsächlich in den Handel. Allein dieser Umstand zwingt immer mehr Bäuerinnen und Bauern, von der einmaligen Fruchtfolge zu leben, nämlich vom Grundverkauf. (Beifall bei den Grünen.) Auf diesen Gründen entstehen dann wieder Supermärkte, die man in Wahrheit eigentlich nicht mehr braucht.
Gleichzeitig steigt der Wohnbedarf in Österreich, und auch dieser Wohnbedarf wird mit Neubauten – aus Kostengründen meistens auf der grünen Wiese errichtet – und nicht durch Nutzung von Leerständen gedeckt. (Abg. Martin Graf: So wie in Wien unter der grünen Führung!)
Ein weiterer Grund, warum das so passiert, sind die zersplitterten Kompetenzen in der Raumordnung, in der Raumplanung und in der Widmung. Der Bund schiebt ganz gerne die Verantwortung auf die Länder, die Länder schieben sie auf die Gemeinden, und zwischen den Gemeinden gibt es meistens keine räumliche Abstimmung und Arbeitsteilung. Die Folgen sind Zersiedelung, Leerstand, lange Transport- und Arbeitswege und vor allen Dingen auch Monofunktionen im ländlichen Raum.
Eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft für den ländlichen Raum, die so wichtig wäre, kann unter diesen Umständen nicht funktionieren. Es verwaisen die Ortskerne, die einstmals Orte der Begegnung und soziale Treffpunkte waren, und ein Stück österreichische Identität geht dabei verloren. Wir müssen handeln, und dazu haben wir einige Punkte im Regierungsprogramm stehen, die durchaus Ziele sind – aber wir müssen sie angehen.
Jede untätige Stunde bedeutet 8 000 Quadratmeter verbetonierten Boden. Wir brauchen aktives Flächenmanagement und aktive Bodenpolitik mit dem Ziel, den Flächenverbrauch zu minimieren. Es braucht eine Ausweisung von landwirtschaftlichen Produktionsflächen und ökologischen Vorrangflächen; es braucht eine überregionale Planung und eine Entwirrung der Förderungen zugunsten der Aktivierung der Leerstände. Es braucht eine Leerstandserhebung statt Neubauten auf der grünen Wiese. Gerade uns als Agrarpolitikern muss es ein Anliegen sein, die Zukunft mit fruchtbaren Böden und nicht mit Beton zu gestalten.
Frau Minister, mit der Broschüre der Örok und unserem Regierungsprogramm haben wir einen Arbeitsauftrag. – Ich bitte darum. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Martin Graf: Deswegen wird es Zeit, dass endlich die Grünen in die Regierung kommen! – Ruf bei der SPÖ: Genau! – Zwischenrufe bei Grünen und ÖVP.)
15.49
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.