12.59

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Im Feb­ruar 2020, glaube ich, haben wir es angekündigt. Danach gab es viele, viele Sitzungen mit Expertinnen und Experten, viele Arbeitsgruppensitzungen, in die wir NGOs ein­gebunden haben, Betroffene eingebunden haben, und nach zahlreichen Verhandlungs­runden im Sommer und Anfang September haben wir, gemeinsam mit Kanzleramts­ministerin Edtstadler, ein umfassendes Maßnahmenpaket in die Begutachtung geschickt. Ich möchte mich vorweg dafür bedanken, dass wir mit diesem Paket wirklich nicht nur einzelne kleine Teile regeln, sondern wirklich ein umfassendes Paket auf den Weg bringen, das sich diesem gesamtgesellschaftlichen Phänomen stellt.

Wir wissen, das Internet und die sozialen Medien haben die Art, wie wir miteinander kommunizieren, nachhaltig verändert. Die neuen Technologien haben viele Vorteile gebracht, aber eben auch eine neue Form von Gewalt, nämlich Hass und Gewalt im Netz. Daher freue ich mich, dass wir gemeinsam dieses umfassende Paket, das sich genau diesem Thema widmet, auf den Weg bringen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Angriffe im Netz, die Gewalt im Netz reichen von vermeintlich harmlosen Belei­digungen über gezielte Bloßstellungen bis hin zu Gewalt, zu Morddrohungen, zu Verge­waltigungsaufrufen. Die Zahl der Betroffenen steigt auch immer weiter an. Im Juni dieses Jahres hatten wir leider einen neuen negativen Rekord, 340 Fälle wurden allein im Juni bei der Beratungsstelle von Zara gemeldet. Das sind alarmierende Zahlen, die uns alle zum Handeln auffordern. Knapp die Hälfte dieser Meldungen ist nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle auch strafrechtlich relevant.

Aufgrund der Zahlen aus diesem Jahr, aber auch aus der Vergangenheit haben wir für dieses Paket ein Ziel vor Augen gehabt, nämlich das Ziel, dass sich diese vielen Be­troffenen endlich rasch, kostengünstig und auch wirksam zur Wehr setzen können. Wie hat das in der Vergangenheit ausgeschaut? – In der Vergangenheit war es so, dass viele Betroffene, viele Frauen, viele Mädchen sich einfach nicht getraut haben, diesen Weg zu gehen, weil der Weg zum Gericht, zum Urteil ein langer war, ewig gedauert hat, sehr, sehr viel Geld abverlangt hat – manchmal ging das bis in den vierstelligen Bereich –, und vieles von dem, wie man am Ende des Tages feststellen musste, ja nicht einmal klagbar war. Das hat zu vielen Kosten und letzten Endes dazu geführt, dass sich viele Menschen nicht zur Wehr gesetzt haben.

Was aber waren die Folgen? – Die Folgen waren, dass sich Menschen, die sich im Internet äußern wollten, viele Frauen, viele Mädchen, aus dem Internet zurückgezogen haben, weil sie sich einfach diese Scham nicht geben wollten, weil sie sich einfach diesem Hass und dieser Hetze nicht aussetzen wollten, und sie haben das Internet einer kleinen Gruppe von lauten und aggressiven Leuten überlassen. Damit zerstörte diese kleine Gruppe von Lauten und Aggressiven unsere Gesprächskultur, unseren respekt­vollen Umgang miteinander.

Dieses Gesetz ist auch deshalb so wichtig, weil es das wieder zurückgibt: Es macht das Internet, diesen Raum, wieder zu einem Raum, wo sich Menschen äußern wollen, wo Menschen auch die Möglichkeit haben, ihre Gedanken zu äußern, ohne Gefahr zu laufen, dem Hass oder der Hetze ausgesetzt zu sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lassen Sie mich vielleicht einen kurzen Überblick über die wichtigsten Verbesserungen, die wir heute vorschlagen, geben! Vieles davon wurde ja schon genannt, daher würde ich nur ein paar Highlights herauspicken: Erstens – und ich bin wirklich sehr froh, dass uns das auch gelungen ist –: Wir haben ein neues Verfahren auf den Weg gebracht. Wir haben ein neues Eilverfahren ermöglicht, welches den Betroffenen, die in ihrer Men­schenwürde verletzt wurden, auch die Möglichkeit gibt, sich rasch und kostengünstig zur Wehr zu setzen. Mit einem Onlineformular, das an ein Bezirksgericht geschickt werden soll, kann man beantragen, dass die Aussage, dieses Posting rasch gelöscht und somit nicht mehr im Internet verbreitet wird.

Zweitens: Wenn die Schwelle des Strafrechts erreicht wird: Wir haben auch dort einige Verbesserungen vorgenommen, um sich tatsächlich den heutigen Problemen der Kom­munikation im 21. Jahrhundert zu stellen. Wir haben im Strafrecht im Bereich des Cyber­mobbings nachgeschärft. Bislang war der Straftatbestand des Cybermobbings nur dann erfüllt, wenn es sich um einen Wiederholungsfall handelte. In Zukunft wird es möglich sein, dass auch bei einem einmaligen Vergehen dieses als Cybermobbing strafbar sein wird.

Ebenfalls haben wir beim Tatbestand der Verhetzung nachgeschärft. Bislang war es so, dass man nach dem Tatbestand Verhetzung nur dann bestraft wurde, wenn sich die Beleidigung auf eine gesamte Gruppe bezogen hat. Jetzt ist es auch möglich, bestraft zu werden, wenn die Beleidigung gegen eine Person ausgesprochen wird, und das nur deswegen, weil sie zu einer bestimmten Gruppe gehört.

Das Upskirtingverbot wurde auch schon erwähnt. Es ist leider ein Phänomen, das sich gesellschaftlich immer stärker verbreitet, gerade in der jugendlichen Szene, wo man einfach unbemerkt unter den Rock fotografiert, im Schambereich fotografiert. Das haben wir jetzt auch unter Strafe gestellt.

Ein besonders wichtiger Punkt, den ich hier auch noch einmal herausstreichen möchte, ist der Opferschutz. Es war mir persönlich besonders wichtig, dass der Opferschutz weiter ausgebaut wird und dass er auf die Gewalt- und Hassdelikte im Internet ausge­weitet wird – das auch deswegen, weil viele Frauen und viele junge Frauen enorm darunter leiden, wenn sie im Internet beschimpft werden. Viele trauen sich nicht, in die Schule zu gehen, weil sie diesem Hass und dieser Hetze ausgesetzt wurden. Daher ist es wichtig, ihnen dieses Werkzeug in die Hand zu geben, damit sie sich wirklich mutig gegen Beleidigungen und gegen diese Hetze und diesen Hass wehren können. Daher haben wir den Opferschutz ausgeweitet und die psychosoziale und juristische Prozess­begleitung für typische Hass-im-Netz-Delikte ermöglicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte betonen, dass es uns auch sehr wichtig war, bei der Arbeit an diesem Gesetz viele Expertinnen und Experten zu hören, NGOs zu Wort kommen zu lassen, aber auch Betroffene zu Wort kommen zu lassen. Es war uns im Justizministerium wichtig, alle Möglichkeiten auszuloten, die notwendig sind, um sich effizient, rasch und kostengünstig gegen dieses widerliche Phänomen wehren zu können.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen Expertinnen und Experten bedanken, die dazu beigetragen haben, dass dieses Gesetzespaket mit dieser breiten Mehrheit heute auch beschlossen werden kann. Im Begutachtungsverfahren kamen dankens­wer­terweise zahlreiche Stellungnahmen. Wir haben ungefähr 140 Stellungnahmen erhalten, die das Projekt ausdrücklich gelobt, aber auch zahlreiche Verbesserungen vorge­schlagen haben. Ich möchte mich auf diesem Weg bei den Beamtinnen und Beamten in der Zivilrechtssektion, aber auch in der Strafrechtssektion bedanken, weil sie wirklich Tag und Nacht gearbeitet und trotz der Coronakrise und all dieser Erfordernisse, die die Coronakrise mit sich gebracht hat, dieses umfassende Paket umgearbeitet haben und es jetzt auf den Weg bringen, sodass es wirklich am 1. Jänner in Kraft treten kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, mit diesem Paket schützen wir Menschen, die sich im Internet bewegen. Wir schützen sie vor Angriffen, wir schützen sie vor Übergriffen, und gleichzeitig schützen wir unsere Meinungsfreiheit, denn keiner soll dem Hass ausgesetzt werden, nur weil er sich traut, im Internet seine Meinung zu sagen. Wir machen das Internet ein Stück mehr zu dem Ort, der es eigentlich sein sollte: frei, offen, für jede und für jeden zugänglich. Genauso wie in der echten Welt gilt auch im Internet: Es ist kein rechtsfreier Raum und auch dort muss die Rechtsstaatlichkeit gewährleistet sein.

In diesem Sinne freue ich mich, dass wir im Justizausschuss eine sehr intensive Dis­kussion dazu geführt haben, und ich freue mich, dass das Gesetzespaket im Justizaus­schuss eine breite Zustimmung erfahren hat. Das spricht, finde ich, auch für die hohe Qualität der Arbeit der Legistinnen und Legisten im Justizministerium, denen ich aus­drücklich noch einmal für diesen Entwurf danken möchte. – Ich hoffe sehr, dass Sie dem Gesetzespaket zustimmen, und freue mich, wenn das am heutigen Tag der Men­schenrechte passiert. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Herr.)

13.10

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.