20.23

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nisterin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte direkt auf die Ausführungen des Kollegen Brandweiner replizieren. Lieber Lukas Brandweiner, du behauptest, die Bezahlung von Zivildienern ist keine Ausbeutung: Zivildiener verdienen 1,50 Euro pro Stunde. Aus deiner Position heraus so etwas zu behaupten, halte ich für unglaublich abgehoben. Natürlich ist das ein unfassbar niedriger Lohn, und aus deiner Position he­raus so etwas zu sagen, das halte ich für wirklich dreist. (Beifall bei den NEOS.)

Wir NEOS haben bereits gestern in der Aktuellen Stunde die massiven Herausforde­rungen für die Jungen allgemein thematisiert, und die Regierungsparteien haben das abgetan, als ob es diese Probleme gar nicht gäbe. Wenn es nach der ÖVP ginge, dann gehen die Kinder und jungen Menschen ja alle gleichermaßen als Bananenbrot backen­de Computerexperten und überhaupt als Zeit- und Selbstmanagementprofis aus dieser Krise hervor. Kollegin Plakolm hat gestern überhaupt gemeint, Lost Generation, das sei alles Blödsinn. All das, was wir an Zahlen, Fakten und Evidenz hier vorgebracht haben, wurden einfach weggewischt.

Bevor die Kinder und Jugendlichen, die Dank der Coronakrise durchorganisierte Compu­terprofis sind, ohne Probleme ins Berufsleben starten oder eine weiterführende Ausbil­dung beginnen können, kommt für junge Männer eben noch die Wehrpflicht oder der Zivildienst, also ein Zwangsdienst, mit einer Dauer von sechs bis neun Monaten dazu. Wie wir als NEOS, als liberale Partei grundsätzlich zu Wehrpflicht und Zivildienst stehen, ist kein Geheimnis, aber das steht jetzt und vor allem auch während der Krise nicht zur Debatte. Außer Frage steht, dass die Zivildiener, um die es ja heute geht, im ersten Lockdown als außerordentliche Zivildiener einen unglaublichen Einsatz für die österrei­chische Bevölkerung gezeigt haben und zusätzliche drei Monate an vorderster Front gegen die Ausbreitung der Pandemie gekämpft haben, für einen Lohn, ich wiederhole es noch einmal, von 1,50 Euro, weil ich mir denke, dass du, Lukas Brandweiner, und viele deiner Kolleginnen und Kollegen für einen solchen Lohn nicht arbeiten würden.

Ich weiß, was es allen Zivildienern, die zu dieser Zeit im Einsatz waren, egal ob regulär, freiwillig oder außerordentlich, abverlangt hat, während der Pandemie im Einsatz zu sein. Heute diskutieren wir einen Antrag der Regierung, der mir nichts, dir nichts die Verlängerung der Möglichkeit zur Einberufung eines außerordentlichen Zivildienstes bis Ende August 2021 vorsieht, und das, obwohl Ihre PR-Aktion im Frühjahr dermaßen ge­floppt ist, dass sich der VfGH mit massenhaften Individualanträgen beschäftigen muss. (Beifall bei den NEOS.)

Ich frage mich, ob Sie sich überhaupt noch spüren, wenn Sie so etwas machen, wenn Sie das still und heimlich durch den Ausschuss boxen wollen und damit das Damokles­schwert für weitere acht Monate über junge Menschen hängen. Wenn es also ohnedies nur um die Lebenszeit junger Männer geht, können Sie also problemlos mehr als acht Monate vorausplanen, während Sie sich sonst nur von Pressekonferenz zu Pressekon­ferenz hanteln. Vor allem liefern Sie keine Begründung für die Verlängerung, keine Rah­menbedingungen und keine Klarheit. Sie sagen uns nicht - - (Abg. Loacker – mit der Hand das Tippen in ein Smartphone imitierend –: Sie soll doch im Büro nachfragen, wie das wirklich ist!) – Ja, genau!

Sie sagen uns nicht: Sollen die außerordentlichen Zivildiener zum Beispiel nur zur Unter­stützung bei den Coronaimpfungen eingesetzt werden? Was genau muss eintreten, da­mit der außerordentliche Zivildienst beansprucht wird? Wird er nur dann beansprucht, wenn man wieder eine PR-Abwehraktion starten möchte, weil irgendjemand aus der ÖVP gerade schlechte Presse hat? (Beifall bei den NEOS.)

Was bedeutet es eigentlich für die betroffenen jungen Männer, die genau wie im Frühling auch eine Ausbildung anfangen wollen, die in ein Studium quereinsteigen wollen, die eine Job- oder Praktikumszusage haben oder vielleicht auf Geld angewiesen sind, um ihre Miete bezahlen zu können, weil sie sich für dieses Geld, ich habe es schon ange­sprochen, für diesen Hungerlohn eines Zivildieners ihren Lebensunterhalt nicht leisten können?

Was mich an dieser Gesetzesänderung so stört, ist, dass Sie so leichtfertig eine Zwangs­maßnahme verlängern wollen, die einen massiven Einschnitt in das Leben der Betrof­fenen bedeutet, und Sie das absolut unzureichend begründen – ich habe Kollegen Brandweiner akustisch gar nicht verstanden, weil er so leise geredet hat – und alles so still und heimlich durchboxen wollen. Das halte ich für wirklich unverschämt. Wenn Sie so etwas schon vorhaben, dann kündigen Sie es wenigstens rechtzeitig an!

Deswegen bringen wir heute auch folgenden Entschließungsantrag ein, weil wir anneh­men, dass Sie die Verlängerung durchpeitschen werden:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klare Rah­menbedingungen für Verlängerung des außerordentlichen Zivildienstes bis Ende Au­gust 2021“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, klare Rahmenbedingungen zu schaffen und rechtzei­tig zu kommunizieren, wann Zivildiener mit einer Verlängerung ihres Dienstes in wel­chem zeitlichen Ausmaß rechnen müssen.“

*****

Wenn Sie das schon machen, dann kommunizieren Sie es wenigstens klar und respekt­voll gegenüber den jungen Menschen! (Beifall bei den NEOS.)

20.27

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Klare Rahmenbedingungen für Verlängerung des außerordentlichen Zivil­dienstes bis Ende August 2021

eingebracht im Zuge der Debatte in der 69. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1103/A der Abgeordneten Lukas Brandweiner, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (518 d.B.) – TOP 64

Am 26. November 2020 wurde im Ausschuss für Arbeit und Soziales ein Antrag der Regierungsparteien zur Verlängerung des außerordentlichen Zivildienstes mit den Stim­men von ÖVP und Grünen angenommen. Der Antrag sieht vor, die Möglichkeit des außerordentlichen Zivildienstes bis zum 31. August 2021 zu verlängern, da dies aus jet­ziger Sicht zur Bewältigung der sich zuspitzenden Pandemie notwendig sei.

Der außerordentliche Zivildienst wurde während der Corona-Krise erstmals während des ersten Lockdowns einberufen, um die Eindämmung des Virus zu gewährleisten. Gleich­zeitig wurden damals auch "freiwillige" außerordentliche Zivildiener einberufen, die sich freiwillig zum Dienst gemeldet hatten. Die ungleiche Bezahlung der automatisch verlän­gerten außerordentlichen Zivildiener und der freiwillig gemeldeten außer-ordentlichen Zivildiener beschäftigt gerade den Verfassungsgerichtshof und wartet noch immer auf Klärung. Seit einigen Tagen sinken die Infektionszahlen, sodass die Regierung für 6. De­zember bereits einige Lockerungen des 2. Lockdowns angekündigt hat. Museen, Biblio­theken, Büchereien, Skilifte und Skipisten sollen noch im Dezember geöffnet werden. Außerdem steht der Einsatz eines Impfstoffes gegen das COVID-19-Virus unmittelbar bevor, ein Einsatz zu Beginn 2021 in Österreich ist realistisch. Die Regierung kommuni­ziert, dass bis zum Sommer voraussichtlich ein "Normalzustand" erreicht werden kann, wenn die bis dahin gesetzten Maßnahmen die erwünschte Wirkung erzielen. Die Mög­lichkeit, einen außerordentlichen Zivildienst einzuberufen, zum jetzigen Zeitpunkt um weitere 8 Monate bis zum 31. August 2021 zu verlängern, scheint daher überschießend, insbesondere, da der außerordentliche Zivildienst im Notfall jederzeit einberufen werden kann.

Wir sind es den jungen Männern schuldig, die an vorderster Front ihre Gesundheit im Einsatz für unsere Gesellschaft riskieren sollen, klare Rahmenbedingungen zu schaffen und klar zu kommunizieren, wann derzeitige Zivildiener mit einer Verlängerung ihres Dienstes in welchem Ausmaß rechnen müssen. Aktuelle Daten des österreichischen De­mokratiemonitors 2020 zeigen, dass junge Menschen psychisch und finanziell beson­ders hart von der Krise getroffen werden. Die Verlängerung des außerordentlichen Zi­vildienstes darf daher nicht leichtfertig über die Zukunft der betroffenen jungen Männer verhängt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, klare Rahmenbedingungen zu schaffen und rechtzei­tig zu kommunizieren, wann Zivildiener mit einer Verlängerung ihres Dienstes in wel­chem zeitlichen Ausmaß rechnen müssen."

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Dieser Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Kollege David Stögmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.