Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir erleben zurzeit auf Ebene der Europäischen Union einen Tabubruch nach dem anderen. Die Coronakrise wird von der Europäischen Union dafür missbraucht, um Stück für Stück noch mehr Kompetenzen an sich zu ziehen. Mit dem geplanten Wiederaufbaufonds sollen 750 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten an marode Staaten gezahlt werden, die vor allem deswegen so schlecht dastehen, weil sie vorher schon schlecht gewirtschaftet haben. Damit werden nicht nur alle EU-Verträge gebrochen, sondern es wird der EU auch das erste Mal gestattet, Schulden aufzunehmen. Diese Schulden müssen natürlich finanziert werden, und zwar durch die Einführung europäischer Steu­ern.

Damit wären wir bereits beim nächsten Tabubruch. Zuerst soll eine Digitalabgabe kommen, dann wahrscheinlich eine CO2-Steuer, und dann werden noch viele weitere Steuern folgen, bis wir endgültig unsere Steuerhoheit verloren haben und damit einen der größten Lenkungsmechanismen, den ein Staat hat; damit wäre das auch ein gewaltiger Einschnitt in unsere nationalstaatliche Souveränität.

Die ÖVP hat sich in der Vergangenheit nicht nur einmal gegen die Einführung euro­päischer Steuern ausgesprochen. Daher meine Frage an Sie, Herr Minister – und viel­leicht können Sie das auch für die Wähler zu Hause vor den Bildschirmen einmal klarstellen –: Sind Sie jetzt für die Einführung europäischer Steuern oder dagegen?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 43/M, hat folgenden Wortlaut:

„Unterstützen Sie die Einführung neuer EU-Steuern?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Frau Abgeordnete, ich kann Sie beruhigen: Die ÖVP-Linie hat sich überhaupt nicht geändert: Wir waren gegen EU-Steuern und sind es auch in Zukunft.

Zum Recovery Fonds, dem Wiederaufbaufonds Next Generation EU post Covid-19: Die Kapitalbeiträge müssen dann ja bis 2058 zurückgezahlt werden – es ist also nicht so, dass es ein schwarzes Loch ist. Das, was Sie genannt haben, die Plastikabgabe, auch wenn sie in den Medien als Plastiksteuer bezeichnet wird, ist keine Steuer, ist keine Abgabe, sondern sie ist eine eigene Bemessungsgrundlage, die unseren Eigenmittel­anteil, den wir nach Brüssel übertragen müssen, sogar verringert. Die interne Debatte darüber, aus welchem Topf das gemacht wird, wenn wir das direkt aus dem Budget zahlen können, ist ja schon der Beweis dafür, dass das keine Steuer ist, weil wir das sonst gar nicht aus dem Budget zahlen könnten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Minister, Sie wissen, dass die Digitalabgabe nur eines von vielen Beispielen einer langen Liste von Steuern ist, die die Europäische Union einzuführen vorhat.

Ich komme aber zur nächsten Frage: Wie Sie wissen, braucht es für den Wieder­auf­baufonds trotz der bereits erfolgten Zustimmung von Bundeskanzler Kurz im Euro­pä­ischen Rat erst noch eine Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses im österreichischen Parlament. Bundeskanzler Kurz hat nicht nur einmal gesagt, dass er dem Wiederauf­baufonds nicht zustimmen wird, wenn er zu einer Dauereinrichtung werden würde oder wenn es zu einer Vergemeinschaftung der Schulden kommt. Meine Warnungen wurden von Ihnen immer ignoriert.

Jetzt liegt es schwarz auf weiß vor, und zwar in der Form eines umfassenden Berichtes des Deutschen Bundesrechnungshofes, der Ihren Aussagen widerspricht und bestätigt, dass es zu einer „Vergemeinschaftung von Schulden“ kommt und der Wiederauf­bau­fonds zu einer Dauereinrichtung wird. Er bezeichnet ihn sogar als eine „Zerreißprobe für die EU“. Der Bundesrechnungshofpräsident sagt, dass der Wiederaufbaufonds die EU letztlich nicht stärkt, sondern schwächt und die Stabilität der Wirtschafts- und Wäh­rungsunion gefährdet. – Das war das Zitat daraus.

Laut den Aussagen von Bundeskanzler Kurz dürfte die ÖVP diesem Wiederaufbaufonds also niemals zustimmen. Daher jetzt noch einmal meine Frage angesichts dieses vor­liegenden Berichts: Überdenken Sie noch einmal Ihre Zustimmung zu dem Wieder­aufbaufonds, weil Sie sonst Ihren eigenen Aussagen widersprechen würden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Das stimmt nicht ganz. Der Wiederaufbaufonds ist nur eine vorübergehende Maßnahme. Ich erinnere die Frau Abgeordnete daran, dass wir auch in Österreich in den letzten Monaten ein Paket von Soforthilfsmaßnahmen, und zwar sehr großzügigen, geschnürt haben.

Wir sind in einer besonderen Ausnahmesituation, die uns noch monatelang begleiten wird. Das ist aber sozusagen ein Hilfspaket, das ja genau so heißt: Wiederaufbaufonds nach der Pandemie, also nach der wirtschaftlichen Zerstörung, die wir erlebt haben werden. Wir werden den Eigenmittelbeschluss rechtzeitig ratifizieren. Das ist ein vor­über­gehendes Phänomen, das aus der Europäischen Union weder eine Schuldenunion noch eine Transferunion macht. Das kann ich Ihnen versichern. (Abg. Steger: Der deutsche Bundesrechnungshofpräsident sagt das nicht! – Abg. Kassegger: Die haben keine Ahnung!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Reimon. – Bitte.