Fachinfos - Judikaturauswertungen 20.01.2022

3G-Regelung für Zugang zu EU-Parlamentsgebäuden

Europäisches Gericht: Kein einstweiliger Rechtsschutz mangels Schaden (20. Jänner 2022)

Präsident des EuG 30.11.2021, T-710/21 R und T-711/21 R

Der Präsident des Europäischen Gerichts (PräsEuG) setzt den Beschluss des Europäischen Parlaments (EP), wonach der Zugang zu seinen Gebäuden das Vorzeigen eines digitalen COVID-19-Zertifikats der EU voraussetzt, nicht aus. Keines der Argumente der Kläger zeige, dass der behauptete Schaden schwer und nicht oder nur schwer wiedergutzumachen sei.

Sachverhalt

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2021 ordnete das Präsidium des EP an, dass der Zutritt zu sämtlichen Parlamentsgebäuden an allen Standorten (Brüssel, Straßburg, Luxemburg) nur dann zu gewähren ist, wenn ein gültiges digitales COVID-19-Zertifikat der EU vorgewiesen wird (entspricht einem 3G-Nachweis). Dagegen erhoben am 4. November 2021 mehrere Mitglieder des EP (MEP) zum einen sowie mehrere BeamtInnen, akkreditierte parlamentarische AssistentInnen und sonstige Bedienstete zum anderen in getrennten Verfahren Klagen, die sich auf die Nichtigerklärung dieser Anordnung richteten.

Zugleich stellten sie Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen und forderten darin den PräsEuG auf, die Vollziehung der Zugangsregelung mit sofortiger Wirkung und bis zur Entscheidung in der Hauptsache (Nichtigkeitsklage) auszusetzen. Die AntragstellerInnen brachten dazu unter anderem vor, dass sie durch die Zutrittsbeschränkungen an der Ausübung ihres Mandats als MEP gehindert würden und dass es ihnen dadurch nicht möglich sei, ihrem Amt sowie ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit in effektiver Weise nachzukommen. Dies sei umso mehr der Fall, als die angefochtene Regelung auch für die MitarbeiterInnen der MEP gelte. Darüber hinaus erachteten sich die AntragstellerInnen durch die Regelung in ihren Grundrechten, insbesondere dem Recht auf Privatsphäre sowie auf Datenschutz, verletzt. Zum einen erhalte das Sicherheitspersonal bei der Kontrolle der Nachweise ohne weiteres Einblick in die medizinischen Daten der Betroffenen, und zum anderen sei die für das Auslesen der QR-Codes verwendete Software technisch nicht sicher genug. Außerdem stelle die Regelung eine grobe Benachteiligung jener Personen dar, die weder geimpft noch genesen sind. Diese müssten sich nämlich regelmäßig invasiver Testungen unterziehen, was ein gesundheitliches Risiko darstelle. Aus diesen Gründen würden die AntragstellerInnen im Ergebnis gezwungen, auf die Ausübung ihres Mandats zu verzichten.

Mit Beschluss vom 5. November 2021 setzte der PräsEuG den Vollzug der Zutrittsregelung gegenüber den AntragstellerInnen bis zur Entscheidung über die einstweilige Anordnung vorläufig aus. Zugleich sprach er aus, dass den AntragstellerInnen der Zutritt zu den Parlamentsgebäuden nur nach Vorlage eines negativen Antigen-Selbsttests zu gestatten sei. Im Falle eines positiven Testergebnisses habe die betroffene Person einen PCR-Test durchzuführen. Sollte auch dieser Test positiv sein, so dürfe das EP den AntragstellerInnen den Zutritt zu den Parlamentsgebäuden verwehren.

Beschluss des Präsidenten des Europäischen Gerichts

Mit Beschluss vom 30. November 2021 wies der PräsEuG die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen ab und widerrief zudem seine vorläufige Anordnung vom 5. November 2021, wonach der Vollzug der Eintrittsregelungen gegenüber den AntragstellerInnen vorläufig auszusetzen sei. Der PräsEuG hielt eingangs fest, dass das Erfordernis der Vorlage eines digitalen COVID-19-Zertifikats der EU für den Zutritt zu den Parlamentsgebäuden weder zum Ziel, noch zur Folge hat, die Ausübung des Mandats der MEP oder der beruflichen Aktivitäten von BeamtInnen, akkreditierten parlamentarischen AssistentInnen oder sonstigen Bediensteten des Parlaments zu beschränken.

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zum einen erforderlich, dass die Anordnung dem ersten Anschein nach in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt und zum anderen dringlich ist. Dringlichkeit im erforderlichen Sinn bestehe dann, wenn der Erlass einstweiliger Anordnungen vor der Entscheidung in der Hauptsache erforderlich ist, um den Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen der AntragstellerInnen zu verhindern. Die Partei habe nachzuweisen, dass sie den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache nicht abwarten kann, ohne dass ihr ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht. Dieser Nachweis sei den AntragstellerInnen nicht gelungen: Aus dem bloßen Umstand, dass das Betreten der Parlamentsgebäude nur unter gewissen Bedingungen erlaubt ist, könne kein schwerer und irreparabler Schaden abgeleitet werden. Die AntragstellerInnen hätten keine konkreten Argumente dafür vorgebracht, weshalb es ihnen nicht möglich sein sollte, sich entsprechend den Zugangsregelungen zu verhalten.

Der PräsEuG sprach zudem aus, dass keine hinreichenden Argumente für das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung vorliegen. So sei insbesondere hinsichtlich der befürchteten Verletzung der AntragstellerInnen in ihrem Recht auf Datenschutz festzuhalten, dass die medizinischen Daten ausschließlich zum Zweck der Kontrolle des QR-Codes verarbeitet würden und dass das Sicherheitspersonal strengen Geheimhaltungspflichten unterläge.

Schließlich sei es den AntragstellerInnen auch nicht gelungen darzulegen, inwieweit das regelmäßige Durchführen von Nasen-Rachen-Abstrichen eine ernste Gefahr für die Gesundheit begründe. Es sei den AntragstellerInnen unbenommen, eine medizinische Bestätigung darüber einzuholen, inwiefern die Entnahme von Nasen-Rachen-Abstrichen in ihrem individuellen Fall ein gesundheitliches Risiko darstelle. Für diesen Fall sehe die angefochtene Anordnung zudem die Möglichkeit vor, eine Ausnahmebewilligung von der Verpflichtung zur Vorlage eines 3G-Nachweises beim Generalsekretariat des EP zu erwirken.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung (sowie hier; jeweils in französischer Sprache).