Fachinfos - Judikaturauswertungen 11.08.2022

Anerkennung als Mitglied des Europäischen Parlaments

Unzulässige Klage gegen die Weigerung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, die Eigenschaft als Mitglieder des Europäischen Parlaments anzuerkennen (11. August 2022)

EuG 6.7.2022, T-388/19, Puigdemont i Casamajo und Comin i Oliveres gg. Parlament

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) wies die Klage von zwei Politikern gegen zwei Handlungen des ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments (EP) als unzulässig zurück. Diese ergingen im Kontext der Wahlen zum EP und betrafen die Anerkennung der Politiker als Mitglieder des Europäischen Parlaments (MEP). Das EuG sprach aus, dass keine der beiden Handlungen die in der Rechtsprechung formu­lierten Anforderungen an die Bekämpfbarkeit von Maßnahmen mit Nichtigkeitsklage erfüllen würde.

Sachverhalt

Am 26. Mai 2019 fanden in der EU Wahlen zum EP statt. Bei dieser Wahl gewannen in Spanien die beiden Politiker Carles Puigdemont i Casamajó und Antoni Comín i Oliveres je einen Sitz als Abgeordnete im EP. Einige Tage später erließ der damalige Präsident des EP eine interne Anweisung an das Generalsekretariat des EP, wonach den beiden Poli­tikern vorerst – bis zur Bestätigung des offiziellen Wahlergebnisses durch die spani­schen Behörden – kein Zutritt zum „Welcome Village“ und seitens des EP keine Unter­stützung als neugewählte MEP gewährt, sowie ihre Akkreditierung suspendiert werden sollte.

Da sich die beiden Politiker nicht in Spanien aufhielten und wegen eines gegen sie be­stehenden spanischen Haftbefehls auch nicht nach Spanien reisen konnten bzw. woll­ten, konnten sie den nach den spanischen Wahlgesetzen vorgesehenen Eid auf die Spa­nische Verfassung nicht ablegen. In weiterer Folge übermittelten die spanischen Wahl­behörden am 17. Juni 2019 dem EP das offizielle Wahlergebnis. Auf dieser Liste waren die Namen der beiden Politiker nicht angeführt.

Daraufhin sandte der damalige Präsident des EP den beiden Politikern einen Brief. Er informierte sie darin im Wesentlichen, dass er sie nicht als künftige MEP behandeln könne, da ihre Namen nicht auf der von den spanischen Wahlbehörden übermittelten Liste der gewählten Kandidat:innen aufscheinen.

Die beiden Politiker (Kläger) erhoben in Folge Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Gerichtet war diese zum einen gegen die interne Anweisung des ehemaligen Präsidenten des EP an das Generalsekretariat und zum an­deren gegen dessen Brief an die Kläger.

Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union

Das EuG wies die Klage in beiden Punkten zurück. Keine der angefochtenen Handlun­gen würde einen mit Nichtigkeitsklage bekämpfbaren Rechtsakt darstellen.

Das Gericht ging zunächst auf die ständige Rechtsprechung zur Frage der Bekämpfbar­keit von Handlungen der Europäischen Institutionen gemäß Art. 263 AEUV ein. Mit Nichtigkeitsklage sei die Rechtmäßigkeit von verbindlichen Akten überprüfbar, mit de­nen Rechtswirkungen gegenüber Dritten verbunden seien. Bei der Beurteilung der Ver­bindlichkeit einer Handlung sei nach objektiven Kriterien vorzugehen. Abzustellen sei dabei auf den Inhalt des Aktes, unter Berücksichtigung des Kontexts der Handlung so­wie der Befugnisse der handelnden Europäischen Institution. Auf die Form der betref­fenden Maßnahme komme es dagegen nicht an.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien kam das EuG zum Ergebnis, dass die per Brief mitgeteilte Weigerung des ehemaligen Präsidenten des EP, den Status der Kläger als MEP anzuerkennen, keinen mit Nichtigkeitsklage bekämpfbaren Akt darstellt. Schon aus dessen Wortlaut ergebe sich, dass der Brief keine verbindliche, endgültige Entschei­dung des ehemaligen Präsidenten darstellen sollte. Zudem bestimme sich das Wahlver­fahren in jedem MS nach den innerstaatlichen Vorschriften. Der Präsidentin bzw. dem Präsidenten würde keine Befugnis zukommen, über Streitigkeiten hinsichtlich der An­wendung der nationalen Wahlgesetze verbindlich zu entscheiden. Vielmehr müsse sie bzw. er sich auf die von den jeweiligen Wahlbehörden der MS mitgeteilten Wahlergeb­nisse verlassen. Der Umstand, dass die Kläger nicht als MEP anzuerkennen sind, sei nicht die Folge der brieflich mitgeteilten Weigerung des ehemaligen Präsidenten, son­dern vielmehr Resultat der Anwendung der spanischen Wahlgesetze. Mit dem Brief seien somit keine verbindlichen Rechtsfolgen für die Kläger einhergegangen.

Auch die interne Anweisung des ehemaligen Präsidenten an das Generalsekretariat des EP erfülle nicht die in der Rechtsprechung formulierten Kriterien für die Bekämpfbar­keit von Handlungen der Organe der EU: Unter Berücksichtigung ihres Inhalts, ihres vorübergehenden Charakters sowie des allgemeinen Kontexts, in dem sie erlassen wurde, kam das EuG zum Ergebnis, dass die Anweisung keine verbindlichen Rechtswir­kungen gegenüber den Klägern entfaltete. Insbesondere habe die interne Anweisung die Kläger nicht daran gehindert, die für den Antritt ihres Mandates erforderlichen Schritte zu unternehmen.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung (beide in englischer Sprache).