Fachinfos - Judikaturauswertungen 14.10.2021

COVID-Testpflicht bei Ausreise aus Tirol war verhältnismäßig

VfGH sah keinen Verstoß gegen Grundrechte und das Recht auf freie Mandatsausübung eines Mitglieds des Bundesrates (14. Oktober 2021)

VfGH 24.6.2021, V 87/2021

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wies den Antrag eines Bundesrates ab, der aufgrund der COVID-19-Virusvariantenverordnung bei der Ausreise aus Tirol einer Testpflicht unterlag. Die Verpflichtung zur Vorlage eines negativen Testergebnisses sei – auch für Genesene – ein verhältnismäßiges Mittel gewesen, um die (Weiter-)Verbreitung der Virusvariante B.1.351 zu unterbinden. Der VfGH sah darin auch keinen Verstoß gegen das freie Mandat.

Sachverhalt

Im Zeitraum von 12. Februar bis 10. März 2021 galt für den Großteil des Bundeslandes Tirol die COVID-19-Virusvariantenverordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Das von dieser Verordnung erfasste Gebiet durfte nur mit einem negativen Antigen- oder molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 verlassen werden, der nicht mehr als 48 Stunden zurücklag. Ein Bundesrat aus Tirol, der auf Grund seiner Mandatsausübung regelmäßig nach Wien reisen musste, beantragte beim VfGH die Aufhebung dieser Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit.

Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofs

Der VfGH wies den Antrag als unbegründet ab.

Die Regelung habe zwar das Recht auf Freizügigkeit (Art. 4 Abs. 1 StGG, Art. 2 4. ZPEMRK) eingeschränkt, diese Einschränkung sei aber zum Zweck des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt gewesen: Es sei hinreichend dokumentiert worden, dass von einem besonders starken Auftreten der COVID-19-Virusvariante B.1.351 im Bundesland Tirol (bzw. einem Großteil davon) auszugehen war. Angesichts der mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden Gefahr einer rascheren (Weiter-)Verbreitung dieser Virusvariante im Bundesgebiet sei eine „Testpflicht“ bei der Ausreise ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel gewesen, um einerseits die Ausreise aus dem Epidemiegebiet zu ermöglichen, andererseits aber die (Weiter-)Verbreitung dieser Virusvariante zu unterbinden.

Aus diesen Gründen – auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit des vorgesehenen Test(verfahren)s – sei der Antragsteller auch nicht im Recht auf freie Mandatsausübung als Mitglied des Bundesrates (Art. 56 Abs. 1 B-VG) verletzt worden.

Die Regelung habe schließlich auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG) verstoßen: Es sei sachlich gerechtfertigt gewesen, auch Personen mit Antikörpern gegen COVID-19 zum Nachweis eines negativen Testergebnisses zu verpflichten. Der Verordnungsgeber habe aufgrund der damals verfügbaren Daten und Studien davon ausgehen können, dass der Schutz durch neutralisierende Antikörper bei der Virusvariante B.1.351 reduziert sein könnte und eine Reinfektion mit dem Virus möglich wäre. Bei Personen mit Antikörpern gegen COVID-19 habe daher im Hinblick auf die Virusvariante B.1.351 nicht von einer „niedrigeren epidemiologischen Gefahr“ ausgegangen werden können.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung. Zur Frage des freien Mandats bzw. des passiven Wahlrechts im Zusammenhang mit verkehrsbeschränkenden Maßnahmen siehe auch die Gutachten zum „Aktionsradius der Abgeordneten in der aktuellen Krisensituation“.