Fachinfos - Judikaturauswertungen 10.10.2019

Diffamierende Postings

Facebook kann aufgetragen werden, die mit einem für rechtswidrig erklärten Kommentar wort- und sinngleichen Kommentare zu löschen. EuGH 3.10.2019, C-18/18. (10. Oktober 2019)

Sachverhalt

Am 3. April 2016 teilte eine Nutzerin auf ihrer Facebook-Seite einen Artikel des Online-Nachrichtenmagazins oe24.at mit dem Titel „Grüne: Mindestsicherung für Flüchtlinge soll bleiben“. Damit generierte sie auf dieser Seite eine „Thumbmail-Vorschau“ von der ursprünglichen Webseite, die den Titel des Artikels, eine kurze Zusammenfassung davon sowie ein Foto von Eva Glawischnig-Piesczek, damals Klubobfrau der Grünen im Parlament und Bundessprecherin dieser Partei, enthielt. Im dazu geposteten Kommentar verwendete die Nutzerin u.a. die Worte „miese Volksverräterin“, „dieser korrupte Trampel“ und „Faschistenpartei“. Dieser Beitrag konnte von allen Facebook-Nutzer/innen abgerufen werden. 

Nach erfolgloser Aufforderung an Facebook Ireland Ltd. (Facebook), das herabwürdigende Posting zu entfernen, begehrte Glawischnig-Piesczek eine einstweilige Verfügung unter Berufung auf den Bildnisschutz nach § 78 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Erst aufgrund der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 7. Dezember 2016 sperrte Facebook in Österreich den Zugang zum geposteten Beitrag. Im weiteren Rechtsweg ging es um die Frage, ob Facebook auch die Veröffentlichung aller wort- und/oder sinngleichen Äußerungen, und dies weltweit, zu unterlassen habe.

Für den zuletzt (von beiden Verfahrensparteien) angerufenen Obersten Gerichtshof (OGH) stellte der gepostete Kommentar eine Ehrverletzung dar (§ 78 UrhG, § 1330 ABGB). Der/Die Leser/in beziehe den Kommentar auf die abgebildete Person, sodass deren Ansehen durch die darin enthaltenen Aussagen beeinträchtigt werde. Die Ausdehnung des Unterlassungsgebots auch auf „sinngleiche Äußerungen“ entspreche seiner ständigen Rechtsprechung, da ansonsten der/die Beklagte u.a. durch geringfügige Änderungen seiner Äußerungen das Verbot allzu leicht umgehen könne. Host-Provider seien jedoch gemäß § 16 E-Commerce-Gesetz in der Regel für fremde Inhalte nicht verantwortlich. Würden dem Host-Provider jedoch rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen bekannt, so habe er sie unverzüglich zu sperren und Maßnahmen zu setzen, um eine Fortsetzung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die einschlägigen Regelungen gingen auf die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG) zurück. Eine eindeutige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), ob, wie im gegenständlichen Fall, der Host-Provider nach einem festgestellten Rechtsverstoß zu einer Filterung dergestalt verpflichtet werden könne, dass auch wort- und/oder sinngleiche Inhalte erkannt werden müssten, liege nicht vor. 

Der OGH legte daher mit Vorabentscheidungsersuchen vom 25. Oktober 2017 dem EuGH im Wesentlichen die Frage vor, ob Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG der Verpflichtung eines Host-Providers entgegenstehe, nicht nur die konkret gerügte rechtswidrige Information unverzüglich zu entfernen, sondern auch andere wortgleiche und sinngleiche Informationen a) weltweit, b) im jeweiligen Mitgliedstaat, c) des jeweiligen Nutzers weltweit, d) des jeweiligen Nutzers im jeweiligen Mitgliedstaat.

Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union

In seiner Entscheidung vom 3. Oktober 2019 ging der EuGH zunächst ausführlich auf Art. 14, 15 und 18 der Richtlinie 2000/31/EG samt Erwägungsgründen ein.

Gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG habe der Hosting-Anbieter für die geposteten Inhalte keine Verantwortung, solange er keine Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information erlangt habe bzw. wenn er, sobald dies der Fall sei, unverzüglich diese Information entferne bzw. den Zugang dazu sperre. Davon unabhängig könne gemäß Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG ein nationales Gericht von einem Hosting-Anbieter verlangen, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, einschließlich der Entfernung rechtswidriger Informationen oder der Sperrung des Zugangs zu ihnen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG den Mitgliedstaaten auftrage, Betroffenen Klagsmöglichkeiten zu eröffnen, die auch rasch mutmaßliche Rechtsverletzungen abstellen und verhindern würden, dass weiterer Schaden entstehe. Diese Klagsmöglichkeiten müssten der Schnelligkeit und der geografischen Ausbreitung der Informationsdienste angemessen sein. Die Mitgliedsstaaten verfügten bei der Umsetzung von Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über ein besonders großes Ermessen. Allerdings könnten diese Maßnahmen in diesen spezifischen Fällen nicht so weit gehen, dass sie einen Widerspruch zu Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG darstellten. Es könne dem Hosting-Anbieter also keine allgemeine Überwachungs- bzw. Nachforschungspflicht auferlegt werden. 

Daraus folgte für den EuGH: Ein nationales Gericht könne einem Hosting-Anbieter auftragen, die von ihm gespeicherten Informationen, die den wortgleichen Wortlaut hätten wie Informationen, die zuvor für rechtswidrig erklärt worden seien, zu entfernen, unabhängig davon, von wem sie stammen würden. Im sozialen Netzwerk würden nämlich Informationen durch andere Nutzer/innen rasch wiedergegeben und geteilt werden. 

Dieser Auftrag könne auch für Informationen sinngleichen Inhalts erteilt werden, da ansonsten die Wirkungen, die an eine solche Verfügung geknüpft seien, leicht umgangen werden könnten und der/die Betroffene unzählige Verfahren anstrengen müsste. Allerdings müsste das Gericht klare Anhaltspunkte wie Namen des/der Betroffenen, Umstände und Inhalt anführen, anhand derer diese Sinngleichheit festzustellen wäre. Abweichungen in der Formulierung dürften nicht so geartet sein, dass sie den Hosting-Anbieter zwingen würden, eine autonome Beurteilung vorzunehmen. Der Hosting-Anbieter solle der gerichtlichen Verfügung nämlich durch automatisierte Techniken und Mittel zur Nachforschung nachkommen können. Dadurch sei die Verpflichtung der Hosting-Anbieter nicht übermäßig.

Da Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG keine Beschränkung der erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte in räumlicher Hinsicht vorsehe, könne diese Verfügung auch weltweit Wirkung erzeugen. Allerdings müssten dabei die internationalen Regeln gebührend berücksichtigt werden. 

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung des EuGH sowie das Vorabentscheidungsersuchen des OGH.