- freie Mandatsausübung unter Umständen berührt
Der beim Landtagspräsidenten angesiedelte Wissenschaftliche Dienst betreibe keine Gesetzgebung, sondern Politikberatung. Wissensgenerierung, Faktenaufbereitung und Wissensvermittlung seien typische Verwaltungstätigkeiten. Allein dadurch, dass diese Tätigkeiten „mandatsbezogen“ seien, würden sie sich weder zu spezifischen parlamentarischen Angelegenheiten wandeln noch würden sie dadurch zum Gegenstand des Abgeordnetenmandats. Eine irgendwie geartete Konnexität mit dem Parlamentsgeschehen reiche nicht aus, um die Verwaltungstätigkeit dem Transparenzgebot zu entziehen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass jegliche Beauftragung des Wissenschaftlichen Dienstes bereits Rückschlüsse auf politische Konzepte der Fraktionen oder einzelner Abgeordneten zuließe und dadurch die kollidierenden Verfassungsrechte der freien Mandatsausübung, der parlamentarischen Opposition und der Fraktionen in nicht gerechtfertigter Weise verletzt wären. Diese Rechte könnten aber berührt sein, wenn sich die Abgeordneten oder die Fraktionen an einer unbefangenen Willens- und Entscheidungsbildung gehindert sehen, weil sie sich durch die zeitgleiche Kenntnisnahme der Zuarbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes seitens Dritter einer dauernden Beobachtung und gegebenenfalls breiten Öffentlichkeit in Bezug auf ihre Interessengebiete ausgesetzt sehen.
- aber zeitlich nicht mehr betroffen, weil aus vergangener Legislaturperiode
In der vorliegenden Konstellation werde jedoch lediglich Zugang zu einer Auflistung der durch den Wissenschaftlichen Dienst erstellten Gutachten und der zugehörigen Auftraggebenden aus einer abgelaufenen Wahlperiode begehrt. Damit seien die Interessen von Fraktionen oder einzelnen Abgeordneten nicht mehr gegenwärtig berührt. Sie seien lediglich insoweit betroffen, als dass der Öffentlichkeit ein etwaiger Gegenstand der Debatte nach Abschluss einer Legislaturperiode bekannt werden könnte. Dieses Maß der Betroffenheit rechtfertige es nicht, die Liste dauerhaft der Informationspflicht zu entziehen.
Daher sei die von dem Kläger begehrte Auflistung jedenfalls nach Ablauf der betreffenden 18. Wahlperiode für die parlamentarische Tätigkeit der Fraktionen und Abgeordneten nur noch von untergeordneter Bedeutung. Dies zeige sich insbesondere im Grundsatz der materiellen Diskontinuität, demzufolge mit Ablauf der Wahlperiode des Landtages alle Vorlagen, Anträge und Anfragen als erledigt gelten. Damit sei den befürchteten Einwirkungen auf die parlamentarischen Prozesse hinreichend Rechnung getragen, weil den Auftraggebenden Reaktions- und Verarbeitungsfrist eingeräumt und ihnen ein – im politischen Wettbewerb aus „Konkurrenzschutzgründen“ möglicherweise zustehender – zeitlich befristeter Informationsvorsprung verbleibe. Eine über die Legislaturperiode hinausgehende Schutzwürdigkeit der parlamentarischen Tätigkeit sei allein bezüglich der Titel der erstellten Gutachten und Informationen über die Auftraggebenden nicht ersichtlich.
- parlamentarische Arbeit muss und kann ein gewisses Maß an Öffentlichkeit und Kontrolle aushalten
Als Begründung für eine derart weitgehende zeitliche Ausdehnung des Schutzraums für die fraktionsinterne Meinungsbildung bliebe letztlich nur eine Annahme: Nämlich, dass Abgeordnete und Fraktionen auch dadurch in ihrer parlamentarischen Unabhängigkeit unbillig berührt wären, dass nach Ende einer Legislaturperiode eine öffentliche Debatte über den Gegenstand abgeschlossener Beratungen stattfinden könnte. Von einem derart geringen Selbstbewusstsein der gesetzgebenden Gewalt auszugehen, erscheine fernliegend. Die parlamentarische Arbeit müsse und könne vielmehr ein gewisses Maß an Öffentlichkeit und dadurch bewirkter Kontrolle durch Dritte aushalten. Das freie Mandat umfasse nicht das Recht, sich nachträglich einer öffentlichen Diskussion über die Nutzung der Wissenschaftlichen Dienste entziehen zu können. Eine solche Rechenschaftspflicht sei gerade Ausdruck des Mandats in der repräsentativen Demokratie, die durch die politische Verantwortung der Abgeordneten gegenüber den Wählenden und der Rückkopplung zwischen ihnen und dem Wahlvolk gekennzeichnet ist.