Fachinfos - Judikaturauswertungen 12.04.2021

Mittelfinger-Bildzitat ist unzulässig und keine Parodie

Posting einer politischen Partei, das eine Nationalratsabgeordnete samt in die Höhe gehaltenen Mittelfingers abbildete, war unzulässig und keine Parodie. OGH 26.1.2021, 4 Ob 3/21 (12. April 2021)

Sachverhalt

Die Klägerin war Abgeordnete zum Nationalrat und Klubobfrau eines parlamentarischen Klubs. Die Beklagte war eine politische Partei und Medieninhaberin einer Website, auf der sie ein Posting veröffentlichte, das eine Abbildung der Klägerin samt ihres in die Höhe gehaltenen Mittelfingers enthielt. In dem Posting stand zusammengefasst die Behauptung, dass die Klägerin Pensionist/inn/en empfohlen hätte, ihre Wertgegenstände in Pfandleihanstalten zu bringen und sich zu verschulden. Die Abbildung der Klägerin wurde ohne ihre Zustimmung verwendet, das Werknutzungsrecht an der Abbildung hatte der Fotograf ursprünglich der Klägerin übertragen.

Die Klägerin begehrte dagegen im Zivilrechtsweg eine Sicherungsverfügung, mit der der Beklagten unter anderem die Veröffentlichung und Verwendung der Abbildung verboten werden sollte. Das Erstgericht gab dem Begehren mit der Begründung statt, dass die Beklagte rechtswidrig in das Werknutzungsrecht der Klägerin eingegriffen hatte. Das Rechtsmittelgericht bestätigte die Entscheidung.

Entscheidung des Obersten Gerichtshofs

Der Oberste Gerichtshof (OGH) wies den Revisionsrekurs der Beklagten gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts mit folgender Begründung ab:

Zunächst prüfte der OGH die Zulässigkeit der Veröffentlichung als Bildzitat gemäß § 42f Urheberrechtsgesetz (UrhG). Voraussetzung hierfür sei die Zitat- und Belegfunktion des verwendeten Bildes, und nicht die bildliche Ausgestaltung einer Berichterstattung, um Aufmerksamkeit auf diese zu lenken. Ein Bildzitat sei zulässig, wenn es sich um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk handelt. Der OGH bestätigte die Beurteilung des Rechtsmittelgerichts, wonach sich das Bildzitat der Beklagten durch die gegenständliche Veröffentlichung nicht mit den Inhalten des zitierten Werks auseinandersetze. Die Abbildung sei im Zuge von Hassnachrichten wegen sexueller Belästigung aufgenommen worden und werde nun von der Beklagten in der Debatte über finanzielle Probleme von Pensionist/inn/en aufgrund der COVID-19-Krise verwendet. Das Posting der Beklagten erwecke klar den Eindruck, die Klägerin unterstütze eine herzlose und kalte Politik. Der OGH stellte fest, dass die Begründung der Beklagten, wonach die Klägerin hierfür Anlass gegeben hätte, nicht mit dem Sachverhalt übereinstimmt, da keine entsprechenden Äußerungen der Klägerin vorliegen.

Weiters prüfte der OGH die Zulässigkeit der Veröffentlichung als Parodie gemäß Art. 5 Abs. 3 lit k der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (RL 2001/29). Hierzu führte der OGH aus, dass auch der inhaltliche Tatsachenkern einer Parodie nicht unwahr oder ehrenrührig sein darf. Zwischen den Interessen und Rechten der Rechteinhaberin/des Rechteinhabers und der freien Meinungsäußerung einer Nutzerin/eines Nutzers fremder Werke, die/der sich hierbei auf eine Parodie beruft, sei ein angemessener Ausgleich zu wahren. Dabei seien alle Umstände – auch ob Zusammenhänge zu abgelehnten und verächtlichen Geisteshaltungen hergestellt werden – zu berücksichtigen. Hierzu stellte der OGH fest, die Beklagte bringe die Klägerin durch das Posting mit einer unsozialen Geisteshaltung in Verbindung, was wiederum nicht mit dem festgestellten Sachverhalt übereinstimme. Daher sei auch keine Parodie vorgelegen.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.