Fachinfos - Judikaturauswertungen 06.10.2020

Petitionsausschuss unterliegt der DSGVO

Der Petitionsausschuss des Hessischen Landtages unterliegt der Datenschutz-Grundverordnung EuGH 9.7.2020, C-272/19, VQ (6. Oktober 2020)

Sachverhalt

Ein Bürger, der eine Petition beim Petitionsausschuss des Hessischen Landtages eingereicht hatte, begehrte vom Petitionsausschuss Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten, die der Ausschuss im Rahmen der Behandlung seiner Petition gespeichert hatte.

Der Präsident des Hessischen Landtages lehnte das Auskunftsbegehren ab: Das Petitionsverfahren stelle eine parlamentarische Aufgabe des Hessischen Landtages dar, weshalb der Geltungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den Hessischen Landtag nicht erfasse.

Dagegen erhob der Bürger Klage beim Verwaltungsgericht Wiesbaden. Dieses kam zum Schluss, dass das deutsche Recht im Rahmen einer solchen Petition kein Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten vorsehe, dass sich ein solches Recht jedoch aus der DSGVO ergeben könnte. In einem Vorabentscheidungsersuchen richtete es daher an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage, ob die DSGVO (konkret Art. 15 betreffend das Auskunftsrecht der betroffenen Person) auf den Petitionsausschuss des Hessischen Landtages Anwendung findet und ob dieser insoweit wie eine Behörde iSd Art. 4 Z 7 DSGVO zu behandeln ist.


Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union

Der EuGH antwortete auf diese Frage, dass der Petitionsausschuss eines Gliedstaats eines Mitgliedstaats insoweit, als dieser Ausschuss allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheidet, als „Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO einzustufen ist. Die von einem solchen Ausschuss vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten unterliege daher der DSGVO.

Begründend führte der EuGH aus, dass die Tätigkeiten des Petitionsausschusses nicht unter eine in der DSGVO vorgesehene Ausnahme fallen:

  • Die Definition des „Verantwortlichen“ (Art. 4 Z 7 DSGVO) sei nicht auf Behörden beschränkt, sondern hinreichend weit, um jede Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheidet, einzuschließen.
  • Zum Argument des Landes Hessen, dass die Tätigkeiten eines parlamentarischen Ausschusses nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts im Sinne von Art. 2 Abs. 2 DSGVO fallen, hielt der EuGH – unter Hinweis auf seine Judikatur zur früheren Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG – fest, dass es nicht erforderlich ist, dass in jedem Einzelfall tatsächlich ein Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen Mitgliedstaaten besteht.
  • Art. 2 Abs. 2 lit. a DSGVO (Ausnahme für Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen) sei eng auszulegen, da er eine Ausnahme von der sehr weiten Definition des Anwendungsbereichs in Art. 2 Abs. 1 DSGVO darstelle. Der EuGH nahm wiederum Bezug auf seine Rechtsprechung zur Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG und kam zum Ergebnis, dass es für die Geltung dieser Ausnahme nicht ausreicht, dass eine Tätigkeit eine spezifische des betreffenden Staates oder einer Behörde ist. Es sei nämlich erforderlich, dass die Tätigkeit zu denjenigen gehört, die ausdrücklich in den übrigen Ausnahmen (des Art. 2 DSGVO) genannt sind, oder dass sie derselben Kategorie wie diese zugeordnet werden könne – dies verneinte der EuGH im konkreten Fall. Zwar seien die Tätigkeiten des Petitionsausschusses des Hessischen Landtages zweifellos behördlicher Art und spezifische dieses Landes, da dieser Ausschuss mittelbar zur parlamentarischen Tätigkeit beiträgt, die Tätigkeiten seien jedoch auch politischer und administrativer Natur. Zudem gehe aus den dem EuGH vorliegenden Akten in keiner Weise hervor, dass diese Tätigkeiten den in Art. 2 Abs. 2 lit. b und d DSGVO genannten Tätigkeiten entsprechen oder derselben Kategorie wie diese zugeordnet werden können.
  • Schließlich sei in der DSGVO, insbesondere in Erwägungsgrund 20 und in Art. 23, keine Ausnahme in Bezug auf parlamentarische Tätigkeiten vorgesehen.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.