Fachinfos - Judikaturauswertungen 14.10.2021

Rechtmäßige Zusammensetzung eines parlamentarischen Kontrollgremiums

Bayerischer Verfassungsgerichtshof wies Antrag der AfD wegen angeblicher Falschzusammensetzung aus prozessualen Gründen ab (14. Oktober 2021)

BayVfGH 26.8.2021, Vf. 60-VIII-20

In Bayern wird die Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz durch ein Parlamentarisches Kontrollgremium kontrolliert. Dieses setzt sich aktuell nur aus sechs statt sieben Mitgliedern zusammen, da der Landtag kein Mitglied aus den Reihen der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gewählt hat. Der bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVfGH) hat einen Antrag der AfD zur Feststellung, dass das Kontrollgremium falsch zusammengesetzt sei, aus prozessualen Gründen als unzulässig abgewiesen.

Sachverhalt

Der Bayerische Landtag hat sieben Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Tätigkeit des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz zu wählen. Die Fraktionen haben ein Vorschlagsrecht im Verhältnis ihrer Stärke. Das Kontrollgremium ist nach jeder Landtagswahl neu zu bestellen.

Aufgrund des Ergebnisses der Landtagswahl 2018 stand der CSU-Fraktion das Vorschlagsrecht für drei Mitglieder und stellvertretende Mitglieder zu, dem Bündnis 90/Die Grünen, den Freien Wählern, der SPD und der AfD das Vorschlagsrecht für je ein Mitglied und Ersatzmitglied. Der FDP-Fraktion stand kein Mitglied zu. Bei den zwei stattgefundenen Wahlgängen für das Kontrollgremium erhielten die von der AfD vorgeschlagenen Mitglieder und Ersatzmitglieder allerdings die erforderlichen Stimmen nicht. Das Parlamentarische Kontrollgremium wurde daher für die laufende Wahlperiode nur mit sechs anstatt der vorgesehenen sieben Mitglieder besetzt.

Die AfD-Fraktion und zwei ihrer Abgeordneten, die mehrfach erfolglos als Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder für das Kontrollgremium vorgeschlagen worden waren, wandten sich an den BayVfGH. Sie begehrten die Klärung der korrekten Auslegung der gesetzlichen Regelungen zur Zusammensetzung und zum Wahlverfahren des Parlamentarischen Kontrollgremiums und die Feststellung, dass die Nichtwahl von BewerberInnen einer Fraktion danach unzulässig sei.

Entscheidung des Bayerischen Verfassungs­gerichtshofes

Der BayVfGH wies den Antrag als unzulässig ab:

Die Bayerische Verfassung sieht gemäß Art. 75 Abs. 3 ein Verfahren für Meinungsverschiedenheiten darüber vor, ob durch ein Gesetz die Verfassung geändert wird oder ob ein Antrag auf unzulässige Verfassungsänderung vorliegt. Ein Antrag an den BayVfGH kann in diesem Verfahren auch dann gestellt werden, wenn eine Meinungsverschiedenheit darüber besteht, ob durch ein Gesetz die Verfassung verletzt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des BayVfGH können in einem solchen Streitverfahren allerdings nur jene Argumente vorgebracht werden, die den schon im Verfahren im Landtag erhobenen Rügen entsprechen. Die Meinungsverschiedenheit muss bereits während des Gesetzgebungsverfahrens entstanden und erkennbar geworden sein.

Dies war hier – so der BayVfGH – nicht der Fall. Die Bestimmungen über die Zahl und Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums seien schon im Jahr 2000 im Gesetzgebungsverfahren umstritten gewesen. Der BayVfGH habe sie im Jahr 2002 allerdings für verfassungsgemäß erklärt. Als das Parlamentarische-Kontrollgremium-Gesetz 2010 geändert worden und die aktuell inhaltlich geltende Fassung entstanden sei, habe es keine unterschiedlichen Rechtsauffassungen gegeben. Das Gesetz sei im Konsens der damals fünf Landtagsfraktionen erarbeitet worden.

Die AfD-Fraktion sei 2010 zudem noch gar nicht im Landtag vertreten gewesen und es komme ihr schon aus diesem Grund kein Antragsrecht im vorliegenden Verfahren zu. Außerdem bestünden lediglich unterschiedliche Rechtsauffassungen der Verfahrensbeteiligten über die Auslegung einer einfachgesetzlichen Vorschrift; eine für das Verfahren gemäß Art. 75 Abs. 3 Bayerische Verfassung geforderte Meinungsverschiedenheit im Gesetzgebungsverfahren habe hingegen nie bestanden. Der Antrag sei daher aus diesen Gründen unzulässig.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.