Der Verfassungsgerichtshof Berlin hielt den Antrag für unzulässig, da das Abgeordnetenhaus die Ordnungsrufe zwar bestätige, der Präsident aber rechtlich für die Ordnungsrufe verantwortlich sei.
Darüber hinaus hielt er den Antrag auch für unbegründet. Das Recht des Antragstellers zur Teilnahme, Abstimmung und Rede im Abgeordnetenhaus sei durch die Ordnungsrufe beeinträchtigt worden, jedoch sei die Freiheit des Mandats nicht schrankenlos gewährleistet. Sie könne durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang – etwa die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments – begrenzt werden, zu deren Wahrung dem Präsidenten Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung stünden. Die Einschätzung des Präsidenten, dass das Tragen der blauen Blume in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 29. November 2018 der parlamentarischen Würde widerspreche und die parlamentarische Ordnung verletze, halte sich im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraumes – insbesondere unter Berücksichtigung der Vorgeschichte des Geschehens. Das Tragen der als Kornblume wahrgenommenen blauen Stoffblume beim Schweigemarsch sei in der Öffentlichkeit als Provokation bewertet worden, weil die blaue Kornblume in Österreich von der Bewegung des antisemitischen deutschnationalen Politikers Georg von Schönerer als politisches Abzeichen genutzt worden sowie ein Ersatzzeichen für verbotene Symbole und Zeichen der in Österreich bis 1938 verbotenen NSDAP gewesen wäre. Dies sei auch zutreffend. Bei der Sitzung am 29. November 2018 sei dem Antragsteller ebenso wie dem Präsidenten aufgrund der Medienberichterstattung bekannt gewesen, dass die blaue Blume in der Öffentlichkeit als Symbol der NSDAP wahrgenommen werde. Der Präsident habe daher davon ausgehen dürfen, dass auch das Tragen der einer blauen Kornblume zum Verwechseln ähnlich sehenden blauen Stoffnelke als bewusstes Tragen eines NSDAP-Symbols und Abzeichens der Schönerer-Bewegung in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden würde und sei mit seinen Ordnungsrufen dem Eindruck entgegentreten, das Abgeordnetenhaus von Berlin toleriere dies.
Der Umstand, dass der Antragsteller bereits in zwei früheren Sitzungen die blaue Stoffblume getragen habe, stehe der Beurteilung des Präsidenten nicht entgegen, denn die Handhabung der Befugnis zum Ordnungsruf unterliege keiner Selbstbindung. Jedenfalls habe der Präsident dem öffentlichen Echo auf das Tragen der blauen Blume beim Schweigemarsch Rechnung tragen dürfen.
Die Ordnungsrufe – als mildeste von der Geschäftsordnung vorgesehene Mittel – würden den Antragsteller trotz des hohen Rangs seiner Abgeordnetenrechte nicht über das verfassungsrechtlich zulässige Maß hinaus beeinträchtigen: Er hätte sein Rede-, Antrags- und Stimmrecht im Plenum – zwar ohne die Stoffblume, aber ohne erhebliche weitere Auswirkungen auf seine Kleidung – ausüben können. Der Präsident hätte den Antragsteller auch nicht vor den Ordnungsrufen anhören müssen. Ordnungsmaßnahmen seien zum Schutz der Autorität des sitzungsleitenden Präsidenten und des Ansehens des Parlaments grundsätzlich einer Diskussion in der Öffentlichkeit entzogen. Dem Äußerungsinteresse des Betroffenen sei durch die Einspruchsmöglichkeit hinreichend Rechnung getragen.
Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.