Fachinfos - Judikaturauswertungen 11.08.2022

U-Ausschuss: Beweisanforderung außerhalb des Untersuchungsgegenstands

Mehrheit bestritt sachlichen Zusammenhang zwischen einer Beweisanforderung und dem Untersuchungsgegenstand zu Recht (11. August 2022)

VfGH 29.6.2022, UA 4/2022

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschied, dass die Mehrheit im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss (UsA) den sachlichen Zusammenhang eines Beweisverlan­gens der Minderheit mit dem Untersuchungsgegenstand zu Recht bestritten hat. Die Mehrheit habe in ihrem Bestreitungsbeschluss hinreichend begründet, warum das Ver­langen des einschreitenden Viertels der Mitglieder des UsA nach Daten der Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nicht vom Umfang des Untersu­chungsgegenstands des UsA gedeckt sei.

Sachverhalt

Ein Viertel der Mitglieder des UsA hatte gemäß § 25 Abs. 2 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) verlangt, die Bundesministerin für Justiz zu verpflichten, dem UsA eine vollständige Kopie des Datenbestands des „Usermail“-Accounts der WKStA, insbesondere E-Mails betreffend vorgesetzte Dienst­stellen, vorzulegen. Der UsA bestritt mit (Mehrheits-)Beschluss vom 25. Mai 2022 den sachlichen Zusammenhang dieses Verlangens mit dem Untersuchungsgegenstand. Das Verlangen sei derart weit und undifferenziert, dass davon auch vieles erfasst sei, was keinerlei Bezug zum Untersuchungsgegenstand habe. Aufgrund des Bestreitungsbe­schlusses wurde das Verlangen nicht wirksam.

In ihrem Antrag gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 3 B‑VG begehrten die Einschreiter:innen die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses durch den VfGH.

Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofs

Der VfGH stellte in seiner Entscheidung fest, dass das Verlangen auf ergänzende Be­weisanforderungen insbesondere keinerlei Einschränkungen auf die Vorlage von Akten und Unterlagen enthält, die von abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sind. Bei einem derart weit gefassten Verlangen hätte das einschreitende Viertel der Mitglieder des UsA durch nachvollziehbare Behauptungen darzulegen und zu begrün­den gehabt, warum der (gesamte) “Usermail”-Account der WKStA im Umfang des Un­tersuchungsgegenstands liegen solle.

Eine solche hinreichende Begründung sei aber nicht erfolgt. Es könne, so der VfGH, nicht Zweck einer ergänzenden Beweisanforderung sein, ohne Bezeichnung näherer Anhaltspunkte die Vorlage von Akten und Unterlagen zu verlangen. Es müsse vielmehr bereits im Verlangen nachvollziehbar dargelegt werden, welchen konkreten Fragen oder Vermutungen im Umfang des Untersuchungsgegenstands im Rahmen der ergän­zenden Beweisanforderung nachgegangen werden solle.

Der gegen den (Mehrheits-)Beschluss des UsA vom 25. Mai 2022 gerichtete Antrag gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 3 B‑VG wurde daher abgewiesen. Der Bestreitungsbeschluss war somit rechtmäßig.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.

Vgl. darüber hinaus die Pressemitteilung und die Entscheidung des VfGH vom 29.6.2022, UA 3/2022, mit der ein weiterer Antrag eines Viertels der Mitglieder des UsA aus formalen Gründen zurückgewiesen wurde (ähnlich bereits VfGH 10.5.2021, UA 5/2021, siehe dazu Judikaturauswertung 2. Quartal 2021).