Fachinfos - Judikaturauswertungen 12.04.2021

Umweltinformations-RL: Beschränkter Zugang zu internen Mitteilungen

Beschränkter Zugang zu internen Mitteilungen soll Raum für Überlegungen eröffnen. EuGH 20.1.2021, C-619/19 (12. April 2021)

Sachverhalt

Ein Bürger beantragte Zugang zu Unterlagen über Baumfällungen, die zur Durchführung des Verkehrsinfrastruktur- und Städtebauprojekts „Stuttgart 21“ im Park des Stuttgarter Schlosses im Oktober 2010 erfolgt waren. Die betreffenden Unterlagen enthielten auch Informationen zum Fortgang eines Untersuchungsausschusses über einen Polizeieinsatz im September 2010 im Stuttgarter Schlosspark wie auch Vermerke zu einem zum Projekt „Stuttgart 21“ durchgeführten Schlichtungsverfahren. Der Antrag wurde vom Staatsministerium des Landes Baden-Württemberg abgelehnt und die dagegen erhobene Klage vom Erstgericht abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung hatte allerdings Erfolg: Gemäß dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg handelte es sich um zugängliche Umweltinformationen. Der Zugang könne insbesondere nicht mit dem Verweis, dass es sich um „interne Mitteilungen“ handle, abgelehnt werden, da in diesem Fall der Entscheidungsprozess der Behörde schon abschlossen gewesen sei. Gegen diese Entscheidung wandte sich nun das Staatsministerium an das Bundesverwaltungsgericht, welches ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) richtete.

Es wollte wissen, was unter „internen Mitteilungen“ gemäß der Umweltinformations-Richtlinie (2003/4/EG) zu verstehen sei und ob deren Schutz zeitlich unbegrenzt sei und wenn nein, wie lange der Schutz gelte.

Sowohl das Aarhus-Übereinkommen (Übereinkommen über den Zugang zu Umweltinformationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten) als auch die Umweltinformations-Richtlinie ermöglichen den Mitgliedstaaten, „interne Mitteilungen“ vom Zugang zu Informationen auszunehmen, wobei aber das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe der Information zu berücksichtigen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, „soweit das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe (nicht) überwiegt.“

Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union

Gemäß dem EuGH sind „interne Mitteilungen“ im Sinne der Umweltinformations-RL alle Informationen, die innerhalb einer Behörde im Umlauf sind und die im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zugang den Bereich dieser Behörde nicht verlassen haben, also nicht einem Dritten bekannt gegeben oder öffentlich zugänglich gemacht wurden. Es könne sich dabei um eine von dieser Behörde erstellte Information oder bei ihr von einer externen Quelle eingegangene Information handeln. Im zweiten Fall könne diese Mitteilung nur insofern „intern“ sein, als diese Information nicht bereits von anderer Seite zugänglich gemacht wurde. Wie der Kommissionsvorschlag für die Umweltinformations-RL erläuterte, solle nämlich mit dem Ablehnungsgrund „interne Mitteilungen“ dem Bedürfnis der Behörden nach einem geschützten Raum für interne Überlegungen und Debatten Rechnung getragen werden. Der interne Charakter einer Mitteilung bleibe gewahrt, auch wenn Informationen in dieser Mitteilung allenfalls in Zukunft veröffentlicht werden sollen. Bei internen Informationen handle es sich jedenfalls nicht nur um persönliche Auffassungen von Bediensteten der Behörde. Im konkreten Fall scheinen nach Ersteinschätzung des EuGH die gewünschten Unterlagen die Behörde nicht verlassen zu haben und verfasst worden zu sein, um Informationen innerhalb des Staatsministeriums weiterzuleiten.

Gemäß dem EuGH ist der Ausnahmegrund der „internen Mitteilung“ auch nicht zeitlich begrenzt. Eine zeitliche Begrenzung dieser Bestimmung könne dem Aarhus-Übereinkommen nicht entnommen werden. Im Unterschied zum Ausnahmegrund des „nicht fertig gestellten Materials“ komme es nicht auf das Stadium eines Verwaltungsvorgangs an. Dies ergebe sich auch aus der Zielsetzung der Bestimmung, zugunsten der Behörden einen geschützten Raum für interne Überlegungen und Debatten zu schaffen. Das Erfordernis, die Gedankenfreiheit eines Verfassers der fraglichen Mitteilung und die Möglichkeit des freien Austauschs von Ansichten weiterhin zu schützen, sei aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Umstände zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Zugang zu Umweltinformationen zu prüfen.

Auch der Verweigerungsgrund der „internen Mitteilung“ unterliege der Abwägung mit den Interessen der Öffentlichkeit an der gewünschten Information. Dahingehend vorgebrachte Gründe des Antragstellers/der Antragstellerin seien von der Behörde im Einzelfall zu prüfen. In der Abwägung sei auch in Betracht zu ziehen, dass Informationen aus der „internen Mitteilung“ aufgrund ihres Alters seit ihrer Erstellung als nicht mehr aktuell und deshalb als nicht mehr vertraulich anzusehen seien. Weiters sei zu beachten, dass auch nur Teile der internen Mitteilung bekannt gemacht werden können, wenn Informationen trennbar sind. Der EuGH erinnerte auch daran, dass die Behörde genau darlegen muss, inwiefern eine Weitergabe der Information die geschützten Interessen konkret und tatsächlich beeinträchtigen kann. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung müsse außerdem bei vernünftiger Betrachtung absehbar und dürfe nicht rein hypothetisch sein.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.