Das LVerfG kam zu dem Ergebnis, dass der für mehrere Verwendungen des Wortes „Neger“ in unterschiedlichen Kontexten einheitlich ausgesprochene Ordnungsruf unzulässig ist: Zwar stehe der Präsidentin des Landtags ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterliege. Diese Kontrolle sei jedoch umso intensiver, je deutlicher eine Ordnungsmaßnahme auf den Inhalt der Äußerung reagiere. Das Rederecht sei besonders schützenswert, wenn es um eine inhaltliche Auseinandersetzung gehe und die thematisierten Fragen für das Parlament und die Öffentlichkeit wichtig seien. Dabei müssten auch polemische Ausdrücke hingenommen werden, wenn sie in eine inhaltliche Stellungnahme eingebettet sind. Jedoch sei die parlamentarische Ordnung jedenfalls dann verletzt, wenn es um eine bloße Provokation, schiere Herabwürdigung Anderer oder Verletzung von Rechtsgütern Dritter gehe.
Der Ordnungsruf rüge die Verwendung des Wortes an sich. Er knüpfe nicht an die konkreten – in ihren Zusammenhängen durchaus unterschiedlichen – Äußerungen des Antragstellers an. So sei auch jene Äußerung erfasst, in der der Antragsteller seine Ansicht darlegte, das Wort verwenden zu dürfen. Darüber hinaus werde auch ein unvollständiger – oder unvollständig protokollierter – Zwischenruf des Antragstellers mitgerügt.
Die Präsidentin des Landtags müsse das Verhalten jedoch aus seinem konkreten Kontext heraus würdigen. Nur so könne beurteilt werden, ob die Äußerung in eine inhaltliche politische Stellungnahme eingebettet ist und vorrangig der inhaltlichen Auseinandersetzung dient, oder ob sie diesen Rahmen überschreitet und die Würde des Hauses verletzt.
Gehe es um die Verwendung eines einzelnen Wortes, so komme es darauf an, ob das betreffende Wort als Schimpfwort oder abwertend zu verstehen ist oder ob es in einem sachlichen Kontext verwendet wird, etwa, um über das Wort und seine Verwendbarkeit zu sprechen.
Unabhängig vom konkreten Zusammenhang könne die Verwendung eines bestimmten Wortes nicht mit einem Ordnungsruf gerügt und damit für die Zukunft allgemein unterbunden werden. Dies sei allenfalls dann anders zu beurteilen, wenn das Wort in jedem denkbaren Kontext ausschließlich der Provokation oder der Herabwürdigung anderer dienen könne.
Das Wort „Neger“ werde zwar nach heutigem Sprachgebrauch in der Regel als abwertend verstanden. Ob es tatsächlich abwertend gemeint sei, könne jedoch nur aus dem Zusammenhang beurteilt werden. Das Wort könne zitierend oder ironisch verwendet werden, oder benutzt werden, um über das Wort, seine Verwendung und seine Verwendbarkeit zu sprechen. Es könne dann geeignet sein, zur inhaltlichen Auseinandersetzung beizutragen. Die Verwendung des Wortes könne in einem solchen Kontext nicht ohne weiteres als bloße Provokation oder Herabwürdigung aufgefasst werden. Vielmehr könne sie Bestandteil einer inhaltlichen Stellungnahme sein.
Dass der Antragsteller ganz grundsätzlich die Frage der Verwendbarkeit des Wortes „Neger“ aufgeworfen habe, sei für sich genommen sachlich gewesen, auch wenn es in keinem Zusammenhang mit dem Thema der Debatte gestanden sei. Der Abgeordnete habe daher nicht in allen Fällen der Verwendung des Wortes die Würde des Hauses verletzt. Der Ordnungsruf gehe daher zu weit. Zudem hätte der Ordnungsruf umso mehr einer ausdrücklichen Begründung bedurft, als er erst in der übernächsten Sitzung, rund vier Wochen nach dem beanstandeten Verhalten erteilt wurde. DerOrdnungsruf verletze daher das Rederecht des Antragstellers.
Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.