Auch die privaten Lebensumstände rückten vermehrt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. So wurde der Bedarf nach Freiflächen, der besonders bei StadtbewohnerInnen in kleinen Wohnungen oft nicht gedeckt ist, offensichtlich. Während der restriktiven Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 ab dem 16. März 2020 wurden auch Parks und Spielplätze geschlossen, wodurch in Österreich jedes zehnte Kind ohne wohnortnahe Grünfläche war. Das ist vor allem insofern problematisch, als 20 % der Kinder in Österreich in beengten Wohnverhältnissen leben.
Ähnlich wie bei den Entwicklungen in Bezug auf die Arbeitswelt muss festgehalten werden, dass diese Probleme vermehrt Menschen betreffen, die in städtischen Räumen wohnen. Es stellt sich also auch hier die Frage, ob diese Erkenntnisse nachhaltig zu einem Umdenken hinsichtlich der Wahl des Wohnorts beitragen können. Neben den oben erwähnten Voraussetzungen (Digitalisierung, Kinderbetreuung, Verkehrsanbindung) wäre dafür ein entsprechendes Angebot an Wohnraum vonnöten, welches einen Wechsel des Wohnorts überhaupt denk- und leistbar macht. Das bedeutet zum Beispiel ein ausreichendes Angebot an Mietwohnungen. Gegenwärtig besteht ein starkes Stadt-Land-Gefälle in Bezug auf die Wohnverhältnisse: Während 2016 etwa 50 % der Haushalte in Wohnungs- oder Hauseigentum lebten, waren es in Wien nur ca. 20 %. Momentan zeichnet sich ein entsprechender Trend in Richtung eines geänderten Angebots (noch) nicht ab. GeografInnen geben diesbezüglich zu bedenken, dass die Möglichkeit, sich zwischen städtischen und ländlichen Wohnsitzen zu entscheiden, neben flexiblen Arbeitsverhältnissen vor allem ein entsprechendes Einkommen voraussetzt. Demzufolge steht diese Option gegenwärtig hauptsächlich jenen Menschen offen, die ohnehin nicht auf beengtem Raum wohnen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass momentan sowohl in öffentlichen als auch in wissenschaftlichen Debatten viele Fragen aufgeworfen werden, die noch nicht beantwortet werden können. Dabei stehen mögliche Änderungen der Einstellung gegenüber dem ländlichen Raum oft noch gar nicht im Zentrum. So werden beispielsweise Fragen, die im Rahmen des Austrian Corona Panel Project diskutiert werden, zwar im Hinblick auf demografische Charakteristika wie Bildung, Geschlecht und Haushaltseinkommen differenziert, mögliche Unterschiede zwischen BewohnerInnen ländlicher und städtischer Regionen finden aber nur am Rande Erwähnung. Umso wichtiger ist es, sich fundiert mit möglichen Chancen und Risiken für ländliche Regionen infolge der COVID-19-Pandemie auseinanderzusetzen.