Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 64

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an sich. Und an den Taten werden die österreichischen Volksgruppen die Bundesregierung messen und nicht an den Zeichen. – Hvala. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte.

12.36

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zunächst ebenfalls in voller Harmonie ein Dankeschön dafür, dass in einer Zeit, in der manche glauben, der Konsens in Österreich bröckle völlig auseinander, in dieser wichtigen Staatszielbestimmung ein Grundkonsens aller vier politischen Parteien, die im Parlament vertreten sind, möglich ist. Ich möchte auch Harald Ofner sehr danken, mit dem gemeinsam ich den Erstentwurf formuliert habe, der dann gemeinsam abgeändert wurde, wogegen ich gar nichts habe, denn mir ist der Konsens aller politischen Parteien wichtig. Vor allem aber sind die ganz essentiellen Elemente, die Sprache, die Kultur, aber auch das wirtschaftliche Wohlergehen der Volksgruppen, die gewachsen und historisch in Österreich verankert sind, voll in den Bestimmungen enthalten.

Ich bin sehr froh darüber, weil es mehr ist als nur ein Zeichen. Das will ich schon auch dazu sagen, denn es ist – wenn man so will – auch ein Zeichen, das wir gegenüber den Volksgruppen, die es in anderen Ländern gibt, setzen. Ich erwarte schon auch, dass die gleiche Diskussion, die wir hier führen zu Gunsten von Volksgruppen, die zum Teil ja sehr klein sind – leider sehr klein geworden sind –, nunmehr auch in anderen Ländern, in unseren Nachbarstaaten und so weiter geführt wird, damit dort ähnliche Staatsziel- und Schutzbestimmungen möglich werden. Es ist einfach ein wichtiges Symbol und bedeutet zugleich auch konkretes Handeln.

Frau Abgeordnete Stoisits hat mit Recht darauf hingewiesen, was eigentlich eine Staatszielbestimmung ist. Die österreichische Verfassung ist ja sehr zurückhaltend mit solchen programmatischen Erklärungen. Das hängt mit der dahinterstehenden Philosophie zusammen. Am 10. November 1920, also vor nunmehr fast 80 Jahren, ist die Verfassung in Kraft getreten und enthält sehr wenige derartige Bestimmungen. Zum einen hat sie ja nur einen Minimalkonsens aller politischen Parteien widergespiegelt. Darüber hinaus ist das aber auch charakteristisch für das formale Verständnis der Verfassungsschöpfer des Jahres 1920.

In neuerer Zeit ist das anders. Wir haben seit Mitte der siebziger Jahre in einigen interessanten Punkten Programmerklärungen in die Verfassung aufgenommen. Einer ist das Bekenntnis zur umfassenden Landesverteidigung, zur Parteiendemokratie, die Erklärung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des Österreichischen Rundfunks und Fernsehens und in der jüngsten Vergangenheit die Gleichbehandlung von Behinderten und die Gleichstellung von Mann und Frau. Daraus kann man ersehen, dass schon bisher sehr gewichtige Themen programmatisch in die Verfassung aufgenommen worden sind. Die Behandlung und der Schutz der Volksgruppen und ihrer Rechte ist ein weiterer, ganz wichtiger Punkt.

Die Redner haben natürlich Recht: Es ist kein unmittelbar anwendbares Recht für den Einzelnen. Das ist wahr. Aber für die Verwaltung insgesamt ist die Staatszielbestimmung unmittelbar anzuwenden. Sie ist einerseits der Maßstab für Interpretationen und andererseits ein Abwägungsgebot für den Ermessensbereich. Die Staatszielbestimmung dient beispielsweise auch für die Gerichtsbarkeit als Maßstab der jeweiligen Interpretation, besonders im Bereich der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts. Schon bisher ist der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die einschlägigen verfassungsrechtlichen Normen eine Wertentscheidung zu Gunsten des Minderheitenschutzes enthalten. Das wird jetzt näher ausgeführt und verdeutlicht, und je nach dem Rechtsgegenstand kann es auf Grund der Judikatur zum Schutz von Angehörigen einer Minderheit gegenüber den Angehörigen anderer gesellschaftlicher Gruppen geradezu ein Bevorzugungsgebot geben.

Das mag zwar formal klingen, ist aber eigentlich sehr einfach zu interpretieren. Die Staatszielbestimmung enthält den an Gesetzgebung und Vollziehung gerichteten Auftrag, das Staatsziel durch konkrete Maßnahmen mit Leben zu erfüllen. Wir haben auch nicht nur Rhetorik


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