Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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141. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 19. Jänner 2012

 

 


Stenographisches Protokoll

141. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode       Donnerstag, 19. Jänner 2012

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Jänner 2012: 9.05 – 20.29 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Bildungsinitiative“

2. Punkt: Bericht über das Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft“

3. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/Grund­kompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1787/A(E) der Abgeordneten Sonja Ablinger, Mag. Silvia Fuhrmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend kreative Bildung im Rah­men ganztägiger Schulformen sowie über den

Antrag 1154/A(E) der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zwischen Musikschulen und Musikkapellen im Rahmen von Betreuungsformen in den Schulen außerhalb des Regelunterrichts

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1794/A(E) der Abgeordneten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend musisch-kreativen Schwerpunkt in der Neuen Mittelschule

7. Punkt: Kulturbericht 2010 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1536/A(E) der Abgeordneten Mag. Heidemarie Un­terreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anpassung der Basisabgeltung für die Bundesmuseen an reale wirtschaftliche Bedingungen

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1565/A(E) der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slo­wenien

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1764/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend geplantes menschenrechtswidriges Anti-Terrorge­setz in Saudi-Arabien


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1765/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend blutigen Abbau von Konfliktmineralien im Kongo

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1788/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Großruck, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der Menschenrech­te und Schutz von Journalisten

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1789/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Wolfgang Großruck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Empfehlungen des VN-Men­schenrechtsrates

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1790/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Wolfgang Großruck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Folter bekämpfen und Folter­opfer unterstützen

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1785/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgru­ber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie zum Thema Zwangs­verheiratung

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG), in der Fassung des BGBl. I Nr. 110/1993, zuletzt geändert durch das BGBI. I Nr. 111/2010, geändert wird (1702/A)

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979) ge­ändert wird

18. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flurverfassungs-Grundsatzge­setz 1951 und das Agrarverfahrensgesetz geändert werden (1719/A)

19. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerich­tes St. Pölten (35 Hv 185/11x-10) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Ordnungsrufe ......................................................................................................  141, 149

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schussberichtes 1651 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 40

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 9330/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 40

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         115

Redner/Rednerinnen:

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 116

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner ..................................................................... 118


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 3

Ewald Sacher .............................................................................................................. 120

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 122

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 123

Karl Öllinger ................................................................................................................ 125

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 126

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 9393/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 40

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         127

Redner/Rednerinnen:

Gerald Grosz ............................................................................................................... 128

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................. 130

Wilhelm Haberzettl ..................................................................................................... 134

Mag. Heribert Donnerbauer ...................................................................................... 135

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 136

Mag. Albert Steinhauser ............................................................................................ 138

Stefan Petzner ............................................................................................................ 139

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 40

Fragestunde (19.)

Finanzen ........................................................................................................................ 16

Kai Jan Krainer (133/M); Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Sigisbert Dolinschek, Mag. Werner Kogler, Ing. Christian Höbart

Gabriele Tamandl (128/M); Gerald Grosz, Karl Öllinger, Maximilian Linder, Ing. Er­win Kaipel

Elmar Podgorschek (130/M); Mag. Kurt Gaßner, Franz Eßl, Christoph Hagen, Karl Öllinger

Mag. Werner Kogler (132/M); Wolfgang Zanger, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher, August Wöginger, Gerhard Huber

Josef Bucher (131/M); Mag. Werner Kogler, Alois Gradauer, Heidrun Silhavy, Oswald Klikovits

Dr. Christoph Matznetter (134/M); Peter Haubner, Stefan Markowitz, Dr. Ruperta Lichtenecker, Bernhard Themessl

Konrad Steindl (129/M); Mag. Rainer Widmann, Dr. Ruperta Lichtenecker, Mag. Ro­man Haider, Ing. Mag. Hubert Kuzdas

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 16

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................  38, 195, 198, 204

Antrag der Abgeordneten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Dr. Walter Ro­senkranz, Dr. Harald Walser, Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen auf Wahl eines Besonderen Ausschusses gemäß § 87 Abs. 1 GOG zur Vorberatung des Volksbegehrens „Bildungsinitiative“ – Annahme (Verzeichnis der Mitglieder siehe bitte S. 206) .............................................................................................................  43, 76


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Volksbegehren „Bildungsinitiative“ (1647 d.B.) ....................... 41

Redner/Rednerinnen:

Elmar Mayer .................................................................................................................. 41

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 43

Heinz-Christian Strache .............................................................................................. 45

Dr. Harald Walser ......................................................................................................... 47

Ursula Haubner ............................................................................................................ 48

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 50

Mag. Andrea Kuntzl ..................................................................................................... 51

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager .......................................................................... 53

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 54

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 56

Stefan Petzner .............................................................................................................. 58

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle ................................................................... 60

Ewald Sacher ................................................................................................................ 62

Nikolaus Prinz ............................................................................................................... 64

Wolfgang Zanger .......................................................................................................... 65

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 67

Martina Schenk ............................................................................................................. 69

Dr. Sabine Oberhauser, MAS ..................................................................................... 70

Anna Franz .................................................................................................................... 72

Mag. Helene Jarmer ..................................................................................................... 73

Mag. Rainer Widmann ................................................................................................. 74

2. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über das Stenographische Pro­tokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „Werteerziehung durch Re­ligions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft" (III-234/1470 d.B.) ..................................................................................... 77

Berichterstatter: Dr. Walter Rosenkranz ...................................................................... 77

Redner/Rednerinnen:

Elmar Mayer ............................................................................................................ ..... 77

Mag. Silvia Fuhrmann .................................................................................................. 78

Dr. Andreas Karlsböck ................................................................................................ 79

Dr. Harald Walser ......................................................................................................... 81

Stefan Petzner .............................................................................................................. 82

Mag. Rosa Lohfeyer ..................................................................................................... 84

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 84

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 86

Mag. Alev Korun ........................................................................................................... 87

Gerald Grosz ................................................................................................................. 88

Entschließungsantrag der Abgeordneten Elmar Mayer, Fritz Neugebauer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Ethik-Unterricht – Annahme (E 221) ......................................................  85, 89

Kenntnisnahme des Stenographischen Protokolls III-234 d.B. ...................................... 89

3. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1511 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basis­bildung/Grundkompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflicht­schulabschlusses (1627 d.B.) ....................................................................................... 90

Redner/Rednerinnen:

Franz Riepl .................................................................................................................... 90

Mag. Josef Lettenbichler ............................................................................................. 91


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 5

Dr. Harald Walser ......................................................................................................... 92

Stefan Markowitz .......................................................................................................... 93

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................... 93

Mag. Christine Muttonen ............................................................................................. 94

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 95

Genehmigung der Vereinbarung in 1627 d.B. ................................................................ 96

4. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schul­unterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprü­fungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1628 d.B.)                96

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................. 96

Elmar Mayer .................................................................................................................. 97

Dr. Harald Walser ......................................................................................................... 98

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 101

Ursula Haubner .......................................................................................................... 102

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 103

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 104

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................... 105

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 107

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 109

Anna Franz .................................................................................................................. 110

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Sonderschulen – Ablehnung ....................................................  100, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung des Inklusiven Unterrichts auf alle Schul­formen – Ablehnung ........  106, 111

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Ing. Norbert Hofer, Mag. Helene Jarmer, Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Teilqualifizierung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf – Annahme (E 222)         108, 111

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 111

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1787/A(E) der Abgeordneten Sonja Ablinger, Mag. Silvia Fuhrmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend kreative Bildung im Rahmen ganztägiger Schulformen sowie über den

Antrag 1154/A(E) der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zwischen Musikschulen und Musikkapellen im Rahmen von Betreuungsformen in den Schulen außerhalb des Regelunterrichts (1629 d.B.) ....................................................................................................................................... 111

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1794/A(E) der Abgeordneten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend musisch-kreativen Schwerpunkt in der Neuen Mittelschule (1630 d.B.) ................................................................................................ 111

Redner/Rednerinnen:

Sonja Ablinger ............................................................................................................ 112

Mag. Silvia Fuhrmann ................................................................................................ 112


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 6

Dr. Walter Rosenkranz ............................................................................................... 113

Dr. Harald Walser ....................................................................................................... 114

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 114

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1629 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend kreative Bildung im Rahmen ganztägiger Schulformen (E 223) ............................................... 115

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1630 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend musisch-kreativen Schwerpunkt in der Neuen Mittelschule (E 224) ........................... 115

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Kulturbericht 2010 der Bun­desministerin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-255/1447 d.B.) ............................................................................. 142

Berichterstatterin: Claudia Durchschlag .................................................................... 142

8. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1536/A(E) der Abge­ordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend An­passung der Basisabgeltung für die Bundesmuseen an reale wirtschaftliche Be­dingungen (1448 d.B.) ............................................................ 142

Redner/Rednerinnen:

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................... 142

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ... 144

Josef Jury .................................................................................................................... 145

Mag. Silvia Fuhrmann ................................................................................................ 146

Josef A. Riemer .......................................................................................................... 147

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 149

Stefan Markowitz ........................................................................................................ 151

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 152

Ewald Sacher .............................................................................................................. 154

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 155

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 156

Johann Höfinger ......................................................................................................... 157

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 157

Anna Höllerer .............................................................................................................. 158

Mag. Michael Schickhofer ......................................................................................... 159

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................... 160

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 160

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 161

Kenntnisnahme des Berichtes III-255 d.B. ................................................................... 162

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1448 d.B. ................................................... 162

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1565/A(E) der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aner­kennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (1620 d.B.) .................................................................................................................... 162

Redner/Rednerinnen:

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 162

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner ..................................................................... 163

Mag. Michael Hammer ............................................................................................... 164

Josef A. Riemer .......................................................................................................... 164

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 165

Gerald Grosz ............................................................................................................... 166


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 7

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1620 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowe­nien (E 225) ...................... 167

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1764/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen be­treffend geplantes menschenrechtswidriges Anti-Terrorgesetz in Saudi-Arabien (1621 d.B.) ........................................................................................ 167

Redner/Rednerinnen:

Bernhard Vock ............................................................................................................ 167

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner ..................................................................... 168

Ewald Sacher .............................................................................................................. 169

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 169

Franz Eßl ..................................................................................................................... 170

Gerald Grosz ............................................................................................................... 171

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1621 d.B. hinsichtlich des Entschlie­ßungsantrages 1764/A(E)          ............................................................................................................................. 172

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1621 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Sicherung der Menschenrechte im Kampf gegen den Ter­rorismus (E 226) .............. 172

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1765/A(E) der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen be­treffend blutigen Abbau von Konfliktmineralien im Kongo (1622 d.B.) .................................................................................................................... 172

Redner/Rednerinnen:

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 172

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 173

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner ..................................................................... 173

Wolfgang Großruck ................................................................................................... 174

Christian Lausch ........................................................................................................ 174

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 175

Dr. Wolfgang Spadiut ................................................................................................ 176

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1622 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend blutigen Abbau von Konfliktmineralien im Kongo (E 227)                                                                          176

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1788/A(E) der Abgeordneten Wolfgang Großruck, Franz Kirchgatterer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Stärkung der Menschenrechte und Schutz von Journalisten (1623 d.B.) ..................................................................... 176

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1789/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Wolfgang Großruck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Empfehlungen des VN-Menschenrechtsrates (1624 d.B.) ................................................................................ 176

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 1790/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Wolfgang Großruck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen (1625 d.B.) ............................................................................................... 176

Redner/Rednerinnen:

Franz Kirchgatterer .................................................................................................... 176

Staatssekretär Dr. Wolfgang Waldner ..................................................................... 177


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 8

Wolfgang Großruck ................................................................................................... 178

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 179

Kurt List ....................................................................................................................... 180

Harry Rudolf Buchmayr ............................................................................................ 180

Andrea Gessl-Ranftl .................................................................................................. 181

Josef A. Riemer .......................................................................................................... 182

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1623 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Stärkung der Menschenrechte und Schutz von Journalis­ten (E 228) ......................... 183

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1624 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Empfehlungen des VN-Menschenrechtsrates (E 229) ................................................ 183

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1625 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend: Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen (E 230) ........................................................ 183

15. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den An­trag 1785/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Erstellung einer Studie zum Thema Zwangsverheiratung (1619 d.B.)                                                                                                        183

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber ................................................................................................ 183

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 184

Mag. Alev Korun ......................................................................................................... 185

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 186

Martina Schenk ........................................................................................................... 187

Christine Marek .......................................................................................................... 188

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 188

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 189

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 189

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek .......................................................... 190

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1619 d.B. ................................................... 191

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG), in der Fassung des BGBl. I Nr. 110/1993, zuletzt geändert durch das BGBI. I Nr. 111/2010, geändert wird (1702/A) .................. 191

Redner/Rednerinnen:

Karl Öllinger ................................................................................................................ 191

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 192

Johann Höfinger ......................................................................................................... 192

Ing. Norbert Hofer ...................................................................................................... 193

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 195

Zuweisung des Antrages 1702/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ............. 195

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsge­setz 1979 – BDG 1979) geändert wird (1705/A) ................................. 195

Redner/Rednerinnen:

Christian Lausch ........................................................................................................ 195

Otto Pendl ................................................................................................................... 196

Johann Singer ............................................................................................................ 197


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 9

Karl Öllinger ................................................................................................................ 197

Ernest Windholz ......................................................................................................... 198

Zuweisung des Antrages 1705/A an den Verfassungsausschuss .............................. 198

18. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flurverfassungs-Grund­satzgesetz 1951 und das Agrarverfahrensgesetz geändert werden (1719/A) ............................................................................................ 198

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Huber ............................................................................................................ 199

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 201

Hermann Gahr ............................................................................................................ 201

Carmen Gartelgruber ................................................................................................ 202

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 203

Rupert Doppler ........................................................................................................... 203

Zuweisung des Antrages 1719/A an den Ausschuss für Land- und Forstwirt-
schaft ............................................................................................................................ 204

19. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landes­gerichtes St. Pölten (35 Hv 185/11x-10) um Zustimmung zur behördlichen Ver­folgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz (1651 d.B.) .................................................................................................................... 204

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 204

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 39

1648: Bundesgesetz mit dem das Bankwesengesetz geändert wird

1649: Bundesgesetz, mit dem das Paßgesetz 1992 geändert wird

Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG ................................................................. 39

Aufnahme der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Moldau über die gegensei­tige Hilfeleistung bei Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen und die Zusammenarbeit bei deren Prävention.

Anträge der Abgeordneten

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung eines Gipfels zum The­ma „Wie weit dürfen Bürgerrechte noch aufgeweicht werden?“ (1812/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entstaatlichung des ORF (1813/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bewerbung des Ankaufs von ös­terreichischen Staatsanleihen durch die Österreicherinnen und Österreicher (1814/A)(E)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäftsordnungsgesetz 1975), idF BGBl. I. Nr. 114/2011, geändert wird (1815/A)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der psycho­therapeutischen Versorgung in Österreich (1816/A)(E)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammensetzung der Hoch­schulkonferenz (1817/A)(E)


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Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entschädigungszahlungen für wertlos gewordene Milchquoten ab 2015!“ (1818/A)(E)

Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (1819/A)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung des Blum-Bonus Neu (1820/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung des Arbeits­kreises für Bedarfsorientierte Mindestsicherung (1821/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer automati­schen jährlichen Wertanpassung des Pflegegeldes an die Inflation (1822/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bereitstellung von adäquaten Unterbringungsmöglichkeiten für junge Menschen mit Behinderung (1823/A)(E)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Geldsegen für Süchtige (1824/A)(E)

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer Sub­ventionsbremse (1825/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen gegen Dr. S. (10364/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Quotenweiterführung“ (10365/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „die Anwendung von Pflan­zenschutzmitteln“ (10366/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung betreffend internationale Abkommen des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (10367/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Ver­handlungsgeschick des BMASK bei entgeltlichen Einschaltungen (10368/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhandlungsgeschick des BMG bei entgeltlichen Einschaltungen (10369/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhandlungs­geschick des BMLVS bei entgeltlichen Einschaltungen (10370/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finan­zen betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhandlungsgeschick des BMF bei entgeltlichen Einschaltungen (10371/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhandlungsgeschick des BKA bei entgeltlichen Einschaltungen (10372/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 11

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhandlungsgeschick des BMI bei ent­geltlichen Einschaltungen (10373/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhandlungsgeschick des BMJ bei entgeltlichen Einschaltungen (10374/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Satte Rabatte“ für Wer­beinserate – Verhandlungsgeschick des BMLFUW bei entgeltlichen Einschaltungen (10375/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Un­terricht, Kunst und Kultur betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhand­lungsgeschick des BMUKK bei entgeltlichen Einschaltungen (10376/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft und Forschung betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhand­lungsgeschick des BMWF bei entgeltlichen Einschaltungen (10377/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft, Familie und Jugend betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Verhand­lungsgeschick des BMWFJ bei entgeltlichen Einschaltungen (10378/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinse­rate – Verhandlungsgeschick des BMEIA bei entgeltlichen Einschaltungen (10379/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend „Satte Rabatte“ für Werbeinserate – Ver­handlungsgeschick des BMVIT bei entgeltlichen Einschaltungen (10380/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend die ArbeitgeberInnenschulden bei den Gebietskranken­kassen (10381/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die wirtschaftlichen Auswirkungen der Enteignung von hunderten Tirolerinnen und Tirolern und Umgestaltung zahlreicher Agrargemeinschaf­ten in „atypische Gemeindeguts-Agrargemeinschaften“ im Bezirk Lienz/Osttirol (10382/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Intensivtierhal­tung und Antibiotika (10383/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Polizeireform (10384/J)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Personalstand in Polizeiinspektionen in Vorarlberg (10385/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend statistische Angabe bezüglich bedingter Entlassungen im Jahr 2011 (10386/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler (10387/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler (10388/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 12

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres be­treffend Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler (10389/J)

Mathias Venier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Fa­milie und Jugend betreffend die tatsächliche Einhaltung des Sonntagsöffnungsverbotes nach dem Öffnungszeitengesetz 2003 (10390/J)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend die Vergabe von Diplomaten­pässen (10391/J)

Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Substitute in unseren Kühlre­galen“ (10392/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Finanzierung „aus privaten Mitteln“ zugunsten des BMUKK – „Wo vieles entsteht“ (10393/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz betreffend die Vergabe von Kursmaßnahmen durch das AMS (10394/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Inneres betreffend Verlust des Aufenthaltstitels wegen „Scheinehe“ (10395/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend Listerien in Bergkäse von Tirolmilch (10396/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Listerien in Bergkäse von Tirolmilch (10397/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend gestoppte Abschiebung nach Ungarn (10398/J)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend eigenartigen Umgang mit Vorschlägen des Rechts­schutzbeauftragten (10399/J)

Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen be­treffend Gerechtigkeit von Zuschüssen, Beihilfen und Förderungen (10400/J)

Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Gerechtigkeit von Zuschüssen, Beihilfen und Förderun­gen (10401/J)

Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Gerechtigkeit von Zuschüs­sen, Beihilfen und Förderungen (10402/J)

Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Gerechtigkeit von Zuschüssen, Beihilfen und Förderungen (10403/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Putativösterreicher (10404/J)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Wildwuchs gentechnisch ver­änderter Pflanzen (10405/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 13

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend die Kosten der Außenstellen der GKK im Bezirk Murtal für die ehemaligen politischen Bezirke Knittelfeld und Judenburg (10406/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend die Kosten der Außenstellen des AMS im Bezirk Murtal (10407/J)

Mag. Rosa Lohfeyer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend steuerliche Besserstellung der Freiwilligenarbeit (10408/J)

Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Steuerrückstände in der Republik Österreich (10409/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Masterstudium „Islamische Religionspädagogik“ Universität Innsbruck (10410/J)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Unvereinbarkeit der Tätigkeit von Bundesminister a. D. Dr. Caspar Einem als Luftfahrtlobbyist und der gleichzeitigen Tä­tigkeit als Mitglied des Aufsichtsrates sowie Aufsichtsratsvorsitzender bei der Austro Control GmbH – Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt sowie Erteilung von Wei­sungen (10338/J) (Zu 10338/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen (9769/AB zu 9902/J)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Erich Tadler, Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen (9770/AB zu 9905/J)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (9771/AB zu 9975/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (9772/AB zu 9886/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen (9773/AB zu 9903/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen (9774/AB zu 9932/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Carmen Gartel­gruber, Kolleginnen und Kollegen (9775/AB zu 9933/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9776/AB zu 9950/J)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen (9777/AB zu 9959/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen (9778/AB zu 9911/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Michael Schickhofer, Kolleginnen und Kollegen (9779/AB zu 9912/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (9780/AB zu 9920/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kolle­gen (9781/AB zu 9924/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9782/AB zu 9946/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9783/AB zu 9953/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen (9784/AB zu 9960/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen (9785/AB zu 9969/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (9786/AB zu 9977/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (9787/AB zu 9906/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (9788/AB zu 9925/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (9789/AB zu 9936/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (9790/AB zu 9937/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (9791/AB zu 9938/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9792/AB zu 9955/J)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen (9793/AB zu 9901/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (9794/AB zu 10182/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen (9795/AB zu 9939/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Zanger Kolleginnen und Kollegen (9796/AB zu 9940/J)


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des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9797/AB zu 9944/J)

der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst auf die Anfrage der Abge­ordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9798/AB zu 9945/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Michael Schickhofer, Kolleginnen und Kollegen (9799/AB zu 9913/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen (9800/AB zu 9895/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Bela­kowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (9801/AB zu 9896/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Bela­kowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (9802/AB zu 9897/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Josef Auer, Kolleginnen und Kollegen (9803/AB zu 9904/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ewald Stad­ler, Kolleginnen und Kollegen (9804/AB zu 9914/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westen­thaler, Kolleginnen und Kollegen (9805/AB zu 9916/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königsber­ger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (9806/AB zu 9923/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen (9807/AB zu 9927/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen (9808/AB zu 9929/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Heinz-Christian Strache Kolleginnen und Kollegen (9809/AB zu 9931/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Mühlberghu­ber, Kolleginnen und Kollegen (9810/AB zu 9934/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9811/AB zu 9951/J)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dietmar Keck, Jakob Auer, Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen (9812/AB zu 9898/J)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen (9813/AB zu 9907/J)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen (9814/AB zu 9915/J)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ulrike Königs­berger-Ludwig Kolleginnen und Kollegen (9815/AB zu 9918/J)

der Bundesministerin für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen (9816/AB zu 9948/J)


 


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09.05.12Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neuge­bauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Lueger, Dr. Wittmann, Jakob Auer, Ing. Schultes, Dr. Glawischnig-Piesczek und Dr. Pilz.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem ande­ren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich wird durch die Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Fragestunde sowie die Erste Lesung des Volksbegehrens „Bildungsinitiative“ auf ORF 2 und die gesamte Sitzung auf ORF III live übertragen wird.

09.06.02Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bundesministerium für Finanzen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund vorgenom­men, die Beantwortung durch die Frau Bundesministerin für Finanzen vom Rednerpult der Abgeordneten.

Sie kennen auch die Regel: je 1 Minute für die Anfrage- und ZusatzfragestellerInnen. Die Beantwortung der Anfrage soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute betragen.

Ich werde so wie üblich kurz vor Ende der jeweiligen Redezeit mit einem Glockenzei­chen auf deren Ablauf hinweisen.

Wir gelangen nun zur 1. Anfrage, 133/M, des Herrn Abgeordneten Krainer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Frau Minis­terin! Es gibt in Österreich ja unterschiedliche Arten, Geld zu verdienen. Die meisten Österreicher und Österreicherinnen machen das, indem sie arbeiten gehen. Von 100 €, die verdient werden, werden in etwa 40 € an Steuern und Abgaben, an direkten oder indirekten Steuern bezahlt. Kapitalerträge werden in Österreich deutlich niedriger be­steuert. Von 100 €, die über Dividendenerträge, Zinserträge et cetera verdient werden,


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werden nur 25 € an Steuern und Abgaben bezahlt. (Die Abgeordneten Dr. Pirklhuber und Strache: Man hört nichts!) Wir halten das für ungerecht.

Die SPÖ hat den Vorschlag gemacht, zum Beispiel die Immobilienspekulationssteuer nach der Spekulationsfrist auch ordentlich anzuheben und dies wie Arbeitseinkommen zu besteuern. Unterstützen Sie diesen Vorschlag?

Wenn nicht, meine Frage:

133/M

„Welche Schritte werden Sie setzen, dass Einkommen aus Kapital und Vermögen ge­nauso besteuert werden wie Arbeitseinkommen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Der Faktor Arbeit ist in Österreich mit 47,9 Prozent belastet. Nur 11,4 Prozent sind davon Steuern. Der Rest sind Sozialversicherung und Sozialabgaben. Das heißt, wenn man den Faktor Arbeit entlasten möchte, dann kann man bei der Steuer nur einen gewissen Teil ma­chen, der überwiegende Teil müsste bei den Sozialversicherungsbeiträgen gemacht werden.

Wir liegen mit dieser Abgabenbelastung des Faktors Arbeit auf Platz 19 von den 34 Mit­gliedstaaten der OECD, also im Mittelfeld. Bei der Besteuerung der Erträge aus Kapital lag Österreich laut Eurostat schon im Jahr 2010 bei 27,3 Prozent, der EU-Durchschnitt ist 26,1 Prozent – und das war vor Einführung der Wertpapierkapitalertragsteuer. Das heißt, da muss man die Kirche im Dorf lassen. Aber wir haben sukzessive versucht, auch die Erträge aus Kapital zu besteuern. Die Erträge von Sparbüchern werden über die Sparbuchsteuer, eine KESt, Kapitalertragsteuer, besteuert, und auch bei den Wert­papieren haben wir das in ähnlichem Ausmaß.

Derzeit diskutieren wir, ob es noch weitere Lücken in unserem Steuergesetz im Hin­blick auf Vermögenszuwächse gibt. Ich bin nicht für eine Substanzbesteuerung von Vermögen, aber Vermögenszuwächse soll man in etwa gleich behandeln. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Krainer, bitte.

 


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Wir haben aber, wie Sie selber mit Ihren eigenen Zahlen untermauert gesagt haben, das Problem, dass wir Arbeit noch immer sehr, sehr hoch besteuern, mit Steuern und Abgaben belegen, aber Kapitalerträge ver­gleichsweise niedrig. Jetzt bin ich froh darüber, dass wir einig sind, dass wir dort, wo heute noch gar keine Steuer für Kapitalerträge anfällt, auch Steuern einheben müssen wie bei allen anderen. Aber dieses Ungleichgewicht bei der Besteuerung von Arbeits­einkommen und von Kapitaleinkommen bleibt ja nach wie vor bestehen.

Sie haben natürlich recht, das ist jetzt nicht ein rein österreichisches Phänomen, son­dern das gibt es in vielen Ländern, auch in den USA. (Abg. Rädler: Frage!)

Aber: Welche Schritte werden Sie setzen, um das weiter anzugleichen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Die Bundesregie­rung hat sich in Loipersdorf bereits für einen Ökologisierungspfad entschieden, und diesen verfolge ich weiter. Das heißt, wenn es uns gelingt, den Faktor Arbeit zu entlas­ten, müssen wir ja irgendwo diese Entlastung wieder hereinbringen. Da haben wir im


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Ökologisierungsbereich noch Potenzial. Im Rahmen unserer derzeitigen Verhandlun­gen schauen wir, ob wir zu einem Lückenschluss bezüglich der Lücken, die wir haben, kommen oder dass wir dort, wo es Missbrauch gibt, den Missbrauch abstellen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Stumm­voll, bitte.

 


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Bundesminister! Die Über­legung des Herrn Kollegen Krainer, Kapitalerträge genauso zu besteuern wie Arbeits­erträge, klingt auf den ersten Blick durchaus plausibel. Man muss nur wissen, welche Konsequenzen das hat. Wenn man das als Richtschnur nimmt, dann muss man die Kapitalertragsteuer, im Volksmund „Sparbuchsteuer“, drastisch erhöhen. Ich bin mas­siv dagegen, aber ich frage Sie, Frau Minister, im Zusammenhang mit allen Überlegun­gen einer Vermögensbesteuerung:

Was werden Sie tun, um das Eigentum in Österreich vor dem Zugriff der Politik zu schützen? (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ich bekenne mich klar zum Eigentum. Daher: Das, was sich die Bürgerinnen und Bürger mühsam er­wirtschaftet und geschaffen haben, soll die Finanzministerin nicht wegsteuern und da­mit kalt enteignen. Daher bin ich gegen eine Steuer auf Substanz. Das wird es mit mir nicht geben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dolinschek, bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Frau Bundesminister, wir wissen beide, dass die Preise für Güter des täglichen Bedarfs in keiner Relation zu den Lohnerhöhungen in Österreich stehen. Die Preise für Güter des täglichen Bedarfs steigen um zirka 10 Prozent, die Lohnerhöhungen liegen bei knapp 3 Prozent.

Wann werden Sie etwas unternehmen, um diese kalte Progression zu beseitigen, da­mit die Steuerbelastung nicht so steigt und die Arbeitseinkommen etwas entlastet wer­den? Wir wissen ja, dass durch die Lohnerhöhungen jedes Jahr die kalte Progression steigt.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sepp Pröll, mein Amtsvorgänger, hat eine der größten Steuerreformen hier ins Hohe Haus gebracht, und das Hohe Haus mit den Regierungsfraktionen hat diese beschlossen. Das hat da­mals die Bürgerinnen und Bürger um 3,4 Milliarden € entlastet. Das war im Jahr 2009. Damals wurde die Progression wirklich dramatisch abgeflacht.

Im Hinblick auf die Lohnverhandlungen ist zu sagen: Das ist Angelegenheit der So­zialpartner. Ich bin strikt dagegen, Löhne über Gesetze zu definieren. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Bundesministerin, Sie haben ange­sprochen, dass die Substanzbesteuerung im Bereich der Vermögen von Ihnen abge­lehnt wird. Es gibt ja auch noch andere Vorgänge rund um das Vermögen, etwa den Vermögenstransfer. Ich frage Sie, ob es nicht denkbar wäre, wenigstens Millionenerb­schaften bei einem Freibetrag von 300 000, 500 000 € zu besteuern. Das heißt, die


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kleinen und mittleren Erbschaften würden überhaupt nicht tangiert, aber bei Millionen­erbschaften könnte man vielleicht 10 oder 20 Prozent des Vererbten beitragen. Bei­spielsweise könnte man, wenn man 2 Millionen € erbt, vielleicht auch 200 000 € an die Allgemeinheit geben.

Was ist daran falsch oder ungerecht? Wie würden Sie es beurteilen, dass man ein sol­ches Aufkommen von bis zu einer Milliarde Euro dann anders lukrieren könnte?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Die letzte Erb­schaftssteuer, bevor sie der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig bewertet hat, hat 140 Millionen € gebracht. Inzwischen haben wir eine Wertpapierkapitalertrag­steuer als Endbesteuerung, das heißt, die Kapitalerträge sind schon nicht mehr drinnen in der Erbschaftsbesteuerung, auch die Sparbücher nicht. Blieben nur mehr Grund und Boden übrig, bräuchten wir im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Lage eine ganz neue Regelung.

Betreffend Millionenerbschaften: Wenn schon vorher nicht viel herausgekommen ist, Herr Kogler, dann wird nachher, da die Wertpapiere jetzt auch heraußen sind, noch viel weniger herauskommen, noch dazu, wenn man diese Freigrenzen schafft. Es würde wieder den Mittelstand treffen, es würde die Gewerbebetriebe treffen und es würde die Bauern treffen. Die Erbschaftssteuer ist ausgesprochen ungerecht, und daher bin ich nicht dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Höbart, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Guten Morgen, Frau Finanzministerin! Die Positionen der Freiheitlichen Partei zu unserem Steuer- und Abgabensystem sind klar. Unserer Meinung nach muss die Steuer- und Abgabenquote definitiv sinken. Wir sind ein leistungsfeindliches Hochsteuerland geworden. Der Mittelstand wird gnadenlos ausgepresst, das lehnen wir entschieden ab.

Ich möchte Ihnen auch einen Kommentar von Christoph Leitl, dem Wirtschaftskammer­präsidenten, zur Kenntnis bringen, der meinte: Erneuern statt neuer Steuern. (De­monstrativer Beifall des Abg. Dr. Stummvoll.) Das möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber eines ist auch klar: Der Faktor Arbeit wird heute zu hoch besteuert und Erträge aus Kapitaleinkünften sowie Spekulationseinkünften zu niedrig.

Welche konkreten Schritte planen Sie, um dieses Dilemma zu analysieren und mögli­cherweise eine Umorientierung des Steuersystems in Gang zu setzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wir haben in Loipersdorf schon beschlossen, dass die Erträge, die sich aus Wertpapierspekulationen ergeben, besteuert werden. (Abg. Grosz: In Loipersdorf!) Diese Steuer gibt es bereits! Sie ist hier im Hohen Haus beschlossen worden. Also zu sagen, wir haben keine Steuern auf Spekulationsgewinne, ist falsch. Daher will ich das auch nicht ändern. Sie beträgt übrigens 25 Prozent der Gewinne. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 128/M, der Frau Abgeordneten Tamandl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Frau Bundesministerin, Sie haben in den letzten Wochen und auch heute den Standpunkt vertreten, das Budget ausgabenseitig sanieren zu wollen. Sie sind gegen neue Steuern, Sie sind der Meinung, dass das den Mittelstand schwächen und hauptsächlich ihn treffen würde. Ich bin da ganz Ihrer Mei-


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nung. Aber natürlich, wenn man sich dazu bekennt, das Budget ausgabenseitig sanie­ren zu wollen, dann muss man auch Strategien dafür haben.

Meine Frage lautet:

128/M

„Welche Strukturreformen halten Sie für geeignet, um das Budget ausgabenseitig zu sanieren?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ich möchte dort ansetzen, wo die größten Kostentreiber in unserem Budget sind, beispielsweise bei den Frühpensionen. Wir müssen das faktische Pensionsantrittsalter erhöhen. Wir müs­sen alle Anreize, in Frühpension zu gehen, aus dem System eliminieren und wir müs­sen zu besseren Zu- und Abschlägen im Hinblick auf die Frühpensionen kommen.

Gestern hat der Generaldirektor der ÖBB verkündet, dass er 2 Milliarden einsparen kann, davon 1,5 Milliarden für das Budget. Es freut mich sehr, dass dort der Kurs in Richtung Effizienz auch wirklich wahrgenommen wird.

Wir haben in der Verwaltung Ineffizienzen. Dafür hat der Rechnungshof Beispiele ge­bracht. Auch dort werden wir ansetzen.

Wir sind im Förderwesen mit den Ländern und Gemeinden zu wenig abgestimmt. Auch hier werden wir die Richtlinien neu definieren und uns mit einer 15a-Vereinbarung mit den Ländern und Gemeinden dahin gehend verständigen, dass Bund, Länder und Ge­meinden das Förderwesen aufeinander abstimmen.

Zum Schluss noch das Gesundheitswesen. Auch dort sind die Zahlungsströme und Fi­nanzströme sehr undurchsichtig. Hier sind wir in einer Strukturreformgruppe beisam­men, wo wir gemeinsam mit dem Hauptverband, den Kassen, den Ländern, dem Bund und natürlich dem Gesundheitsminister schauen werden, dass wir im Gesundheitsbe­reich klar einheitlich definieren, was wir wollen, und dann auch gezielt steuern können, wo wir das anbieten, und die Finanzströme entsprechend lenken. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete, bitte.

 


Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Frau Bundesministerin! Vorigen Freitag ha­ben wir erfahren, dass eine der drei Ratingagenturen uns nicht mehr die beste Bonität zuerkennt. Das heißt, wir haben das Triple A von einer Ratingagentur verloren. Was hat das jetzt für eine Bedeutung für das künftige Sparpaket?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben von der Ratingagentur ganz eindeutig dokumentiert bekommen, dass unsere Wirtschaft gut ist, dass wir ein sehr gesundes wirtschaftliches Gefüge haben, aber dass wir im Staats­gefüge Reformbedarf haben. Daher werden wir unseren Konsolidierungspfad konse­quent durchziehen. Wir müssen schauen, dass wir rasch von den Defiziten runterkom­men auf ein Nulldefizit und dann auch unseren Schuldenberg abbauen. Nur das ge­währleistet Stabilität, denn das Vertrauen ist nicht in die Wirtschaft verloren gegangen, sondern das Vertrauen ist in die Staatsfinanzen verloren gegangen, und das müssen wir rasch wiederherstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Grosz, bitte.

 


Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Das Vertrauen ist vor allem in die Politik verloren gegangen, die Sie und Ihre Partei seit 25 Jahren repräsentieren. (Abg. Rädler: Frage!)


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Frau Bundesministerin, auf die Frage der Kollegin Tamandl nach den Einsparungsvor­schlägen haben Sie zu den 599 Vorschlägen des Rechnungshofes lapidar gemeint: Ja, das werden wir uns auch anschauen.

Ihre Regierungskollegen Mikl-Leitner, Mitterlehner und Spindelegger fordern alle Steu­ererhöhungen. Selbst ein oberösterreichischer Bauernbundfunktionär will eine Kultus­steuer einführen. Also da treten Sie ja schon in den Wettbewerb der Steuererhöher und Steuergeldverschwender.

Ich frage Sie konkret: Wann und zu welchem Zeitpunkt gedenken Sie, die 599 Re­formvorschläge des BZÖ und auch des Rechnungshofes (lebhafte Heiterkeit bei SPÖ, ÖVP und FPÖ) – ich habe sie heute hier mitgebracht –, wo es unter anderem darum geht, anstatt neue Steuererhöhungen zu beschließen tatsächliche Verwaltungsrefor­men anzugehen, endlich umzusetzen? (Beifall beim BZÖ. – Abg. Rädler: Das war dumm! Das war mehr als dumm!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir werden im Rahmen einer größeren Anstrengung Strukturreformen, das heißt Systemänderungen, dem Hohen Haus zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen. Ich habe die Bereiche genannt, wo wir uns Strukturreformen überlegen: im Förderbereich, im Gesundheitsbe­reich, bei den Frühpensionen, auch beim Lehrerdienstrecht und selbstverständlich auch in den Verwaltungsbereichen.

Die 599 Vorschläge des Rechnungshofes betreffen alle Ressorts, und daher sind alle Ressorts in ihrem eigenen Wirkungsbereich aufgefordert, sie auch umzusetzen. (Abg. Grosz – Bundesministerin Dr. Fekter ein Schriftstück überreichend –: Ich darf Ihnen die Vorschläge mitgeben!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Öllinger, bitte.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin, guten Morgen! Frau Kol­legin Tamandl hat schon auf die Herabstufung und somit den Verlust des Triple A hin­gewiesen. Wie Sie wissen, hat genau diese Ratingagentur nicht nur auf das Banken­risiko als wichtigste Gefahr für Österreich hingewiesen beziehungsweise dieses als Grund für das Herabstufen genannt, sondern auch vor einer Austeritätspolitik gewarnt. Jetzt sind aber gerade Sie diejenige, die die Austeritätspolitik als das Rezept aus der Krise beschreibt. Nehmen Sie den Ratschlag der Ratingagentur Standard & Poor’s in diesem Fall ernst?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Selbstverständlich! Wir haben uns bei unseren Reformbemühungen ganz klar darauf verständigt, dass wir keine Maßnahmen setzen wollen, die investitionshemmend wirken, die Arbeitsplätze gefährden, die die Inflation antreiben oder die Konjunktur dämpfen. Aber man muss na­türlich schauen, dass im staatlichen Gefüge Ineffizienzen abgebaut werden, Doppel­gleisigkeiten abgebaut werden.

Ich nenne Ihnen das Beispiel Frühpensionen. Wenn wir die Fachkräfte, die wir im Ar­beitsprozess dringend bräuchten, nicht mehr in Frühpension gehen lassen, dann er­sparen wir uns im staatlichen Haushalt wirklich viel Geld, und gleichzeitig nützt das der Wirtschaft und auch den Arbeitsplätzen insgesamt. Bei fast Vollbeschäftigung, die wir derzeit haben, ist das eine sinnvolle Maßnahme. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Linder, bitte.

 


Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Im Zusammen­hang mit der Verwaltungsreform wird auch sehr viel über Zusammenlegung von Ver-


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waltungseinheiten diskutiert. Eine Studie des Gemeindebundes sagt ganz klar: Je klei­ner die Gemeinde desto günstiger ist die Verwaltung pro Bürger. (Abg. Rädler: Das ist ein Blödsinn!) In kleinen Gemeinden 299 € Verwaltungskosten pro Einwohner, in gro­ßen Gemeinden bis zu 765 €.

Teilen Sie mit mir die Meinung, dass, je größer eine Verwaltungseinheit ist, desto hö­her die Kosten pro Bürger sind, dass es zwar Sinn macht zusammenzulegen, aber nur mit Strukturreformen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Es gibt sehr gute Kooperationen von Gemeinden. Aus meinem eigenen Heimatbezirk kann ich Ihnen sagen, die Umlandgemeinden rund um Schwanenstadt haben ein Gemeindeamt, wo sozusagen die Gemeinden kooperieren und Kosten damit sparen. Ähnliches haben die Mondseelandgemeinden, die haben auch ein Gemeindeamt, und das ist noch dazu in der Marktgemeinde Mondsee. Also da gibt es ja bereits sehr, sehr viele gute Koope­rationen und Möglichkeiten, kostensparend vorzugehen. Die Gemeinden können das ja selbst bewerkstelligen, da braucht es nicht den Fingerzeig der Finanzministerin. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Kaipel, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Frau Bundesministerin! Unter dem Titel „Part­nerschaftsleistungen des Bundes“ subventioniert der Bund Pensionsbeitragsleistungen für Gewerbe zu etwa einem Viertel, für Bauern zu etwa einem Drittel und für Arbeiter null. Das ist ungerecht. Wir wollen, dass alle Pensionsbeitragsleistungen gleich viel wert sind.

Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Was wollen Sie tun, damit es in dieser Frage zu mehr Gerechtigkeit kommt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Das ist ein biss­chen unsachlich dargestellt, weil die Pensionsleistung immer Dienstgeber- und Dienst­nehmerbeiträge sind, und der Dienstgeber des Bauern ist der Bauer selber. Man kann nicht so tun, als müssten die Bauern quasi alle ihre Leistungen doppelt bezahlen, so­wohl bei den Kranken- und Sozialversicherungen als auch bei der Pension. Und daher springt hier der Staat ein und hilft diesen Bevölkerungsgruppen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage Nr. 130/M des Herrn Abgeordneten Podgorschek. – Bitte.

 


Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ich hatte letzte Woche, genau heute vor einer Woche, die Ehre, einen Vortrag von Ihnen in der Wirtschaftskammer Oberösterreich zu hören, und habe feststellen dürfen, dass Sie ja fast zu hundert Prozent freiheitliche Positionen vertreten. Vor allem haben Sie sich ganz klar gegen eine einnahmenseitige Sanierung des Budgets ausgesprochen. Wich­tig ist, dass Sie auch erkannt haben, dass wir unsere Abgaben- und Steuerquote nicht erhöhen dürfen, weil wir im unmittelbaren Wettbewerb mit unseren Nachbarstaaten ste­hen.

Ich gehe aber davon aus, dass Sie sich natürlich, um die Koalition zu retten, Ihrem Koalitionspartner annähern müssen, beziehungsweise haben ja Ihre Parteikollegen teilweise auch schon signalisiert, dass Sie zusätzliche Einnahmen lukrieren müssen: Ein-Drittel-, Zwei-Drittel-Variante und so weiter.

Ich darf daher jetzt zu meiner Frage kommen:


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130/M

„Was wird der wesentliche Inhalt der in Aussicht genommenen steuerlichen Belas­tungslawine sein?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich vertrete zu hundert Prozent ÖVP-Positionen! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Aber ich bekenne mich natürlich zur ausgabenseitigen Sanierung des Budgets, und ich arbeite an Strukturreformen. Ich arbeite daran, dass wir diesen Staat modern in die Zukunft führen. Im Hinblick auf Steuerlücken bin ich selbstverständlich auch dahinter, Steuerlücken zu schließen. Dort, wo die Steuervermeidung exzessiv ge­stalterisch oder sogar missbräuchlich ausgeübt wird, bin ich dahinter, dass dieser Miss­brauch verhindert wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Pod­gorschek.

 


Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Frau Bundesministerin! Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie einen Teil der ÖVP vertreten, der unter Umständen auch freiheit­liche Positionen vertritt. Aber ich gehe trotzdem davon aus, dass es bereits Pläne in diese Richtung gibt. Ich erinnere nur an die Töne aus Niederösterreich: Her mit dem Zaster! Her mit der Marie! Auch Landesrat Hiegelsberger hat bereits Steuerpläne ge­schmiedet.

Wenn Sie sich jetzt mit Ihrer Meinung innerhalb der ÖVP, aber auch gegenüber der SPÖ nicht durchsetzen können: Was werden Ihre politischen oder persönlichen Konse­quenzen daraus sein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben im OECD-Schnitt bereits eine sehr, sehr hohe Abgabenquote, derzeit 42,8 Prozent, auch wenn sie im Vorjahr leicht gesunken ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das ist aber nicht so, weil wir die Steuern in diesem Ausmaß gesenkt hätten, sondern deshalb, weil das Wachstum gut war. In Deutschland ist beispielsweise die Abgabenquote um 4 Prozent niedriger.

Daher halte ich es nicht für gerechtfertigt, die Steuern massiv zu erhöhen. Wir haben nicht ein Einnahmenproblem, sondern wir haben ein Ausgabenproblem. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Gaßner.

 


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Bundesministerin! Laufend wird in den österreichischen Gemeinden Grünland zu Bauland umgewidmet. Das führt zu enormen Werterhöhungen und im Fall des Verkaufes auch zu großen, satten Gewinnen, steu­erfrei, während Arbeitseinkommen mit zirka 40 Prozent besteuert wird. Das finden wir ungerecht.

Die SPÖ tritt daher für eine Besteuerung von Umwidmungsgewinnen ein, die zumin­dest so hoch sein sollte, wie das Einkommen besteuert wird. Ich hoffe, Sie unterstützen unseren Vorschlag. Und ich frage Sie, Frau Bundesministerin: Welche Schritte werden Sie setzen, dass dieses leistungslose Einkommen aus Umwidmungsgewinnen mindes­tens genauso besteuert wird wie Leistungseinkommen, Arbeitseinkommen, und was werden Sie tun, dass diese Steuer den Gemeinden zufließen wird? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amon: Das waren zwei Fragen, Frau Präsidentin! Sie braucht nur eine zu beantworten!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



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Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir schauen uns derzeit an, wie die vergleichbare Rechtslage in unseren Nachbarländern ist, insbeson­dere Deutschland, wie man mit Wertzuwächsen bei Grundstücken umgeht. Es ist rich­tig, wir haben hier eine Lücke im Hinblick auf den Wertzuwachs, weil die Grundstücks­veräußerungen bei uns sehr, sehr niedrig besteuert sind. Da gibt es Spekulationsfris­ten, die nach zehn Jahren zu Steuerfreiheit führen.

Wie Sie wissen, Herr Bürgermeister, geht von allen zusätzlichen Einnahmen, die wir lukrieren, ein Drittel sofort an die Länder und Gemeinden. Das heißt, von allem, was wir im einnahmenseitigen Bereich tun, fließt ein Drittel sofort euch zu, den Ländern und Gemeinden. Ich denke nicht daran, diese Zwei-Drittel/Ein-Drittel-Lösung zu ändern. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Eßl.

 


Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich bedanke mich bei Ihnen für das klare Bekenntnis zum Eigentum und auch dafür, dass Sie ein klares Bekenntnis dazu abgegeben haben, dass die Substanz, das Eigentum nicht be­steuert werden soll. Hier unterscheiden wir uns ja klar von anderen Parteien, insbeson­dere von der SPÖ.

Der Vorvorredner hat von einer möglichen Belastungslawine gesprochen, die auf die Österreicher zukommen könnte. Die Frage an Sie: Was ist die Alternative zu einer sol­chen Belastungslawine? Welche Möglichkeiten gibt es da?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir sind unsere Budgets, auch die Budgetpfade für die nächsten Jahre zu wenig ambitioniert angegan­gen. Das heißt, wir wollen den Konsolidierungskurs – wir haben ja einen Kostendämp­fungskurs bereits beschritten – etwas ambitionierter angehen. Wenn wir nicht rasch zu einem Nulldefizit kommen, dann wird es uns nicht gelingen, die Schulden abzubauen.

Wir haben ja gehört, wenn unser Schuldenberg auf über 80 Prozent des Bruttoinlands­produktes anwächst, dann werden wir ein weiteres Mal herabgestuft. Und das wollen wir auf alle Fälle vermeiden, denn das würde zu einer Zinsspirale führen. Immerhin ge­ben wir derzeit bereits Milliarden für Zinsen aus, das heißt, wir schaufeln das Geld in Richtung Banken und nicht zu den Bürgern, wo es eigentlich hingehört.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hagen.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Frau Minister! Die Autofahrer sind bereits jetzt die Melkkuh der Nation. Allein sieben Steuern belasten den Autofahrer, bevor er einen Kilometer gefahren ist. Der Dieselpreis war im Dezember des vergangenen Jah­res in Deutschland zwischen 10 und 20 Cent niedriger als in Österreich, obwohl dort 7 Prozent mehr an Steuern eingehoben werden.

Pendler aus ländlichen Gebieten sagen mir, dass sie mehr in der Geldbörse haben, wenn sie nicht arbeiten gehen, als wenn sie täglich zur Arbeit fahren müssen. So stark belastet sind die Autofahrer in Österreich bereits.

Können Sie ausschließen, dass unter einer Finanzministerin Maria Theresia Fekter mit Ihrem Belastungspaket 2012 wieder Mehrkosten und Steuererhöhungen auf die Auto­fahrer zukommen, denn diese haben bereits genug gezahlt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sie sprechen eine Mineralölsteuererhöhung an. Da haben wir die Erfahrung gemacht, dass man ab einer gewissen Erhöhung der Mineralölsteuer einen enormen Tanktourismus, sprich Abwan­derung von Umsätzen ins benachbarte Ausland hat, und diese Grenze gilt es immer


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ganz genau zu beachten. Ich weiß, dass wir speziell mit der Steuerbelastung auf Treib­stoffe am Limit sind, wenn wir vermeiden wollen, dass noch mehr Umsätze ins Ausland abwandern. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Öllin­ger.

 


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Bundesministerin! Von der Förderungspoli­tik des Bundes profitieren auch Menschen wie Herr Graf Mensdorff-Pouilly. 19 000 € bekommt er für einen Bergbauernhof im Burgenland, für einen Reitstall bekommt er ei­ne Förderung, für Kurzarbeit in seinem Rüstungslobby-Betrieb bekommt er eine Förde­rung. (Abg. Kopf: Soll er die Leute besser kündigen, anstatt Kurzarbeit zu machen?)

Frau Bundesministerin! Was werden Sie unternehmen, damit Personen wie Herr Mens­dorff-Pouilly – damit meine ich Personen, die es nicht notwendig haben, eine Förde­rung durch den Bund zu erhalten, also über hohe Einkommen verfügen – aus der För­derungspolitik des Bundes sozusagen ausgeschlossen werden? Oder sind Sie der Meinung, dass ihm diese Förderungen zu Recht zustehen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Die Rüstungs­industrie, die Sie angesprochen haben, kenne ich in Österreich nicht (Abg. Öllinger: Ich auch nicht!), die ist ja nicht in Österreich. (Abg. Öllinger: Nein, aber er kriegt ja die Förderung!) Das war ein bisschen eine unsachliche Einleitung, Herr Öllinger, aber ich beantworte diese Frage trotzdem ernsthaft.

Förderungen müssen ein Ziel vor Augen haben, und diese Zieldefinitionen werden wir in Zukunft durch neue Rahmenrichtlinien für die Mindeststandards von Förderungen klarer definieren und klarer verfolgen. Das heißt, wenn man mit einer Förderung Len­kungseffekte erzielen möchte, in Richtung Forschung, in Richtung Innovation, bei­spielsweise in Richtung (Abg. Öllinger: Reitstall!) Ökologisierung der Landwirtschaft, dann muss diese Zielorientierung gegeben sein.

Wenn man die Ökologisierung der Landwirtschaft beispielsweise heranzieht, dann, muss ich sagen, ist es nicht gerechtfertigt, Förderungen nur den ganz kleinen Bauern zugute­kommen zu lassen, denn in diesem Fall würden die größeren Betriebe unter Umstän­den nicht dieses ökologische Ziel verfolgen.

Also hier muss man sich im Detail die einzelnen Bereiche anschauen, was ist das Ziel und wie erreicht man die Lenkungseffekte, denn nur dann sind die Förderungen ge­rechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Reitstallförderung!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 132/M des Herrn Ab­geordneten Mag. Kogler. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Bundesministerin, Sie haben im Zusammenhang mit anderen Fragen schon angedeutet, dass Sie einen Konsolidie­rungspfad bis 2017 längstens, denke ich, anstreben, mit einem Defizit nahe null, um die Schulden langfristig zu reduzieren. Das verbirgt sich ja in Wahrheit auch unter dem Titel „Schuldenbremse“.

Wir haben den Eindruck, dass die einzelnen Minister und Ministerien, entweder SPÖ oder ÖVP zugeordnet, hier einen völlig unterschiedlichen Kurs verfolgen. In unseren Bemühungen, mit den grünen Vorschlägen zur Budgetdefizitreduktion beizutragen, stellen wir fest, dass Faymann und die SPÖ-Minister ganz etwas anderes sagen als et­wa Spindelegger oder Sie.

Meine Frage:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 26

132/M

„Welche Konsolidierungsmaßnahmen mit welchen finanziellen Auswirkungen plant und koordiniert das Finanzministerium bis 2017?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir sind in einer Koalition von Sozialdemokratie und Österreichischer Volkspartei. Wir sind kein Ein­heitsbrei, sondern zwei ganz unterschiedliche Parteien. Und da ist es legitim, Herr Kog­ler, dass diese ihre unterschiedlichen Standpunkte vorbringen und dann in der Koali­tion zu einem Konsens kommen. Nur: Wir sind konsensfähig, was die Opposition im Hinblick auf die Schuldenbremse nicht ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wissen ja, dass unsere Anstrengungen hauptsächlich in Richtung Strukturreformen gehen, nämlich bei der Gesundheit, bei den Frühpensionen, bei der Verwaltung, bei den Förderungen, aber auch im Hinblick auf Dienstrecht. Das heißt, hier ist wichtig, dass wir durch strukturelle Änderungen, durch Systemänderungen zu einem Kosten­dämpfungspfad kommen und somit automatisch Einsparungen lukrieren.

Sie wissen auch, dass wir uns da anstrengen müssen, dass wir in etwa um die 2 Mil­liarden bundesseitig einsparen müssen. Weitere Anstrengungen sind bei den Ländern erforderlich, sodass wir insgesamt pro Jahr 2,8 Milliarden einsparen, wobei wir diesen Kurs bis 2016 verfolgen müssen, und zwar engagiert verfolgen müssen, damit wir auf null kommen. Die Länder haben sich in einem Stabilitätspakt ja selbst dazu verpflichtet, ausgeglichen zu budgetieren.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Kog­ler.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Bundesministerin, die Frage habe ich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Haltungen, die es gibt, gestellt. Das ist parteipolitisch natürlich unbenommen. Die Frage hat ja darauf abgezielt, was Sie als Bundesfinanzministerin mit dem Bundesfinanzministerium in Ihrer nunmehr vorhande­nen Koordinierungskompetenz verhandeln, seit wir das Bundeshaushaltsrecht geän­dert haben. Und deshalb ist es ja nur richtig und legitim, dass Sie jenen, die mit der Bundesregierung verhandeln wollen, damit wir hier im Haus entsprechende Mehrheiten zustande bringen, auch sagen, was Sie vorhaben.

Ich weise den Vorwurf also zurück, den Sie hier von Regierungsseite erhoben haben, dass es die Opposition ist, die hier nicht einlenkt. Sie sind nicht willens und in der Lage, zu sagen, was eigentlich das Maßnahmenpaket ist, und die anderen sollen bei etwas, was sie nicht kennen, zustimmen. (Ruf bei der ÖVP: Gibt es jetzt eine Frage oder nicht?)

Ich frage Sie also schlicht und ergreifend noch einmal: Welche Maßnahmen werden geplant und welche finanziellen Auswirkungen hat das? Ich hätte das wenigstens gern im Großen gewusst.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir gewisse Bereiche im Hinblick auf die Konsolidierung ausnehmen und offensiv angehen werden. Das ist alles, was die Zukunft betrifft, also der Bildungsbereich oder der Forschungsbereich oder die Universitäten. Hier werden wir mit dem Sparstift nicht so streng sein wie in den anderen Ressorts. Und die großen Reformpakete, die wir derzeit schnüren, betreffen die Gesundheit, die Frühpensionen, Verwaltungsreformen und die Förderungen und im Hinblick auf die Einnahmenseite Lü­ckenschlüsse und Abstellen von Missbrauch im Steuerbereich.

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Zan­ger.

 


Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Bundesministerin! Konsolidierungsmaß­nahmen sind in vielen Bereichen notwendig. Wir erachten diese vor allem bei den Löh­nen und Gehältern als notwendig. Diese hinken ja im Vergleich zu den Preissteige­rungen hinten nach. Das heißt, die Menschen können sich mit ihrem Einkommen im­mer weniger leisten.

Jetzt haben Sie heute schon gesagt, Sie halten es nicht für notwendig, dass sich die Politik in Lohnverhandlungen einmischt, das ist Sache der Sozialpartner. Das sehe ich auch so. Aber Sie hätten die Möglichkeit, dies anders zu bewerkstelligen, und zwar in der Form, dass Sie den Eingangssteuersatz senken und jene Grenze, ab der der Höchststeuersatz greift, erhöhen. Warum tun Sie das nicht?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Unser Lohn- und Einkommensteuersystem hat mehrere gravierende Schwächen. Eine davon ist der sehr hohe Eingangssteuersatz: 2,7 Millionen Personen zahlen keine Einkommensteu­er. Das sind nicht nur Bezieher ganz niedriger Einkommen, sondern das sind auch Be­zieher mittlerer Einkommen, die aber auf Grund von Ausnahmen im Steuersystem kei­ne Steuer zahlen. Das heißt, wir haben über 560 Ausnahmen in unserem Steuersys­tem. Das ist auch ein Dickicht, das ich als Schwäche bezeichnen möchte.

Dann wird der Mittelstand viel zu hoch belastet. Wir kennen beispielsweise keine ef­fiziente steuerliche Entlastung der Familien. Wir besteuern beispielsweise jene Ein­kommensteile, die eigentlich als Unterhalt für die Kinder zur Verfügung stehen sollten. Also wenn man darüber nachdenkt, muss man zuerst die Schwächen identifizieren und dann eine ganz neue Struktur aufsetzen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Steßl-Mühlbacher, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher (SPÖ): Frau Bundesministerin, alle Ös­terreicherinnen und Österreicher, die ihr Einkommen durch Arbeit verdienen, bekom­men gemeinsam nur etwa die Hälfte des Geldes, das in Gesamtösterreich verdient wird. Leistungslose Einkommen aus Kapital und Vermögen machen etwas weniger als die Hälfte aus. Trotzdem finanzieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fast 90 Prozent den Staat, Kapital und Vermögen zu 10 Prozent. – Das ist ungerecht.

Wir von der SPÖ haben vorgeschlagen, die Steuern auf Arbeit zu senken und gleich­zeitig auch die Steuern für Kapital und Vermögen zu erhöhen, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen.

Frau Bundesministerin, unterstützen Sie diesen Vorschlag beziehungsweise, wenn nicht, welche Schritte werden Sie setzen, um die ungleiche Verteilung von Steuern und Ab­gaben gerechter zu gestalten? (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Das Hohe Haus hat erst vor etwa eineinhalb Jahren eine Wertpapier-Kapitalertragsteuer beschlossen. Das heißt, das war die größte Vermögensbesteuerung, die wir in den letzten Jahren beschlossen haben. Die Einnahmen davon sind in Ihren Berechnungen noch nicht mit berücksichtigt. Das heißt, hier haben wir ja schon eine Lücke geschlossen.

Ich denke nicht daran, die Besteuerung von Zinsen von Sparbüchern weiter zu erhö­hen. Die 25 Prozent auf die Zinsen, die derzeit ohnehin sehr niedrig sind, sind ausrei­chend. Das werden wir nicht ändern. (Beifall bei der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 28

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Wö­ginger.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Finanzministerin, wir haben ja in Ös­terreich mit rund 43 Prozent eine der höchsten Abgabenquoten überhaupt, und es ist so, dass in diesem System der Mittelstand und auch Familien besonders stark belastet sind. Sie haben bereits angekündigt, dass Sie in diesem Bereich, vor allem was den Mittelstand und Familien mit Kindern anbelangt, Verbesserungen herbeiführen wollen.

Meine Zusatzfrage an Sie: Wann kann die Bevölkerung, wann können vor allem die be­troffenen Gruppen mit dieser angekündigten Struktursteuerreform rechnen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben eine Ar­beitsgruppe, von der die Schwächen unseres Systems, also das, was man eigentlich bereinigen sollte, gerade identifiziert werden. Ich habe schon erwähnt, da ist einmal der sehr hohe Eingangssteuersatz, da ist der Mittelstandsbuckel – der Mittelstand trägt am allermeisten dazu bei –, da sind die 560 Ausnahmebestimmungen, die sich im Steuer­gesetz finden. Da haben wir die Schwächen, dass wir fast keine steuerlichen Möglich­keiten für die Familien haben. Wir haben zwar hohe Transferleistungen, aber keine steuerlichen Anreize. Daran arbeiten wir intensiv.

Nur, sehr geehrter Herr Abgeordneter, momentan sind wir mit der Konsolidierung des Budgets beschäftigt. Mir würde es gut gefallen, wenn wir diese Steuerstrukturreform unter Umständen in diesen Konsolidierungspfad mit einbringen könnten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Huber.

 


Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Frau Ministerin, im Moment befasst sich die ÖVP-dominierte Tiroler Landesregierung hauptsächlich damit, Agrargemeinschaften zu enteignen. Jetzt ist es ja so, dass diese 18 000 Stammliegenschaftsbesitzer, die ent­eignet werden, schon Sachwalter haben. Diese bezahlen aber im Moment Millionen Euros jährlich an Steuern. Wenn diese Enteignungen nach dem Willen der ÖVP durch­gehen, dann geht der Besitz zu den Gemeinden. Die Gemeinden bezahlen keinen ein­zigen Cent Steuern mehr. Was machen Sie? Wer bezahlt diesen Ausfall für den Fall, dass diese Enteignungen durchgehen würden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Abgeordneter, Sie wissen auch, dass aufgrund eines höchstgerichtlichen Erkenntnisses Handlungs­bedarf besteht. Dieser Handlungsbedarf ist in der Kompetenz des Landes, und ich bin zuversichtlich, dass die Länder eine ausgewogene Lösung finden werden, auch zum Wohle der dortigen Bauern und Almbesitzer. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 131/M des Herrn Ab­geordneten Klubobmann Bucher. – Bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Bundesminister, Sie haben vor Kurzem selbst erkannt, dass Sie Konsolidierungsbedarf haben, vor allem was Ihr Budget be­trifft, das vor wenigen Wochen hier im Hohen Haus von Rot und Schwarz beschlossen wurde. Wir haben Ihnen schon damals vorgehalten, dass dieses Budget unter diesen Voraussetzungen, nämlich Wirtschaftskrise, Abwertung, nicht halten wird.

Daher meine Frage: Wie hoch ist der Konsolidierungsbedarf in Summe, denn die kolportierte Höhe ist unterschiedlich, je nach Regierungsmitglied; einmal sind es 2 Mil­liarden, einmal sind es 4 Milliarden €? Vor allem: Wie wird die Belastungslawine ausse­hen?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 29

Ihr Kollege Mitterlehner spricht ja davon, dass es zu 30 Prozent einnahmenseitige und zu 70 Prozent ausgabenseitige Sanierungen geben wird. Das heißt, die ÖVP steht klar für Steuererhöhungen und neue Steuern.

Die schriftlich eingereichte Anfrage, 131/M, hat folgenden Wortlaut:

„Sie haben vor wenigen Wochen ein Budget vorgelegt, das nicht haltbar ist. Beim Kon­solidierungsbedarf ist immer von unterschiedlichen Höhen – nämlich zwei oder vier Mil­liarden Euro – die Rede: Wie hoch ist der Konsolidierungsbedarf für 2012 tatsächlich?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Der Konsolidie­rungsbedarf, das habe ich schon erwähnt, liegt bei etwa 2 Milliarden € – je mehr, umso lieber ist es mir –, und zwar für den Bund allein, die Länder müssen dann auch noch ih­ren Beitrag bringen. Damit würden wir in fünf Jahresschritten dann insgesamt 10 Mil­liarden konsolidieren, um auf ein Nulldefizit zu kommen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Klubobmann.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Eine persönliche Frage: Warum brauchen Sie im­mer so lange, um zu begreifen (Ruf bei der ÖVP: Hallo!), dass das, was Sie vorlegen, nicht haltbar ist? Wir haben das im Zuge der Budgetdebatten mehrmals vorgebracht, wir haben es Ihnen vorgerechnet. Es ist wie bei der Schuldenbremse: Zuerst wird alles geleugnet und verniedlicht, und hinterher kann es nicht schnell genug gehen.

Ich frage Sie ganz offen: Warum nehmen Sie auf die Zurufe, auf die Vorschläge und Ideen der Opposition keine Rücksicht, zumindest dann, wenn sie beschlossen werden sollten, und kommen immer erst nach einer gewissen Zeit drauf, dass das eigentlich die besseren Vorschläge sind, besser als jene, die die Bundesregierung macht? (Bei­fall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministern, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben das Budget 2012 im August mit den Ressorts zu verhandeln begonnen und uns dann auf ein Zahlenwerk geeinigt, das noch Maastricht-konform 2,9 Prozent an Defizit vorgese­hen hätte. Das hätte mich gefreut, es ist mein erstes Budget gewesen, und das Maas­tricht-konform. Im September wurden uns dann mit der WIFO-Prognose im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum ganz neue Zahlen vorgelegt, und wir mussten im September das Zahlenwerk, das wir im August fertig hatten, aufgrund der neuen Prognose abän­dern.

Bei dieser Abänderung ging es dann natürlich bei einer Wirtschaftsschrumpfung – sprich, es war eine Dämpfung des Wachstums angekündigt – insbesondere um die Frage: Welche Maßnahmen setzen wir, dass wir die Konjunktur nicht abwürgen? Da­her haben wir das Budget so wie beschlossen in das Hohe Haus gebracht. Im Dezem­ber ist dann die Debatte um unser Triple A entstanden, und daraufhin haben wir uns sofort zusammengesetzt und gesagt, dass wir ambitionierter werden müssen, um das Nulldefizit rascher zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Bundesministerin! Das von Ihnen angesprochene Wirtschaftsforschungsinstitut hat ein geringeres Wachstum prognosti­ziert und noch keine Schrumpfung, nur damit wir nicht zu noch mehr Verwirrung beitra­gen.

Ich gebe Ihnen ja an einer anderen Stelle recht: Es war unverständlich – allerdings tra­gen Sie mit Verantwortung, nehme ich wohl an –, dass die Bundesregierung dem Par-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 30

lament im Herbst ein Budget mit dem geplanten Defizitpfad, wie jetzt auch immer, von 3,2 Prozent vorgelegt hat, wo wir bei 2,9 Prozent zumindest aus diesem Maastricht-Verfahren heraußen wären. Das war immer unverständlich.

Ich frage Sie in diesem Zusammenhang noch: Wieso ist oder war es in der Vergan­genheit nicht möglich, wenigstens für das Jahr 2011, geplantes Budget 2012, diese Maßnahmen ansatzweise anzugehen, von denen Sie jetzt jeden Tag fünfmal das Glei­che wiederholen? Ganz konkret: Verwaltungsreform und Stopp bei den Förderungen dort, wo sie überflüssig und doppelt sind.

Ist die 

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Sie haben die Frage bereits formuliert. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Um all diese Re­formschritte anzugehen, müssen wir die betroffenen Partner mit einbinden. Das heißt, wir müssen mit den Ländern reden, wir müssen mit den Sozialversicherungen reden, wir müssen schauen, wie bei den jeweiligen Ressorts der Konsolidierungspfad be­werkstelligt wird, und wir wollen kein Belastungspaket schnüren. Wir sind gerade da­bei, all das zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Grad­auer.

 


Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Sie ha­ben sich im Zuge der Schuldenbremse selbst zwei große Ziele gesteckt, und zwar bis 2017 das Nulldefizit und bis 2020 60 Prozent Verschuldung vom BIP zu erreichen. Herr Professor Streissler hat dazu gemeint, die Regierung könne nicht rechnen, denn Sie haben trotz Schuldenbremse für 2012 ein geplantes Defizit von 9,2 Milliarden €. Auch die folgenden Jahre sind mit einem starken Minus geplant.

Es ist schon richtig, wir haben jetzt gehört, Sie wollen pro Jahr 2 Milliarden € einspa­ren, das ist okay, es bleiben Ihnen aber im Jahre 2017 zirka 50 Milliarden € Überhang, um die 60 Prozent zu erreichen. Das heißt, Sie müssen in drei Jahren 50 Milliarden € Defizit abbauen. Wie werden Sie das bewältigen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Abgeordneter, diese Rechnung kann ich nicht nachvollziehen, und zwar deshalb, weil wir nicht zulassen werden, dass unsere Schulden über 80 Prozent anwachsen. Ganz im Ge­genteil, es ist uns erstens gelungen, dass wir im vorigen Jahr die Schulden um einen prozentuellen Teil reduziert haben. Zweitens ist es uns gelungen, dass das Defizit we­sentlich geringer ausgefallen ist als prognostiziert. Drittens ist es uns gelungen, dass das prognostizierte Dämpfungspotenzial beim Wachstum nicht eingetreten ist. Das WIFO hatte ja prognostiziert, dass es im dritten und vierten Quartal des vorigen Jahres schon so bergab gehen wird, was dann aber nicht eingetreten ist.

Das heißt, unsere Wirtschaft ist gesund und gut unterwegs, und ich bin zuversichtlich, dass das auch im Jahr 2012 so sein wird, sodass wir unsere Ziele wesentlich rascher erreichen werden, als das von Herrn Professor Streissler gesagt wurde. Der hat ja nur die schlechte Prognose fortgerechnet, und die schlechte Prognose hat sich Gott sei Dank nicht bewahrheitet. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Silhavy, bitte.

 


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Ich möchte noch einmal ganz kurz die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermö­gen skizzieren. Sie wissen, das reichste Prozent in Österreich besitzt allein mehr als


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 31

ein Drittel des Vermögens, die reichsten 10 Prozent mehr als zwei Drittel, während die ärmsten 40 Prozent kein nennenswertes Vermögen besitzen.

Ich erinnere, trotzdem zahlen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen 90 Prozent der Ab­gaben und Steuern dieses Staates, während die Vermögenden es gerade zu 10 Pro­zent tun. Ich bin überzeugt, Sie sind mit mir einer Meinung, dass das ungerecht ist.

Die SPÖ hat vorgeschlagen, hier mehr Gerechtigkeit zu schaffen, indem Millionäre durch eine gerechte Vermögensbesteuerung auch einen Beitrag zur Konsolidierung leisten. Wenn Sie das so nicht unterstützen, welche neuen Schritte werden Sie dann setzen, dass endlich auch Millionäre einen gerechten Beitrag zum Bundeshaushalt leisten? (Beifall bei der SPÖ.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: In Österreich wer­den alle Erträge aus Vermögen bereits besteuert: die Sparbucherträge durch die Spar­buchsteuer, die Wertpapiererträge durch die Wertpapier-KESt, die Erträge aus Grund und Boden, beispielsweise durch die Landwirtschaft, mit der Einkommensteuer. Das heißt, wir haben in Österreich bereits eine Besteuerung bei den Erträgen des Vermö­gens.

Weiters haben wir in Österreich die höchste Reichensteuer im internationalen Ver­gleich. In Österreich gibt es den Spitzensteuersatz ab 60 000 €, dieser beträgt 50 Pro­zent, während in Deutschland beispielsweise der Spitzensteuersatz 44 Prozent beträgt, und das ab 250 000 €.

Das heißt, die Deutschen belasten den Mittelstand bei Weitem nicht so gravierend, wie wir das in Österreich tun, und mir geht es darum, den Mittelstand zu entlasten. Ich be­kenne mich aber dazu, dass die Reichen einen angemessenen Beitrag leisten, und an­gemessen ist, dass das selbstverständlich mehr ist als bei den niedrigen Einkommen. Man darf aber nicht vergessen, dass wir schon eine sehr strenge Reichensteuer in Ös­terreich haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Silhavy.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Kli­kovits.

 


Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Sie haben heute schon erwähnt, dass wir in Österreich Gott sei Dank eine geringe Arbeitslosigkeit haben, die geringste in ganz Europa. Wir wissen, dass 75 Prozent der Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich be­schäftigt sind und dass wirtschaftliches Wachstum die beste Voraussetzung dafür ist, dass wir Beschäftigung garantieren und auch sichern können.

Sie haben heute schon die Konjunktur angesprochen. Und in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch die Frage stellen: Was gedenken Sie dem etwas abgekühlten Konjunkturklima entgegenzusetzen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir dürfen die Wirtschaft und die Investoren und jene, die Entscheidungen treffen, ob sie sich in Ös­terreich ansiedeln oder nicht, ob sie die Betriebe erweitern oder nicht, nicht durch sehr gravierende Eingriffe oder Einschnitte in ihre Rahmenbedingungen verunsichern. Wenn die Konzerne sagen: Wir investieren viel Geld, wohin gehen wir? Gehen wir in die Slo­wakei, gehen wir in die Tschechei oder gehen wir nach Österreich?, dann müssen die­se hier ein entsprechendes Klima vorfinden, das garantiert, dass ihre Investitionen ge­sichert sind und dass sie hier willkommen sind. Wir wollen sie nicht vertreiben. Daher werden wir nichts zulassen, was den Standort verschlechtert, die Arbeitsplätze gefähr­det und die Investitionen dämpft. (Beifall bei der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 32

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 134/M des Herrn Ab­geordneten Dr. Matznetter. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministe­rin! Die Ein-Personen-Unternehmen und die KMUs zahlen in Österreich bis zu 50 Pro­zent Steuern von ihrem Gewinn. Gleichzeitig ergab die jüngste Untersuchung, die wir für die ATX-Betriebe hatten, eine Steuerlast von durchschnittlich 17 Prozent, und zwar hauptsächlich durch verschiedene Maßnahmen, mit welchen große und international tätige Konzerne die Steuern reduzieren können, insbesondere durch die Gruppenbe­steuerung. – Das ist ungerecht! Die SPÖ möchte eine faire Gleichbehandlung großer und kleiner Betriebe. Sie stehen miteinander im Wettbewerb.

Daher auch meine Frage:

134/M

„Welche Maßnahmen werden Sie setzen, dass große Betriebe effektiv genauso be­steuert werden wie kleine und mittlere?“

(Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ich habe schon er­wähnt, dass unser Einkommensteuergesetz und auch das Lohnsteuergesetz gravie­rende Schwächen aufweisen, insbesondere diese 560 Ausnahmebestimmungen für die unterschiedlichsten Dinge. Das müssen wir durchforsten, damit wir zu einer faireren, gleicheren Behandlung kommen. Wenn wir die Ausnahmen durchforsten, dann können wir vielleicht mit dem Einstiegssteuersatz heruntergehen. Das würde den Kleinen sehr wohl helfen, und daran arbeite ich.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Bundesministerin, es geht nicht grundsätzlich darum, dass wir Unternehmen nicht helfen sollen, internationale Investi­tionen zu machen. Im Gegenteil! Das ist etwas, was wir alle fördern. Allerdings wollen wir in diesem Zusammenhang keine besondere Situation haben.

Daher meine konkrete Zusatzfrage zum Bereich der Gruppenbesteuerung. Heute kann sich jedes große Unternehmen aussuchen, welche Tochtergesellschaft einbezogen wird und welche nicht. Das heißt, Verlustgesellschaften werden mit einbezogen, und Gesell­schaften, bei denen Gewinne anfallen, werden nicht mit einbezogen. Halten Sie es nicht für gescheiter, für diesen Bereich eine moderne Konzernbesteuerung in Reform der Gruppenbesteuerung zu machen, gemäß welcher man zwar alle Verluste im Kon­zern absetzen kann, aber auch alle internationalen Gewinne unter Anrechnung auslän­discher Steuern mit einbezogen werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Das österreichi­sche Gruppensteuermodell ist eine ganz grandiose Erfolgsgeschichte, die uns Vollbe­schäftigung bringt. (Abg. Peter Haubner: Arbeitsplätze!) Das war eine Standortmaß­nahme, die dazu geführt hat, dass sich viele Betriebe in Österreich angesiedelt haben. Das ist eine Erfolgsgeschichte für die Arbeitnehmer, weil 1 400 000 Arbeitnehmer in gruppenbesteuerten Betrieben arbeiten. Wer hier ansetzt, der vernichtet Arbeitsplätze! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich will nicht die Investoren vertreiben, ich will nicht die Betriebsansiedelungen hem­men und dämpfen. Das wäre wirklich der absolut falsche Pfad! Das heißt, die Standort-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 33

politik, die investitionsstimulierend ist und die dazu führt, dass mehr Arbeitsplätze nach Österreich kommen, werden wir nicht weiter verschlechtern. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) Das werde ich als Finanzministerin nicht zulassen! (Präsidentin Mag. Pram­mer gibt das Glockenzeichen.)

Sollte es Missbrauch in einzelnen Bereichen geben und sollten Bestimmungen miss­braucht werden, dann können wir darüber reden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Haub­ner.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Wir haben es ge­hört: Das Vertrauen in die österreichische Wirtschaft und in die Unternehmerinnen und Unternehmer ist voll vorhanden. Unsere Stärke ist sicherlich der Mix zwischen großen, kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn wir bedenken, dass 99 Prozent der österrei­chischen Unternehmer KMUs sind, die zwei Dritteln der Beschäftigten Arbeit geben, dann, muss ich sagen, ist das sicherlich auch deswegen der Fall, weil dieses Mitein­ander der KMUs und der Leitbetriebe eine große Stärke ist.

Daher meine Frage an Sie: Welche Bedeutung haben die Leitbetriebe in Österreich einerseits für die Wettbewerbsfähigkeit und andererseits natürlich auch für die Sicher­heit der Arbeitsplätze?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Unsere ganz gro­ßen Leitbetriebe zahlen 75 Prozent der Körperschaftssteuer. Das heißt, 1,5 Prozent der Betriebe erbringen fast das ganze Körperschaftssteuer-Volumen. Das bedeutet, al­les, was wir hier im System verändern, kostet unter Umständen sofort Milliarden, und das möchte ich verhindern. Bezüglich der KMUs werden wir keine Verschlechterung im Hinblick auf die Rahmenbedingungen zulassen, und Vorschlägen, etwa den Gewinn­freibetrag für KMUs und Einzelpersonenunternehmen wieder fallen zu lassen – das kam aus der Arbeiterkammer –, werde ich nicht nähertreten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Marko­witz.

 


Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Heute haben wir schon mehrere Beispiele dafür gehört, wie man die Steuern am besten erhöht und die Bevölkerung in Österreich noch mehr schröpft.

Wie Sie gerade richtig gesagt haben, tragen die KMUs und vor allem der Mittelstand eine große Steuerlast. Ich würde das aber anders ansetzen als Kollege Matznetter. Er hat gerade gesagt: Passen wir das quasi bei den Großbetrieben an die KMUs an. – Dann hätten wir noch weniger Arbeitsplätze als vorher! Ich würde daher sagen: Neh­men wir das BZÖ-Modell und führen wir eine Business-Tax ein. Die Flat-Tax haben Sie von uns ja schon wunderbar quasi übernommen, und Sie denken bereits an, diese um­zusetzen. Sehen Sie es auch so betreffend die KMUs und den Mittelstand, dass wir für diesen Bereich eine Business-Tax einführen, um eine steuerliche Entlastung endlich umzusetzen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Die Unterneh­mensbesteuerung hat Vertrauen in unsere Wirtschaft gebracht. Das zeigt sich dadurch, dass wir fast Vollbeschäftigung haben. Wir haben die beste Beschäftigungssituation in der gesamten Europäischen Union. Wir sollten dieses Vertrauen nicht durch immer neue Ideen zerstören! (Abg. Bucher: Sie sind aber gerade auf dem besten Weg dazu!)

Wir haben eine gute Besteuerung für unsere Betriebe im Hinblick auf die Körper­schaftssteuern, und wir müssen uns – insofern gebe ich Kollegen Matznetter recht – im


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Hinblick auf die Ein-Personen-Unternehmen, die ich als Mittelstand betrachte, auch noch anschauen, dass wir die Steuerlast dieser kleinen Betriebe eher senken und nicht neue Ideen draufpacken.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Lich­tenecker.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Schönen Guten Morgen, Frau Mi­nisterin! Frau Ministerin, Sie haben heute ausgeführt, dass es besonders wichtig ist, die Rahmenbedingungen für die Unternehmerinnen und Unternehmer gut zu gestalten, so dass sich die Betriebe entsprechend entwickeln können. Wesentliche Rahmenbe­dingungen sind selbstverständlich Bildung, Forschung, Innovation und die Situation an den Universitäten.

Sie haben jetzt vor wenigen Minuten in Ihren Ausführungen in Bezug auf etwaige Be­lastungspakete im Originalton gesagt, dass Sie in den Bereichen Bildung, Forschung und Universitäten mit dem Sparstift nicht so streng sein werden wie bei anderen Res­sorts. Frau Ministerin! Wie ist das zu deuten? Können Sie ausschließen, dass es in die­sen Bereichen 2012 und 2013 zu Kürzungen kommt? Wie werden Sie den Bereich For­schung hier in Österreich forcieren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesminister, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Österreich hat ein sehr gutes Forschungsförderungssystem. Hier liegen wir im OECD-Vergleich an der Spitze. Das heißt, die öffentliche Hand unterstützt sowohl die Universitäten als auch die Betriebe bei ihren Forschungsaktivitäten. Ich denke hier an eine weitere mögliche Verbesserung, indem wir den Deckel, den es jetzt noch bei der Forschungsprämie gibt, aufmachen. Da wollen wir mit Sicherheit nicht kürzen.

Betreffend die Universitäten soll es ein neues Konzept geben. Ich habe mit Minister Töchterle vereinbart, dass die Universitäten frisches Geld für die folgende Planungs­periode 2013 bis 2015 bekommen, dieses frische Geld aber nicht nach dem Gießkan­nenprinzip verteilt wird, sondern in Form eines Strukturfonds gestaltet wird. (Präsiden­tin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Das heißt, wenn die Universitäten strukturelle Veränderungen vornehmen und gewisse Ziele erreichen, dann fließt Geld. Da werden wir unter anderem jene aufnehmen, die Drittmittel gut lukrieren, die Institute zusammenlegen und dadurch effizienter werden, aber auch jene, die im universitären Verwaltungsbereich sparen, denn die Verwaltung soll sich dort nicht aufblähen, sondern schlank bleiben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter The­messl.

 


Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Frau Ministerin, Sie haben der Gruppenbesteuerung im Zusammenhang mit der Frage des Herrn Kollegen Matznetter eine klare Absage erteilt.

Sie haben recht mit der Standortsicherung. Sie haben aber nicht recht, wenn Sie argu­mentieren, dass durch diese Gruppenbesteuerung zusätzliche Arbeitsplätze in Öster­reich geschaffen werden. So hat etwa eine der drei größten Banken in Österreich im Jahr 2010 über eine Milliarde Gewinn gemacht und davon zirka 100 Millionen Steuern bezahlt – das sind nicht einmal 10 Prozent –, hat aber gleichzeitig den Personalstand verringert.

Glauben Sie nicht, dass die Gruppenbesteuerung grundsätzlich einer Reform bedarf, weil man auch die Definition der Gruppen genauer festlegen muss? (Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Man muss Vorur­teile, die in die falsche Richtung gehen, ausräumen. Tatsache ist, dass „die Banken“ – unter Anführungszeichen – der Gruppenbesteuerung nicht in dem Ausmaß unterliegen, wie das permanent kolportiert wird.

Zweitens: Selbstverständlich werden Arbeitsplätze geschaffen. Beispielsweise haben die Headquarters im Forschungsbereich in Österreich den größten Anteil an den grup­penbesteuerten Arbeitsplätzen. Und natürlich haben wir im Hinblick auf die Investitio­nen, wenn österreichische Betriebe Filialen im Ausland haben, damit natürlich auch den Standort gesichert.

Das heißt, ich will die Betriebe nicht verunsichern. Ich nehme hier keine Änderungen im Hinblick darauf vor, dass die Gruppenbesteuerung abgeschafft wird. Was den Miss­brauch mit Hilfe einzelner Bestimmungen betrifft und in Bezug auf klarere Definitionen lasse ich aber mit mir darüber reden, ob Änderungen gescheit sind oder nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 129/M des Herrn Ab­geordneten Steindl. – Bitte.

 


Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Geschätzte Frau Bundesminister! Wettbe­werbsfähige Rahmenbedingungen sind für die österreichischen Leitbetriebe besonders wichtig, aber natürlich auch für die klein- und mittelständischen Unternehmen, weil ja 95 000 klein- und mittelständische Unternehmen eng mit den großen Betrieben koope­rieren.

Wir haben im Jahr 2005 als eine der wesentlichen Maßnahmen für bessere Wettbe­werbsbedingungen die Gruppenbesteuerung eingeführt.

Meine Frage lautet:

129/M

„Welche budgetären und standortpolitischen Auswirkungen hatte die Einführung der Gruppenbesteuerung im Jahre 2005?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ich habe schon er­wähnt: 1 400 000 Arbeitsplätze finden sich in Unternehmen, die die Gruppenbesteue­rung anwenden. Das heißt, wenn man dort etwas verändern möchte, dann muss man auch immer diese Arbeitsplätze mit im Auge haben.

Seit es die Gruppenbesteuerung gibt, ist das Steueraufkommen in diesen Betrieben sukzessive angestiegen. 14 000 Betriebe nützen diese Besteuerung, und ich denke nicht daran, diese Arbeitsplätze zu gefährden oder unter Umständen zu riskieren, dass auch nur ein Teil davon wieder ins Ausland abwandert. Mir geht es darum, den Stand­ort Österreich so attraktiv wie möglich zu gestalten, damit alle zu uns hereinkommen, und ich werde verhindern, dass aus Unkenntnis oder vielleicht neidmäßig motiviert die Arbeitsplätze, die wir geschaffen haben, in den steuerzahlenden Betrieben gefährdet werden.

Ich möchte die guten Steuerzahler, also auch die Millionäre, bei uns in Österreich ha­ben und nicht nach Monte Carlo vertreiben. Daher will ich die Steuerzahler hier nicht verunsichern, und deshalb bin ich für eine Beibehaltung des Systems, so wie wir es ha­ben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Steindl.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 36

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Eine der weiteren wesentlichen Maßnahmen für bessere Rahmenbedingungen der österreichischen Wirtschaft war 2004 die Sen­kung der Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent.

Wie hat sich seither das Steueraufkommen bei der Körperschaftssteuer entwickelt, Frau Bundesministerin?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben damals die Steuer gesenkt, und es gab anschließend wesentlich mehr Steuereinnahmen. Das ist ein wissenschaftlich untersuchtes Phänomen, man weiß, dass das so ist. Wir haben beispielsweise die Mineralölsteuer erhöht, hatten aber weniger Einnahmen. (Zwischen­ruf des Abg. Krainer.)

Damit muss man sehr sorgsam umgehen. Ich halte es für gut, dass wir das gemacht haben, weil alle Länder rund um uns eine niedrigere Körperschaftssteuer haben. (Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Krainer.) Hier stehen wir im Standortwettbewerb mit der Slowakei, mit Slowenien und mit der Tschechischen Republik. Dort ist die Körper­schaftssteuer noch viel niedriger, und in diesen Staaten denkt man auch darüber nach, eine solche Gruppenbesteuerung einzuführen, die für uns ein Standortvorteil ist. Und diesen Standortvorteil gebe ich nicht auf! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Wid­mann.

 


Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Die ÖVP sitzt seit nunmehr 25 Jahren in der Regierung und hat volle Verantwortung übernom­men, und seitdem haben wir auch einen Schuldenstand, der sich kaum überbieten lässt, nämlich einen Schuldenstand in der Höhe von 230 Milliarden beziehungsweise mit den ausgegliederten Einrichtungen von 280 Milliarden. Dafür sind Sie verantwort­lich, das kann man nicht schönreden! Damit sind Sie auch voll verantwortlich für den Verlust des Triple A.

Nunmehr gibt es eine Steuerdebatte. Herr Kollege Mitterlehner will ein Drittel des Bud­gets durch Steuererhöhungen konsolidieren, Kollege Häupl von der SPÖ gar zwei Drit­tel.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie wissen, dass Steuererhöhungen ein absolutes Gift für den Wirtschaftsstandort sind. Sind Sie bereit, heute und hier zu versprechen, dass Sie keine Zustimmung im Ministerrat zu neuen Steuern oder Steuererhöhungen geben werden, weil die Österreicher bereits genug gezahlt haben?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Die ÖVP hat sich während ihrer 25-jährigen Regierungsbeteiligung wirklich intensiv bemüht, den Wohl­stand für die Menschen in diesem Land zu vermehren, und ich glaube, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage: Wir haben ein schönes Land, wir haben ein gutes Land, und den Menschen geht es in Österreich gut. (Abg. Bucher: Aber wir haben eine schlechte Regierung!) Daher werden wir auch weiterhin ausgewogen im Hinblick auf die Men­schen, die Arbeitsplätze und den Wohlstand in diesem Land vorgehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bucher: Das ist die schlechteste Regierung in der Zweiten Republik!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Lich­tenecker.

 


Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Frau Ministerin, eine der großen Herausforderungen für die Zukunft ist, ein modernes, zukunftsfähiges Steuersystem zu gestalten. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist natürlich eine ökologische und soziale Ge-


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staltung. Sie bekennen sich in einem Interview auch zur ökologischen Ausgestaltung des Steuersystems.

Für mich stellt sich die Frage: Welche Schritte werden Sie im Konkreten setzen, und wie soll Ihrer Meinung nach das österreichische Steuersystem modernisiert, insbeson­dere ökologisiert werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben bereits beim Reformpaket von Loipersdorf einen Ökologisierungspfad eingeschlagen. Wir ha­ben damals ein Bündel von Maßnahmen gesetzt, die in die Richtung einer Ökotax ge­gangen sind. Diesen Weg möchte ich auch fortsetzen.

Es geht aber nicht darum, nur zusätzlich Geld zu lukrieren, sondern wir brauchen eine Strukturreform. Wir müssen die Schwächen unseres Systems ausmerzen – ich habe ja schon einige Schwächen hier angeführt – und müssen dann, wenn wir diese Schwä­chen ausmerzen, schauen, wie wir das Steueraufkommen, das wir natürlich für unser Gesundheitssystem, für unser Sozialsystem, für das Pensionssystem brauchen, durch andere Maßnahmen erzielen. Und da sind ökologische Maßnahmen sehr wohl eine Mög­lichkeit. Derer gibt es viele.

Im internationalen Vergleich liegt der Öko-Anteil im unteren Drittel aller OECD-Länder. Da können wir ins Ausland schauen, was die anderen gemacht haben, und daran kann man sich orientieren.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Haider.

 


Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Ich spreche noch einmal das Thema Gruppenbesteuerung an, und zwar die missbräuchli­che Anwendung der Möglichkeiten, die die Gruppenbesteuerung bietet.

Der Tatbestand des Missbrauchs der Formen- und Gestaltungsfreiheit ist ja ein wichti­ges Thema in der gesamten Finanzwirtschaft, beispielsweise die doppelte Verlustver­wertung. Es ist ja so, wenn der Verlust eines ausländischen Gruppenmitglieds mit ei­nem ausländischen Gewinn verrechnet werden kann, dann sollte der schon zuvor in Österreich geltend gemachte Verlust wieder als Gewinn hinzugerechnet werden. Das ist die Theorie. In der Praxis schaut es ja oft anders aus. Der Verlust wird doppelt ver­rechnet.

Gibt es Auflistungen dieser missbräuchlichen Verwendungen in Ihrem Ministerium, und sehen Sie Handlungsbedarf bei der Modifikation der Modelle der Gruppenbesteuerung zur Absicherung der Treffsicherheit und Hintanhaltung derartiger Missstände?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Abgeordneter! Sie haben die gesetzliche Regelung, die jetzt schon gilt, treffend referiert, nämlich dass es nicht nur eine Einbahnstraße ist, in Österreich Verluste zu verwerten, sondern dass das sehr wohl auch, im Gesetz jetzt schon verankert, zu Rückverrechnungen führen soll, wenn es doppelt genützt wird.

Wenn das missbräuchlich verwendet wird und wir hier Gesetzeslücken haben, schauen wir uns das im Detail an und sind natürlich auch bemüht, diese Gesetzeslücken zu schließen, sollten sie zu extensiv genützt worden sein.

Es geht hier auch um Bewertungsfragen im Hinblick auf Vergleichbarkeit der ausländi­schen Bilanz und der österreichischen Bilanz. Diese Details gehören, wenn sie zu Miss­bräuchen führen, abgestellt.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 38

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Kuzdas.

 


Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminis­terin! Frau Ministerin, Sie haben in einer Beantwortung am heutigen Tag gesagt, Sie vertreten zu hundert Prozent ÖVP-Positionen. Ich gehe trotzdem davon aus, dass Sie nicht nur das Beste für die ÖVP, sondern das Beste für die Österreicher und Österrei­cherinnen wollen.

Das führt mich zur Frage: In den letzten Jahren waren Lohnzuwächse von Arbeitern und Angestellten äußerst bescheiden. In etwa 90 Prozent der ArbeitnehmerInnen kön­nen sich kaum mehr leisten als vor zehn bis fünfzehn Jahren, aber die oberen 10 Pro­zent der Einkommenspyramide haben dicke Einkommenszuwächse verzeichnen kön­nen. Teilweise sind Einkommen von Spitzenverdienern jährlich um 20 Prozent ange­stiegen. Das ist ungerecht.

Die SPÖ hat vorgeschlagen, Managergehälter über 300 000 € Jahreseinkommen nicht mehr von der Steuer absetzen zu lassen und damit auch zu signalisieren, dass die oberen Zehntausend einen Beitrag leisten sollen.

Welche Schritte setzen Sie, um diesen Vorschlag umzusetzen? (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Diesen Vorschlag werde ich mit Sicherheit nicht umsetzen, denn er ist im internationalen Standortwettbe­werb kontraproduktiv. Ich will ja, dass die Headquarters und die Spitzensteuerzahler in Österreich bleiben, und diese nicht vertreiben, denn Spitzensteuerzahler könnten lo­cker ihre Steuern auch in der Slowakei abliefern. Es müsste beispielsweise ein Herr Mateschitz seine Steuern nicht in Österreich zahlen, sondern der könnte sie locker auch woanders zahlen.

Wenn man gute Steuerzahler vertreiben will, dann hat man mit solchen Vorschlägen wahrscheinlich Erfolg. Ich will die guten Steuerzahler in Österreich halten, damit sie bei uns hier ihre Steuern zahlen, und diese nicht vertreiben.

Im Übrigen bin ich dahinter, dass wir uns in einem Controlling-System bei den staats­nahen Betrieben ganz genau anschauen, wie dort die Spitzengehälter ausbezahlt wer­den, ob die Schablonen-Verordnung auch eingehalten wird, denn gerade in den staats­nahen Betrieben werden die höchsten Gagen bezahlt. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich bedanke mich. Es sind alle Fragen gestellt und beantwortet.

Die Fragestunde ist somit beendet.

10.25.22Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: Zurückziehung: 10338/J;

2. Anfragebeantwortungen: 9769/AB bis 9816/AB;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 39

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz mit dem das Bankwesengesetz geändert wird (1648 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Paßgesetz 1992 geändert wird (1649 d.B.).

B. Zuweisungen:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz geändert wird (1633 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz – FreiwG) erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (1634 d.B.),

Antrag 1811/A der Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz und das Landar­beitsgesetz 1984 geändert werden;

Gesundheitsausschuss:

Antrag 1808/A(E) der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abgabe von Veterinär-Arzneispezialitäten zur Parasitenbekämpfung bei Reh­wild an Jagdschutzorgane in der Schonzeit;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 1809/A der Abgeordneten Günter Kößl, Otto Pendl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivil­dienstgesetz 1986 – ZDG) geändert wird;

Justizausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 und das Maklerge-
setz geändert werden (Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2012 – VersRÄG 2012) (1632 d.B.);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 1810/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Komplettreform der AMA und Auflösung der Agrarmarkt Austria Marketing GesmbH „AMA-Marketing“;

Verfassungsausschuss:

Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (1618 d.B.),

Dienstrechts-Novelle 2011 – Pädagogische Hochschulen (1626 d.B.);

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schul­zeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bildungs­dokumentationsgesetz, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Minder­heiten-Schulgesetz für Kärnten, das Privatschulgesetz und das Religionsunterrichtsge­setz geändert werden (1631 d.B.).

C. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Aufnahme der Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Re­publik Österreich und der Regierung der Republik Moldau über die gegenseitige Hilfe-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 40

leistung bei Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen und die Zusammenar­beit bei deren Prävention.

*****

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Um den Punkt 19 der Tagesordnung jedenfalls in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzu­sehen.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Ab­geordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz (1651 d.B.).

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 5 und 6, 7 und 8 sowie 12 bis 14 der Tagesordnung jeweils zusammenzufas­sen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortungen 9330/AB und 9393/AB

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 9330/AB der Anfrage 9437/J der Abgeordneten Mag. Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend missverstandenen Dialog: ÖVP/SPÖ unterstützen das „Internationale König-Abdullah-Bin-Abdulaziz Zentrum für Interreligiö­sen und Interkulturellen Dialog“ durch den Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Weiters teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 9393/AB der Anfrage 9496/J der Abgeordneten Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Anzeige des Justiz­ministeriums gegen den Abgeordneten Gerald Grosz vom 24.5.2011 und das Verfah­ren 30St183/11i-1 wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses in Be­zug auf seine Tätigkeit im ÖBB-Unterausschuss des Rechnungshofausschusses durch die Frau Bundesministerin für Justiz abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet im Anschluss an die zuvor bekannt gegebene kurze De­batte statt.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonfe­renz wurde Konsens über die Dauer der Debatte erzielt. Demgemäß wurde eine Ta-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 41

gesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten er­geben: SPÖ und ÖVP je 98 Minuten, FPÖ 88 Minuten, Grüne 77 Minuten sowie BZÖ 74 Minuten.

Für die erste Lesung zum Bildungsvolksbegehren – bis zirka 12.35 Uhr wird es die Fernsehübertragung direkt auf ORF 2 geben – wurde folgende Redeordnung verein­bart: erste Runde je 6 Minuten, ein Regierungsmitglied der SPÖ 6 Minuten; eine Runde mit je 6 Minuten, ein Regierungsmitglied der ÖVP 6 Minuten; eine weitere Redner-/Red­nerinnenrunde mit 5 Minuten und dann noch einmal eine mit 5 Minuten.

Allfällige tatsächliche Berichtigungen werden am Ende der Debatte aufgerufen.

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung vor, die Redezeit jedes Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.29.351. Punkt

Erste Lesung: Volksbegehren „Bildungsinitiative“ (1647 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen somit zum 1. Punkt der Tages­ordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Mayer mit einer soeben beschlossenen Redezeit von 6 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


10.30.01

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens, allen voran Herr Dkfm. Dr. Hannes Androsch! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einlei­tend mit einem Dank an die Initiatoren beginnen, weil es für jeden, der bildungspolitisch unterwegs ist und beseelt ist, im Bildungsbereich das Beste für die kommenden Gene­rationen zu schaffen, wichtig ist, möglichst breite Unterstützung zu haben. Und wenn eine Unterstützung kommt über das Parlament hinaus, die von verschiedensten Orga­nisationen getragen ist, ist das natürlich etwas, das die Arbeit beflügeln muss und be­flügeln wird. Davon bin ich überzeugt. Daher herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Walser.)

Ich möchte aber an den Dank auch ein Lob anschließen, denn es ist nicht selbstver­ständlich. Ich weiß, wenn es gegen Atomkraft, gegen Gentechnik, gegen ein Konfe­renzzentrum und andere Dinge geht, ist es leichter, Leute zu motivieren, sie dazu zu bringen, zum Gemeindeamt zu gehen, ihre Stimme abzugeben. Wenn man ein Thema seriös aufarbeitet – und dieses Kompliment kann ich machen, es wurde höchst seriös aufgearbeitet, breit in zwölf Punkte aufgefächert –, das dann auch so hinüberzubrin­gen, dass die Leute bereit sind, hinzugehen, sich damit auseinanderzusetzen und dann zu wissen, was sie unterschreiben, und das bewusst zu tun, dann, glaube ich, ist das ein sehr wichtiger Schritt. Das hat auch mich persönlich veranlasst, am Schluss dieser Bewegung bei Standaktionen und bei anderen Initiativen mit dabei zu sein und Wer­bung dafür zu machen.

Wir alle wissen, selbst wenn einmal die zwölf Forderungen des Bildungsvolksbegeh­rens erfüllt sind: Schule bewegt sich weiter. Sie wird nie stehen bleiben, und die Bil­dungsherausforderungen werden auch für kommende Generationen andere sein. Da-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 42

her ist es wichtig, dass wir hier laufend an diesem Prozess teilnehmen und mit dabei sind und daher auch mit eingebunden.

Daher eine Gratulation für das Ergebnis. Fast 400 000 Menschen waren es, die den Weg gesucht haben zu den Gemeindeämtern, zu den Behörden, die ihre Unterschrift getätigt haben – das ist immerhin mehr, als mein Heimatbundesland Einwohner hat –, die qualitativ bewusst dieses Zeichen gesetzt haben. Daher vielen Dank und Gratula­tion für dieses Ergebnis! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Ich möchte in diesen Dank aber auch – und das sage ich auch ganz offen – sämtliche Fraktionen des Hauses mit einschließen, besonders die Frau und die Herren Bildungs­sprecher der einzelnen Fraktionen. Es war gestern in einer Zusammenkunft gemein­sam mit den Klubdirektoren, den Bildungssekretären, den Bildungssprechern eigentlich ein Leichtes, Einvernehmen darüber zu finden, wie wir mit diesem Volksbegehren um­gehen – zum Teil war die Diskussion insgesamt auch getragen davon: wie kann man Demokratie erweitern, ausbauen, wie kann man Bürgernähe zeigen? –, und es war in einem wirklich einmaligen Schulterschluss klar, diese zwölf Punkte, wie auch mit den Initiatoren abgesprochen, in fünf Themenblöcke zusammenzufassen. Wir wollen diese Themen in fünf einzelnen Sitzungsteilen mit Experten und mit den Initiatoren behan­deln und sind überzeugt davon, dass wir dann auch den entsprechenden Schub be­kommen.

Dazu haben wir gestern auch beschlossen, dass ein besonderer Ausschuss eingesetzt werden soll, und ich darf nun diesen Antrag auch formell einbringen.

Antrag

„Die unterzeichneten Abgeordneten“ – das sind die Bildungssprecher der fünf parla­mentarischen Fraktionen Elmar Mayer, Werner Amon, Walter Rosenkranz, Harald Wal­ser und Ursula Haubner – „beantragen in der ersten Lesung des Volksbegehrens ,Bil­dungsinitiative‘ (1647 der Beilagen), zur Vorberatung dieses Volksbegehrens gemäß § 87 Abs. 1 GOG einen besonderen Ausschuss zu wählen, der aus 26 Mitgliedern und ebenso vielen Ersatzmitgliedern bestehen soll.“

*****

Ich bitte Sie, Frau Präsidentin, dann über diesen Antrag abstimmen zu lassen.

Meine Damen und Herren, ich meine, dass mit diesem Volksbegehren wichtige Hand­lungsfelder, viele Bereiche abgedeckt sind. Wir werden einen Bereich heute noch mit­zudiskutieren haben, wenn es um Nichtsitzenbleiben, um Begabungs-, um Talente-För­derung geht, wenn wir heute gemeinsam die Oberstufenreform, die modulare Oberstu­fe beschließen werden. Damit werden erste Schritte genau dorthin gesetzt, was auch die Initiatoren wollen. Wir werden dann in der Detaildebatte dazu darauf zurückkom­men. Wenn wir diesen gestern gesetzten ersten Schritt gemeinsam mit den außerpar­lamentarischen Initiativen, mit den Verbänden und den Vereinen, die da mit dabei sind, weitergehen, dann, glaube ich, ist es möglich, wirklich – wie das immer gefordert wird – diesen nationalen Schulterschluss zu erreichen.

Unser Ziel ist es, dass möglichst kein Jugendlicher auf der Strecke bleibt. Wir wollen, wie es Hannes Androsch immer sehr geschickt oder intellektueller formuliert, das Bil­dungsniveau heben bei sozialer Durchlässigkeit.

Meine Damen und Herren! Wir müssen aber gleichzeitig – da komme ich auf einen heute erschienenen aktuellen Artikel zu sprechen, weil das eine wichtige Herausforde­rung ist – auch auf entsprechende Begabungen und Talente schauen und auch die for-


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dern und fördern. Auch da verweise ich wieder auf die kommende Debatte mit der Oberstufenreform. Erste Schritte dazu werden gesetzt werden.

Zum Abschluss: Bei allen Bemühungen und bei allen Initiativen, die wir setzen, dürfen wir eines nicht vergessen: Die entscheidenden Player, auch in einer neuen Schule, sind ausreichend qualifizierte und bis in die Zehenspitzen motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Wir brauchen eine Imagekampagne, die das Ansehen der Lehrerschaft erhöht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kopf.) Wir brauchen ein Dienstrecht, das neuen, engagierten, talentierten jungen Leuten den Weg eröffnet und sie motiviert, in den Lehrberuf einzusteigen, und nicht zuletzt brauchen wir eine Ausbildung, die den moder­nen wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht.

Wenn wir das alles ernst meinen und gemeinsam diese Initiativen in den nächsten vier, fünf Monaten setzen, dann bin ich überzeugt davon, ein nationaler Schulterschluss ist möglich. Es lohnt sich, gemeinsam für unsere Kinder und gemeinsam für unsere Zu­kunft dafür zu kämpfen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben verlesene Antrag ist bereits einge­langt, steht mit in Verhandlung und wird am Ende der Debatte natürlich auch zur Ab­stimmung gebracht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

(gem. § 87 Abs. 1 GOG)

der Abgeordneten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Dr. Walter Rosenkranz, Dr. Ha­rald Walser, Ursula Haubner

auf Wahl eines besonderen Ausschusses gemäß § 87 Abs. 1 GOG

Die unterzeichneten Abgeordneten beantragen in der Ersten Lesung des Volksbegeh­rens „Bildungsinitiative“ (1647 der Beilagen), zur Vorberatung dieses Volksbegehrens gemäß § 87 Abs. 1 GOG einen besonderen Ausschuss zu wählen, der aus 26 Mitglie­der und ebenso vielen Ersatzmitgliedern bestehen soll.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


10.36.49

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns heute in der ersten Lesung mit dem Bildungsvolksbegehren, dem sogenannten Volksbegehren „Bildungsinitiative“, auseinandersetzen, so ist das auch Ausdruck dessen, dass wir Instrumente der direkten Demokratie – und das ist ein solches Volksbegehren zweifelsohne – sehr, sehr ernst nehmen wollen.

Ein Volksbegehren ist die Möglichkeit der Zivilgesellschaft, sich mit Interessen und mit Anliegen an die Politik zu wenden. Jetzt mag vielleicht der eine oder andere die Mei­nung vertreten, dass ein ehemaliger Vizekanzler, ein ehemaliger Landtagsklubobmann, ein Industriepräsident gleichsam nicht die Paradepersonen, die Paradevertreter der Zi­vilgesellschaft sind. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass man ein solches Volks-


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begehren, das ja in Wahrheit von einer breiten Gruppe von Bildungsinteressierten ge­tragen wird und das vor allem von mehr als 400 000 Menschen in Österreich unter­schrieben worden ist, ernst nimmt und sich damit auch ernsthaft auseinandersetzt.

Es geht darum, dass wir uns die Inhalte anschauen, Inhalte, über die wir heute nicht im Detail diskutieren, weil das natürlich den Rahmen der vorgegebenen Zeit sprengen würde, aber wir haben uns – und das hat mein Kollege Mayer ja schon ausgeführt – gestern unter den Bildungssprechern aller Parteien auf eine gemeinsame Vorgangs­weise geeinigt. Wir werden heute gemeinsam einen besonderen Ausschuss beschlie­ßen, der sich mit diesem Volksbegehren auseinandersetzt, und – das hat er noch nicht gesagt – wir wollen uns auch bemühen, am Ende dieser Beratungen, die umfassend sein sollen, in einer gemeinsamen Entschließung das zum Ausdruck zu bringen, was uns eint.

Es gibt natürlich Punkte in diesem Volksbegehren, die ob der Dauer von der Idee bis zur Umsetzung schon erledigt sind, es gibt Punkte, die allgemeiner formuliert sind und wo man sich sicherlich im Detail schwertut, zu interpretieren, was denn damit gemeint ist, es gibt Punkte, die sehr zu unterstützen sind, und natürlich auch Punkte, zu denen wir als Volkspartei eine divergierende Meinung haben.

Es gibt in der Bildungspolitik immer wieder den Ruf nach dem großen Wurf, nach der ganz großen Reform, die umfassend alles und mit einem Schlag erledigt. Ich glaube, das ist eine Illusion. Es ist wichtig, dass man sich auch die Details näher ansieht. Und wenn wir das derzeit gültige Regierungsübereinkommen betrachten und wenn wir das betrachten, was vonseiten der Regierungsparteien bis jetzt – und wir befinden uns ja erst in der Mitte der Legislaturperiode – umgesetzt wurde, müssen wir sagen, es ist na­türlich jeder Punkt für sich genommen Stückwerk, aber abgerechnet wird am Schluss. Und wenn man am Ende das ganze Werk betrachtet, dann wird man auch sehen, dass es sich durchaus um eine Reform aus einem Guss handelt, dass wir von der frühkind­lichen Pädagogik, von der Entwicklung im Kindergarten über die Volksschule, über die Sekundarstufe 1, die Sekundarstufe 2 bis hin zu den Universitäten Bildungspolitik und Bildungsreform sehr, sehr ernst nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Bemerkenswert ist, was Markus Hengstschläger heute im „Kurier“ sagt, etwa: „Der Durchschnitt ist eine evolutionäre Sackgasse.“ Oder wenn er sagt: „Ein Kind, das zwei, drei Nicht genügend hat, kann woanders ein Genie sein“, dann unterstützt er eigentlich jene Reformen, die wir zum Beispiel heute beschließen. Ich denke nur an die Oberstu­fenreform, wo wir eben genau das, was er sagt, umsetzen. Ich zitiere:

„Ich kenne kaum ein anderes Land, das ein so effizientes System entwickelt hat, sei­nem Gegenüber zu erklären, was es nicht kann ...“.

Gerade die Oberstufenreform, die wir heute beschließen, wird den jungen Menschen in der Sekundarstufe 2 künftig deutlicher „sagen“, was sie können, und etwas weniger deut­lich, was sie nicht können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Wurm: und was nicht geht!)

Also die Bildungsreform ist unterwegs, meine Damen und Herren. Das Bildungsvolks­begehren trifft mitten in diese Reform hinein, in der Mitte der Legislaturperiode. Wenn Sie einen Blick in das Regierungsübereinkommen werfen und sich die Punkte anse­hen, die wir bereits erledigen konnten – die Schulaufsicht Neu, das neue Schulleiter­profil, die schulische Tagesbetreuung, die wir ausgebaut haben, die Oberstufenreform, die wir heute beschließen werden, die Neue Mittelschule, die sich bereits im Diskurs im Haus befindet, das Nachholen von Bildungsabschlüssen, wo es erstmals in der Ge­schichte in diesem Bereich eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Bundesländern gibt –, werden Sie merken, da ist einiges bereits geschehen.

Wichtige Elemente haben wir vor uns, die neue Lehrerbildung etwa oder ein einheitli­ches Lehrerdienstrecht. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Keine


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Bildungsreform kann aber ohne jene funktionieren, die das System tragen, und das sind motivierte Lehrerinnen und Lehrer. Ihnen gilt mein Dank, ihnen gilt auch unsere Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Strache zu Wort. – Bitte.

 


10.43.14

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich begrüße Herrn Dr. Androsch und die Initia­toren des Volksbegehrens und möchte selbstverständlich auch alle Maßnahmen be­grüßen, die dazu führen, dass man endlich den bildungspolitischen Bereich wieder ernsthaft auch hier im Hohen Haus behandelt. Dazu haben Sie beigetragen, auch wenn wir durchaus unterschiedliche Positionen vertreten. Es ist gut, wenn es direktde­mokratische Initiativen wie das Volksbegehren gibt, aber diese Initiativen sollten weiter ausgebaut werden, denn sie sind leider zu schwach. Und ich befürchte, dass auch Ihr Volksbegehren hier in diesem Hohen Haus einen Weg gehen wird, den wir schon bei so vielen Volksbegehren erleben mussten, nämlich eine Schubladisierung nach einer Ausschussbehandlung – und dann im Wesentlichen leider Gottes keine Umsetzung, auch nicht wichtiger Dinge, wie sie zum Teil auch in diesem Volksbegehren gefordert werden.

Ich sage daher ganz deutlich, wir Freiheitlichen fordern den Ausbau der direkten De­mokratie und würden uns auch wünschen, dass Initiatoren von Volksbegehren nach ei­nem erfolgreichen Volksbegehren auch endlich ein Rederecht hier im Hohen Haus er­halten. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir würden uns auch wünschen, endlich im Sinne des Schweizer Vorbildes die direkte Demokratie in Österreich umzusetzen, wie wir Freiheitlichen uns das vorstellen, näm­lich dass ab 4 Prozent an Unterstützern für ein Volksbegehren auch eine verbindliche Volksabstimmung stattzufinden hat (Beifall bei der FPÖ) und das jeweilige Ergebnis bei einer 30-Prozent-Beteiligung auch verbindlich von der jeweiligen Bundesregierung um­zusetzen ist.

Das wäre bei diesem Volksbegehren der Fall. Hier wurde die 4-Prozent-Quote deutlich überschritten, auch wenn die Initiatoren wesentlich hochtrabendere Pläne hatten und von bis zu einer Million Unterschriften, die man erreichen wollte, gesprochen haben. So gesehen ist man klar unter der eigenen Erwartung geblieben.

Aber als man gesagt hat, dass das vielleicht nicht ein gar so großer Erfolg war, war gestern vonseiten der Grünen zu hören: Na ja, das kann man so nicht sehen. – Ich möchte nur daran erinnern: Beim Volksbegehren der Freiheitlichen „Österreich zuerst“, wo wesentlich mehr Österreicher trotz schwieriger Umstände und auch einer Medien­landschaft, die intensiv sozusagen gegen das Volksbegehren berichtet hat, unter­schrieben haben, haben Sie damals von „Flop“, „Desaster“ und „Scheitern“ gesprochen.

Ein Verdienst hat das Volksbegehren auf jeden Fall, nämlich das, dass das Thema Bildung endlich wieder in der Öffentlichkeit behandelt wird und dass der Fokus darauf gerichtet wird. Und das ist gut.

Es sind gute Punkte im Volksbegehren enthalten, wie etwa die Schulverwaltungsre­form, die absolut notwendig ist. Und es ist auch absolut notwendig, auch eine Dienst­hoheit in einer Hand sicherzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie Kollege Amon bereits festgehalten hat, ist auch der eine oder andere Punkt bereits umgesetzt worden, aber es sind im Volksbegehren auch Punkte vorhanden, die wir grundsätzlich ablehnen und zu denen wir eine andere Position einnehmen. Wir sind


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der Meinung, es sind auch Punkte aus der bildungspolitischen Mottenkiste der SPÖ vorhanden, die wir anders sehen, wenn man die Gesamtschule aller Zehn- bis Vier­zehnjährigen beispielsweise hernimmt, die bisher in allen Ländern, in denen sie einge­führt worden ist, zu einer absoluten Verschärfung der sozialen Unterschiede geführt hat.

Ebenso durch Studien belegt ist die Verschlechterung des Bildungsniveaus im Bereich der Gesamtschule dort, wo sie eingeführt wurde. Hiezu gibt es Studien. Auch die Stu­dien des Max-Planck-Instituts zeigen auf, dass zum Beispiel in Deutschland Bundes­länder ohne Gesamtschule jenen mit dieser Schulform im Vergleich um bis zu zwei Jahre voraus sind. Und das sollte man ernst nehmen. Da sollte man nicht einfach so salopp darüber hinweggehen, wie das manche vonseiten der SPÖ tun. Es kann also die Gesamtschule nicht das Allheilmittel schlechthin sein. Der Unterricht muss verbes­sert werden, der Unterricht muss sich ändern – aber nicht die Schulform. (Beifall bei der FPÖ.)

Und es braucht natürlich auch Differenzierung. Wir Menschen sind nicht alle gleich, daher braucht es auch Differenzierung. Es gibt unterschiedliche Begabungen, unter­schiedliche Schwächen und Stärken, auf die man auch eingehen muss. Das ist we­sentlich und entscheidend, und wir wollen maximale Bildungschancen für alle Kinder in unserer Gesellschaft sicherstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu einem Thema hat sich das Volksbegehren leider mit wesentlichen Problemen nicht auseinandergesetzt, Themen, die ich zwar mit Androsch besprochen habe im Vorfeld des Volksbegehrens, die aber nicht Eingang gefunden haben, nämlich dass die PISA-Tests ja auch aufzeigen, dass wir leider Gottes ein Absinken des Bildungsniveaus erle­ben, aber oftmals die Analyse fehlt oder eine falsche ist, warum das der Fall ist.

Wir haben natürlich aufgrund der Migrationspolitik massive Schwierigkeiten. Wir haben viele Beispiele gerade in den Großstädten, auch in Wien, wo wir in den Hauptschulen von Hernals zum Beispiel einen Migrantenanteil von 91 Prozent haben, in Margarethen von 87 Prozent, in der Brigittenau ist die Muttersprache von nur 36 Prozent der Gym­nasiasten Deutsch. Und gleichzeitig spart man in Wien unter einer SPÖ/Grün-Landes- und Stadtregierung im letzten Schuljahr 160 weitere Lehrer ein, und es werden weitere 140 Stellen gestrichen! Das heißt, man spart am falschen Platz. Wir brauchen Lehrer, wir brauchen kleinere Klassenschülerzahlen, denn dort hapert es.

Und wir müssen uns auch überlegen, wie wir auf Sprachprobleme von Kindern mit Mi­grationshintergrund rechtzeitig eingehen können (Beifall bei der FPÖ), nämlich mit ei­ner verpflichtenden Deutsch-Vorschule, wie wir Freiheitlichen sie fordern, ab dem fünf­ten Lebensjahr, wie das etwa in Finnland bezüglich der Muttersprache der Fall ist und auch zu guten PISA-Ergebnissen führt. Dort gehen fünfjährige Kinder, die kaum der fin­nischen Sprache mächtig sind, in eine Finnisch-Vorschule.

Also hier ist viel zu tun, denn wir erleben leider Gottes, dass das Bildungsniveau dra­matisch gesunken ist – auch aufgrund dieser Umstände. Bei der Jugendarbeitslosigkeit ist festzustellen, dass zwei Drittel der Betroffenen Jugendliche mit Migrationshinter­grund sind, weil sie, wenn sie sich wo vorstellen, oft schlechte Mathematik- und Deutsch­kenntnisse haben und dann vom Lehrherren nicht aufgenommen werden.

Das ist ein negativer Umstand, dem man entgegentreten muss. Es muss sich daher auch in diesem Bereich einiges ändern.

Und da bin ich nicht so positiv gestimmt, denn wenn ich mich umdrehe, sehe ich auf der Regierungsbank zwei Persönlichkeiten – Bundesministerin Dr. Schmied und Bun­desminister Dr. Töchterle – sitzen (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzei­chen) – das zum Abschluss –, die eine Fleisch gewordene Blockade darstellen. Man sieht es auch an ihrer Körpersprache, wie sie miteinander umgehen. Da erwarte ich lei-


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der Gottes nicht viel. Ich hoffe aber, dass jetzt doch dahin gehend Initiativen gesetzt werden, dass wir alle die Bildungsprobleme, die wir in unserem Land haben, ernst neh­men und beginnen, sie gemeinsam zu lösen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wal­ser zu Wort. – Bitte.

 


10.49.46

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Geschätzte Vertreterinnen und Vertreter des Bildungsvolksbegeh­rens! Dem Bildungspolitiker Strache ist da leider einiges durcheinandergeraten. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Herr Oberlehrer!) Herr Strache, ich kann nicht auf alles eingehen, aber wenn Sie von Gesamtschulen in Deutschland sprechen, dann sa­gen Sie mir bitte, wo es eine solche gibt.

Es gibt Schulen, die sich so nennen, aber wenn es neben sogenannten Gesamtschu­len auch Gymnasien, auch Hauptschulen gibt, dann sind das eben per definitionem keine Gesamtschulen, sondern das ist in Deutschland lediglich ein Etikettenschwindel. Und genau den gleichen Etikettenschwindel machen wir jetzt in Österreich mit der Neu­en Mittelschule, die in Wirklichkeit keine Weiterentwicklung unseres Bildungssystems ist, sondern sogar ein Schritt zurück. (Abg. Dr. Graf: Das haben wir euch immer schon gesagt!) Aber darauf werden wir dann in der Spezialdebatte eingehen, wenn dieses Gesetz beschlossen werden wird.

Ich muss leider auch dem Kollegen Amon widersprechen – und das traue ich mich ja fast nicht, nachdem wir ja wirklich gute Gespräche geführt haben, aber vielleicht kann man das ein bisschen erweitern. Herr Kollege Amon, Sie haben hier völlig zu Recht den Genetiker Markus Hengstschläger zitiert – auch ich kann das alles unterschrei­ben –, Sie verschweigen aber die Überschrift, die der „Kurier“ in diesem Zusammen­hang verwendet hat, nämlich: „Österreichs Schulpolitik macht Talente kaputt“, so heute im „Kurier“.

Herr Kollege Amon, Sie hätten auch das zitieren sollen, denn das sagte Markus Hengstschläger auch. Ja, das ist die Realität unseres Schulsystems: Mit diesem Schul­system werden Talente kaputt gemacht!

Deshalb mein besonderer Dank an die Paradevertreter der österreichischen Gesell­schaft – und auch da möchte ich dem Kollegen Amon widersprechen, denn hier haben wir nicht nur die gesellschaftliche Breite unserer Gesellschaft anwesend, sondern wir haben engagierte Menschen, die, wie sie alle da oben (in Richtung Zuschauergalerie) sitzen, für unsere Kinder eingetreten sind und daher wirklich als Paradevertreter zu bezeichnen sind. Ich bedanke mich jedenfalls ausdrücklich dafür. (Beifall bei den Grü­nen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Ergebnis dieses Bildungsvolksbegehrens ist ein sensationelles angesichts der Umstände, unter denen es stattgefunden hat. Merken Sie nicht, wie in diesem Land die Politikverdrossenheit um sich greift?! Merken Sie nicht, wie sich in diesem Land immer mehr Menschen von der Politik abwenden, nichts mehr damit zu tun haben wollen, kein Vertrauen mehr haben in das, was wir hier tun und beschließen?! Und angesichts sol­cher Umstände unterschreiben fast 400 000 Menschen ein Volksbegehren für eine bes­sere Bildung.

Kollege Strache, das sind Menschen, die nicht mit prallgefüllten Parteikassen zu einer Unterschrift aufgefordert worden sind. Sie machen Ihre sogenannten Volksbegehren, die in Wirklichkeit Parteibegehren sind (Zwischenrufe bei der FPÖ), noch dazu mit Geld, von dem kein Mensch weiß, woher es kommt, weil Sie Ihre Parteifinanzen nicht offenlegen. (Abg. Strache: Hat der ORF keine Werbung gemacht? Industrielle!)


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Beim vorliegenden Volksbegehren wurden Menschen initiativ, die nicht auf Parteigelder zurückgreifen konnten, sondern die ihr Engagement eingesetzt haben. Und auch das gilt es, zu berücksichtigen, und auch das gilt es, positiv herauszustreichen. (Beifall bei den Grünen.)

Zu Recht haben daher diese fast 400 000 Menschen hohe Erwartungen in das, was wir jetzt mit diesem Bildungsvolksbegehren tun. Es stimmt, was der Bildungssprecher der SPÖ, Elmar Mayer, gesagt hat: Wir brauchen auch da ein besseres Klima, aber mit Imagekampagnen alleine – das darf ich Ihnen schon sagen, Kollege Mayer – wird es nicht getan sein. (Abg. Ing. Westenthaler: Der geht am Bettelstab, der Herr Androsch!)

Es bedarf reeller Verbesserungen, Kollege Amon. Wir brauchen den großen Wurf, von dem Sie glauben, er sei nicht möglich. Warum soll er nicht möglich sein? Setzen wir uns zusammen, diskutieren wir vernünftig, hören wir auf das, was uns die Expertinnen und Experten zu sagen haben werden in den kommenden Sitzungen – und ich bin si­cher, dann wird uns dieser große Wurf gelingen. Unsere Kinder verdienen das jeden­falls. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte auch auf eine andere Studie eingehen; ich werde das dann vielleicht in der nächsten Debatte machen. Jedenfalls wollte ich noch darauf verweisen, wie viele Kin­der bei uns Angst haben vor der Schule. Auch das ist doch ein Phänomen, das uns zu denken geben muss.

Insgesamt ist klar, dieses Bildungsvolksbegehren kann eine Art Rettungsgasse für un­sere Schule sein. Dieses Bildungsvolksbegehren kann dazu führen, dass wir diese Rettungsgasse bilden. Die beiden Regierungsparteien blockieren derzeit leider noch. Die ÖVP müsste vielleicht auf die rechte Seite fahren – da sind Sie momentan ohnehin schon relativ gut unterwegs, wenn ich mir Ihre Äußerungen so anhöre –, und den So­zialdemokraten wird es guttun, ein bisschen nach links abzuweichen; dann wäre die Mitte frei. Dann können wir mit dem Bildungsvolksbegehren durchstarten und diese Reformen, die wir so dringend brauchen, auch wirklich durchführen.

Ich darf schließen mit dem, was wir Ihnen seit Jahren immer wieder predigen. Es gibt ein oberstes Prinzip, an dem sich unser Tun hier im Parlament zu orientieren hat, es gibt einen Grundsatz, den wir einzuhalten haben: Jedes Kind in Österreich hat diesel­ben Chancen zu haben, und jedes Kind muss gefördert werden. Es darf nicht sein, dass der Geburtsort über die Bildungschancen entscheidet. Da sind wir gefordert, und von da her ist für uns Grüne klar: Es darf kein Kind zurückgelassen werden! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Haubner zu Wort. – Bitte.

 


10.56.02

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer und Zu­seher auf der Galerie! „Bildung bestimmt die Zukunft jedes/jeder Einzelnen, somit der Gesellschaft und des wirtschaftlichen Wohlstandes eines Landes.“ – Das ist einer der Kernsätze aus dem Bildungsvolksbegehren, ein Volksbegehren, das rund 400 000 Bür­gerinnen und Bürger unterschrieben haben, um auf eine Situation aufmerksam zu ma­chen, die absolut reformbedürftig ist.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen in Gegenwart und Zukunft gut ausgebildete Menschen. Wir brauchen aber vor allem auch gebildete Menschen, die den notwendigen Anforderungen der Lebens- und Arbeitswelt gerecht werden. Wir brauchen leistungsfähige Bürgerinnen und Bürger mit hohen fachlichen und sozialen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 49

Kompetenzen. Wir brauchen Menschen mit guten Qualifikationen, denn das entschei­det letztendlich über persönlichen Erfolg oder Misserfolg, aber auch über Wohlstand oder Armut des Einzelnen – und letztendlich auch der Gesellschaft.

Eine der Voraussetzungen dafür ist ein effizientes, modernes Schul- und Bildungssys­tem, eines – und das ist ja heute schon angesprochen worden –, wo wirklich Talente und Stärken gefördert und gefordert werden, wo man aber die Schwachen nicht zu­rücklässt, sondern ihnen die notwendige Unterstützung gibt, wo Bewährtes weiterent­wickelt wird, wo man aber auch neue Ideen zulässt.

Wir haben in Österreich derzeit eines der teuersten Schulsysteme – mit letztendlich leider Gottes mittelmäßigen Ergebnissen. Dieses Schulsystem, das wir nach wie vor haben – bei allen Bemühungen auch der zuständigen Ministerin –, ist geprägt von überbordender Bürokratie, von Mehrgleisigkeiten sowie von Kompetenzwirrwarr in der Schulverwaltung. Und dieses Kompetenzwirrwarr und diese Mehrgleisigkeiten werden auch als parteipolitische Spielwiese verwendet. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Wir haben für diesen Bereich nach wie vor ein Budget – das wurde hier in diesem Hau­se beschlossen –, das kaum Gestaltungsspielraum in der Schule lässt, denn über 90 Pro­zent fließen in Personalkosten. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich persönlich habe das Bildungsvolksbe­gehren unterschrieben, weil viele Punkte übereinstimmend sind mit dem Bildungskon­zept des BZÖ, mit Anträgen, die schon seit Wochen, ja Monaten in den Ausschüssen liegen und immer wieder vertagt werden. Ich habe dieses Volksbegehren auch deshalb unterschrieben, weil ich meine, dass es ein mögliches Druckmittel gegen den Stillstand von SPÖ und ÖVP in ihrer Regierungsarbeit ist. (Beifall beim BZÖ.)

Lassen Sie mich drei Beispiele herausgreifen. Wichtig ist, glaube ich, die Stärkung der Schulautonomie, dass Schulen wirklich pädagogische Dienstleister sind – und das auch umsetzen können.

Wir brauchen eine Trennung zwischen pädagogischer und administrativer Leitung. Es gibt Verwaltungsebenen, die eingespart werden können, so zum Beispiel die Be­zirksschulräte, und wir brauchen Neuordnungen der Landesschulräte zu Landesbil­dungsdirektionen. Wir brauchen ganz klare Zuständigkeiten von Bund und Ländern. In dieser Sache geht seit Beginn dieser Legislaturperiode überhaupt nichts weiter.

Wir brauchen ein einheitliches Lehrer-Dienst- und Besoldungsrecht, das leistungsorien­tiert gestaltet ist, mit höheren Einstiegsgehältern, aber auch mit einer klaren Definition der Aufgaben und Tätigkeiten der Pädagoginnen und Pädagogen im Rahmen einer Ge­samtdienstzeit. Darauf warten wir. Es wurde versprochen, aber es liegt noch nichts vor.

Wir brauchen drittens eine gemeinsame Aus- und Weiterbildung der Pädagoginnen und Pädagogen, beginnend bereits bei jenen im Kindergarten, mit einer fachspezifi­schen Vertiefung an den Universitäten. Wir brauchen bei den Lehrerinnen und Lehrern von den Guten nur die Besten, und es muss auch in Zukunft wieder eine Auszeichnung sein, Lehrer zu sein und Lehrer sein zu dürfen. Auch in diesem Bereich warten wir auf Ergebnisse.

Ich möchte in dieser ersten Lesung jetzt nicht bestreiten, dass wir heute zwei Dinge be­schließen, die gut sind, nämlich das Förderprogramm für jene, die keinen Pflichtschul­abschluss haben, und auch die modulare Oberstufe, der wir teilweise unsere Zustim­mung geben werden; Kollege Petzner wird noch genauer darauf eingehen. Ich stehe aber auch hier, um zu sagen: Die Österreicherinnen und Österreicher haben bisher ge­nug gezahlt; genug gezahlt für eine aufwendige Schulverwaltung (Abg. Dr. Graf: Des­wegen müssen wir Studiengebühren einführen – laut BZÖ!), genug gezahlt für Reform­bremser und genug gezahlt für parteipolitische Einflussnahme! (Beifall beim BZÖ.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeit drängt. Investieren wir das Geld dort, wo es notwendig ist: in die Fähigkeiten und Talente unserer Kinder, in die sprachliche Frühförderung, in ein Arbeitsumfeld, in dem sie wirklich erfolgreich lernen können, und in die bestmotivierten Lehrer! Wir haben uns auf einen Sonderausschuss geeinigt – wichtig ist das Ergebnis. Ich bin schon gespannt, wie ernst die Regierungsparteien die­se Situation und diese Forderungen nehmen, denn, wie gesagt, die Zeit drängt, und, wie Rechnungshofpräsident Moser einmal so treffend gesagt hat: Wenn wir nichts tun, dann frisst die Vergangenheit die Zukunft auf. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

11.02


Präsident Fritz Neugebauer: Nun erteile ich Frau Bundesministerin Dr. Schmied das Wort. – Bitte.

 


11.02.41

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Initiatoren des Bil­dungsvolksbegehrens! Ich möchte dort anschließen, worauf auch Klubobmann Strache in seinen Ausführungen den Schwerpunkt gelegt hat. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass die Instrumente der direkten Demokratie ernst genommen werden – wie das auch Herr Abgeordneter Amon bekräftigt hat –, und es ist für mich daher auch wichtig, dass wir hier im Hohen Haus gemeinsam mit den Initiatoren und Proponenten des Bildungs­volksbegehrens wertschätzend in die Diskussion einsteigen. Ich denke, es hat wichtige demokratiepolitische Implikationen und gerade beim Bildungsthema auch wichtige Ef­fekte auf die Jugend, wie wir mit dem Bildungsvolksbegehren in der Wertschätzung, im Respekt, in der Ernsthaftigkeit umgehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Allein durch die öffentliche Debatte, die lange vor Beginn der Eintragungsfrist geführt worden ist, ist enorm viel Dynamik in die Bildungspolitik gekommen. Viele Projekte, die wir – viele auch gemeinsam – hier im Hohen Haus im Jahr 2011 beschlossen haben, haben von dieser Dynamik profitiert. Ich freue mich daher sehr, dass es gemeinsam gelungen ist, jetzt auch einen Fahrplan für die weitere Behandlung der wichtigen The­men hier im Hohen Haus zu vereinbaren. Ich denke, dass wir bei den Verhandlungen auch Expertenmeinungen hören werden – ich denke dabei auch an Experten/Expertin­nen aus dem Feld der Hirnforschung, der Name Hengstschläger ist bereits gefallen –, sodass wir auch wirklich in eine fundierte inhaltliche Diskussion einsteigen können.

Liebe Frau Abgeordnete Haubner! Auch wenn wir in ganz vielen Punkten oft einer Mei­nung sind, in einem Punkt muss ich Ihnen heute mit Vehemenz widersprechen: Das Wort „Stillstand“ in der Bildungspolitik kann ich einfach nicht gelten lassen. Wir haben mittlerweile 45 Regierungsvorlagen gemeinsam erarbeitet.

Wenn das Volksbegehren fordert – ich darf zitieren –, wir wollen „ein faires, effizien­tes  Bildungssystem, das vom Kleinkind an alle Begabungen fördert und Schwächen ausgleicht“, dann kann ich – dem Rat von Bernd Schilcher folgend, der mir ganz zu Beginn gesagt hat: Bei der Bildungspolitik brauchen wir den Mut zur Gleichzeitigkeit! – jetzt eine ganze Liste von Maßnahmen aufzählen, die wir bereits gesetzt haben: ver­pflichtendes Kindergartenjahr, dazu gab es im Übrigen auch einmal ein Volksbegehren; Senkung der Klassenschülerzahl; Individualisierung; Neue Mittelschule; Oberstufenre­form; Nachholen von Bildungsabschlüssen; Bildungsstandards; Neue Matura und so weiter. Das ist eine Fülle von Maßnahmen, und ich halte es für wichtig, dass wir diese Projekte auch positiv begleiten, denn Bildung und vor allem die Menschen, die in und für die Schule arbeiten, brauchen eine positive Stimmung, brauchen Anerkennung. Deshalb müssen wir jetzt auch mit dem Jammern aufhören und in die Zukunft blicken! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das Volksbegehren fordert autonome Schulen unter Einbeziehung der Schulpartner und ohne Parteieneinfluss. Das Wort „autonom“ möchte ich gerne ersetzt haben durch


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„eigenverantwortliche“ Schulen. Es ist mir wichtig, dass wir die Bedingungen der Mög­lichkeit zur Selbstverantwortung realisieren. Ich darf daran erinnern, dass die Abschaf­fung der Kollegien, die Abschaffung der Bezirksschulräte bereits im Regierungspro­gramm verankert ist.

Besonders betonen möchte ich heute auch – und bis zum Unterausschuss des Verfas­sungsausschusses haben wir es ja mit vereinten Kräften bereits gebracht –: Bildungs­politik braucht Bundeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung, sonst ist das ös­terreichweit nicht zu machen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Das Volksbegehren fordert eine leistungsdifferenzierte, hochwertige, gemeinsame Schu­le und den Ausbau von ganztägigen Bildungseinrichtungen. – An diesen Projekten ar­beiten wir. Ich sage immer wieder, die ganztägige gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jäh­rigen ist mein Ziel, die Neue Mittelschule, Ausbau der Ganztagsbetreuung ist das der­zeit Machbare.

Jetzt komme ich zu einem zentralen Punkt: Aufwertung des Berufs der Pädagoginnen und Pädagogen. Dies umfasst zwei Elemente, nämlich erstens die Pädagogischen Hoch­schulen. Deren Weiterentwicklung, deren Stärkung und Aufwertung ist im Regierungs­programm verankert. Wir haben mit den Sozialpartnern ein neues Dienst- und Besol­dungsrecht ausgearbeitet. Wichtig ist jetzt, für die Pädagogischen Hochschulen, die regional verankert sind, die für deren Praxisbezug international gelobt werden, die für die gesamte Fortbildung aller Lehrer verantwortlich zeichnen und die Kompetenzzen­tren für die Schulentwicklung sind, gemeinsam in die Weiterentwicklung zu gehen. Da­zu gehört für mich, dass die Pädagogischen Hochschulen auch Master-Abschlüsse an­bieten können und dass die PädagogInnenbildung gemeinsam mit den Universitäten in Kooperationsmodellen umgesetzt wird.

Der zweite Punkt ist das neue Dienst- und Besoldungsrecht, und das, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, ist ein Schlüsselprojekt für die neue Schule. Das ist ein Pro­jekt, das wir nicht unter dem Titel „Sparpaket“ laufen lassen dürfen, sondern das ist ein Projekt, das ein zentrales Reformprojekt dieser Bundesregierung sein muss. Ich beto­ne, Lehrerinnen und Lehrer – und da beziehe ich mich vor allem auf den Pflichtschul­bereich – brauchen Unterstützungspersonal, im Verwaltungsbereich wie auch in ande­ren Bereichen. Diesbezüglich gibt es noch ziemlich vehemente Einsprüche seitens des Finanzministeriums. Ich beharre darauf – weil ich auch immer wieder in Zwischenrufen gefragt werde: Na, Frau Ministerin, was ist mit dem neuen Lehrerdienstrecht? –: Dazu braucht es eine Position der Bundesregierung, eine Position des Dienstgebers, vorher gehe ich nicht in Verhandlungen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie der Abg. Ursula Haubner.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich auf die gute, intensive Dis­kussion. Ich bin überzeugt davon, dass wir durch die Dynamik des Volksbegehrens entscheidende Schritte weiterkommen. Wir haben mit den Bildungssprechern bereits einen gemeinsamen Termin vereinbart, um uns gemeinsam dem Thema „9. Schulstu­fe“ zu widmen. Wir haben unter der Leitung von Herrn Abgeordnetem Rosenkranz eine exzellente Arbeitsatmosphäre im Unterrichtsausschuss, und ich denke, dass wir uns einer Kultur des Gelingens im Bereich der Bildungspolitik gemeinsam verschreiben sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.10


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

 


11.10.40

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren des Bildungsvolksbegehrens (in Richtung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 52

Galerie), ich freue mich ganz besonders, dass wir Sie heute hier im Haus so zahlreich begrüßen dürfen! Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben sich in den letzten Mo­naten einer ganz besonderen Herausforderung gestellt. Sie hätten sich Ihre Sache viel leichter machen können. Sie hätten irgendein Feindbild aufbauen können, dagegen an­laufen und vielleicht noch viel mehr Unterschriften auf den Tisch knallen können. Das haben Sie nicht gemacht – aus guten Gründen: Ihr Ziel war es, eine konstruktive De­batte in diesem Land auszulösen, und das, sehr geehrte Damen und Herren, ist Ihnen gelungen! Dazu möchte ich Ihnen sehr herzlich gratulieren.

Diese Debatte, die Sie ausgelöst haben, sachlich und konstruktiv, hat einen sehr, sehr großen Stellenwert für die bildungspolitische Debatte in unserem Land, auch hier in diesem Haus, und hat weit darüber hinausgehend eine sehr große Bedeutung für die politische Kultur des Landes. Es würde uns sehr guttun, öfter derartige sachorientierte, konstruktive, politische Initiativen über die Partei- beziehungsweise parteipolitischen Grenzen hinweg zu setzen. Insofern freue ich mich sehr, dass wir jetzt die Stafette von Ihnen übernehmen und die Forderungen, die Sie stellen, die inhaltlichen Anregungen, die Sie geben, aufgreifen und diskutieren können.

Ich möchte den Leitgedanken, den Sie über dieses breite Spektrum an sehr wichtigen Forderungen in Ihrem Volksbegehren stellen, aufgreifen. Sie sagen, dass es, wenn wir über Bildung reden, um die Zukunft jedes Einzelnen/jeder Einzelnen geht, aber auch um die Zukunft der Gesellschaft insgesamt und um den wirtschaftlichen Wohlstand un­seres Landes, denn wir sind kein Land von Rohstoffen. Die Fähigkeiten unserer Ju­gend sind die wichtigste Voraussetzung für unsere Zukunft. Ich denke, wenn wir es schaffen könnten – vielleicht als Ergebnis des Ausschusses, in dem wir das Volksbe­gehren diskutieren werden –, diesen wichtigen Leitgedanken als Grundkonsens hier im Haus parteiübergreifend anzunehmen und uns darauf zu verstehen, dann wären wir schon einen wesentlichen Schritt weiter. Wir könnten die nächsten Schritte planen, ausgehend von diesem Grundgedanken, in dem Sie ja auch sagen, es geht um größt­mögliche Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit, wir könnten auf Basis dieses Grundgedankens hier im Hause eine offensive Bildungspolitik miteinander gestalten. Dann wären wir viele Schritte weitergekommen. Ich hoffe, dass das ein Ergebnis der Diskussion Ihrer Initiative hier im Haus sein wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Sie, sehr geehrte Damen und Herren, spannen einen weiten Bogen – mit Recht! – vom Kindergarten über die Schule bis zu den Hochschulen. Aufgrund der kurzen Redezeit werde ich mich aber darauf beschränken, ein paar Worte zu den Hochschulen zu sa­gen.

Mit Recht sprechen Sie die Wichtigkeit an, in den Hochschulbereich finanziell stärker zu investieren. Ich freue mich, dass das auch jetzt trotz eines Sparpaketes geschehen wird, dass es gelungen ist, mehr Mittel aufzustellen. Das ist sehr wichtig, das ist die Basis für alles Weitere.

Sie wollen mehr Leute mit Hochschulabschluss in unserem Land und verweisen da­rauf, dass wir in diesem Bereich unter dem OECD-Schnitt liegen. Das ist richtig. Das gilt übrigens auch für die Studienanfänger. Wir haben nicht zu viele Studierende in die­sem Land, wir haben zu schlechte Bedingungen.

Sie sprechen auch – und das ist mir besonders wichtig – von einer besseren sozialen Durchmischung an unseren Hochschulen. Das ist ein wichtiger Punkt, und dement­sprechend ist in den letzten Jahrzehnten einiges passiert. Wir sind weitergekommen, aber – und da bin ich bei Ihnen – wir sind noch lange nicht am Ziel.

Da Herr Dr. Androsch heute hier anwesend ist, möchte ich die Gelegenheit ergreifen und seinen eigenen Beitrag hier von dieser Stelle aus würdigen. Herr Dr. Androsch ist


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 53

nicht jemand, der jetzt draufgekommen ist, dass Bildung wichtig ist, sondern das da­mals, als er einer Regierung als Finanzminister angehört hat, auch in die Realität um­gesetzt hat. Ich möchte daran erinnern, Stichwort „soziale Durchmischung“, dass die Bundesregierung mit Finanzminister Dr. Androsch und mit Hertha Firnberg, der ersten Wissenschaftsministerin, die wir in diesem Land gehabt haben, damals ganz wesentli­che Weichen zur Entwicklung und zur Öffnung unserer Hochschulen gestellt hat. (Bei­fall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

Seit damals, sehr geehrte Damen und Herren, gibt es das Kampfwort der „Massenuni­versität“, und seit damals geht es einigen politischen Kräften in diesem Land darum, das Rad der Zeit wieder zurückzustellen. Aber ich sage, auch heute brauchen wir drin­gend eine offensive Hochschulpolitik, und auch heute ist es unser gesellschaftspoli­tischer Auftrag, nicht auf Talente zu verzichten. Wir können uns das nicht leisten, und wir wollen uns das nicht leisten! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

11.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager. – Bitte.

 


11.16.55

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! Bildung interessiert uns alle, Bildung ist die Zukunft unseres Landes, Bildung ermöglicht uns, miteinander in den Dialog zu treten. – Des­halb herzlichen Dank für die vielen Vorschläge, die von den Expertinnen und Experten des Volksbegehrens gekommen sind, herzlichen Dank aber auch allen anderen Initia­tiven, die uns immer wieder unermüdlich aus der Praxis heraus Vorschläge hierher ins Haus bringen, die uns helfen, die Zukunft des Bildungssystems gemeinsam zu gestal­ten. Wir werden über die einzelnen Punkte noch intensiv diskutieren.

Ich möchte fünf Begriffe, die sich vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung durch­ziehen, herausgreifen, weil ich sie neben der Fülle an einzelnen Vorschlägen für be­sonders wichtig halte, sozusagen als gemeinsame Klammer.

Zunächst der Begriff „Autonomie“ – Autonomie der Person im Sinne individueller För­derung, Begabung, die im Mittelpunkt stehen soll, Autonomie aber auch der Institution. Gerade die Hochschulautonomie ist ein tolles Beispiel dafür, wie Schulautonomie künf­tig weiterentwickelt werden kann. Wir brauchen auch in der Schule mehr Autonomie, und daher ist es mir wichtig, dass wir vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung genau jenen Verantwortungsbereich erweitern. Wir haben dazu auch schon eine ent­sprechende Einigkeit im Unterausschuss zur Verwaltungsreform erzielt.

Auch mir geht es manchmal zu langsam, sage ich ganz ehrlich, denn viele Gesetze, die wir beschließen, kommen in der Schule nicht so an, wie wir sie hier beschließen. Es gibt einen Stapel an Schulgesetzen. Bevor ich als Abgeordnete zum Nationalrat an­gelobt worden bin, habe ich mir gewünscht, dass für jedes neue Schulgesetz min­destens zwei Gesetze im Schulbereich abgeschafft werden. Das wäre etwas, Frau Bundesministerin, um sagen zu können, dass wir wirklich eine gemeinsame Kraftan­strengung und große Herausforderungen vor uns haben. Nehmen wir uns das doch vor – 1 : 2 –, ein neues Gesetz zu schaffen und zwei administrative Erschwernisse im Schulbereich abzuschaffen, damit die Schulen jenen Freiraum bekommen, der auch im Volksbegehren entsprechend dokumentiert ist! Übernehmen wir doch die Formel 1 : 2! (Abg. Dr. Walser: Wir hindern Sie nicht daran!)

Der zweite Punkt: Professor Hengstschläger. Warum interessiert er uns so? – Er ist heute mehrmals zitiert worden, und auch ich darf ein Zitat von ihm bringen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 54

„In diesem Land müssen wir uns unser ganzes Leben lang gegen Gleichmacherei weh­ren.“

Professor Hengstschläger ist einer der international anerkanntesten Expertinnen und Experten, einer unter den besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Ös­terreich hat. (Ruf bei der SPÖ: Chancen ...!) Er hätte nur eine Chance gehabt, sagt er, weil auch genügend Lehrerinnen und Lehrer ihn unterstützt haben.

Daher brauchen wir viele, viele Hengstschläger (Abg. Dr. Grünewald: Bitte auch ande­re!), die in der Lehrerbildung gemeinsam tätig sind. Warum brauchen wir sie? (Abg. Dr. Grünewald: Auch andere!) – Weil sie den neuesten Stand der Wissenschaft ver­mitteln können, Herr Dr. Grünewald.

Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen, und zwar zwi­schen den Universitäten und Fachhochschulen und den Pädagogischen Hochschulen, denn nur durch eine wissenschaftsgeleitete Ausbildung im Lehrerbereich werden wir künftig auch jene Schwerpunkte setzen können.

Zugangsmanagement nicht nur bei den Lehrerinnen und Lehrern, aber auch bei den Lehrerinnen und Lehrern. Wir sehen in der Medizin, dass es sich bewährt, im Studium Leistung zu fördern, wenn auch eine entsprechende Vereinbarung zu Beginn des Stu­diums da ist. Daher sind Zugangsmanagement, studienplatzbezogene Finanzierung und eine Aufstockung der Mittel drei Schwerpunkte, denen wir uns in den nächsten Tagen und Wochen gerade auch im Hochschulbereich intensiv widmen werden. Und ich hof­fe, dass wir hier auch ebenso gemeinsam vorgehen können wie im Schulbereich.

Herr Bundesminister Prof. Töchterle weiß aus der Praxis, was die Hochschulen brau­chen. Es geht jetzt darum, im Sinne auch des Volksbegehrens die Hochschulen so weiterzuentwickeln, dass sie unseren Studierenden jene Studienbedingungen zur Ver­fügung stellen können, die Leistung ermöglichen. Auch das zieht sich durch dieses Volksbegehren: Leistung, individuelle Förderung in den Mittelpunkt zu rücken. Und da­für brauchen wir noch bessere Bedingungen an den Hochschulen.

Das heißt, studienplatzbezogene Finanzierung, Zugangsmanagement, Auswahlverfah­ren in der Autonomie der Hochschulen. Dazu gehören die Lehrerinnen und Lehrer ge­nauso wie die Ärztinnen und Ärzte und viele andere akademische Berufe.

Dieses Volksbegehren hat auch der ehemaligen Sprecher der Universitätenkonferenz Prof. Sünkel unterstützt. Hier sieht man auch deutlich die Handschrift der Rektorinnen und Rektoren, die in engster Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundesminister die Zu­kunft dieses Landes bereit sind zu gestalten.

Daher: Setzen wir im Hochschulbereich das neue Modell von Prof. Töchterle, das vor­liegt, rasch um, diskutieren wir es und schauen wir, dass wir die Bildung rasch gemein­sam weiterentwickeln können. Das ist das, was uns das Bildungsvolksbegehren heute mit auf den Weg gegeben hat. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.23


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


11.23.15

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Wer Demokratie ernst nimmt, muss auch direkte Demokratie ernst nehmen. In diesem Zusammenhang wollen wir auch diese 380 000 Stimmen des Bildungsvolksbegehrens sehen.

Über die Frage, ob es ein Erfolg ist oder nicht, kann man reden. Kollege Walser hat ge­meint, eine Million sind weniger wert, wenn sie von der FPÖ kommen, als die 380 000.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 55

(Zwischenruf des Abg. Dr. Walser.) – So kann man an sich nicht argumentieren. Ich kann Ihnen nur eines sagen, Kollege Walser: Lesen Sie am besten den Artikel von Prof. Konrad Paul Liessmann im „Standard“ darüber, was Österreich über Interessen­vereinigungen bewegen wollte und über das Ergebnis.

Aber es ist ein achtbarer Erfolg, und vor allem ist er wirklich sehr deutlich über der von der FPÖ argumentierten 4-Prozent-Grenze der Wahlberechtigten. Man muss ja wissen, 4 Prozent bei der Wahl bedeuten für eine antretende Partei den Einzug in den Natio­nalrat. Da gibt es ja eine Korrelation dazu, deswegen ist das auch durchaus ernst zu nehmen, und ich begrüße daher die Einigung der Bildungssprecher, dass wir die Inter­essen des Volksbegehrens einem Besonderen Ausschuss zuführen.

Wir waren anfangs ein wenig skeptisch, ob ein solcher Besonderer Ausschuss in Fra­gen der Bildung etwas bringen würde, ich bin aber guter Dinge, dass das passieren kann.

Warum waren wir skeptisch? – Weil es im Parlament bereits sechs Ausschüsse, die sich mit den Fragen der Bildung auseinandersetzen, gibt. Wir haben den Unteraus­schuss des Verfassungsausschusses für die Schulverwaltungsreform – dazu haben wir schon sehr lange keine Einladung mehr bekommen; da ist aus den Bundesländern ein­mal das große Nein gekommen und seither steht hier alles still –, wir haben den Un­terrichtsausschuss, den Unterausschuss des Unterrichtsausschusses, den Wissenschafts­ausschuss, den Unterausschuss des Wissenschaftsausschusses, und die Frage der Kindergärten wird im Familienausschuss beraten, weil es da auch eine Überschnei­dung mit Länderkompetenzen gibt.

Das heißt, wir haben jetzt den siebenten Ausschuss, der sich mit Bildungsfragen be­fassen wird, aber aufgrund des bereits vorab entwickelten Plans und auch der Einbin­dung von Experten, die wir dort hören wollen, dürfen wir weiter hoffen. Dieser Aus­schuss soll nämlich auch enqueteartig stattfinden – wir wollten ja auch eine parlamen­tarische Enquete zu diesem Volksbegehren –, damit hier auch Experten mit entspre­chender Öffentlichkeit zu Wort kommen und ihre Ansichten kundtun können. Es wer­den eben auch Experten daran teilnehmen, und daher begrüßen wir das.

Wir haben das Volksbegehren Bildungsinitiative nicht unterstützt, obwohl es unter die­sen zwölf Punkten sehr viele gibt, die man landläufig als No-na-Dinge bezeichnen könnte, zum Beispiel eben die angesprochene Verwaltungsreform. Da steht man auf der Bremse, und das ist wirklich nachteilig. Und wer die Argumentation des Rech­nungshofes betreffend die Einsparungsvorschläge, die es auch hier gibt, kennt, der weiß, Zwei- und Mehrgleisigkeiten im Schulverwaltungsbereich müssen rasch abge­stellt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Da sind vor allem jene Parteien eingeladen, die in den Bundesländern das Sagen haben, denn es gibt derzeit einen Konflikt zwischen der Bundespolitik und der Landes­politik. Wir wollen auch nicht unbedingt sagen, was besser ist, ob Bundeskompetenz oder Landeskompetenz, was für uns wichtig ist, ist Folgendes: Es soll einmal eine kla­re Kompetenz geben, und nicht diese Vermischungen, denn auch die Landeskompe­tenz hat unter Umständen ihre Vorteile, insbesondere was regionale Unterschiede be­trifft.

Diese Unterschiede gilt es abzuwägen, aber dann ist ein klares Modell zu schaffen. Es geht nicht um die Frage Bund oder Land, es geht darum, das beste Modell zu schaf­fen. Und da kann man sich eben verschiedene Dinge vorstellen.

Ich möchte aber unsere Kritik am Inhalt des Bildungsvolksbegehrens besonders an ei­nem dieser zwölf Punkte festmachen: Es geht um die Frage der ganztägigen Be­treuung. Es geht dabei darum, dass das nicht die Regel wird, denn das würde Zwang bedeuten. Wir wollen ganztägige Betreuung haben, aber die Eltern sollen nach wie vor die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, in welche Schulform ihr Kind dann gehen wird. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wir glauben auch, dass das Schulwesen weiter aufgefächert sein muss. Wir glauben nicht, dass, wie es Hengstschläger nennt, die Gleichmacherei bei den Schultypen das Optimum ist. Wir wollen eine Vielfalt von Schultypen haben.

Wenn die Grünen Statistiken und Vergleiche mit deutschen Gesamtschulen heranzie­hen, dann gilt das alles ja nicht, denn das sind keine Gesamtschulen. Man muss das anders machen. Und auch der Zwischenruf seitens der SPÖ ging in diese Richtung.

Geben Sie es jetzt einfach zu: Sie sind offensichtlich für die Abschaffung der Privat­schulen (Abg. Dr. Walser: ... der privaten Volksschulen! ... ein bisschen durchdenken!), denn wenn man nämlich private Gymnasien nicht abschafft, können Sie das nie ver­wirklichen. Sie fordern damit implizit die Abschaffung der Privatschulen! Wir wollen auch das nicht, wir wollen eine Vielfalt an Schultypen.

Weil auch das Image der Lehrer hier angesprochen wurde: Von Imagekampagnen und Inseraten wird man wenig haben. Aber ich möchte eines sagen: Bei aller Kritik, die man auch üben kann, ist die Lehrergewerkschaft so schlecht nicht. Es geht nicht um die Interessenvertretung, aber gerade betreffend das Thema Migration, das H.-C. Stra­che angesprochen hat, und die Probleme im Schulbereich, liegt mir hier ein Werk eines Lehrergewerkschafters, von Mag. Gerhard Riegler, zum Thema Migration vor. Die Lehrergewerkschaft, die Interessenvertretungen sind sehr wohl auch an einer inhalt­lichen Debatte interessiert und bieten gute, konstruktive Vorschläge dazu. Sie also ausschließlich als Blockierer darzustellen wäre falsch.

Ich glaube – abschließend –, dass dieses Bildungsvolksbegehren und die Fragen der Bildung in diesem Haus auch deswegen sehr ernst genommen werden, weil rund 10 Prozent der Abgeordneten dieses Hauses aus dem Lehrberuf kommen. Ich weiß nicht, ob das dem repräsentativen Schnitt der Bevölkerung entspricht, das kann ich hier so nicht beantworten (Abg. Dr. Walser: Wenn Sie Prozentrechnen können, müss­ten Sie es ...!), aber ich glaube, es wird sicherlich auch daran liegen, wenn wir bald ei­ne gute Bildungspolitik haben.

Der Rettungsstraßenfahrer SPÖ soll am linken Rand stehen bleiben, die ÖVP soll am rechten Rand stehen bleiben, um die Rettungsstraße zu öffnen, wenn in der Mitte der Geisterfahrer Walser durchfährt. Nein danke! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

11.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

 


11.29.53

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister Töchterle! Geschätzte Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens! Frau Cortolezis-Schlager hat sich bei Ihnen bedankt – ich möchte den Dank präzisieren: Ihnen nützt nur ein Dank, der sich zeigt, indem das Par­lament Ihre Forderungen ernst nimmt und Ihre Wünsche zu einem guten Teil umsetzt. Allen anderen Dank haben Sie gehört. (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Walser hat über das Phänomen der Angst in der Bildung gesprochen. Angst ist kein leistungsförderndes Element: weder in der Schule noch an der Universität und auch nicht, wenn junge Forscherinnen und Forscher um ihre Arbeitsplätze zittern.

Angst war, so glaube ich, auch nicht Ihr Motiv, sondern das waren die Sorge und der Unmut über Defizite im Bildungssystem, über teilweise Blockaden, und Ihr Motiv war die Verantwortung für unsere Kinder und Jugend, damit ihnen die Zukunft mehr Chan­cen bietet und ihnen die Politik mehr Chancen bietet als bisher.

Sie haben einen interessanten Tipp bekommen: Sie könnten mit 400 000 Unterschrif­ten eine eigene Partei gründen. Ich würde mir das im Talon lassen, je nachdem, wel­ches Ergebnis der Unterausschuss bringt. Denken Sie darüber nach!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 57

Ich glaube, ich kann mich mit Bundesminister Töchterle, heute habe ich ja einen Ge­sprächstermin, dort treffen, wo es um den Bildungsbegriff geht. Wir sehen ihn, wie auch die Studentenbewegung und das Bildungsvolksbegehren, breiter und nicht redu­ziert auf bloße Ausbildung, nicht reduziert auf das unmittelbar Nützliche, nicht unmittel­bar und ausschließlich reduziert auf den Markt.

Wenn Österreich mündige und autonome Bürgerinnen und Bürger haben will, brau­chen wir diesen erweiterten Bildungsbegriff, denn Bildung macht autonomer, hilft den Menschen, sich zu orientieren, macht die Menschen kritikfähig. Und ich wünsche mir, dass auch die Uni als Ort der Reflexion und der kritischen Auseinandersetzung mit den Problemen der Gesellschaft und der Welt erhalten bleibt und aus Studien keine Wind­hundrennen werden, wo man in kürzester Zeit misst, wie viele die Universitäten wieder verlassen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich kenne einige Leute – Akademikerinnen und Akademiker oder Repräsentanten des tertiären Bildungssystems; es sind wenige –, die glauben, nur das repräsentiert wirkli­che und wahre Bildung: Fachhochschule und Universitäten. So ist es nicht! Das hat niemand gesagt, niemand verlangt eine Vollakademikerisierung Österreichs! Es gibt genügend Beispiele, vor denen man Respekt haben muss. Bundesminister Töchterle hat ein viel zitiertes genannt, nämlich dass er einen Schmied kennt, der auf der Geige Mozart spielt. – Ich finde das toll, ich finde das sympathisch, ich wünschte, dass es vie­le solche Leute gibt, aber, Herr Bundesminister, mit einem Schmied, der Geige spielt, werden wir im OECD-Ranking nicht reüssieren, also da muss man schon mehr tun. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan.)

Das Bildungsvolksbegehren hat schon zum Ziel, breiteren Schichten den Zugang zu besserer und breiterer und höherer Bildung zu ermöglichen. Wie schaut es da aus? Die Unis sind momentan in einer Situation, wo sie Angst vor den Studierenden haben müs­sen, statt um sie zu werben, statt dass sie sich auf sie freuen könnten, weil sie nicht oder vielfach nicht in der Lage sind, sie gut zu betreuen.

Jetzt kann man daraus folgenden Schluss ziehen: Betreuen wir sie gut, verwenden wir ein paar Mal die Wörter „Exzellenz“ und „Elite“ und reduzieren wir die Zahl der Studie­renden um ein Drittel, in manchen Fächern um zwei Drittel, dann gibt es wunderbare Betreuungsverhältnisse und wir haben eben um 30 bis 50 Prozent Studierende weni­ger.

Ich halte das für eine Gefahr! Ich wünsche mir nicht, dass es das Ziel der Bundesre­gierung ist, die Zahl der Studierenden zu halbieren. Wenn man sich anschaut, was die Studienplatzkosten ausmachen – und die Studienleiter selbst schreiben, allein die Ein­führung des Bakkalaureats würde 300 Millionen € brauchen –, verstehe ich die Ver­handler bei Leistungsverträgen.

Ich war jetzt auf vielen Unis und habe da wirklich schlimme Dinge gehört, indem man sagt, das Regelstudium der Zukunft muss das Bakkalaureat sein. Der Master habe sich selbst zu finanzieren, und es gibt viel zu viele teure Dissertationen in Österreich. Man braucht nicht so viele Dissertantinnen und Dissertanten. – Das in Verhandlungen zu sagen – ich nenne jetzt nicht die Leute, die mir das gesagt haben –, halte ich für kein gutes Signal. Ich würde gerne anderes hören.

Ich würde auch gerne weiter einen Dialog mit Ihnen, mit den Initiatoren des Bildungs­volksbegehrens, führen, und ich kann nur jedem Abgeordneten raten, dieses Haus öf­ter zu verlassen um mit kreativen, bunten, aus allen Schichten und Lagern kommenden Menschen zu diskutieren. Das ist ein Akt der Psychohygiene und würde uns selber hel­fen, wieder Vergnügen und Kreativität neu zu entdecken.

Dieses Angebot möchte ich machen. Ich mache es auch Herrn Bundesminister Töch­terle und ersuche heute – die Gründe kennen Sie; diejenigen, die im Wissenschafts-


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ausschuss gesessen sind, haben es auch gehört – nochmals um einen Gesprächs­termin. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.35


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


11.36.05

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Ich komme ein bisschen weg vom Schön­sprech mancher voriger Redner der Regierungsparteien hin zu den Fakten.

Faktum ist, meine Damen und Herren – das hat ja auch die Reaktion der Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens gezeigt, und das haben auch die Fernsehbilder gezeigt an dem Abend, an dem die Ergebnisse vorgelegt wurden –, dass dieses Volksbegeh­ren, so richtig und so wichtig seine Inhalte zum größten Teil auch sind, an sich kein Er­folg war, sondern eher als Flop zu bezeichnen ist. Das hat man damals auch an den Reaktionen feststellen können. 383 000 Unterschriften sind nicht der Erfolg, den sich die Initiatoren erwartet und erhofft haben.

383 000 Unterschriften sind angesichts dieser massiven Medienunterstützung, auch dieser massiven Werbetätigkeit, die da erfolgt ist – bezüglich der man auch die Frage stellen muss, mit welchen Mitteln das finanziert wurde –, kein Erfolg, wenn man das in Relation zueinander stellt. Platz 17, im hinteren Mittelfeld der bisher durchgeführten Volksbegehren, ist kein Ruhmesplatz. Das ist kein erfolgreiches Volksbegehren, son­dern man muss jetzt eher die Gründe hinterfragen, warum dieses Volksbegehren die­ser Erwartungshaltung, die es im Vorhinein gegeben hat, nicht gerecht werden konnte.

Dafür gibt es, meine Damen und Herren, glaube ich, mehrere Gründe. Der erste Grund ist, dass, wie ich glaube, sehr viele Menschen unabhängig von den Inhalten die Be­fürchtung hatten, dass dieses Volksbegehren eine doch sehr starke parteipolitische Schlagseite hatte, die vor allem aus Richtung der SPÖ gekommen ist. (Abg. Mag. Mu­siol: ... haben da nichts gemacht! Niemand!)

Auch uns ist eine Reform des Bildungswesens wichtig, uns sind die Inhalte wichtig, aber wir unterstützen keine Parteipolitik und keine versteckte Zwischenkampagne der Sozialdemokraten in Österreich, meine Damen und Herren. Das darf ich in dieser Klar­heit sagen. (Beifall beim BZÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol.)

Der zweite Punkt ist, dass natürlich auch die Initiatoren, die Vertreter nach außen eine klare parteipolitische Schlagseite haben. Ich schätze den Herrn Androsch, aber der Herr Androsch hat auch eine parteipolitische Geschichte: Er war Finanzminister der SPÖ und wird von den Österreicherinnen und Österreichern auch als SPÖ-Politiker wahrgenommen. Und der Herr Androsch war in seiner Zeit als Minister auch für viele Missstände und Probleme verantwortlich, die wir heute in Österreich haben, auch im Bildungsbereich, auch im Bereich der Schuldenentwicklung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der Herr Androsch gehört zu jener Partei, die in den siebziger Jahren unter Kreisky erst mit dieser massiven Verschuldung begonnen hat, an der heute ganz Österreich lei­det und die am Ende des Tages dazu geführt hat, dass wir das Triple A verloren ha­ben. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine selten blöde Rede! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der Herr Androsch ist mit seiner SPÖ und der ÖVP auch dafür mit verantwortlich, dass die SPÖ und die ÖVP seit Jahrzehnten das österreichische Schulsystem und die Ver­waltung im österreichischen Schulbereich für die Besetzung von parteipolitischen Pos­ten missbrauchen. Die Direktoren werden parteipolitisch besetzt, die Bezirksschulräte werden parteipolitisch besetzt, die Landesschulräte werden parteipolitisch besetzt (Zwi­schenruf der Abg. Königsberger-Ludwig – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist die Wahr-


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heit! Die Wahrheit tut weh! – Abg. Mag. Musiol: Und wie ist das in Kärnten? – Abg. Dr. Walser: Kärnten! Kärnten würde mich interessieren!), nämlich genau von jenen beiden Parteien SPÖ und ÖVP, die jetzt den Zustand beklagen und dagegen ein Bil­dungsvolksbegehren machen – ein Bildungsvolksbegehren gegen eine Schulpolitik, die sie seit Jahrzehnten so gemacht haben und die auch dazu geführt hat, dass wir jetzt bei der PISA-Studie so schlecht abschneiden. (Beifall beim BZÖ.)

Mindestens die Hälfte der Bezirksschulräte, die Sie haben, sind rote Parteigänger, ha­ben ein rotes Parteibuch, und die andere Hälfte hat ein schwarzes Parteibuch. (Zwi­schenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) Seien wir doch ehrlich und hören wir auf mit dieser scheinheiligen Schönsprechpolitik, sondern reden wir von den Fakten, meine Damen und Herren! (Abg. Elmar Mayer: Damit sind wir wieder beim Stammtisch!)

Und zum Dritten ist ein weiterer Grund für den Misserfolg auch ein wesentliches In­haltselement, nämlich der Punkt 5 des Bildungsvolksbegehrens, den wir als einzigen auch nicht unterstützen können. (Abg. Amon: Wie das in Kärnten!) – Ich zitiere: „Wir fordern die systematische Abschaffung des Sitzenbleibens und ein Ende der Nachhilfe.“

Wir vom BZÖ, meine Damen und Herren, bekennen uns zum Leistungsprinzip. (Abg. Heinzl: Das BZÖ hat sich schmieren lassen, Herr Petzner! Abg. Mag. Musiol: Zum Sitzenbleiben!) Wir sagen, auch in der Schule muss sich Leistung lohnen. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Daher sind wir gegen die Abschaffung des Sitzenbleibens und werden daher heute auch beim Tagesordnungspunkt modulare Oberstufe jenen Teil, der die Abschaffung des Sitzenbleibens und das Aufsteigen mit zwei Fünfern, in Ausnahmefällen mit drei Nichtgenügend – auch mit Zustimmung der ÖVP, die sich immer das Leistungsprinzip auf ihre Fahnen heftet –, betrifft, nicht unterstützen. (Abg. Mag. Musiol: Lernen Sie Bil­dungspolitik! Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.)

Ein letzter Grund für den Misserfolg ist das Instrument des Volksbegehrens generell. Es ist eine Aufgabe des Parlaments, glaube ich, dieses Instrument insgesamt zu über­denken und neu zu bauen, zu modernisieren. Ich glaube, dass das Vertrauen in die Wirkungskraft, auch aufgrund der negativen Erfahrungen seitens der Österreicherinnen und Österreicher in der Vergangenheit, nicht mehr gegeben ist. Unser Bündnisobmann hat da sehr kluge Vorschläge gemacht, angelehnt an das englische Modell, auch die moderne Technik in Richtung Internetvolksbegehren zu nützen und verpflichtende Volksabstimmungen einzuführen.

Wir wollen, dass es verpflichtende Volksabstimmungen ab einer gewissen Unterschrif­tenanzahl für Volksbegehren gibt, damit das Instrument Volksbegehren, damit die di­rekte Demokratie wieder Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit bekommt und die Men­schen wissen, wenn sie unterschreiben und sich diesen Weg antun – die arbeiten von Montag bis Freitag und tun sich den Weg an, mit einem Ausweis auf ihr Amt zu gehen und zu unterschreiben –, dass sich dieser Weg lohnt, dass sich das Unterschreiben lohnt und dass bei der Unterschrift auch etwas herauskommt und nicht das ganze Volksbegehren irgendwo in einem Ausschuss versickert, niemand mehr etwas davon hört und keine Ergebnisse zutage treten, also nichts passiert, wofür die Österreicherin­nen und Österreicher unterschrieben haben.

Also diese Reform des Instrumentes Volksbegehren würde ich dringend angehen, und der SPÖ würde ich empfehlen, in Zukunft Volksbegehren nicht mehr für parteipolitische Werbekampagnen zu missbrauchen. (Beifall beim BZÖ. Oh-Rufe bei der SPÖ. Abg. Dr. Jarolim: Das war eine der peinlichsten Reden der letzten Jahre! Rufe beim BZÖ: „Eurolim“! Abg. Ing. Westenthaler: Ball flach halten!)

11.42



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 60

Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Bundesminister Dr. Töchterle zu Wort. – Bitte.

 


11.42.35

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Karlheinz Töchterle: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin! Geschätzte Abgeordnete! Sehr geehrte Initiatoren und Initiatorinnen des Volksbegehrens! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zu­hörer! Ein Volksbegehren zur Bildung muss einem für Bildung mitverantwortlichen Poli­tiker immer höchst willkommen sein, auch dieses war mir willkommen. Es hat einige Punkte umfasst, die die Universitäten direkt betreffen, denen werde ich mich genauer zuwenden.

Es hat auch einige generelle Punkte formuliert, die wichtig sind. Schon der erste Punkt ist extrem wichtig, weil er einerseits den Autonomiegedanken der Bildungseinrichtun­gen hervorhebt und vor allem die Konzentration auf die Ziele von Bildung legt. Ich glau­be, das ist ein Schlüsselweg, dass wir als Politiker verantwortlich an den Zielen mitfor­mulieren und die Durchsetzung dieser Ziele mitbewirken, dass wir aber die Wege dort­hin denen freigeben, die am besten wissen, wie sie diese Ziele erreichen, und das sind die Bildungsinstitutionen selber.

Und das kann ich bereits am ersten Punkt, der die Universitäten mitbetrifft, exemplifi­zieren, das ist der Punkt PädagogInnenbildung-Neu. Auch dort, glaube ich, ist es sinn­voll, dass die Politik sagt, welche Pädagoginnen und Pädagogen wir haben wollen, dass sie aber nicht im Detail regelt, wie diese Pädagoginnen und Pädagogen sozusagen herzustellen sind, sondern einfach die Ziele festlegt und es den Institutionen überlässt, diese Ziele bestmöglich anzustreben und zu erreichen.

Klar ist auch – und auch das formuliert das Volksbegehren sehr deutlich und sehr, sehr stimmig, und ich bin da konform mit meiner Frau Kollegin Schmied –, dass jene Insti­tutionen, die jetzt an der Lehrerbildung arbeiten, es weiterhin tun sollen, es vermehrt kooperativ tun sollen, in enger Zusammenarbeit. Das Volksbegehren formuliert ja sehr, sehr treffend die Verantwortung der Universitäten für die PädagogInnenbildung.

Es ist selbstverständlich, dass eine gute Lehrerausbildung wissensbasiert sein muss, dass sie von der Wissenschaft getragen werden muss, sowohl in der allgemeinen Pä­dagogik und Entwicklungspsychologie als auch insbesondere in der Fachausbildung, in der Fachlehrerausbildung. Jede andere Ausbildung, die nicht wissenschaftsbasiert ist, ist Ausbildung aus zweiter oder dritter Hand und ist daher notgedrungen und unaus­weichlich qualitativ schlechter. Deswegen ist die Einbindung der Universitäten in die PädagogInnenausbildung-Neu unumgänglich und ein zentrales Moment einer qualitati­ven Ausbildung, die wiederum ihrerseits ein zentrales Element und Moment jeder gu­ten Bildung in Österreich ist. Wir brauchen für gute Bildung die besten Lehrerinnen und Lehrer, die wir nur kriegen können, und diese besten Lehrerinnen und Lehrer müssen wissenschaftsbasiert ausgebildet werden.

Der zweite der vier Punkte, die insbesondere die Universitäten betreffen, ist die Finan­zierung der Hohen Schulen. Sehr treffend wird verlangt, dass sie ausreichend sein müsse, dass sie gesteigert werden müsse. Sie alle wissen, dass wir in sehr, sehr schwierigen Zeiten sind und dass es dennoch gelungen ist, mehr Mittel für die Hoch­schulen bereitzustellen. Das ist, glaube ich, ein klares Bekenntnis dieser Regierung zu diesem wichtigen Zukunftsthema, und es ist zumindest eine Teilerfüllung dessen, was das Volksbegehren fordert – es ist aber noch nicht genug.

Klar ist, Universitäten, Hochschulen kann man unendlich finanzieren, sie werden immer gewisse Grenzen ihrer Kapazitäten haben, die sind unausweichlich. Bei noch so viel Geld werden sie diese Grenzen haben, das zeigen internationale Beispiele. Deswegen braucht es auch eine Studienplatzfinanzierung, und es braucht Zugangsregelungen, wo-


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bei ich betone, dass diese Zugangsregelungen niemanden vom Studium abhalten sol­len, Studierwillige sollen nur in ihren Entscheidungen gelenkt werden, dass sie nicht in die Fächer gehen, die schon überfüllt sind, sondern in Fächer gehen, wo noch Platz ist, in Fächer gehen, wo mehr Zukunftsaussichten bestehen, in Fächer gehen, die wir volks­wirtschaftlich brauchen, die aber auch für die Absolventinnen und Absolventen mehr Berufschancen bieten. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist eine Lenkung der Studierendenströme und keine Beschränkung der Studie­rendenströme – das ist mir ganz wichtig zu betonen!

Wichtig zu betonen ist mir aber auch, dass ganz klar ist, dass wir – ob es nun wirt­schaftlich schwierige Zeiten sind wie jetzt oder auch bessere Zeiten, die vielleicht und hoffentlich wieder künftig kommen – unumgänglich den privaten Anteil an der Hoch­schulfinanzierung erhöhen müssen.

Wir sind, was den öffentlichen Anteil der Hochschulfinanzierung betrifft, international ganz weit vorne. Österreich nimmt sehr viel öffentliches Geld für die Hochschulfinan­zierung in die Hand, Österreich hat aber extrem wenig privates Geld. Wir haben die Hälfte von dem, was in der EU der Durchschnitt ist, wir haben ein Fünftel von dem, was in der OECD der Durchschnitt der privaten Finanzierung von Hochschulen ist, und des­wegen ist es, denke ich, gerecht, sinnvoll und auch effektiv, wenn wir mit Studienbeiträ­gen – die sozial verträglich sein müssen, die niemanden vom Studium abhalten dür­fen – dazu beitragen, dass auch der private Anteil der Hochschulfinanzierung in Öster­reich steigt. Das ist unumgänglich. (Beifall bei der ÖVP.)

Nur mit einem Mix öffentlichen und privaten Geldes werden wir das auch von mir mit­getragene Ziel, bis 2020 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für diesen Bereich zu haben, erreichen, sonst erreichen wir das nie und nimmer.

Ein weiterer Punkt im Volksbegehren, der die Universitäten und Hochschulen betrifft, ist das lebenslange Lernen. Das kann man nur unterstützen. Ich weiß, dass wir da noch viel tun müssen, ich kann aber sagen, dass letztes Jahr – und das wissen Sie – von der Bundesregierung eine Strategie zum lebenslangen Lernen beschlossen wurde, mit einer Fülle von Maßnahmen, mit zehn Aktionslinien. Da werden die Fachhochschu­len und die Universitäten kräftig mitarbeiten, dass dieses Anliegen des Volksbegehrens verwirklicht wird.

Ein letztes Ziel, das das Volksbegehren formuliert, ist die Akademikerquote, die besse­re soziale Durchmischung der Studierenden. Auch da kann man vielen Forderungen recht geben. Man muss aber auch relativieren, auch im Sinne des Abgeordneten Dr. Grünewald: Nicht jedes gelingende Leben muss durch eine Universität gehen, auch die Wirtschaft, die Volkswirtschaft – das Beispiel Schweiz zeigt das wunderbar – braucht eine Fülle von Qualifikationen.

Wir dürfen auch nicht den Fehler begehen, den uralten Dualismus, der auch eine Hierarchie ist, nämlich Geist/Körper – Geist ist gut, Körper ist schlecht, das ist letztlich ein platonisches Erbe –, ungefragt und unreflektiert auf unsere Berufswahl und unsere Berufshierarchie zu übertragen. Wir müssen alle Berufe und alle Wege wertschätzen, nicht nur die intellektuellen und nicht nur die universitären, und deswegen ist ein star­res Schielen auf eine von der OECD vorgegebene Akademikerquote, die ohnehin bei uns, wenn man alles dazuzählt, was in anderen Ländern dazu zählt, durchaus passa­bel ist, nicht zielführend. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur sozialen Mischung kann ich nur sagen: Ja, die könnte in Österreich besser sein, ich kann aber auch sagen, dass zum Beispiel Studienbeiträge oder auch Zugangsrege­lungen – das zeigt eine Fülle von internationalen Studien – weder negativ noch positiv auf die soziale Durchmischung einwirken. Um eine bessere soziale Mischung zu er­reichen, muss man viel früher beginnen. Das ist letztlich nicht eine Aufgabe der Uni-


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versitäten, sondern ist primär eine Aufgabe des Bildungswesens vorher. Deswegen ist es auch gut, dass das Bildungsvolksbegehren die Bildung insgesamt in den Blick nimmt. Der freie Hochschulzugang beginnt im Kindergarten und in der vorschulischen Erziehung.

Lassen Sie mich am Schluss noch zusammenfassend etwas sagen und auch einen Appell aufgreifen, den meine Frau Kollegin Schmied schon geäußert hat und dem ich vollinhaltlich zustimme, nämlich den Appell, eine Kultur des Gelingens zu prägen. Ge­rade wenn heute Herr Hengstschläger schon mehrfach zitiert wurde und sein Appell zi­tiert wurde, mehr die Stärken als die Schwächen zu sehen: Wir neigen gerade im Bil­dungswesen dazu, ständig auf den Schwächen des österreichischen Bildungssystems herumzuhacken und nicht auch seine Stärken zu sehen. Und das österreichische Bil­dungswesen hat nach wie vor erhebliche Stärken, sonst wären wir nicht da, wo wir sind. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Strache: Das ist richtig!)

Wir haben hervorragende Schulen, auch die viel gescholtenen, oft als Sackgasse hin­gestellten Hauptschulen sind in den Bundesländern exzellente Schulen, die viel dazu beitragen, dass wir eine gut ausgebildete Bevölkerung haben. Wir haben exzellente Universitäten, die zu Unrecht schlechtgeredet werden. Wir sollten gerade auch im Bil­dungswesen und bei allen berechtigten Anliegen, es zu verbessern – Schola etiam est reformanda, das ist klar, auch die Schule muss immer wieder erneuert und reformiert werden –, berücksichtigen, dass es viel besser ist, als es vielfach hingestellt wird. Be­sinnen wir uns auch auf die Stärken, sehen wir die Stärken und schätzen wir sie! (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Abg. Strache.)

11.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


11.52.27

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Initiatoren des Bildungsvolks­begehrens! Meine Damen und Herren! Ich darf bei Herrn Bundesminister Töchterle be­ginnen. Die „Presse“ zitierte Sie kürzlich mit dem Titel „Bildung ist Österreichern kein großes Anliegen“. Das war wahrscheinlich verkürzt, Sie haben das vielleicht etwas an­ders formuliert, ich bin mir aber sicher, dass diese Schlagzeile falsch ist. Ich bin mir si­cher, dass Bildung den Österreicherinnen und Österreichern sehr wohl ein großes An­liegen ist.

Es nur an der Zahl der Unterschriften zu messen, wäre fatal – zum Kollegen Petzner, bei dieser Gelegenheit. (Zwischenruf des Abg. Petzner.) Ich kann nur eines sagen: Gut, dass die Frau Kollegin Haubner als erste Sprecherin des BZÖ ein gutes, anderes Bild abgegeben hat als Sie, Herr Kollege Petzner, mit Ihrer billigen und hanebüchenen Polemik, die Sie hier abgeliefert haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Es ist doch eine Tatsache, dass es nicht so spannend ist, sich für etwas einzusetzen, als gegen etwas zu mobilisieren. Fast 400 000 Menschen haben durch den Gang in das Eintragungslokal bewiesen, dass sie Engagement in Sachen Bildung haben. Je­denfalls ist die Zahl fast viermal so hoch als notwendig, um hier im Parlament durch uns behandelt zu werden. Und diesen 400 000 Menschen gilt Respekt und Anerken­nung. – Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen so­wie des Abg. Strache.)

Die „Presse“ zitiert Herrn Bundesminister Töchterle weiter: „Vermutlich hatten viele das Gefühl: ‚Hört mir doch auf mit dem Begehren. Das kommt halt ins Parlament, da wird diskutiert, und am Ende passiert wenig.‘“


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Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem liebe Initiatoren, mit der heute startenden Behandlung des Bildungsvolksbegehrens beweisen wir, dass wir sehr wohl diese An­liegen ernst nehmen und uns intensiv mit dem Volksbegehren und seinen Anliegen in einem eigenen Ausschuss beschäftigen und damit der Bildungsreform einen starken Rückenwind verleihen werden. Gott sei Dank sind alle Fraktionen des Hohen Hauses nun bei einem Umdenken angelangt, und alle Parteien haben sich, manche trotz vor­erst ablehnender Haltung, dazu entschlossen, diesen gemeinsamen Sonderausschuss zu bilden.

Herr Dr. Androsch hat über die „Presse“ auch den Ausspruch getätigt, wer die Bil­dungsreform nicht beherzige, „wird ein böses Erwachen haben“. Ich kann in Richtung Galerie sagen: Wir sind hellwach und wir arbeiten mit vollem Ernst an dieser Reform! (Beifall bei der SPÖ.)

Für Häme über die Zahl der Unterschriften wäre auch wirklich kein Platz, sehr geehrte Damen und Herren. Es war schon schade – das muss man heute auch sagen, bei al­lem Konsens –, dass die ÖVP nicht von Anfang an bereit war, da Unterstützung zu zei­gen. Obwohl sich führende Bildungsexperten, etwa Herr Dr. Schilcher, aus den Reihen der ÖVP dafür stark gemacht haben, haben Sie eine ablehnende Haltung eingenom­men – bei manchen glaube ich, um es nachher abqualifizieren zu können.

Ich könnte jetzt Kukacka, den ehemaligen Staatssekretär, zitieren, der von einem selbst verschuldeten Flop sprach, oder gar Ihren Parteisekretär Hannes Rauch, der sich von Bernd Schilcher über die „Presse“ sagen lassen musste, dass sich in seinem eiskalten Umgang mit den 400 000 Unterstützern ein beklemmendes Demokratiever­ständnis offenbart. Zum Glück hat sich Hannes Rauch nicht durchgesetzt, und ich kann nur sagen, zum Glück hat die ÖVP einen konstruktiven Bildungssprecher, der auch dazu beigetragen hat, dass es nun diesen Konsens gibt und wir in diesem Son­derausschuss gemeinsam arbeiten können.

Nehmen wir uns also alle mit großem Ernst und Einsatz dieser Sache an. Wir Sozial­demokraten haben diese Forderungen von Anfang an auch unterstützt, und ich möchte bei dieser Gelegenheit der Kollegin Cortolezis-Schlager sagen: Wenn wir uns für ein neues Bildungssystem einsetzen, dann verwenden Sie bitte nicht schon wieder ein Totschlag-Argument, einen Totschlag-Terminus, wenn Sie von „Gleichmacherei“ re­den. Sehr geehrte Damen und Herren, es geht nicht um Gleichmacherei, sondern es geht um gleiche Chancen für alle Kinder dieses Landes, und da haben Sie in den Sozialdemokraten massive Unterstützer. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn ich schon beim Danke schön sagen bin, dann möchte ich auch einem besonders Danke sagen, das ist unser Bildungssprecher Elmar Mayer. Er hat sich hinter den Kulissen und vor allem auch in aller Öffentlichkeit massiv dafür eingesetzt, dass es zu diesem gemeinsamen Ausschuss kommt, in dem konstruktive Arbeit geleistet werden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann auch Danke schön für das Umdenken sagen, das bei manchen eingesetzt hat. Kollege Rosenkranz, du kommst aus einer bildungsbewussten Lehrerfamilie, als Kremser Kollege muss ich dir sagen: Gescheiter werden kann man! Du hast es getan, du hast noch im November gemeint, keinen Extrawurst-Ausschuss für Androsch, keine parlamentarische Sonderbehandlung für Androsch. Danke, du hast auch umgedacht, es geht nicht um Androsch und es geht nicht um Schilcher, es geht nicht um Veit Sor­ger, es geht um das österreichische Bildungswesen und um die österreichische Jugend.

In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank den Initiatoren, weil sie vor allem auch sachlich, fachbezogen, ohne billige Polemik und Emotionen gegen eine Berufsgruppe, gegen die Lehrer und alle im Bildungswesen Tätigen, dieses Thema aufgegriffen ha-


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ben, und wir werden das hier fortführen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Strache. – Abg. Petzner: Kollege Jarolim, das war jetzt aber auch Polemik!)

11.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


11.58.16

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Meine Damen und Herren! Die mediale Unterstützung für das Bildungsvolksbe­gehren war zwar enorm, dennoch war das Ergebnis relativ bescheiden, denn von den bisherigen 35 Volksbegehren liegt das Volksbegehren „Bildungsinitiative“ mit 383 724 Un­terschriften an der 17. Stelle. Das mag mehrere Gründe haben, auf einige möchte ich kurz eingehen.

Die Mehrheit der Österreicherinnen in Österreicher will weder eine verpflichtende Ganztagsschule noch eine Gesamtschule. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Die Menschen wollen Wahlfreiheit für ihre Kinder und ein Bildungssystem, das nach den Begabungen differenziert, Stärken sucht und die Schwächen gezielt ausgleicht. Das ist vielleicht eine der Antworten auf das Volksbegehren. (Abg. Krainer: Aber solche Systeme sind schlecht, verschlechtern !)

Mit dem Ausbau der Hauptschulen zur Neuen Mittelschule ist beziehungsweise wird das in den nächsten Jahren auch gelingen, denn die Aufwertung der Hauptschulen bringt individuelle Leistungsförderung, vor allem auch im städtischen Bereich. Ich mei­ne, dass gerade dort in den letzten Jahren einiges an Qualität verlorengegangen ist.

Bei uns in Oberösterreich beziehungsweise im ländlichen Raum generell sind die Haupt­schulen sicherlich keine Sackgasse, aber auch keine Ghetto-Schulen für Schülerinnen und Schüler mit deutschen Sprachdefiziten. Da funktioniert das duale Bildungssystem noch sehr gut. (Abg. Strache: Richtig analysiert! Stimmt!) Das beweisen die vielen er­folgreichen Lehrlingswettbewerbe, aber auch die große Zahl an Schülerinnen und Schülern, die von Hauptschulen kommen und dann in weiterbildenden Schulen matu­rieren.

Im Grunde genommen zeigt sich die Problematik auch an der Zahl der Unterstützun­gen in den Bundesländern. Den meisten Unmut in der Bevölkerung dürfte es demnach im Bundesland Wien geben. Wenn man sich die Ausgangssituation anschaut, dann muss man wahrscheinlich schon hinterfragen, ob das nur am Bildungssystem allein liegt oder ob nicht auch andere Gründe dafür ausschlaggeben sind. Man denke da et­wa an das soziale Umfeld oder an mögliche strukturelle Probleme in Wien.

Natürlich möchte ich nicht, dass die Bildungsdebatte sozusagen zu einer Meinungsbil­dung verkommt, wo es heißt: Auf dem Land ist alles in Ordnung, nur in der Stadt gibt es Probleme!, aber ich denke doch, dass wir bei aller Verantwortung, die wir in der Bil­dungsdebatte haben, auch berücksichtigen müssen, in welchem Umfeld sich der Schul­standort befindet und unter welchen örtlichen Gegebenheiten dort zu arbeiten ist.

Schülerinnen und Schüler, die bei uns die Hauptschule beziehungsweise die Neue Mit­telschule besuchen, wechseln anschließend in eine höhere weiterführende Schule, wie zum Beispiel HAK, Gymnasium et cetera, oder beginnen eine Lehrausbildung, und das meistens mit sehr gutem und großen Erfolg. Ich bin daher froh, dass es gelungen ist, die Wahlfreiheit zu erhalten, sodass die Möglichkeit besteht, dass Schülerinnen und Schüler nach der Volksschule entscheiden können, ob sie in die Neue Mittelschule oder in ein Gymnasium gehen werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Generell hat mich bei der medialen Auseinandersetzung vor allem gestört, dass es im Rahmen des Bildungsvolksbegehrens auf der einen Seite immer nur um das Nichtsit­zenbleiben und auf der anderen Seite um die Gesamtschule gegangen ist. Ich glaube,


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das hat auch viele andere Menschen geärgert, weil damit die Diskussion über eine zu­kunftsorientierte und leistungsorientierte Weiterentwicklung und Ausgestaltung des Bil­dungssystems auf der Strecke blieb. Gerade dieser Diskussion müssen wir uns in Zu­kunft vermehrt stellen.

Im Bildungsbereich ist es wichtig, am Puls der Zeit zu sein. Erneuerungen im Schulsys­tem sind stets notwendig, um den Veränderungen der Gesellschaft und den sich än­dernden Bedürfnissen von Kindern, von Schülerinnen und Schülern, Lehrern, aber auch Eltern gerecht zu werden.

Mit dem schrittweisen Ausbau der Neuen Mittelschule und der Weiterentwicklung hin zur Modularen Oberstufe wird das Schulsystem auf moderne, aber gleichzeitig auch auf bewährte Füße gestellt. Mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung helfen wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, ohne die Kinder zum Besuch einer Ganztagsschule zu verpflichten.

Ich glaube schon, dass wir Kompetenzen sehr wohl dort lassen sollten, wo sie sehr nahe bei den Menschen, bei den Bürgern sind. Es besteht aus meiner Sicht kein Be­darf, dass wir die Kompetenz für die Kindergärten in Richtung Bundesebene bewegen.

Es sei mir auch gestattet, Folgendes festzuhalten: Schule ist Vorbereitung für das Le­ben! Es ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler auch in Richtung Leistungsbereit­schaft vorbereitet werden und dass es eine Leistungsdifferenzierung gibt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strache.)

Meine Damen und Herren, wir müssen, wenn wir darüber diskutieren, dass Lehrerin­nen und Lehrer mehr in den Schulen sein sollten, auch darüber nachdenken, welche Arbeitsbedingungen sie vorfinden. So manches Konferenzzimmer müsste wesentlich besser ausgestattet sein, als es derzeit der Fall ist. Und man sollte dabei auch die Frage der Finanzierbarkeit dieses ganzen Systems nicht vergessen. Auch die Finan­zierbarkeit und die Effizienz sind dabei in Betracht zu ziehen.

Nun sei mir eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Walser ge­stattet. – Herr Kollege Walser, wenn ich mir die Überschrift des Artikels über das Inter­view mit Professor Hengstschläger im „Kurier“ anschaue, dann meine ich, die Über­schrift drückt die journalistische Wahlfreiheit aus, denn Prof. Hengstschläger hat nir­gends im Interview festgestellt, dass unser Bildungssystem Talente kaputtmacht. Wenn man schon zitiert und interpretiert, dann bitte richtig und nicht falsch. (Zwischenruf des Abg. Dr. Walser.)

Für uns ist klar, dass wir das Bildungsvolksbegehren – die weitere Vorgangsweise ist ja zwischen den einzelnen Fraktionen schon vereinbart – umfassend im Parlament dis­kutieren und erläutern werden. Wir stellen uns dieser Diskussion sehr gerne. (Beifall bei der ÖVP.)

12.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.

 


12.03.52

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Im Bildungsvolksbegehren, das 12 Punkte umfasst, fehlt uns Freiheitlichen ein wesentlicher, ein 13. Punkt – ein Punkt, wo sich auch die Experten im Unterausschuss des Unterrichtsausschusses einig waren, dass eines notwendig wäre: nämlich der Erhalt der Klein- und Kleinstschulen vor allem in den ländlichen Gebieten. (Beifall bei der FPÖ.)

Da liefert uns die steirische Landespolitik dieser Tage eine besondere Facette: Die bei­den steirischen „Reformzwillinge“, Landeshauptmann Voves und Landeshauptmann-


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stellvertreter Schützenhöfer, haben nämlich vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass in der Steiermark 48 Volksschulen, 5 Hauptschulen und 4 Polytechnische Schulen un­mittelbar vor der Schließung stehen. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Klein- und Kleinstschulen, die nur im ländlichen Raum vorhanden sind. Über das Warum darf man rätseln. Einsparungen gibt es nämlich dadurch keine, sagen auch diese beiden Herrschaften, die wie ein Reformtornado durch das Land fahren und dabei einen Scha­den hinterlassen, der kaum bis gar nicht mehr wiedergutzumachen sein wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Begründet wird dieser bildungspolitische Wahnsinn damit, dass gewisse Lehrplaninhal­te in kleinen Schülergruppen nicht umsetzbar seien. Diese beiden Herrschaften legen einen Wert darauf, dass Gruppenspiele in Bewegung durchgeführt werden und Lö­sungsstrategien in altersgemäßen Gruppen erarbeitet werden. Die gerade in der Volks­schule so wesentlichen Lehrinhalte wie Lesen, Schreiben und Rechnen bleiben unbe­rührt beziehungsweise unberücksichtigt. Dabei hat gerade erst vor wenigen Wochen der Präsident der steirischen Industriellenvereinigung, Jochen Pildner-Steinburg, fest­gestellt, dass bei den Lehrlingen die größte Problematik darin liegt, dass sie nicht le­sen, nicht schreiben und nicht rechnen können. Da wäre anzusetzen, da wäre etwas zu tun. Diese Herrschaften sollten munter werden und auf jene hören, die die Erfah­rung haben und die wissen, was notwendig ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Völlig unberührt von dieser Tatsache fahren die beiden „Reformzwillinge“ in ihrem Re­formwahn drüber, und zwar gerade über die schwächsten Glieder der Gesellschaft, nämlich unsere kleinen Kinder im Volksschulalter. Diese dürfen dafür ab dem nächsten oder übernächsten Schuljahr deutliche Nachteile in Kauf nehmen. Sie werden heraus­gerissen aus einer vertrauten Gemeinschaft und haben wesentlich weitere Schulwege in Kauf zu nehmen.

Ich darf ein Beispiel nenne: das steierische Salla, eine Ortschaft unterhalb des Ga­berls, wo ab dem Herbst dieses Jahres die Kinder 30 Kilometer Schulweg zurückzule­gen haben, und das entlang einer Straße, die gefährlich und unübersichtlich ist.

Oder: die Schüler im Hohentauern, einem bekannten Ferienort, die sich über die oft ge­sperrte und schwer passierbare Bundesstraße 114, eine bekannte Lkw-Ausweichstre­cke, 10 Kilometer nach Trieben begeben dürfen.

Und so nebenbei belastet man noch die betroffenen Eltern ordentlich in finanzieller Hinsicht, denn dass das In-die-Schule-Gehen dadurch teurer wird, liegt auf der Hand, und das noch dazu in jenen geographischen Räumen, wo die Jahreseinkommen im Vergleich zu jenen in den Zentralräumen um 3 000 € bis 6 000 € geringer sind. Diese Familien verdienen ohnehin schon weniger als beispielsweise jene im Bereich Graz und Graz Umgebung und werden nun durch Voves und Schützenhöfer noch mehr be­lastet.

Das Motto lautet vermutlich: Ich mache nichts besser, aber teurer, und das dafür sofort! Diesen beiden Herrschaften wäre zu empfehlen, sich jene Bildungsinhalte anzueignen, die sie von den Kleinen einfordern, nämlich die Erarbeitung von Lösungsstrategien in altersgemäßen Gruppen! (Beifall bei der FPÖ.)

Was wäre aber nun wirklich zu tun? – Wie gesagt, im Unterausschuss des Unterrichts­ausschusses waren sich die Experten einig: Klein- und Kleinstschulen sind aufrechtzu­erhalten! Es ist ja nicht notwendig, dass jede Schule ihren eigenen Direktor hat. Es würde beispielsweise genügen, wenn einem Direktor mehrere kleine Schulen unter­stellt wären. Es wäre immer noch gescheiter, er würde die Zeit zum Herumfahren ver­wenden, als wenn es mehrere Direktoren für nicht notwendige zusätzliche Administra­tion gäbe. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Ursula Haubner.)

Man hätte damit aber auch die Möglichkeit, Schwerpunktschulen zu entwickeln, um die besonderen Fähigkeiten eines Kindes hervorzukehren.


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Noch etwas ist meiner Meinung nach unumstößlich notwendig, nämlich die Auflösung der Schulsprengel, die uns mehr behindern, als dass sie uns voranbringen. Das gehört umgesetzt. Ein breiteres Angebot für unsere schulpflichtigen Kinder wäre die Folge. Und auch der immer geforderten Schulautonomie wäre dies höchst förderlich.

Wenn die Herren Schützenhöfer und Voves schon reformieren wollen, dann sollen sie es tun, aber in den eigenen Reihen beginnen. Schaffen sie endlich die unnotwendigen und sündteuren Bezirksschulräte ab! (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.)

Es ist doch nicht wahr, dass man die Schulorganisation nicht straff organisieren kann. Da würde man sich wenigstens etwas ersparen und nicht jene Menschen weiter be­lasten, die ohnehin permanent das Ziel von Attacken der Regierungsparteien ÖVP und SPÖ sind, nämlich die Kinder und die Familien. Das ist in hohem Maße unanständig und unehrlich, und es ist nicht verwunderlich, dass es den Menschen draußen von der Art, wie Sie beide Politik machen, zum Erbrechen übel wird.

Eines noch: Das Bildungsvolksbegehren bekommt einen Sonderausschuss. – Sehr gut! Wir gehen davon aus, dass in Zukunft alle Volksbegehren einen Sonderausschuss bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


12.09.50

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte InitiatorIn­nen, ZuhörerInnen, Damen und Herren, auch auf der Regierungsbank! Ich vermisse den Familienminister – nicht grundsätzlich, aber heute, denn er ist derjenige, der zu­ständig ist für die Bildungseinrichtungen; mit zuständig ist, im Moment noch, bald hof­fentlich voll zuständig –, der zuständig ist für die Bildungseinrichtungen der Kleinsten und Kleinen, die sogenannten Kindergärten. Mir gefällt ja die Bezeichnung „Kinderbil­dungseinrichtungen“ besser. Auch wenn der Familienminister heute nicht da ist, möch­te ich trotzdem den Fokus auf diesen Bereich legen, auch weil er bislang in der De­batte, so wie insgesamt in der öffentlichen Debatte, zu kurz gekommen ist.

Wenn wir über Bildung sprechen, wenn wir über Chancengerechtigkeit sprechen, dann müssen wir bei der Bildung im Kindergarten, in den Kinderbildungseinrichtungen, bei den Kleinsten und Kleinen und nicht erst bei den Kindern in der Schule beginnen. (Bei­fall bei den Grünen sowie der Abg. Marek.) Danke, Frau Staatssekretärin a. D.; Sie ha­ben ja in dieser Frage sehr viele Diskussionen geführt. – Das hatte auch das vorliegen­de Volksbegehren auch zum Inhalt.

Frau Ministerin, wenn Sie davon sprechen, es sei jetzt wichtig, die Anliegen des Volks­begehrens ernst zu nehmen, dann will ich Ihnen einmal grundsätzlich glauben, aber ir­ritierend finde ich es schon, wenn Sie dann gleich im Anschluss mit einer Liste kom­men, was schon alles gelungen ist.

Ich verstehe schon, dass Sie als Ministerin hier auch einen Leistungsnachweis erbrin­gen müssen, auch der Herr Wissenschaftsminister hat das gemacht, aber gleichzeitig halte ich es für eine unmöglich ernstzunehmende Diskussionskultur, wenn jenen, die Probleme aufzeigen, die Defizite aufzeigen, die sagen: Dort und da fordern wir das seit Jahren, brauchen wir das seit Jahren! – und das ist nicht niemand, sondern das sind ExpertInnen, die jahrzehntelang in diesen Bereichen arbeiten, jahrzehntelang engagiert sind, jahrzehntelang über das hinaus, was sie machen müssten, engagiert sind, und die zeigen hier Defizite auf, die immer noch existieren – eine ganze Liste an Dingen vorgelegt wird, was schon gelungen ist (Bundesministerin Dr. Schmied: Ist schon pas­siert!) – warten Sie, das ist das eine! –, aber nicht eingeräumt wird, dass es noch Pro­bleme gibt. Das ist mir zu wenig!


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Frau Ministerin, Sie haben unsere vollste Unterstützung – anscheinend nicht nur unse­re, sondern auch die der ÖVP oder zumindest die des Kollegen Amon –, wenn Sie hier die Forderung aufstellen: Bildung gehört in Bundeskompetenz! – Ja, dorthin gehört sie! Und wenn Ihr Klatschen hier als Zustimmung zu werten ist, und davon gehe ich aus, dann hätten wir schon die Zwei-Drittel-Mehrheit hier im Haus, um diese Kompetenzver­schiebung zu machen. Also reden wir nicht darüber, sondern machen wir es einfach! (Beifall bei den Grünen.) Das könnte ein Ergebnis dieses Bildungsausschusses sein.

Ich finde wirklich die ganze Diskussion, wie viele Menschen dieses Volksbegehren un­terschrieben haben und ob es ein Flop oder ein Bauchfleck ist, wie das von der FPÖ gesagt worden ist, letztklassig, dieses Wettrennen darum, welches Volksbegehren die meisten Stimmen erhalten hat. Ist nicht jedes Volksbegehren, wo Menschen sich zu­sammengetan haben, wo sie eine Initiative gesetzt haben, meistens ehrenamtlich, wo sie es auch geschafft haben, Gelder zu lukrieren, um überhaupt ein Volksbegehren auf die Beine stellen zu können, wichtig? (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Wir kennen auch andere Volksbegehren, zum Beispiel „Raus aus Euratom“, wo man diese Gelder nicht hatte und daher weit weniger Unterstützung bekommen hat. Zwei Wochen später hätten das Volksbegehren wahrscheinlich die Millionengrenze über­schritten, weil da nämlich dann Fukushima passiert ist. Also wir wissen, wie dieses Ge­schäft funktioniert.

Ja ist nicht jedes Volksbegehren, wo Menschen sich zusammentun und eine Initiative setzen und wo dann Hunderttausende Menschen – wie viel Hunderttausende Men­schen auch immer – zum Amt gehen und unterschreiben, obwohl sie wissen, dass in den letzten Jahrzehnten Volksbegehren in der Schublade verschwunden sind, ein Er­folg, egal, ob man das inhaltlich befürwortet oder nicht? Es muss doch unser demo­kratiepolitisches Anliegen sein, das genau so zu bewerten! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Karlsböck.)

So ist auch der Ausschuss anzulegen: Es muss ein klare Debatte darüber geben, es muss einen klaren Austausch von Argumenten geben! Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass ich im elementarpädagogischen Bereich alles bekomme, was ich gerne möch­te. Ich möchte ein Bundesrahmengesetz. Ich möchte eine Bundeskompetenz. Ich möch­te eine PädagogInnenausbildung-Neu und nicht eine LehrerInnenausbildung-Neu, das heißt, ein Einbinden der KindergartenpädagogInnen in die neue Ausbildung, und zwar ab sofort; das ist möglich, es sprengt aber jetzt den Rahmen, das zu erklären. Ich möchte einen Rechtsanspruch auf einen Platz für jedes Kind. Ich möchte Qualität für die PädagogInnen, die in diesen Einrichtungen arbeiten. Ich werde nicht alles bekom­men. Ich möchte in diesem Ausschuss eine fundierte Diskussion und keine Blockade erleben.

Noch ein Letztes, und zwar zu den direktdemokratischen Instrumenten und zu Volks­begehren: Ich freue mich, dass diese Diskussion stattfindet. Ich freue mich auch, dass jetzt auch BZÖ und FPÖ hier Vorschläge gebracht haben und nicht nur wir Grünen. Ich freue mich auch, dass auch Vorschläge von anderen Parteien aufgegriffen werden, wie zum Beispiel die 4-Prozent-Hürde, die ich vorgeschlagen habe. Die wurde jetzt, nach vorherigen Zahlenspielereien von der FPÖ, aufgegriffen. (Zwischenruf der Abg. Kitz­müller.)

Aber hören wir auf, das Ganze nach parteipolitischen Gesichtspunkten zu diskutieren! Setzen wir uns gemeinsam an den Tisch, machen wir hier im Parlament einen Kon­vent, unter Einbeziehung aller Interessierten, aller zivilgesellschaftlichen Institutionen, aller Initiativen und diskutieren wir das Thema „direkte Demokratie“ ernsthaft! Dann kann etwas herauskommen. (Beifall bei den Grünen.)

12.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 69

12.15.51

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseher! „Im österreichi­schen Schulsystem sind im internationalen Vergleich die Ausgaben hoch und die Er­gebnisse mittelmäßig.“

Dieser Satz, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird Ihnen bekannt vorkommen, denn dieser Satz fasst die Studie zusammen, die 2007 vom IHS, vom Herrn Bernhard Felderer, in Auftrag gegeben wurde, und dieser Satz hat auch heute, fünf Jahre später, noch seine Gültigkeit.

Diese Studie umfasst mehr als 200 Seiten und liegt seit fünf Jahren auf dem Tisch. Heute haben wir das Volksbegehren „Bildungsinitiative“ auf der Tagesordnung und dis­kutieren es hier im Rahmen der ersten Lesung. 383 724 Österreicherinnen und Öster­reicher haben dieses Volksbegehren unterschrieben. Auch ich habe dieses Volksbe­gehren unterschrieben, weil es eine Reihe von BZÖ-Forderungen enthält und weil ich eine Befürworterin der direkten Demokratie bin.

Es liegt auf der Hand, dass Österreich ein teures und ineffizientes Schulsystem hat. Das österreichische Bildungssystem – meine sehr geehrten Damen und Herren, da sind wir uns einig – ist mehr als reformbedürftig. (Demonstrativer Beifall beim BZÖ.) 90 Prozent des Budgets gehen in Personalkosten, wo bleibt da ein Gestaltungsspiel­raum für die Ministerin? Österreich ist Ferienweltmeister, hat die wenigsten Unterrichts­stunden. Auf der anderen Seite müssen aber die österreichischen Eltern 140 Millionen € im Jahr für Nachhilfe berappen, meine sehr geehrten Damen und Herren. 140 Millionen € im Jahr! Das allein zeigt schon auf, dass da ein Fehler im System ist. (Neuerlicher Bei­fall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, vor allem Sie von Rot und Schwarz, sind gefordert, da end­lich etwas zu tun. Es gibt ein Match zwischen Rot und Schwarz, was die Lehrerkom­petenz betrifft. Es gibt ein Match zwischen Bund und Ländern, was die Lehrerkompe­tenz betrifft. Ich bin Ihrer Meinung, Frau Ministerin, und kann Sie vollinhaltlich unterstüt­zen, wenn Sie sagen: Bildungspolitik braucht Bundeskompetenz!

Das Bildungsvolksbegehren bekommt nun doch einen Sonderausschuss. Das ist jetzt das zweite Volksbegehren, das einen Sonderausschuss bekommt, und zwar hat es ei­nen Sonderausschuss im Jahr 1997 gegeben, als das „Gentechnik-Volksbegehren“ be­handelt wurde. Für uns ist aber nicht die Form der Behandlung wichtig, sondern für uns sind die Inhalte wichtig. Es ist entscheidend, dass die geforderten Maßnahmen umge­setzt werden und nicht immer nur darüber geredet wird.

Österreich braucht eine echte Schulverwaltungsreform (Beifall beim BZÖ), eine echte Reform, damit die Schulverwaltung moderner, effizienter und transparenter wird. Die Schule muss entpolitisiert werden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Politik zieht sich in der Schule durch von ganz oben bis ganz unten, zur Putzfrau. So kann es nicht sein! Wir brauchen ein einheitliches Lehrerdienst- und -besoldungsrecht – das wurde heute schon öfters erwähnt –, eine einheitliche Ausbildung aller Pädagoginnen und Pädagogen, verpflichtende Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer, klare Kom­petenzverteilung und die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten.

Und was besonders wichtig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Alle Kinder sollen die gleichen Chancen haben, die gleichen Chancen auf Bildung, egal, aus wel­chem sozialen Umfeld sie kommen! (Beifall beim BZÖ.) Das ist mir ein besonderes An­liegen!

Lassen Sie mich noch kurz auf den „Bildungsplan 2012“ der steirischen Landesregie­rung, im Speziellen der Landesrätin Grossmann, eingehen. Frau Grossmann hat diese Bildungsinitiative unlängst vorgestellt, aber sie zäumt das Pferd von hinten auf, denn


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Schulschließungen sollen ganz hinten stehen, davor müssen die richtigen Reformen gemacht werden. Und zwar: Es muss der Landesschulrat abgeschafft werden, und es müssen die Bezirksschulräte abgeschafft werden! (Beifall beim BZÖ.)

Eine Reihe von Schulen soll geschlossen werden – Hauptschulen, Polytechnische Lehrgänge, Berufsschulen. Allein 36 Volksschulen sollen in der Steiermark geschlos­sen werden. Und das besonders Perfide daran ist, dass die Direktoren und die Betrof­fenen, die Bürgermeister davon aus der Zeitung erfahren und dass mit ihnen nicht ge­redet wurde. (Abg. Steibl: Das stimmt ja überhaupt nicht!) – Das stimmt sehr wohl!

Ich möchte ein kurzes Beispiel bringen (Abg. Steibl: Gerade in Semriach stimmt das nicht! Dort ist mit der Direktorin gesprochen worden, !) – hören Sie mir zu, Frau Kol­legin! –: Bezirk Graz-Umgebung, Marktgemeinde Semriach, Katastralgemeinde Rech­berg. Im Herbst 2010 ist dort eine neue Schulleiterin eingesetzt worden. Im Jän­ner 2011 sind die Eltern am Vormittag mit ihren Kindern zur Einschreibung hingegan­gen – am Nachmittag haben sie erfahren, dass diese Schule geschlossen wird. Das ist eine Veräppelung der Bürger sondergleichen, meine sehr geehrten Damen und Her­ren. (Beifall beim BZÖ.)

Weil wir gerade über die Steiermark sprechen: Der steirische Abgeordnete Bundesge­schäftsführer Kräuter ist jetzt zwar nicht im Raum, aber ich möchte dem Initiator des Volksbegehrens, Herrn Androsch, vielleicht Folgendes auf den Weg mitgeben: Da er heute schon im Parlament ist, sollte er vielleicht die Gelegenheit nutzen und bei Herrn Kräuter seinen Diplomatenpass abgeben – da könnte man das eine mit dem anderen gleich verbinden –, denn Herr Kräuter hätte ja gerne diesen Diplomatenpass, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

12.21


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser. – Bitte.

 


12.21.21

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Herr Bundesminister! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Werte Initiatorinnen und Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens! Viele von uns, die wir hier sitzen, sind Profiteurinnen und Profiteure einer Bildungspolitik unter Bruno Kreisky, die vom Herrn Petzner irgendwie als Schuldenmachpolitik hingestellt wurde.

Ich persönlich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich in der zweiten Klasse Volksschule das erste Mal ein eigenes Schulbuch bekommen habe, das nicht vom Vor­mann angeschmiert gewesen ist, sondern das mir gehört hat, und dass all diese Dinge funktioniert haben. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass der Mittelschulzugang ein freier Zugang war, dass die Aufnahmsprüfung abgeschafft wurde und dass wir plötzlich gemerkt haben, dass sich die Mittelschulen durchmischt haben.

Wenn ich mir die Aussagen so mancher Kolleginnen und Kollegen hier anhöre, dann muss ich sagen, ich glaube, dass die Bildungspolitik unter Bruno Kreisky zumindest, was die Leute meiner Generation betrifft, ein besseres Verständnis von Politik und vom Leben gebracht hat, als es die Ausführungen des Herrn Petzner – der Herr Grosz bie­tet sich auch immer wieder als Beispiel an – zum Ausdruck gebracht haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Deswegen brauchen wir ein Bildungsvolksbegehren, weil die Bil­dungspolitik so gut !)

Frau Kollegin Schwentner hat vorhin eine Studie von Felderer aus dem Jahr 2007 zi­tiert. (Abg. Grosz: In welche Schule sind Sie eigentlich gegangen? Denn lernerfassend zuhören hätten Sie eigentlich ! nicht einmal zuhören können!) – Hören Sie auch zu? – Zuhören! Nur zuhören!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 71

Sie haben von einer Studie von Felderer gesprochen, in der er die Bildungspolitik im Jahr 2007 beurteilt hat. Ich glaube, ich brauche niemanden darauf aufmerksam zu ma­chen, welche Art der Bildungspolitik und Schulpolitik in dieser Umfrage beurteilt wurde. Wir haben jetzt seit längerer Zeit das Unterrichtsministerium wieder in sozialdemokra­tischer Hand, in der Hand der Frau Bundesministerin Schmied, und wir haben schon über sehr viel gehört, was in dieser Zeit weitergegangen ist. Ich glaube daher, dass ei­ne Beurteilung des Schulsystems jetzt bereits deutlich besser ausfallen würde, als es damals unter auch oranger Regierungsbeteiligung gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Für das Protokoll: Schwacher Applaus der SPÖ! Schwacher Applaus Ihrer eigenen Kollegen!)

Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass von der Bildung die Chancen auf dem Arbeits­markt abhängen. Wir wissen aus diversen Studien und Erhebungen, dass Menschen mit schlechter Bildung, schlechter Ausbildung erstens einmal früher ihren Arbeitsplatz verlieren und zweitens auch viel schlechter in einen Job hineinkommen. Wir wissen auch, dass Menschen aus bildungsfernen Schichten einen schlechteren Zugang zum Gesundheitswesen haben, meistens einen schlechteren Gesundheitszustand haben, und wir wissen auch, dass die Lebenserwartung von Menschen aus bildungsfernen Schichten eine geringere ist. All das, glaube ich, sind Gründe, die es für uns hier wirklich sehr dringend machen, gerade in die Bildung unserer jungen Menschen zu in­vestieren. Es ist daher auch in Zeiten des Sparpaketes eine klare Entscheidung dieser Bundesregierung gewesen, im Bereich der Bildung und der Schulbildung nicht zu spa­ren, sondern zu investieren.

In Österreich hängen die Bildungschancen von Kindern sehr stark davon ab, wo ihre Eltern herkommen, noch stärker als in anderen, vergleichbaren Ländern. Und was die Zitierung von Hengstschläger betreffend Gleichmacherei betrifft, so kann ich mich nur dem anschließen, was Kollege Sacher gesagt hat: Was wir wollen, ist, dass die Men­schen in Österreich, die Kinder in Österreich, unabhängig davon, woher sie kommen, unabhängig davon, aus welchem Elternhaus sie kommen, unabhängig davon, welcher sozialen Schicht sie angehören, die gleichen Chancen auf eine gute Ausbildung, auf eine gute soziale Teilhabe und auf ein gutes Weiterkommen im Leben haben. Das hat mit Gleichmacherei nichts zu tun, sondern das ist die Chancengleichheit, die wir uns im Bildungssystem wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Vonseiten der Arbeitnehmervertretungen, ÖGB und Arbeiterkammer, aber auch in der Sozialpartnerschaft ist und war das Thema Bildung und Bildungspolitik immer ein sehr wichtiges und immer eines, wo wir versucht haben, weit über die ideologischen Gren­zen hinweg gemeinsame Schritte und gemeinsame Papiere zu entwickeln.

So war es 2007 auf der Ischler Tagung der SozialpartnerInnen, dass wir das Bildungs­konzept „Chance Bildung“ verabschiedet haben, fußend auf der Lissabon-Strategie zum lebenslangen Lernen, die 2000 vom Rat verabschiedet wurde, wobei wir versucht haben, zu allen Themengebieten Positionen zu finden, wie wir dieses System weiter­entwickeln können. Viele Forderungen, die in diesem Papier aus dem Jahr 2007 ste­hen, sind erfüllt und werden zum Teil heute erfüllt. Wir werden heute beschließen, wie wir das kostenlose Nachholen von Bildungsabschlüssen ermöglichen. 54,6 Millionen € von Bund, Ländern und Gemeinden werden in der nächsten Zeit bewegt, um Menschen, die keinen Schulabschluss haben, Schulabschlüsse zu ermöglichen.

Ebenso hatten wir als Forderung ganztägige Schulformen in jeder Region inkludiert. Es wurde heute erwähnt, dass 140 Millionen € von den Eltern für Nachhilfe ausgegeben werden. Ja, das stimmt! Eine ganztätige Schulform, wo es die Möglichkeit gäbe, dass Schülerinnen und Schüler den ganzen Tag über betreut werden, versorgt werden und unterrichtet werden, würde diese Kosten drastisch senken.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 72

Was dazu aber gehört – und ich glaube, auch das ist kein Geheimnis –, das ist, den vielen engagierten Lehrerinnen und Lehrern, die wir in diesem Land haben, auch Ar­beitsbedingungen zu bieten, unter denen eine ganztägige Betreuung auch möglich ist. Ich glaube, wir alle erinnern uns noch an die Klassenzimmer, Lehrerzimmer unserer Schulzeit: ein Platz für jeden Lehrer, dazwischen und darüber hinaus nichts.

Das heißt, wir brauchen gute, engagierte Lehrerinnen und Lehrer, wir brauchen gute Eltern, denen die Bildung etwas wert ist, und ich glaube, wir brauchen ein Parlament beziehungsweise eine Gesetzgebung, die darauf achtet, dass wir den Bedürfnissen un­serer Kinder auch den richtigen Platz einräumen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


12.27.11

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Trotz breiter Werbung ist das Bildungsvolksbegehren weit unter den Erwartun­gen der Initiatoren geblieben (Zwischenrufe bei der SPÖ), hat es doch im Ranking im Vergleich zu den anderen Volksbegehren gerade einmal den 17. Platz eingenommen. Das ist nicht berauschend. (Abg. Sacher: Es geht ja nicht um eine Olympiade, es geht um die Bildung!) Trotzdem: Es ist sehr wichtig, wir nehmen diese Anzahl der Unter­schriften zur Kenntnis, und wir sehen das sehr positiv, denn es hat eines gebracht: Bil­dung hat einen ganz wichtigen Stellenwert in der öffentlichen Diskussion bekommen. Das ist sehr positiv, weil Bildung tatsächlich ein sehr, sehr wichtiges Thema ist, geht es doch um die Zukunft unserer Kinder, um die Chancen unserer Jugend.

Es gibt viele unterstützenswerte Forderungen in diesem Papier, und es gefällt mir auch, dass Bildung nicht auf gemeinsame Schule oder notwendige Akademikerquote reduziert wird, wie dies in vielen oberflächlichen Bildungsdebatten der Fall ist. Bildung muss nämlich einen umfassenden Ansatz haben. Bildung beginnt bereits im Babyalter im Elternhaus und begleitet uns ein Leben lang. Jedes Regalbrett mit Büchern, jede vorgelesene Geschichte im Elternhaus ist entscheidend für die zukünftige Bildungs­karriere. Deshalb sollen wir uns mit dem Begriff „Chancengleichheit“ nichts vormachen, denn im Kleinkindalter vertane Chancen sind sehr schwer gutzumachen. Eltern haben also auch eine große Verantwortung, ihren Kindern möglichst viele Chancen mit auf den Weg zu geben.

Deshalb ist der Schwerpunkt Frühkindpädagogik ein ganz wichtiger, beginnend im Kindergarten, und ich glaube schon, dass wir hier noch Aufholbedarf haben. Es muss uns gelingen, hier soziale Benachteiligungen auszugleichen – je früher, desto besser. Deshalb ist die Frühkindpädagogik meines Erachtens besonders wichtig.

Auch die gemeinsame Schule ist eine Forderung im Bildungsvolksbegehren, und ich sehe hier die Gefahr der systematischen Absenkung der Anforderungen und lobe mir da das Modell der Neuen Mittelschule, das wir auf den Weg gebracht haben und das demnächst ins Regelschulwesen übergeführt werden soll.

Es darf nämlich nicht sein, dass die Devise lautet: Lieber alle gleich schlecht als un­terschiedlich gut! (Abg. Binder-Maier: Geh bitte! Diese Stehsätze immer!), sondern es bedarf der Differenzierung, denn es sind nicht alle gleich. Begabungsgerechte Förde­rung heißt, Stärken und auch Begabungen zu erkennen und entsprechend zu fördern. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt nicht nur intellektuelle Begabungen, sondern auch handwerkliche, es gibt krea­tive, es gibt sportliche Begabungen. Für diese unterschiedlichen Begabungen brau­chen wir natürlich auch unterschiedliche Angebote und Bildungswege. Auch Facharbei-


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ter sind uns wichtig, nicht nur Universitätsprofessoren. Deshalb hat für mich die Lehre auch einen wichtigen Stellenwert in der ganzen Bildungsdebatte. (Beifall bei der ÖVP.)

Die gemeinsame Schule führt uns direkt in die „Durchschnittsfalle“, so hat es Hengst­schläger bezeichnet. Wir wollen aber nicht nur durchschnittliche Schüler, sondern auch Spitzen und Eliten. Leistung darf deshalb nicht infrage gestellt werden.

Wichtig ist, wir sind auf einem guten Weg. Ich sehe hier keinerlei Stillstand, so wie das angesprochen wurde, auch keine Blockade. Wir haben die Bedingungen für die Berufs­reifeprüfung deutlich verbessert. Wir beschließen heute eine Artikel-15a-Vereinbarung für die Nachholung des Pflichtschulabschlusses und auch für die Basisbildung. Wir ha­ben die Neue Mittelschule – ich habe sie schon erwähnt. Individualisierung und Begab­tenförderung sind verankert in der Oberstufe neu, die auch heute beschlossen wird. Wir haben die ganztägigen Schulformen deutlich ausgebaut. Es gibt die Aufwertung des Lehrberufes, so hoffe ich, demnächst, denn die Lehrerbildung neu ist auf dem Weg. Und ich hoffe, dass auch das neue, moderne Dienstrecht, von dem schon lange ge­sprochen wird, demnächst fertig wird. Wir haben einen Hochschulplan, in dem auch die Finanzierung geregelt ist.

Auch heute und gestern hat die Finanzministerin deutlich gesagt, dass, trotz des Spar­pakets, bei Familien, bei Bildung, bei Forschung, bei Innovation auf keinen Fall gespart werden darf. Das ist ganz wichtig.

Ich freue mich schon auf diesen besonderen Ausschuss und auf die Diskussion über eine gute Bildung in Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

12.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. – Bitte.

 


12.32.39

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte KollegInnen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Heute geht es um Bildung. Das ist ein sehr, sehr wichtiges Anliegen, und es betrifft alle hier in Österreich. Das Bildungsvolksbegehren ist generell ein sehr wichtiges Thema, und ich möchte hier einiges ansprechen.

Forderung Nummer 7: Es geht darum, dass wir fordern, faire, soziale, inklusive Zu­gänge zu diesem Bildungssystem zu haben. Was ist damit gemeint? – Es bedeutet, Menschen, jedem Kind, unabhängig von der Herkunft, der Sprache, der Religion und allen anderen Unterschieden, die es gibt, Zugang zu Bildung zu gewähren. Jedes Kind muss gefördert werden. Die Vielfalt beinhaltet auch Chancenvielfalt und Zugang zu Bil­dung. Manchen Menschen ist es vielleicht noch nicht ganz klar, dass Bildung ein Men­schenrecht ist.

Was wir nicht vergessen sollten, ist, dass bei diesen Forderungen auch behinderte Kin­der angesprochen sind. Vergessen wir nicht: Behinderte Kinder werden gefördert. Aber denken Sie, dass sie ausreichend gefördert werden im österreichischen Bildungssys­tem? – Nein, das ist leider nicht so. Bis jetzt werden sie nicht optimal gefördert. In der Praxis sieht es anders aus.

Integration kommt immer mehr überall zur Anwendung. Wir haben Integration in vielen Einrichtungen, aber Integration ist nicht Inklusion, und Inklusion ist noch nicht ganz in alle Köpfe gedrungen. Ich zeige Ihnen die Gebärde für „Integration“ (die Rednerin zeigt diese): Integration. Wer ist oben, und wer ist unten? – Ganz klar. Einer deckt den an­deren ab. Behinderte Menschen sind unter den nicht behinderten Menschen und wer­den runtergedrückt. Die Gebärde sagt genau, worum es geht.


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Jetzt die Inklusion: Das ist die Gebärde für „Inklusion“. (Die Rednerin zeigt diese.) Das Bild ist positiv. Alle, verschiedenster Herkunft, bunt, wie auch immer sie gestaffelt sind, sind hier gemeinsam im Zentrum. Es gibt kein Oben oder Unten. Wir sind auf gleicher Ebene. Das Wort in der Gebärdensprache ist ganz klar.

Deswegen denke ich, dass das Bildungsvolksbegehren strategisch intelligent geplant werden muss, und zwar: Inklusion betrifft alle. Reden wir nicht über Integration, reden wir nicht über kleine Maßnahmen, reden wir über anständige Inklusion!

Bildung, das ist wirklich mein Schwerpunkt und ein Hauptanliegen meiner Tätigkeit. Es gibt immer noch Dinge, die nicht ins Bewusstsein gedrungen sind – ich möchte mich hier wiederholen, mehrmals, bis es in die Köpfe geht –: Der Fürsorgegedanke ist von gestern, der unter dem Motto stand: Kinder werden beschult in Sondereinrichtungen, und das muss genug sein. LehrerInnen haben eine Ausbildung, die ausreicht. Sie dür­fen sozusagen in der Integration mit Stützlehrern zusammenkommen. Material, das be­steht, ist ausreichend. Was wollen die denn alle überhaupt noch? – Viele meinen, dass behinderte Kinder ja sowieso in Zukunft nicht im Arbeitsmarkt integriert werden. In­sofern sei es ja auch egal, sollen sie dann eben in irgendeiner Werkstatt arbeiten. Was macht man denn mit behinderten Kindern in der Zukunft? – Nein, das ist ein falscher Gedanke! Wir müssen wegkommen davon.

Rührselig, armselig streichen wir das eine oder andere für behinderte Kinder, schonen wir behinderte Kinder, sodass sie nicht turnen müssen, und sie brauchen auch nicht Englisch zu lernen. Wir streichen da ein bisschen, streichen dort ein bisschen. – Nein, das ist nicht optimale Förderung! Und das ist auch keine Forderung des Bildungsvolks­begehrens. Englisch – warum nicht?

Englisch kann in Gebärdensprache amerikanische Gebärdensprache sein. Leibes­übungen müssen ja nicht von der klassischen Art sein, sondern das kann man fördern im Sinne von Mobilitätsförderung. Hörende Kinder können von Gehörlosen lernen. Nicht behinderte Kinder können von behinderten Kindern lernen. Segregieren wir nicht mehr!

Wir alle sind nicht mit behinderten Menschen aufgewachsen. Kollegen wie Franz-Jo­seph Huainigg waren in meiner Klasse, in meiner Schule nicht zu sehen. Am Anfang hatte ich auch meine Berührungsängste im Umgang mit ihm. Kinder sind offen. Sie sind offen für Neues, für Kulturen, für den Umgang mit Menschen. Sie haben kein Pro­blem. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deswegen ist dieses Bildungsvolksbegehren so gut, ist dies ein guter Zeitpunkt, um über Inklusion nachzudenken. Rot, Blau, Schwarz, Orange, alle – wir Grünen gemein­sam mit allen sollten daran denken, wir reden hier darüber, für Kinder Menschenrechte umzusetzen. Es betrifft alle von uns! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Abge­ordneten der ÖVP sowie der Abgeordneten Dr. Graf und Markowitz.)

12.37


Präsident Fritz Neugebauer: Es spricht nun Herr Abgeordneter Mag. Widmann. – Bitte.

 


12.37.55

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Was wir hier heute an Selbstverständlichkeiten gehört haben, ist nicht überraschend, auch nicht neu. Neu ist auch nicht, dass ÖVP oder SPÖ bei dieser Debatte bereits im Vorfeld der Diskussion des Ausschusses wieder streiten. Aber neu ist die Dimension dessen, wie in Österreich Bildungspolitik gemacht wird, nämlich indem ein ehemaliger Vizekanzler eine Initiative ergreift, eine richtige Initiative ergreift und das bundesweit thematisiert. Überraschend ist aber, dass das dann in Relation doch sehr wenig unterschreiben, weil


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 75

die Menschen offenbar ganz genau wissen, dass diese Regierung nicht in der Lage ist, den Bildungskurs in Österreich wirklich auf Vordermann zu bringen.

Da muss man einmal generell nachdenken zum Beispiel – es ist bereits angesprochen worden – über die Volksbegehren. Wie gehen wir damit um? Es gab viele gute Volks­begehren: zum Atomausstieg, zum Ausstieg aus der Gentechnik, das Familien-Volks­begehren, das Volksbegehren „Österreich zuerst“ von Jörg Haider. Alle wurden eigent­lich letztklassig begraben, ohne Diskussion. Da haben wir bereits einen Fortschritt: Jetzt diskutieren wir über ein Volksbegehren in einem Ausschuss mehrmals. Das sollte eigentlich Standard werden. Und es sollte auch Standard werden, dann in der Öffent­lichkeit darüber zu berichten: Was ist damit passiert? War es die Diskussion, und das war es dann, oder gibt es auch ganz konkrete Ergebnisse bei Reformen, bei der Finan­zierung oder andere gesetzliche Maßnahmen? (Beifall beim BZÖ.)

Was wir in der Bildung brauchen, ist mit Sicherheit eine Strukturreform, es ist mit Si­cherheit auch die Zusage, in diesen Bereich auch in Zukunft zu investieren, wie das die Schweiz oder Deutschland machen, auch in Zeiten der Krise. Und es geht auch darum, für Bildung, Wissenschaft und Forschung bei der Bevölkerung Bewusstsein zu schaf­fen. Denn wer Bildung und Wissenschaft unterstützt, der sorgt für gute Arbeitsplätze, der sorgt für Wohlstand, der sorgt für Einkommen, der sorgt letztlich auch für den Wohlfahrtsstaat.

Wir brauchen auch, wie es Markus Hengstschläger formuliert hat, Eliten, Talentförde­rung. „Wir sitzen in der ,Durchschnittsfalle‘“, hat er tituliert. Da hat er vollkommen recht.

Ein anderer Beweis ist die Studie von Bernhard Felderer – die Ergebnisse wurden prä­sentiert, aber eines wurde noch nicht gesagt: Man könnte im Bildungssystem locker
10 bis 12 Prozent einsparen, ohne dass dadurch ein Qualitätsverlust eintritt; Geld, das man woanders gut investieren könnte.

Oder: Strukturreform auf Länderebene. Wer braucht heute Bezirksschulräte, wer braucht Landesschulräte? Alles parteipolitisch besetzt, in der Regel von Rot und Schwarz. Fahren wir doch ab mit diesen parteipolitisch besetzten Funktionen! Wir brauchen sie nicht. (Beifall beim BZÖ.)

Fassen wir diese Dinge in der zuständigen Abteilung des Landes zusammen. Genauso wenig brauchen wir parteipolitisch besetzte BHs. Ich würde überhaupt dafür plädieren, Parteibuchwirtschaft in Österreich endlich einmal unter Strafe zu stellen, denn es kann doch nicht sein, dass einzelne Landeshauptleute oder Minister entscheiden, wer in Ös­terreich Karriere machen darf und wer nicht, etwa auch im Bildungsbereich. Damit muss endlich Schluss sein! (Beifall beim BZÖ.)

Wir brauchen mehr Autonomie auch für die Schulen selbst. Es ist angesprochen wor­den, die Direktoren sollen mehr entscheiden dürfen. Darüber kann man mit uns disku­tieren, dafür sind wir gerne zu haben.

Oder der Vorschlag von Ursula Haubner, die Lehrer dazu zu verpflichten, in den letzten zwei Ferienwochen gratis Nachhilfe für Schüler zu geben, die es brauchen. Das ist doch gescheit. Wenn ich heute acht, zehn Wochen Urlaub habe, kann ich ein, zwei Wochen hergeben, um den Jüngsten in diesem Lande entsprechende Nachhilfe anzu­bieten.

Zum tertiären Bereich: Sie kennen ganz genau die dortige finanzielle Situation. Wir ha­ben einen Hochschuldialog geführt, Herr Minister, mit einem Ergebnis, das eigentlich ein Nullergebnis ist. Wir reden immer noch vom Hochschulplan, der immer noch nur in Konzeptform vorliegt, aber noch nicht endgültig ist. Es fehlt Ihnen das Geld zur Errei­chung des 2-Prozent-Ziels im tertiären Bereich, das wissen Sie. Die 4,8 Milliarden €, die es in Österreich für Wissenschaft und Forschung gibt, sind im Wesentlichen bereits


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zur Hälfte durch die MedUnis aufgebraucht, und es gibt in den Budgets keinen Pfad, trotz allfälliger Zusagen durch die Frau Finanzminister, der erkennen ließe, dass es da mehr gibt, dass es da Aufbesserungen gibt. Ganz im Gegenteil.

Das heißt, wir müssen in diese Bereiche investieren, um fit zu werden. Ebenso ist es bei der F&E-Quote, 4 Prozent vom BIP ist das Ziel, 3,76 Prozent sind es nur mehr – das ist unerreichbar.

Zu guter Letzt ein Vorschlag: die viel diskutierten Studiengebühren. Erst gestern haben die Wissenschaftssprecher auf meine Initiative hin hier das wieder beraten. Ich mache Ihnen einen neuen Vorschlag – ich habe das heute mit meinem Klubobmann Josef Bu­cher diskutiert –: Schaffen wir im Zusammenhang mit den Studiengebühren einen ech­ten Leistungsanreiz! Sie alle reden von Eliten, Sie alle reden auch von Talentförderung, Sie alle sprechen von Leistung. Warum führen wir nicht Studiengebühren in der Höhe von 500 € ein, und wenn ein Student innerhalb der Mindeststudiendauer das Studium abschließt, bekommt er die Studiengebühren samt Zinsen vom Staat zurück? (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist doch ein gescheiter Vorschlag, über den wir diskutieren sollten. Das wäre neu, das wäre innovativ, das wäre leistungs­orientiert und würde niemanden in diesem Land mehr von einem Studium ausgrenzen, aber umgekehrt würde es jene von den Unis vertreiben, die die Unis dazu benutzen, zu bummeln, gratis irgendwelche Fahrscheine und Vergünstigungen zu bekommen. Die würden wir durch dieses System ausschließen.

Abschließend: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden nicht nur daran gemessen werden, was wir jetzt im Zusammenhang mit dem Bildungsvolksbegehren in den Ausschüssen diskutieren, sondern wir werden auch daran gemessen werden, was diese Regierung, soweit sie dazu noch in der Lage ist, konkret umsetzt. Das wird der Maßstab sein, an dem Sie die Österreicher messen werden. (Beifall beim BZÖ.)

12.43

12.43.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Es liegt mir der Antrag vor, zur Vorberatung des Volksbegehrens „Bildungsinitiative“ in 1647 der Beilagen einen besonderen Ausschuss zu wählen, der 26 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder umfassen soll.

Gemäß § 32 Abs. 1 der GO nehme ich die Wahl dieses Ausschusses sofort vor und bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des hiemit gewählten Ausschusses werden auf die Klubs im Verhältnis der Zahl der ihnen angehörenden Abgeordneten nach den im § 30 der Geschäftsordnung festgelegten Grundsätzen verteilt.

Demgemäß entfallen auf die Sozialdemokratische Parlamentsfraktion 8 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Parlamentsklub der Österreichischen Volkspar­tei 8 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Freiheitlichen Parlaments­klub 5 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder, auf den Grünen Klub im Parlament 3 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder und auf den Parlamentsklub des BZÖ 2 Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder.

Die Klubs haben die auf sie entfallenden Mitglieder beziehungsweise Ersatzmitglieder des Ausschusses namhaft zu machen. Diese gelten damit gemäß § 32 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung als gewählt. Die Namen dieser Abgeordneten werden im Stenographi­schen Protokoll angeführt werden. (siehe S. 206)


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12.45.042. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über das Stenographische Protokoll der par­lamentarischen Enquete zum Thema „Werteerziehung durch Religions- und Ethik­unterricht in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft“ (III-234/1470 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Zum Vorbringen einer Druckfehlerberichtigung erteile ich dem Ausschussobmann, Herrn Abgeordnetem Dr. Rosenkranz, das Wort. – Bitte.

 


12.45.30

Berichterstatter Dr. Walter Rosenkranz: Herr Präsident! Hoher Ausschuss! Nach­dem der Berichterstatter selbst das Wort ergreift, komme ich als Ausschussobmann meiner Verpflichtung nach.

Ich bringe folgende Druckfehlerberichtigung zum Bericht des Unterrichtsausschusses über das Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „Wer­teerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Ge­sellschaft“ vor:

Anstelle des letzten Absatzes des Berichtes sind folgende zwei Absätze einzufügen:

„Bei der Abstimmung hat der Unterrichtsausschuss einstimmig beschlossen, dem Na­tionalrat die Kenntnisnahme des Stenographischen Protokolls der parlamentarischen Enquete zum Thema ,Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer of­fenen, pluralistischen Gesellschaft‘ zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle das Stenographische Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema ,Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralis­tischen Gesellschaft‘ (III-234 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.“

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich danke herzlich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Elmar Mayer. – Bitte.

 


12.46.40

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Schulversuche zum Ethikunterricht laufen aus, Ethik als Wahlpflichtfach zum Religionsunterricht in der Oberstufe. Sie wissen, im Re­gierungsübereinkommen ist vereinbart, dass nach dem Auslaufen des Schulversuches dieses Thema insgesamt geregelt werden soll.

Im Mai letzten Jahres hat es dazu eine parlamentarische Enquete mit dem Titel „Wer­teerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Ge­sellschaft“ gegeben. Viele von uns haben daran teilgenommen. Ich meine, dass es da­bei recht gut gelungen ist, einen breiten Bogen von Dr. Kurt Greussing über Konrad Paul Liessmann bis hin zu Dr. Paul Michael Zulehner zu spannen und wirklich einen Einblick in die Problematik zu geben.

Was braucht es an den Schulen? – Ich meine, für alle, die an der Enquete teilgenom­men haben, steht nach der Enquete außer Streit: Es sollte einen Ethikunterricht geben. Die Frage ist: Wie soll er organisiert, wie soll er gestaltet und wie soll er vor allem auch finanziert werden? – Dazu wird dann Kollege Neugebauer, glaube ich, einen entspre­chenden Antrag einbringen, damit wir rechtzeitig entsprechendes Zahlenmaterial für unsere Entscheidungen bekommen.

Für uns stehen unter anderem folgende Alternativen zur Diskussion: entweder Auslau­fen der Schulversuche ohne Ersatzmodell – das heißt Konfessionsunterricht für Schü-


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lerInnen mit Glaubensbekenntnis, mit der Möglichkeit, sich vom Unterricht abzumelden, das heißt kein Ethikunterricht – oder Ethikunterricht als Pflichtfach für alle SchülerInnen der Oberstufe – das würde bedeuten Konfessionsunterricht als zusätzliches Wahlfach für SchülerInnen mit Religionsbekenntnis – oder andere Möglichkeiten, die da mitdisku­tiert wurden.

Für uns ist unzweifelhaft, dass Ethikunterricht an folgende Bedingungen geknüpft wer­den muss: Ethik muss als eigenes Lehramt eingerichtet werden – wir haben das heute schon angesprochen, es steht die neue LehrerInnenausbildung an, und wenn Ethik ein Pflichtfach werden sollte, muss dafür ein eigenes Lehramt eingerichtet werden. Ethik­unterricht kann nicht von ReligionslehrerInnen unterrichtet werden, außer sie haben ei­ne entsprechende Ausbildung. Ich meine, das verlangt auch das weltanschauliche Neu­tralitätsgebot des Staates.

Und schlussendlich: Die Erstellung eines Lehrplanes ist Aufgabe des Ministeriums, oh­ne Einfluss von Religionsgemeinschaften. Auch das gebietet das weltanschauliche Neu­tralitätsgebot des Staates.

Wenn wir in diesem Bereich nächste Schritte setzen wollen, ist es, glaube ich, wichtig, dass wir im Vorfeld die konkreten Zahlen haben, wie viel was kostet. Ein Vorschlag zur Güte wäre auch – auch im Sinne dessen, wie mit den Ressourcen im Religionsunter­richt umgegangen wird; auch das ist ja ein Thema, das wir im Bereich Schulverwal­tungsreform diskutiert haben –: Der Bund zahlt für die gemeldeten Schüler für den Reli­gionsunterricht an die Länder, wobei der Religionsunterricht zum Teil nur zu 50 Prozent zustande kommt. Das heißt, die anderen Ressourcen bleiben in den Ländern und wer­den dort für andere Zwecke verwendet.

Ich würde meinen, wenn man da einen ersten sinnvollen Schritt macht, könnte man auch sagen, wir nutzen diese Ressourcen, die da ausfallen, für einen Ethikunterricht, der da alternativ angeboten werden kann. Dann hätten wir auch kein Finanzierungspro­blem, allerdings mit dem Beigeschmack für die Länder, dass sie dieses Körberlgeld nicht mehr hätten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.51


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhrmann. – Bitte.

 


12.51.01

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an die Ausführungen meines Vorredners an­schließen und kann auch seitens meiner Fraktion festhalten, wie interessant diese En­quete war. Ganz besonders hervorstreichen möchte ich, dass es erfreulich ist, dass al­le Parteien das Interesse und auch die Wichtigkeit erkannt haben, Ethikunterricht im Bil­dungsbereich, im Schulsystem zu verankern.

Daher ist für uns das Auslaufen des Schulversuches, ohne ein Ersatzmodell zu finden und ohne Ethikunterricht im Regelschulwesen einzuführen, keine Alternative, nicht nur deshalb, weil 14 Jahre Schulversuch nicht umsonst gewesen sein sollen, sondern vor allem auch deshalb, weil uns die Experten in der Enquete sehr eindeutig berichten und darlegen konnten, dass das nicht nur von den SchülerInnen und Eltern positiv ange­nommen wird, sondern dass das auch wirklich positive Auswirkungen auf die Persön­lichkeitsentwicklung von jungen Menschen hat.

An dieser Enquete hat zum Beispiel ein Direktor aus einer Ethik-Gründerschule sozu­sagen teilgenommen, aus der Hegelgasse, der schon sehr lange Ethikunterricht für sei­ne Schülerinnen und Schüler anbietet als Alternative zum Religionsunterricht, was be­deutet, dass alle jungen Menschen, die sich vom Religionsunterricht abmelden, ver­pflichtend einen Ethikunterricht wahrnehmen müssen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 79

Das wäre auch das Modell, von dem sich die ÖVP gut vorstellen kann, es in einem ers­ten Schritt auch in der Sekundarstufe II umzusetzen.

Ein zweiter Experte, Herr Dr. Bucher, hat uns nahegebracht, dass eindeutig zu bewei­sen ist, dass in einem solchen Ethikunterricht beispielsweise auch ausländerfeindliche Stereotype abgebaut werden konnten. (Abg. Petzner: Ja was heißt das? Denken Sie einmal nach, was das heißt?) Aber auch Krisenbewältigung – und jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens Krisen zu bewältigen, wie zum Beispiel nach dem Tod von nahen Angehörigen oder bei anderen Problematiken – könnte in solch einem Unterrichtsfach aufgearbeitet werden.

Wir sind zwar der Meinung, dass grundsätzlich die Erziehung bei den Eltern liegt, aber es werden viele Herausforderungen auch in die Schule getragen, wo eigens dafür aus­gebildete Lehrerinnen und Lehrer – auch wir sind dieser Meinung – dann den Ethikun­terricht abhalten sollten.

Wir sind im Rahmen der Enquete auch darauf aufmerksam gemacht worden – das wurde uns vor Augen geführt –, dass es sogar in der Bundesverfassung einen klaren Auftrag dafür gibt. Dort heißt es nämlich: „ ist Kindern und Jugendlichen die best­mögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden, die befähigt sind, an den sozialen, religiösen und mo­ralischen Werten orientiert Verantwortung für sich selbst  zu übernehmen.“

Und genau aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass es höchst an der Zeit ist, nach 14 Jahren Schulversuch den Ethikunterricht ins Regelschulwesen zu übernehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.54


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


12.54.12

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Mi­nister! Ein paar grundsätzliche Bemerkungen abseits der rein technischen Erläuterun­gen: Ethikunterricht ja oder nein.

Wir leben heute zweifellos in einer laizistischen Gesellschaft, und wir verstehen Laizität als Autonomie der zivilen und politischen Sphäre gegenüber der religiösen und kirchli­chen, aber nicht gegenüber der moralischen Sphäre. Das ist ein Wert, der zu den Er­rungenschaften unserer Zivilisation gehört.

Viele Menschen bezeichnen sich heute als Atheisten. Aber auch dann, wenn sie sich als Atheisten bezeichnen, wissen sie doch ganz genau, dass ihre Wurzeln, ihre kultu­relle, zivilisatorische Herkunft, ihre Identität im Christentum liegen.

Nichtsdestotrotz ist in unserer Gesellschaft ein Zustand eingetreten, in dem die Reli­gion offen aus dem öffentlichen Raum verdrängt und nur mehr im Privaten kommuni­ziert werden soll. Das heißt, Religion soll versteckt werden. In diesem Zusammenhang muss man drei grundsätzliche Fragen stellen.

Die berühmte Frage: Was darf der weltanschaulich neutrale Staat in Wertefragen ei­gentlich wollen? – Das sogenannte Böckenförde-Dilemma. Böckenförde, ein deutscher Staatsrechtler, hat gesagt: Freiheitlich verfasster, weltanschaulich neutraler Staat kann die  Werte, von denen er lebt, weder schaffen noch garantieren – er braucht um sei­ner Verfasstheit willen daher die großen Wertespender: vor allem die Religionen.

Wenn er selbst sich mit seinem ganzen Verwaltungsapparat in Wertefragen involviert und letztlich Werte vorgibt, setzt er letztlich seine Identität aufs Spiel. Indem der Staat


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diese großen Wertespender an möglichst vielen Stellen in den öffentlichen Raum ein­bindet, sichert er Doppeltes:

a) sich selbst vor Grenzüberschreitungen zu bewahren, die seine Identität bedrohen können;

b) Einbringung von Werten mit jener Ernsthaftigkeit, wie sie nur Religionen behaupten.

Die zweite Grundsatzfrage: Welche Ethik wird denn eigentlich im Ethikunterricht ge­lehrt?

Und die dritte Grundsatzfrage: Soll, darf, will sich der Staat zum geradezu monopolisti­schen Lehrer in Ethikfragen machen? – Das wird gerade von unseren deutschen Nach­barn heftig abgelehnt. Es gibt dort einige, die das in der ehemaligen DDR erlebt haben und mit diesem Erfahrungsschatz im Hintergrund dies vehement ablehnen.

Im Ethikunterricht soll also jetzt eine Vielfalt der Wertevorstellungen einer pluralisti­schen Gesellschaft abgebildet werden, aber im Endeffekt stellt sich heraus: Alles ist gut, alles ist gleich gültig, letztendlich gleichgültig.

Wenn bei einem Ethikunterricht alle religiösen und auch antireligiösen Standpunkte gleich gültig nebeneinander gestellt werden, sind sie dem nach Sinn und Halt suchen­den Schüler bald gleichgültig.

Man forciert die Befreiung vom Bisherigen, weil es halt fortschrittlich ist. Demgegen­über steht der Religionsunterricht mit seiner Verlässlichkeit hinsichtlich Wertevorstel­lungen und Jahrhunderte alter Tradition.

Und noch ein Punkt dazu: Er arbeitet praktisch mit offenem Visier. Man weiß, was dort gelehrt wird. Beim Ethikunterricht ist das sehr nebulös, wissen wir das doch vielerorts bis heute nicht genau.

Man kann keine Moral leben, wenn man keinen Maßstab kennt. Die konstanten Werte haben die Menschen groß gemacht, nicht die Beliebigkeit, und das heißt, Freiheit be­nötigt Maßstab, Freiheit benötigt Orientierung, Freiheit benötigt Halt. Sonst ist alles er­laubt, alles möglich. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss möchte ich noch ein Zitat des derzeit sehr bekannten Philosophen Martin Rhonheimer vortragen, auch im Hinblick auf die staatstragende und vor allem demokratisch wichtige Frage eines Religionsunterrichtes:

„Angesichts der Herausforderungen der Multikulturalität, insbesondere der Gegenwart einer zunehmenden Zahl von muslimischen Mitbürgern in europäischen Ländern, die ihrer Tradition gemäß nicht auf dem Boden des gemeinsamen westlichen und christli­chen Erbes stehen, wird sich Europa zunehmend seiner christlichen Wurzeln bewusst werden müssen – nicht, um das öffentliche Leben im Sinne eines Rückgängigmachens des Säkularisierungsprozesses zu ,rechristianisieren‘ und Nichtchristen entsprechend zu diskriminieren, sondern exakt im umgekehrten Sinne: um die friedensstiftende, inte­grierende Kraft einer säkularen, auf der Anerkennung der Menschenrechte und funda­mentaler politischer Freiheiten gründenden politischen Kultur zu erhalten und wenn nö­tig zu verteidigen.

Vielleicht  wird in Zukunft immer deutlicher werden, dass wir uns an die letztlich christlichen Wurzeln moderner Säkularität und politischer Kultur gerade deshalb erin­nern sollten, um gerade diese Säkularität auf erfolgreiche Weise zu verteidigen und weiterzuentwickeln. Dadurch werden wir auch fähig sein, denen, deren kulturelle Her­kunft eine andere ist, eine wirkliche Chance der Integration zu bieten: nicht, indem wir sie dazu drängen, selbst Christen zu werden, aber auch ohne zu verleugnen, dass un­sere säkulare Welt eine reife Frucht der geschichtswirksamen zivilisatorischen Kraft des Christentums ist.“ (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)


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Meine Damen und Herren, es ist also so, dass wir den Religionsunterricht nicht ab­schaffen wollen, wir wollen den Religionsunterricht beibehalten. Den Religionsunter­richt abzuschaffen bedeutet letztendlich schlicht und einfach, unserer Demokratie, un­serem Staatswesen und vor allem unserer Freiheit den Boden unter den Füßen zu ent­ziehen.

In diesem Sinne ein klares Bekenntnis ohne Wenn und Aber zum Religionsunterricht. (Beifall bei der FPÖ.)

13.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser. Wunschgemäß sind 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


13.00.05

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Wir haben hier doch einige bemerkenswerte Aussagen von Kollegen Karlsböck gehört: Sie wissen, was im Religionsunterricht gemacht wird. Da sind Sie aber der Einzige, denn Sie wissen schon, dass im Gesetz – jetzt geht er leider hinaus, er möchte sich das nicht anhören – das so geregelt ist, dass die Inhalte des Religionsunterrichts ausschließlich Angelegenheit der Religionsgemeinschaften sind und der Staat sich hier weder einmischen noch das kommentieren darf. Das Ein­zige, wozu der Staat im Religionsunterricht berechtigt ist, ist, die Disziplin zu kontrol­lieren, die da herrscht.

Die Enquete – da halte ich es mit einigen meiner Vorredner – war wirklich sehr infor­mativ, mit sehr kompetenten Expertinnen und Experten, die wir hier gehört haben. Ich glaube, den meisten hier im Hohen Haus ist klar, dass eine Werteerziehung zu den ganz zentralen Aufgaben gehört. Den meisten ist aber auch klar, dass die Werteer­ziehung derzeit im Religionsunterricht in einer Krise ist. Das liegt weniger an den Reli­gionspädagoginnen und ‑pädagogen. (Abg. Petzner: In der Enquete wurde das Ge­genteil gesagt! Das stimmt ja nicht, die Experten haben etwas anderes gesagt!) Das liegt daran, dass wir immer weniger Klassen haben, in denen ein gemeinsamer Unter­richt stattfinden kann, weil es sehr viele Kinder aus Elternhäusern ohne religiösen Hin­tergrund oder mit einer anderen Religion als der römisch-katholischen gibt. Deshalb haben wir die Situation, dass oft nur sehr wenige – die Hälfte, noch weniger – Kinder beispielsweise am römisch-katholischen Religionsunterricht teilnehmen und wir ganz zentrale Fragestellungen, Diskussionen über die Stellung der Frau beispielsweise, über Selbstmord, über andere Themen, die Kinder/Jugendliche beschäftigen, nicht in der Form durchführen können, wie man das machen muss, nämlich gemeinsam. Eine ge­meinsame Diskussion aller über Werte, das ist das, was wir, glaube ich, brauchen.

Ich darf einen ausgewiesenen Experten zitieren, der von der Regierung gestellt worden ist; das ist Professor Anton Bucher von der Religionspädagogischen Abteilung an der Theologischen Fakultät der Universität in Salzburg. Er schreibt hier und bezieht sich auf eine Untersuchung, die er selber durchgeführt hat unter 700 katholischen Religionsleh­rern und ‑lehrerinnen, also eine sehr repräsentative Untersuchung: Nicht einmal einem Viertel dieser Religionslehrerinnen und Religionslehrer ist es ein starkes Anliegen, dass SchülerInnen über den Religionsunterricht – ich zitiere – „praktizierende Mitglie­der der Kirche werden“. Genau das aber ist eigentlich das im Gesetz festgeschriebene Ziel.

Nun kann ich diese Kolleginnen und Kollegen verstehen, die Zeiten haben sich geän­dert. Aber wir sollten das hier auch anerkennen. Deshalb unsere klare Forderung nach einem gemeinsamen, von allen Schülerinnen und Schülern besuchten Religionen- und Ethikunterricht! Ich glaube, nur so kommen wir in eine Situation, dass wir wirklich jene Ausbildung, jene Bildung im besten Sinn des Wortes für unsere Kinder garantieren kön­nen, die wir alle wollen. (Beifall bei den Grünen.)


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Lassen Sie mich auch zu einem anderen Punkt Stellung nehmen. Kollege Mayer hat vom Neutralitätsgebot des Staates in religiöser Hinsicht gesprochen. Ich kann das nur unterstützen. Ich darf aber darauf verweisen, dass bei dieser Enquete 1,6 Millionen Ös­terreicherinnen und Österreicher ausgeschlossen waren, nämlich jene ohne religiöses Bekenntnis. Wir haben bei dieser Enquete zwar zwei Vertreter der Kirche der „Heiligen der Letzten Tage“ gehabt – insgesamt gibt es 4 000 Mitglieder dieser Kirche in Öster­reich: zwei Vertreter –, jedoch 1,6 Millionen Konfessionsfreie ohne Vertreter! Von ei­nem Neutralitätsgebot kann ich da leider nichts entdecken. Wir Grüne haben diesen Missstand zumindest teilweise beseitigen können, indem wir Heinz Oberhummer, den Vorsitzenden des Zentralrats der Konfessionsfreien, eingeladen haben.

Ich darf Sie bitten, bei der Behandlung etwas forscher zu sein; die Enquete fand im letzten Mai statt. Ich glaube, das Tempo, mit dem wir dieses Thema angehen, ist aus­baufähig, und ich glaube, wir sollten hier auch mit klaren Positionen in die Diskussion gehen. Da lautet meine Bitte an ÖVP und SPÖ, einen konkreten Vorschlag zu machen, was denn nun ihr Ziel ist. Unsere Forderung ist klar: ein gemeinsamer Ethik- und Reli­gionenunterricht durch staatlich ausgebildete PädagogInnen für alle Kinder! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Petzner. Wunschgemäß sind 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


13.05.44

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Wesentlichen hat auch diese parlamentarische Enquete unsere Bedenken, die wir im Zusammenhang mit einem Ethikunterricht haben, bestätigt. Ich kann da auch einige Zitate bringen und beginne mit einem Zitat des Kollegen Walser, der nicht nur eine En­quete verlangen, sondern dann auch zuhören sollte, was dort die Experten sagen. Die­se sagen nämlich etwas ganz anderes als das, was Sie jetzt hier vom Rednerpult aus verbreitet haben. (Abg. Dr. Walser: Es gab mehrere Experten, wie wir wissen!)

Es wurde bei dieser Enquete Folgendes zum Religionsunterricht gesagt, von dem Sie sagen, den will niemand mehr haben – Zitat –:

„Auch sind 66 Prozent der Ansicht: Ich halte es für wichtig, dass die Kinder in Öster­reich Religionsunterricht erhalten, um den christlichen Glauben kennenzulernen! Die Qualität des Religionsunterrichts wird ... überraschend gut bewertet. Die Wertschät­zung des Religionsunterrichts hat in den letzten Jahren eine überraschende europapo­litische Steigerung erfahren.“

Das heißt, die Werte zur Anerkennung des Religionsunterrichts steigen, die Zahlen wer­den besser und nicht schlechter! Das sagen die Experten bei dieser Enquete, und sie widersprechen damit auch den Ausführungen des Herrn Walser, der zwar physisch bei der Enquete anwesend, aber offensichtlich psychisch abwesend oder irgendwie verirrt war, in irgendeiner linken Seitengasse. (Beifall beim BZÖ.)

Das zentrale Problem haben wir dort angesprochen mit einem Zitat des stellvertreten­den Bundestagspräsidenten aus Deutschland von der SPD, der – aus der DDR stam­mend, und er hat das in Zeiten des kommunistischen Regimes selbst erlebt – gesagt hat, der Ethikunterricht droht Gefahr zu laufen, dass er für einen politischen Weltan­schauungsunterricht missbraucht wird. Es haben ja auch die Befürworter des Ethik­unterrichts in dieser Enquete dann selbst zugegeben, dass das das eigentliche Ziel ist, und ich darf hier auch einige Zitate bringen, damit die Damen und Herren ein bisschen darüber nachdenken, was es mit diesem Ethikunterricht eigentlich auf sich hat.

Herr Professor Liessmann hat dort gesagt, es muss deshalb die „Aufgabe des Ethik­unterrichts sein, kritisch in jene Denktraditionen und Lebensformen einzuführen, die die


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Basis unserer Gesellschaft bilden. Der Ethikunterricht soll junge Menschen intellektuell und emotional befähigen, die zunehmend brisanter und verwirrender werdenden De­batten über Glücksvorstellungen und Gerechtigkeitskonzeptionen, über Freiheitspoten­tiale und Verantwortungserwartungen, über Grenzfragen des Lebens und des To­des ..., über Werte und Wertveränderungen zu verfolgen, zu verstehen und ... selbst zu gestalten.“

Das heißt, da ist schon immer wieder auch die Rede von gesellschaftlichen Wertebil­dern.

Derjenige, der das dann noch viel ausdrücklicher formuliert, ist Dr. Kurt Greussing. Er spricht darüber, wie eine Gesellschaft ausschauen soll und was der Zweck dieses Ethikunterrichtes sein soll; Zitat:

„In einer multiethnisch, multikulturell, vor allem aber auch multireligiös verfassten Ge­sellschaft müssen wir dieses Ausverhandeln“ eines gemeinsamen Wertekodexes „erst recht dann üben, wenn die Lebensstile der beteiligten Menschen ganz unterschiedlich sind, wenn es angesichts der Vielfalt der individuellen Vorstellungen davon, was ge­recht ist, was sittlich angemessen ist ..., was strafwürdig und was belohnenswert ist, welche Freiheiten und Beschränkungen es für einen selbst, aber vor allem natürlich für die anderen geben soll, eine erhebliche Wertevielfalt, Wertekonkurrenz und erst Werte­konflikte gibt. Dann“, und das ist jetzt wichtig, „braucht es eben auch Verfahren“, und mit dem Verfahren ist der Ethikunterricht gemeint, „durch die wir uns auf Grundwerte einigen können und darauf, was wir gemeinsam in einer Gesellschaft wollen.“

Diese Grundwerte sollen immer sein – das sagt er dann selber, eingangs habe ich das zitiert – eine multiethnische, multikulturelle, multireligiöse Gesellschaft! Wir vom BZÖ sagen ganz klar: Wir wollen weder eine multiethnische Gesellschaft, noch wollen wir ei­ne multikulturelle Gesellschaft, noch wollen wir eine multireligiöse Gesellschaft (Zwi­schenrufe bei den Grünen), sondern wir bekennen uns zur kulturellen, geistigen histori­schen Tradition, nämlich der christlich-abendländischen Tradition Österreichs und kei­ner anderen, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Walser: Wissen Sie, was Sie da sagen?)

Das ist der entscheidende Punkt: Sie wollen alle den Ethikunterricht, sagen aber nicht, wie der Lehrplan ausschauen soll, wie die Ausbildung ausschauen soll, wie die Regeln ausschauen sollen, wie die Fortbildung ausschauen soll, und vor allem auch nicht, wer das Ganze bezahlen soll. Denn budgetiert ist ja das Ganze nicht.

Das heißt, wir lehnen einen Ethikunterricht ab, der zu einem weltanschaulichen Gesin­nungsunterricht wird und der nur das Ziel hat, linke Idealvorstellungen, was das Gesell­schaftsbild betrifft, in den Köpfen der jungen Menschen zu verankern. So einen Ethik­unterricht, einen politischen Linksunterricht lehnen wir ab! (Abg. Öllinger: Da war ja nicht einmal Stadler so ...!) Stattdessen fördern wir und wollen wir das kritische Denken (Abg. Dr. Walser: Gott schütze Österreich vor dem BZÖ!), das kritische Hinterfragen und vor allem das eigenständige kritische Nachdenken und Hinterfragen.

Wir bekommen für diese Position auch viel Unterstützung, gerade aus bürgerlichen Kreisen, die der ÖVP-Position mit absolutem Unverständnis begegnen, weil die ÖVP als christlich-soziale Partei – ihr behauptet ja, ihr seid christlich-sozial – sich für diesen Weltanschauungsunterricht, diesen weltanschaulichen Ethikunterricht ausspricht. Wir vom BZÖ tun das ausdrücklich nicht. Wir bekennen uns tatsächlich zu den christlich-sozialen Prinzipien, die die Damen und Herren von der ÖVP schon lange verraten und verkauft haben! (Beifall beim BZÖ.)

13.12


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Ab­geordnete Mag. Lohfeyer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 84

13.12.04

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Herr Kollege Petzner, ich habe Konrad Liessmann, diesen hervorragenden Experten bei dieser Enquete, aber ganz anders verstanden. Ich glaube, er hat auch gemeint, Kinder und Jugendliche in einem Ethikunterricht so zu stärken, dass sie eine gute Grund­lage mitbekommen, dass die Stärken des Einzelnen gefördert und so positiv verstärkt werden, dass sie in der Gemeinschaft eines Klassenverbandes und später auch im Le­ben genutzt werden können. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen. – Beifall bei der SPÖ.)

Das Ministerium wird auch ersucht werden, auf Grundlage der Vorschläge von dieser hervorragenden Enquete bis Oktober 2012 – es wird ja dazu auch einen Entschlie­ßungsantrag geben – dem Nationalrat mögliche Modelle für einen Ethikunterricht vor­zuschlagen, auch was Ausbildung, Fortbildung und die daraus entstehenden Kosten be­trifft.

Ich möchte vielmehr dazu sagen, dass die vielen positiven Rückmeldungen und auch die Evaluierungsergebnisse der Uni Salzburg von dem schon erwähnten Professor An­ton Bucher zum Schulversuch Ethikunterricht bei dieser Enquete am 4. Mai eines deut­lich klargemacht haben: dass Ethikunterricht eine Chance sowie eine Notwendigkeit zugleich ist! Das Konfliktpotenzial unserer pluralistischen Gesellschaft entsteht nämlich in erster Linie dort, wo es ein soziales Ungleichgewicht gibt beziehungsweise eines hinsichtlich der Bildung, und hier vor allem auch der Persönlichkeitsbildung.

Ich meine, dass der Ethikunterricht als gute Möglichkeit dazu genutzt werden kann, Le­bensanschauungen, Kulturen, verschiedene Religionen in übergeordneter Art und Wei­se kennenzulernen. Ich meine, Ethikunterricht als fixer Bestandteil des Bildungssys­tems kann eben auch dazu beitragen, dass Konflikte auf menschlich respektvolle Art gelöst werden können und dass man damit auch seine Identität behalten kann. Es kann hier Platz geboten werden für verschiedene Geisteshaltungen und Reaktionen, wie zum Beispiel, feindseliges, rassistisches Verhalten zu reflektieren. Deshalb ist dem Ethikunterricht ein fixer Platz im Bildungsunterricht, im Bildungssystem für soziale und philosophische Diskussionen zu Fragen des Zusammenlebens, Grenzfragen des Lebens, Wertehaltungen und vielem anderen mehr zu schaffen.

Die Bundesverfassung schreibt im Artikel 14 fest, dass Kinder und Jugendliche dazu be­fähigt werden sollen, an sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verant­wortung für sich selbst, für die Mitmenschen und die nachfolgenden Generationen zu übernehmen. Darüber wurde in dieser Enquete in einer sehr interessanten Diskussion mit Experten und vielen TeilnehmerInnen debattiert. Es gab eine große Meinungsviel­falt auch darüber, in welcher Form ebendiese Ziele im Schulunterricht bestmöglich er­zielt werden können.

Ich bin mit meinem Kollegen Elmar Mayer und anderen KollegInnen darin einer Mei­nung, dass es aus den eingangs erwähnten Gründen einen Ethikunterricht für alle Schü­lerinnen und Schüler geben soll, und auch ein Lehramtsstudium, in dem die Pädago­gInnen für dieses Unterrichtsfach entsprechend vorbereitet und ausgebildet werden sol­len. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

13.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Präsident Neugebauer. – Bitte.

 


13.15.50

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Eine ausgeprägte, reife Demokra­tie wie Österreich hat wie andere, vergleichbare Länder in ihrer Verfassung natürlich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 85

ein Wertegerüst. Das ist gerade für die heranwachsende Generation von besonderer Bedeutung. Dieses verfassungsrechtliche Gebot der Erziehung zu Moral, zu ethischen Grundsätzen findet sich ja auch im Zielparagraphen unseres Schulwesens, im § 2 des Schulorganisationsgesetzes: Erziehung zu den wahren, guten und schönen Werten.

Ich denke, dass die Diskussion um Religionsunterricht hier ein wenig zu Unrecht in den Fokus rückt. Der ist nämlich davon zunächst überhaupt nicht berührt. Aber dem verfas­sungsgemäßen Auftrag, denjenigen, die am Pflichtgegenstand Religion – welcher Kon­fession auch immer – nicht teilnehmen, auch den ethischen Teil angedeihen zu lassen, ist zu folgen!

Dem hat sich natürlich auch der Schulversuch gewidmet. An 200 Standorten haben wir seit 1997/98 hervorragende Schulversuchsergebnisse erzielt. Ich bin mit dem Kollegen Mayer einer Meinung: Das ist nicht eine Frage, die man quasi als Unterrichtsprinzip über alles „drüberzuckert“, sondern da braucht es natürlich eine entsprechende Qualifi­kation mit einem zusätzlichen Lehramt.

Wenn man die Lehrpläne der drei großen monotheistischen Weltreligionen ansieht, dann bestehen etwa 50 bis 60 Prozent – das differiert gar nicht viel – aus der Reli­gionsgeschichte der jeweiligen Religion und aus den Ritualen, die sich in der Religions­ausübung ergeben. Und im anderen Teil, 40 bis 50 Prozent, sind es ethisch-moralische Grundsätze. Das ist der Grund dafür, dass man all jenen, die sich vom Pflichtgegen­stand Religion abmelden – das ist das gute Recht –, auch diesen Anteil an ethischen und moralischen Grundsätzen in der Ausbildung anbieten kann.

Diese additive Regelung war im Schulversuch auch als die bislang kostengünstigste angesehen. Wie ich überhaupt meine, dass in der breiten Schulversuchspalette, die ja in Österreich wirklich gute Tradition hat, dies ein Schulversuch ist, der von den Betei­ligten – Eltern, Schülern und Lehrern – breit initiiert, breit getragen worden ist, gut vor­bereitet und auch wissenschaftlich bereits evaluiert ist! Jetzt sollte eigentlich der nächs­te Schritt kommen.

Ich darf daher folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Elmar Mayer, Fritz Neugebauer, Mag. Rosa Lohfeyer, Werner Amon einbringen:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, auf Basis der im Rahmen der Parlamentarischen Enquete diskutierten Vorschläge dem Nationalrat bis 1.10.2012 in Form eines Berichts mögliche Modelle für den Ausbau eines Ethik-Unter­richts, einschließlich der jeweiligen Kosten für das Unterrichtsbudget und unter Einbe­ziehung von Fragen der Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für jene Lehrer/innen, die Ethik unterrichten sollen, vorzulegen.‘“

*****

Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt, den wir gemeinsam setzen sollten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Elmar Mayer, Fritz Neugebauer, Mag. Rosa Lohfeyer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen,


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eingebracht im Zuge der Debatte zum Stenographischen Protokoll der parlamentari­schen Enquete zum Thema "Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in ei­ner offenen, pluralistischen Gesellschaft" (III-234 d.B./1470 d.B.),

betreffend Ethik-Unterricht

Die österreichische Bundesverfassung legt in Art. 14 Abs. 5a fest, dass es Aufgaben der österreichischen Schule sind, Kinder und Jugendliche zu befähigen, an den sozia­len, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwortung für sich selbst, Mit­menschen, Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen sowie dem politi­schen, religiösen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen zu sein.

Die österreichischen Schulen leisten in den verschiedensten Fächern, so auch im Reli­gionsunterricht, einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl und zu Fragen des interkul­turellen Zusammenlebens, des interreligiösen Dialogs und der demokratischen Grund­prinzipien unserer pluralistischen Gesellschaft.

Im Rahmen der Parlamentarischen Enquete am 4. Mai 2011 wurde ein breites Mei­nungsspektrum über die Organisationsform eines Ethik-Unterrichts zum Ausdruck ge­bracht. Die Vorschläge der Expert/innen und Diskussionsteilnehmer/innen reichten vom Ethik-Unterricht nur für diejenigen Schüler/innen, die keinen Religionsunterricht besuchen, über die Einführung eines eigenen Faches „Ethik“ für alle Schüler/innen der Sekundarstufe II, bis zur Frage, in wie weit in anderen Fächern, wie z.B. in Geschichte, Philosophie, Politische Bildung, Latein, die verschiedensten ethischen Gesichtspunkte verstärkt behandelt werden können. Ein weiterer Aspekt etwa war die notwendige Aus- bzw. Fortbildung von Lehrer/innen, die Ethik unterrichten sollen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, auf Basis der im Rahmen der Parlamentarischen Enquete diskutierten Vorschläge dem Nationalrat bis 1.10.2012 in Form eines Berichts mögliche Modelle für den Ausbau eines Ethik-Unter­richts, einschließlich der jeweiligen Kosten für das Unterrichtsbudget und unter Einbe­ziehung von Fragen der Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für jene Lehrer/innen, die Ethik unterrichten sollen, vorzulegen.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.19.42

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich be­kenne mich zur Trennung von Kirche und Staat, wie hoffentlich alle hier in diesem Haus. Dass Ethikunterricht längst überfällig ist und seit Jahrzehnten schon dringend umgesetzt sein sollte, wissen wir alle, und Kollege Petzner und seine Ausführungen sind das beste Beispiel dafür. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grosz: Bitte, noch ein­mal!)

Kollege Petzner und seine Ausführungen sind das beste Beispiel dafür, dass es schon vor 20, 30 Jahren verpflichtenden Ethikunterricht in den Schulen hätte geben müs­sen. – Das zur Wiederholung, weil Sie es noch einmal hören wollten. (Abg. Petzner: Genau das ist der Punkt! – Abg. Grosz: Sprechen Sie ihm etwa Ethik ab?) – Das ist der Punkt. Nein, ich spreche ihm ab, dass er sich hier heute verfassungsgemäß ge­äußert hat, und Kollegin Lohfeyer hat ihm das auch gut dargelegt. (Abg. Grosz: Petz­ner hat jedenfalls noch nie auf Demonstrationen Polizisten geprügelt!) – Ich auch nicht!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 87

(Abg. Petzner: Jetzt haben Sie es genau bestätigt, worum es Ihnen mit dem Ethikun­terricht geht! Danke!) – Ich möchte meine Ausführungen fortsetzen.

Herr Präsident Neugebauer, ich muss Ihnen in einem Punkt widersprechen, denn Sie haben den Ethikunterricht und den Religionsunterricht in den Fragen der Übermittlung von Weltanschauungen, des Erlernens von Kompetenzen, um sich mit all den Fragen, die damit in Zusammenhang stehen, auseinandersetzen zu können, einander gleichge­setzt, gleichgestellt. Da muss ich ganz klar widersprechen. Das ist sozusagen wieder einmal ein recht – ich nenne es gut österreichisch – schlampiger Umgang mit der Tren­nung von Kirche und Staat. Ich sage, wir sagen, jedes Kind in Österreich hat das Recht auch in den Bildungseinrichtungen, und nicht nur zuhause – ich gehe ja davon aus, dass diese Werteerziehung, Grundhaltungserziehung, demokratische Erziehung auch zuhause stattfindet –, auch in den Schulen ein Fach zu haben, in dem es sich mit die­sen Dingen auseinandersetzen kann und in dem es auch – ich benenne es jetzt einmal ganz flapsig – Tools erlernt, wie man sich mit verschiedenen gesellschaftspolitischen und ethischen Fragen auseinandersetzen kann.

Das hat aber noch nichts mit Religionsunterricht zu tun. Religionsunterricht hat ein ganz anderes Ziel, nämlich die Inhalte einer bestimmten Religion zu vermitteln. Wenn wir die Trennung von Kirche und Staat ernst nehmen und die Vermengung nicht so schlampig weiterführen wollen, wie wir das in den letzten Jahrzehnten getan haben, dann braucht es klarerweise einen staatlichen Ethik- und Religionenunterricht für jedes Kind, und der Religionsunterricht steht auf einem komplett anderen Blatt. (Beifall bei den Grü­nen.)

Und die Schlampigkeit gehört auch in vielen anderen Bereichen beseitigt. Das gilt für die Kreuze in den Kindergärten, das gilt für die Erhaltung der Denkmäler, eine Diskus­sion, die wir in den Weihnachtsferien hatten, und für viele andere Fragen. Die Republik Österreich, der österreichische Gesetzgeber täte gut daran, diese Diskussionen aufzu­greifen, ehrlich zu führen und nicht permanent schlampig-verschwommen vor sich hin­zuwursteln. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungs­punkt: Frau Abgeordnete Mag. Korun. Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.22.58

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr ge­ehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Wenn Herr Abgeordneter Petzner sagt, wir wollen keine multiethnische und keine multireligiöse ... Entschuldigung! ... keine multikulturelle und keine multiethnische Ge­sellschaft, und wenn er das ausgerechnet im Nationalrat der Republik Österreich sagt, nämlich jenes Österreichs von Vranitzkys, Buseks, Klestils, Pospisils, Havraneks und wie unsere Bürger und Bürgerinnen sonst so heißen, dann ist das schlicht Realitäts­verweigerung. (Abg. Petzner: Aber nicht Korun! – Abg. Dr. Walser: Nehmen Sie das sofort zurück! Sie sprechen von einer Abgeordneten des österreichischen Parlaments!)

Sie können natürlich sagen, was Sie wollen, aber dann sagen Sie, Sie wollen etwas nicht, was es seit Jahrzehnten und seit Jahrhunderten gibt. Unsere Gesellschaft ist ei­ne multiethnische, ist eine multireligiöse, ist eine offene und pluralistische Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen.)

Und genau aus diesem Grund, weil wir eine pluralistische Gesellschaft sind, in der es viele unterschiedliche Lebensentwürfe gibt, unterschiedliche Lebensstile gibt, viele Men­schen unterschiedlicher Glaubensrichtungen gibt und auch viele Menschen ohne Reli­gionsbekenntnis, ist es notwendig, einen Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schü-


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ler zu haben, denn – das wurde bereits von vielen Vorrednerinnen und Vorrednern an­gesprochen, ich wiederhole es kurz – der konfessionelle Unterricht ist nicht gleich Ethikunterricht, der konfessionelle Religionsunterricht ersetzt den Ethikunterricht nicht und kann ihn nicht ersetzen.

Eine vielfältige Gesellschaft, eine offene, pluralistische Gesellschaft braucht auch Insti­tutionen, in denen diese Vielfalt zusammenkommt, in denen Menschen aus unterschied­lichen Richtungen, ob das politisch, religiös oder lebensstilmäßig ist, zusammenkom­men, in denen sie das Zusammenleben von klein auf lernen und praktizieren, in denen sie gemeinsam, unabhängig von Herkunft, Religionsbekenntnis, Glauben oder Nicht­glauben, die Gemeinsamkeiten, die gemeinsamen Grundlagen des Zusammenlebens auch zusammen erarbeiten, gemeinsam darüber diskutieren, sich austauschen, auch streiten, produktiv darüber streiten können.

Genau deshalb kann es auch keine Lösung sein, Herr Kollege Neugebauer und andere Kolleginnen und Kollegen, die diesem Antrag zustimmen wollen, einen Ethikunterricht nur für jene Kinder und Jugendlichen vorzusehen, die nicht den konfessionellen Reli­gionsunterricht besuchen. Es ist keine Lösung, den einen zu sagen, dass sie die Grund­lagen ihrer Religion, ihrer Konfession erlernen und deshalb die Fragen des Zusammen­lebens in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft nicht zu diskutieren brauchen, und den anderen quasi als „Strafe“ – unter Anführungszeichen – aufzuerlegen, sich genau damit auseinanderzusetzen. Und alle die, die ohne Bekenntnis sind oder nicht den kon­fessionellen Religionsunterricht besuchen, müssen schön unter sich bleiben. Genau das ist keine Lösung!

Eben weil wir eine pluralistische Gesellschaft sind, brauchen wir Ethikunterricht für alle Schüler und Schülerinnen. Da von vielen Rednerinnen und Rednern auch bei der En­quete gesagt wurde, 14 Jahre Schulversuch sind genug, wünschen wir uns, dass end­lich entsprechende Schritte gesetzt werden. – In diesem Sinne: Danke für Ihre Unter­stützung. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Petzner: Sie sollten sich um die islamischen Lehrer kümmern, die unsere Kinder verhetzen!)

13.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist jetzt noch Herr Abgeordneter Grosz ge­meldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.26.43

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren von Rot und Grün! Was wollen Sie? Sie vollziehen das, was Sie in den siebziger Jahren mit der Familienpolitik begonnen haben. Sie haben die österreichischen Familien mit Ihrer Poli­tik konsequent zerstört. So viel Alleinerzieherinnen wie heute hatten wir in den letzten Jahrzehnten nicht. Wir haben heute so viele Scheidungswaisenkinder in der österrei­chischen Gesellschaft wie noch nie in der Vergangenheit. Seien wir doch ehrlich! Sie holen jetzt auch noch zum finalen Schlag aus, sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen und von der SPÖ, um die Politik in die Religion hineinzutragen. Sagen wir das doch! Sie wollen die Politik an die Stelle der Religion rücken. (Beifall beim BZÖ so­wie des Abg. Dr. Karlsböck.)

Ihnen sind christliche Grundwerte in einem Land, das in einem Kontinent liegt, der eine 2 000-jährige christliche Geschichte hat, nichts wert. Sagen Sie es, Frau Minister! Stim­men Sie in den Chor der Linken und auch der Grünen ein! Sie wollen den Religionsun­terricht durch einen Ethikunterricht Ihrer parteipolitischen Prägung ersetzen. Dann kön­nen Sie die Kinder gleich auf die Victor-Adler-Schule schicken oder bei eurem Bund sozialistischer Akademiker in eine Frühförderungsstufe, dann brauchen Sie keinen Ethik­unterricht mehr einzuführen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Karlsböck.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 89

Was ist denn am Religionsunterricht so Verwerfliches? Was ist denn am christlichen Religionsunterricht in einem Land mit einer überwiegenden Mehrheit von Katholiken so Verwerfliches? Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! – Ist das so verwerflich, sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen und von der Sozialdemokratie? Sind Hoff­nung, Glaube, Liebe so verwerflich, sehr geehrte Damen und Herren, dass Sie sie aus dem Unterricht der österreichischen Schulen verdrängen wollen? Ist die Bergpredigt – Selig die Armen, die verfolgt werden! – so verwerflich und so unethisch, dass Sie das unbedingt durch einen Ethikunterricht ersetzen wollen?

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden uns gegen solche Tendenzen mit allen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, wehren, in diesem Land einmal mehr die Geschichte, die Tradition und auch den Glauben auszuhöhlen. (Beifall beim BZÖ sowie der Abgeordneten Dr. Karlsböck und Neubauer.)

Das können Sie von Rot und Grün sich gleich einmal hinter die Ohren schreiben, denn da gibt es hoffentlich in diesem Haus noch eine bürgerliche Mehrheit rechts der Mitte, da gibt es eine Partei, die hat sich sogar einmal christlichsozial auf ihre Fahnen ge­schrieben hat, da gibt es drei Parteien, die zumindest eine Mehrheit in diesem Haus darstellen als Abbild der Mehrheit innerhalb der Bevölkerung, die solche Tendenzen nicht will.

Frau Kollegin Korun von den Grünen, bevor Sie sich Sorgen machen, ob es eine ethi­sche Grundbildung in diesem Land gibt, die es gibt – daher lasse ich auch nicht zu, dass man dem Kollegen Stefan Petzner die Ethik abspricht, wie es Ihre Kollegin vorhin getan hat –, sollten Sie sich als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses einmal Gedanken darüber machen, wie es in der Türkei, im Iran, in Saudi-Arabien, in vielen anderen Ländern mit der Ethik, mit den Grundrechten und mit den Freiheitsrechten von Menschen ausschaut. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Fahren Sie einmal in die Türkei hinunter und erklären Sie dort als Vorsitzende des ös­terreichischen Menschenrechtsausschusses, was Sie sich unter Ethik vorstellen! Da werden Sie viel Freude haben. (Abg. Öllinger: Fahren doch Sie in die Türkei!) Machen Sie es doch! Bevor Sie hier glauben, den Österreichern und Österreicherinnen die Ethik absprechen zu müssen, weil es keinen Ethikunterricht und nur den zweitklassigen Reli­gionsunterricht gibt, kümmern Sie sich doch besser um die tatsächlichen Probleme, die Ihnen sehr genau bewusst sind. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Öllinger: Grosz und Petz­ner als Ober-Ethiker! Genau das haben wir gebraucht!)

13.29


13.30.15Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses unter Be­rücksichtigung der vom Berichterstatter vorgebrachten Druckfehlerberichtigung, das Ste­nographische Protokoll der parlamentarischen Enquete zum Thema „Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft“ (III-234 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mayer, Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ethik-Unterricht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (E 221.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 90

13.31.273. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1511 d.B.): Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über
die Förderung von Lehrgängen für Erwachsene im Bereich Basisbildung/Grund­kompetenzen sowie von Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlus­ses (1627 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Riepl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.32.02

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Kollege Grosz! Es ist total schwer, mit Ihnen wirklich ernsthaft und sachlich zu diskutieren nach dem letzten Redebeitrag, das möchte ich schon sagen. (Abg. Grosz: Das will ich mit Ihnen ohnehin nicht!) SPÖ zerstört österreichische Familien! – Das richtet sich von selbst. (Abg. Grosz: Das ha­ben Sie getan mit Ihrer linken Politik der Familienzerstörung!) Ich möchte das auch gar nicht weiter kommentieren.

Was ich nicht verstehe, aber vielleicht können Sie mir das einmal sagen: Warum wol­len Sie einfach nicht ernstgenommen werden? Das ist das Problem. Jetzt möchte ich da gar nicht mehr Zeit investieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! 300 000 bis 600 000 Menschen in unserem Land haben mangelnde Kompetenz im Lesen, Schreiben und Rechnen, sagen Studien und Schätzungen. Das gilt nicht für Europa, sondern das ist in unserem Land so. Zudem haben 280 000 keinen positiven Pflichtschulabschluss. Da kommen noch zirka 5 000 pro Jahr hinzu. Das bedeutet also Handlungsbedarf auch im Bereich der Erwachse­nenbildung.

In das Regierungsprogramm wurde das Nachholen von Bildungsabschlüssen als wich­tiges Element aufgenommen. Wenn wir heute unter anderem das Nachholen des Bil­dungsabschlusses in altersgerechter Form und kostenfrei, insbesondere was den Haupt­schulabschluss betrifft, diskutieren und dann auch beschließen werden, so sind wir auf einem guten Weg.

Ich werde wohl keinen Widerspruch hervorrufen, wenn ich sage, dass, wer nicht sinn­erfassend lesen kann, keinen Vertrag, keinen Zeitungsartikel verstehen und das Buch wahrscheinlich im Regal stehen lassen und nicht in die Hand nehmen wird. Wer nicht gut im Schreiben ist, der wird wahrscheinlich seine Meinung auch nicht gut verständlich formulieren können und vielleicht auch bei Behördenkontakten Probleme haben. Und wer nicht gut im Rechnen ist, für den rechnen dann wahrscheinlich andere oder mit dem rechnen andere, und das kann der betreffenden Person schnell zum Nachteil ge­reichen. Das sind Lebensweisheiten und Erfahrungen, die wir alle schon einmal irgend­wo gemacht haben.

Das Ziel, das mit dieser Vorlage angestrebt wird, ist eine Hebung des Qualifikations­niveaus der Bevölkerung, damit man es leichter im Leben und vor allem auch am Ar­beitsmarkt hat. Dieser Schritt ist ein weiterer Schritt in der Bildungsoffensive unserer Bildungsministerin. Das sollte man auch erwähnen.

Natürlich konnte man auch bisher schon Hauptschulabschlüsse nachholen. Unter­schiedliche Anbieter mit unterschiedlicher Qualität und unterschiedlichen Kosten waren gang und gäbe. Jetzt, mit dieser Vorlage gibt es erstmals auch eine Vereinbarung zwi­schen Bund und Ländern, auch über die Finanzierung. Das kostenlose Nachholen von Schulabschlüssen ist das Ziel.


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Ganz wichtig sind auch Qualitätsstandards, die die Organisation, die Beratung, auch die Trainer und die Kursinhalte betreffen. Die sind mit in der Vorlage enthalten und wer­den nunmehr realisiert. Die Vorlage ermöglicht und hilft also, persönliche Defizite in der Bildung zu beseitigen, hebt die Beschäftigungsfähigkeit und die Einkommenschancen, was ganz wichtig ist, und kann auch das Abrutschen in die Armut verhindern.

Mein Schlusssatz: Heute ist ein guter Tag für die Bildung in unserem Land, auch für die Erwachsenenbildung, die in der Vergangenheit oft Stiefkind im Bildungsbereich gewe­sen ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Letten­bichler. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.35.38

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der sekundäre Analphabetismus, also Defizite beim Schreiben, Lesen und Rechnen, ist in unserer hochtechnisierten Welt ein struktureller Nachteil für die betrof­fenen Menschen, und zwar in allen Lebenslagen. Dem entgegenzuwirken ist Auftrag für uns, für die Politik gewesen, und ich freue mich, dass wir mit dem heutigen Be­schluss über das kostenlose Nachholen des Pflichtschulabschlusses, aber auch über die Förderung von Lehrgängen für die gerade erwähnten Grundkompetenzen einen be­deutenden, einen wichtigen Schritt setzen.

Mein Vorredner hat es erwähnt: Zirka 300 000 bis 600 000 Menschen beherrschen nach Berechnungen der UNESCO die wichtigsten Kulturtechniken nicht, in etwa 300 000 Menschen in Österreich haben keinen positiven Pflichtschulabschluss. Jahr für Jahr verlassen 2 500 bis 3 000 junge Menschen die Pflichtschule ohne Abschluss. Wir haben da Handlungsbedarf gesehen und auch reagiert.

Die Bundesregierung wird auch in Zukunft stark in die Bildung investieren, und gemein­sam mit den Ländern werden wir für diese kostenlosen Lehrgänge in den nächsten Jahren beträchtliche 55 Millionen € mehr in die Hand nehmen. Die Kosten für diese Qua­lifizierungsoffensive werden jeweils zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von den Län­dern getragen.

Mein Heimatland Tirol etwa wird in den kommenden Jahren dafür 1,2 Millionen € be­reitstellen. Das wird noch einmal verdoppelt vom Bund. Das Ziel ist, dass wir damit 270 Menschen zu einem Pflichtschulabschluss verhelfen und weiteren 330 Menschen ihre Grundkompetenzen verbessern können. 600 Menschen werden also allein in Tirol neue Chancen gegeben.

Hervorzuheben ist aber auch, dass für diese Lehrgänge in allen Bundesländern erst­mals einheitliche Qualitätskriterien festgelegt werden. Diese Standards betreffen zum Beispiel die Kursinhalte, den Kursaufbau, die Qualifikation der Vortragenden, aber auch die Bildungseinrichtungen selbst werden hinsichtlich der notwendigen Infrastruktur streng geprüft.

Es wird also, wie auch bei der heute noch zu beschließenden neuen Oberstufe, ein ös­terreichweit gleiches System geschaffen, damit die Pflichtschulabschlüsse ein einheitli­ches Niveau erreichen. Wir helfen mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung einer Gruppe von Menschen, die meist ohnehin einkommensschwach ist. Und wenn man sich die Kosten von durchschnittlich 6 600 € für einen Hauptschulabschluss vor Augen führt, so glaube ich, dass wir eine sinnvolle Maßnahme setzen, und gratuliere der Bildungsmi­nisterin zu diesem Meilenstein, der in der Bildungspolitik gesetzt wird.

Ein Meilenstein, der leider nicht gesetzt wurde, und ich nütze die Gelegenheit, an die­ser Stelle Kritik an der Berichterstattung beziehungsweise Nichtberichterstattung des


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ORF zu üben, weil es so wie im Bildungsbereich auch um junge Menschen geht, be­trifft die Olympischen Spiele der Jugend in Innsbruck, die erstmals abgehalten werden. Daran will ich hier Kritik äußern. Die Verbannung dieses Großereignisses, diese erst­mals abgehaltene Veranstaltung in einen Spartensender abzuschieben und die Be­richterstattung in Randzeiten – es hat sich zwischenzeitlich etwas zum Positiven geän­dert – zeugt nur von Ignoranz und Arroganz, die dem öffentlichen Auftrag des ORF si­cherlich nicht entsprechen.

Ich bin mit dieser Kritik nicht allein, wenn man sich die Reaktionen auf den Leserbrief-Seiten der Tiroler Printmedien anschaut, unzählige Mails und Anrufe kennt, die auch ich bekomme. Es ist eigentlich eine Frechheit den jungen Menschen aus 70 Nationen gegenüber, die sich in Tirol eingefunden haben, dass sie medial derart ignoriert wer­den. (Abg. Gahr: Ein Skandal ist das!)

Ich darf das Landesstudio Tirol löblich hervorheben, das im Rahmen seiner Möglichkei­ten in Radio Tirol, aber auch in der „Tirol heute“-Berichterstattung sein Bestes versucht. Diese Veranstaltung findet jedoch leider ansonsten unter Ausschluss von der ORF-Berichterstattung statt, und das gehört dem ORF auch angekreidet. Wenn man sich vor Augen hält, mit welchen Mitteln von Seiten des Parlaments der ORF letztes Jahr und auch in den kommenden Jahren wieder gefördert wird, so ist das schlichtweg eine Frech­heit. (Beifall bei der ÖVP.)

Nochmals abschließend: Dank an die Frau Bildungsministerin für diesen Meilenstein. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

13.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Walser. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.40.04

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Kollege Lettenbichler, es ist schon in­teressant, was Ihnen alles zu dieser Artikel-15a-Vereinbarung eingefallen ist, das mit dem Thema leider gar nichts zu tun hat. Lieber hätte ich von Ihnen ein paar Worte da­rüber gehört, warum wir eine derartige Situation haben, dass wir hier ein Repara­turgesetz für unser Schulsystem anbringen müssen. Wir haben heute Früh schon darü­ber diskutiert, dass es äußerst mangelhaft ist. Weit mehr verlassen die Schule ohne Pflichtschulabschluss in einem Jahr, als Sie gesagt haben, es sind nämlich über 5 000. Also dazu hätte ich gerne etwas gehört. Über zehn Jahre lang war dieses Ministerium ja schließlich in den Händen Ihrer Partei.

Wie notwendig dieses Gesetz ist, das haben die Vorredner schon gesagt; da muss man kein Wort mehr darüber verlieren. Das IHS spricht von 280 000 Österreicherinnen und Österreichern, die UNESCO geht von 300 000 und mehr aus, bis zu 600 000, die nicht sinnerfassend lesen können. Da sollten alle Alarmglocken schrillen und da muss uns auch klar sein, dass wir mit so einem Gesetz zwar Probleme, die wir heute haben, lindern können, aber an einer grundlegenden Schulreform führt in diesem Land kein Weg vorbei. Das muss uns einmal klar sein.

Lassen Sie mich auch noch ein paar Worte zum Ausmaß verlieren. Frau Ministerin, ich weiß – ich weiß es nicht persönlich zum Glück –, Sie berichten hie und da im Aus­schuss darüber, dass es kein Honiglecken ist, mit den Landesfürsten in Österreich zu verhandeln. Ich kann das nachvollziehen und daher Gratulation dazu, dass Sie zu ei­nem Ergebnis gekommen sind. Aber die Dimension dessen ist schon hinterfragbar.

Insgesamt können 12 606 Personen von diesem Angebot Gebrauch machen. Wenn wir die Zahlen hernehmen, die uns hier die UNESCO vorgibt, dann sind das nicht ein­mal 2 Prozent der Betroffenen, vielleicht ein bisschen mehr. Wir haben also geschätzte


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100 Jahre, bis wir dann alle Menschen so weit haben, dass sie in diesem Land lesen und schreiben können.

Ich glaube, es sollte eine Aufgabe für uns sein, darüber nachzudenken, worüber wir am Morgen diskutiert haben: Wie schaffen wir es, ein Schulsystem zu bekommen, das sol­che Reparaturen nicht notwendig macht? – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


13.42.50

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! (Zwi­schenruf des Abg. Hörl.) – Grüße Sie, Herr Hörl! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Vielen Dank für deine Ausführungen da oben!

Über die Artikel-15a-Vereinbarung haben wir heute schon sehr viel gehört. Meine Mei­nung dazu ist, dass dies ein richtiger Schritt ist, der heute beschlossen wird. Vor allem wenn man sich die Zahlen der UNESCO-Studien ansieht, nämlich dass 300 000 bis 600 000 Österreicher hier wirklich ein Problem haben.

An dieser Stelle muss man schon nach den Ursachen fragen. Natürlich müssen wir die Altlasten aufarbeiten, damit es gar nicht so weit kommt. Und vor allem darf man eines nicht vergessen: Wo enden dann diese Menschen, die keinen Abschluss haben? – Nämlich als Hilfsarbeiter. Dazu kommt das soziale und körperliche Burn-out. Auf lange Sicht sind das auch jene Menschen, die viel weniger in unser System einzahlen. Für die Jahre 2012 bis 2014 ist es diesbezüglich gesichert. Okay, das finde ich gut, dass die Summe bereitgestellt wird.

Andererseits würde mich viel mehr interessieren, was aus den Personen geworden ist, die jetzt einen Abschluss begonnen haben, ihn auch abschließen und dann eine ganz andere Wertigkeit in der Wirtschaft haben. Das bedeutet: Aus einem Hilfsarbeiter mit Abschluss wird ein angehender Facharbeiter. Auf einmal zahlt diese Person mehr Geld in unser System ein, und dann würde ich mir erwarten, Frau Ministerin, dass wir uns zukünftig vielleicht überlegen könnten, wenn dann Summen hereinkommen von diesen Personen, die den Abschluss schaffen, ob wir das dann nicht ausweiten wollen, das heißt, nicht nur bis 2014, sondern auch darüber hinaus.

Ich würde mir wünschen, dass wir die jetzigen hohen Zahlen – Herr Kollege Walser hat das richtig angesprochen –, und wir sprechen da wirklich von 10 000 im Jahr, in Zu­kunft abbauen können. Jugendliche ohne Arbeit, Jugendliche ohne Perspektiven sind die Langzeitarbeitslosen von morgen, dann kippt unser ganzes System und deswegen denke ich, diese Maßnahme ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Es ist auch gut aufgeteilt. Es werden die Grundkompetenzen hier beschlossen, auch was die Finanzen betrifft zwischen Land und Bund mit 50 Prozent. Das geht absolut in die richtige Richtung. Aber ich finde, das ist nur ein Start und auf lange Sicht müssen wir danach trachten, dass es auch wirklich umgesetzt wird, und dann schauen wir uns an, was dabei herauskommt. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Markowitz reicht Bundesministerin Dr. Schmied die Hand.)

13.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesmi­nisterin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.45.15

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Hohes Haus! Ich möchte gleich Bezug nehmen auf die Ausführungen von Ih-


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nen, Herr Abgeordneter Walser, und auch von Ihnen, Herr Abgeordneter Markowitz. Das ist für mich jetzt keine Entweder-oder-Frage. Wir brauchen ein Sowohl-als-auch, nämlich das engagierte Fortsetzen der Schulreform, all der Maßnahmen, die wir uns vornehmen, und wir müssen gleichzeitig die Reparaturarbeit leisten, ermöglichen. Und daher bin ich sehr, sehr froh, dass es gelungen ist, diesen Artikel-15a-Vertrag abzu­schließen.

Es ist das allererste Mal überhaupt, dass es einen Artikel-15a-Vertrag im Bereich der Erwachsenenbildung gibt. Wann ist ein Artikel-15a-Vertrag notwendig? – Wenn der Bund eigentlich nicht zuständig ist. Also das ist auch ein Beispiel, wie mühevoll über­haupt die Konzeption einer bildungspolitischen Maßnahme ist, wenn man auf einer Sei­te, seitens des Bundes, zwar das Problembewusstsein hat, das Problem auch anpa­cken und lösen will, man aber gleichzeitig nicht die Kompetenz hat, diese Maßnahmen letztlich auch durchzuführen. Daher war der einzig mögliche Weg ein Artikel-15a-Ver­trag.

Es hat zwei Jahre lang gedauert – mit den Länderarbeitsgruppen, mit dem Bund, mit den Sozialpartnern, mit den externen Anbietern –, um dieses Modell überhaupt ver­traglich zu vereinbaren. Also ich schildere das deshalb so ausführlich, weil man hier sieht, es kommt nicht nur darauf an, bildungspolitische Ideen zu konzipieren, in Regie­rungsprogrammen festzuhalten, sondern es braucht dann auch die Kraft und Kompe­tenz, es umzusetzen.

Wir haben hier ein Ko-Finanzierungsmodell. Das war die einzige Möglichkeit, um so, wie das Herr Magister Lettenbichler ja auch gefordert hat, vom Neusiedler See bis zum Bodensee einheitliche Qualitätsstandards zu bekommen. Ich kann Ihnen sagen, aber da wissen andere Minister noch viel mehr aus der Praxis zu berichten, dass Artikel-15a-Verträge nur mit zusätzlichem Bundesgeld überhaupt zustande kommen. Also mit gut zureden und appellieren an all die Dinge, die wir immer diskutieren, das reicht nicht. Es braucht hier auch immer wieder zusätzliche Bundesmittel. Nach dem Ko-Fi­nanzierungsmodell – wir haben ein bisschen abgeschaut von den EU-Ko-Finanzierungs­modellen – ist es gelungen.

Ich möchte ausdrücklich Hans Wehsely und den Mitgliedern der Arbeitsgruppe danken, die hier viele, viele Wochen, Monate, ja, zwei Jahre investiert haben, dass es jetzt um­gesetzt werden kann.

Wir konzentrieren uns auf Basisbildung, Nachholen vom Pflichtschulabschluss. Wir werden uns besonders auf die Qualitätskriterien konzentrieren, also Qualifikation der Trainer, Qualität der Anbieter, Kursinhalte, Aufbau et cetera, und müssen natürlich auch den Weg eines begleitenden Monitoring, einer Evaluierung gehen, auch darauf achten, dass programmgemäß umgesetzt wird. Nach drei Jahren wird es hier einen Endbericht geben.

Ich denke auch, dass wir alles daran setzen müssen, dass diese Aktion – dann auf Ba­sis der Evaluierungen – auch fortgesetzt werden kann, damit gleichzeitig die vielen Maßnahmen, die wir im Bildungsbereich schon gesetzt haben, die aber auch noch vor uns liegen, nach und nach greifen, damit Schule besser wird, damit Schule aber auch, so wie das Präsident Graf einmal formuliert hat, Freude macht und wir auch gerne über bildungspolitische Themen diskutieren. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Mutto­nen. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.49.27

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass wir heute ein Förderprogramm beschließen,


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das das Nachholen des Pflichtschulabschlusses ermöglicht, um grundlegende Wis­senskompetenzen zu erwerben und auszubauen, und das bei so schwierigen Voraus­setzungen, wie den unterschiedlichen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern, wie Sie, Frau Ministerin, das jetzt angesprochen haben. Dafür möchte ich Ihnen auch dan­ken, für diesen langen Atem, den Sie in dieser Sache gehabt haben.

Künftig können sich Erwachsenenbildungseinrichtungen akkreditieren lassen und Lehr­gänge dafür anbieten, deren Kosten dann von Ländern und Bund übernommen wer­den. Es wird oft tabuisiert oder auch negiert, dass es doch eine ganz beträchtliche An­zahl von Analphabeten gibt. Wie viele es genau sind, wissen wir nicht exakt. Es soll 2013 eine Studie dazu herauskommen und dazu Ergebnisse bringen. Klar ist, dass Menschen jeden Alters betroffen sind, und klar ist auch, dass das sowohl Männer als auch Frauen betrifft.

Es gibt aber einen Bereich, der noch mehr in diesem Graubereich liegt, das ist der so­genannte funktionale Analphabetismus. Dabei können einzelne Worte gelesen oder ge­schrieben werden, aber zusammenhängende, auch kürzere Texte, seien das private Mitteilungen oder kurze Arbeitsanweisungen, können nicht mehr verstanden werden. In angemessener Form am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, das ist auch beim funk­tionalen Analphabetismus nicht mehr möglich.

Auch junge Menschen sind sehr oft betroffen, auf EU-Ebene spricht man von jedem fünften Jugendlichen, der nicht sinnerfassend lesen oder schreiben kann, daher ist der Vorstoß, den wir heute vorhaben, hier im Parlament Maßnahmen zu ergreifen, auch so wichtig.

Aber auch für Erwachsene ist rasches Handeln wichtig. So heißt es, dass in Europa fast 80 Millionen Erwachsene nur über geringe beziehungsweise grundlegende Lese-und Schreibkompetenzen verfügen. Das ist ein Drittel des Arbeitskräftepotenzials, das verloren geht, ganz abgesehen von den privaten und persönlichen Problemen.

Daher müssen wir auch europaweit Maßnahmen ergreifen. Es gibt diese Europa 2020-Strategie. Hier sind Ziele festgehalten und ich glaube, Österreich ist auf einem sehr gu­ten Weg, ganz im Sinne des Artikels 26 der Erklärung der Menschenrechte, in dem es heißt:

„Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung.“ – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz gemeldet. – Bitte.

 


13.52.39

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Jetzt haben wir nun schon seit fast vier Stunden eine Bildungsdebatte. Ich finde es nur schade, dass die Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens jetzt dieser Debatte nicht mehr bis zum Schluss beiwohnen, immerhin auch im nächsten Tagesordnungspunkt geht es um bedeutende Reformen.

Ich hoffe, sie sehen das alles im Rahmen der Live-Übertragung, denn es ist ein großer Tag für die österreichische Bildungspolitik, zweifelsohne. Zu diesem Punkt ist der Frau Bundesministerin zu gratulieren, weil eine Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern sicherlich nichts Einfaches ist.

Ich wollte mich eigentlich zu diesem Punkt nicht zu Wort melden, es ist eine Einstim­migkeitsmaterie. Es wurde von den Vorrednern, vor allem vom Kollegen Riepl, von der


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Kollegin Muttonen, erwähnt, dass es eben einen hohen Anteil an Analphabeten in Ös­terreich gibt. Kollege Riepl hat eine Zahl von ungefähr 300 000 genannt. Es soll 2013 eine Studie geben. Für mich ist jetzt natürlich aber schon evident geworden: Wo sind denn die Ursachen für diesen Analphabetismus? – Neben Rechnen sind Lesen und Schreiben die Grundkompetenzen, die man in der Volksschule lernen sollte, und das ist ein ganz klares, nämlich das einzige Gesamtschulmodell, das wir in Österreich ha­ben. Um daraus die Vergleiche zu ziehen: Es dürfte doch nicht alles so gut funktionie­ren, wenn es eine Gesamtschule ist. (Beifall bei der FPÖ.)

13.54

13.54.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, dem Ab­schluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungs­gesetz in 1511 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

13.54.454. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1617 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaft­liche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulunterrichtsge­setz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1628 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. 4 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


13.55.16

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es hat sich eines durchgezogen durch die Debatten des Vormittags: Es wurde immer zwischen Gleichmacherei und Chancengleichheit gependelt, das waren die Begriffs­pole. Da sage ich eines ganz klar: Ja zur Chancengleichheit. Jedes Kind in Österreich soll die gleichen Chancen im Bildungssystem haben. Aber von der Chancengleichheit bis zu einem erfolgreichen Bildungsabschluss, da liegt noch etwas dazwischen. Da würde ich zum Beispiel einmal Leistung, Anstrengung und auch Disziplin hineinneh­men. Ansonsten wäre es so wie bei einem Lottogewinn. Da hat auch jeder die gleiche Chance, sich ein Los zu kaufen, nur das Ende, der Lottogewinn, der ist eben nicht si­cher. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Chancengleichheit vermisse ich auch, wenn es darum geht, die Mittel für unter­schiedliche Schultypen gleichmäßig einzusetzen. Hier werden zum Beispiel die Gym­nasien bar jeder Chancengleichheit finanziell zugunsten der Neuen Mittelschule ausge­hungert.

Aber jetzt zu dem, was hier auf der Tagesordnung steht. Ja, es ist ein echtes Reform­werk, das hier beschlossen wird. Es sind umfangreiche Änderungen und Umwälzun­gen. Ich möchte das so vergleichen: Dieses Reformwerk ist ein mehrgängiges Dinner mit Vorspeisen, Hauptspeisen, Desserts, aber nicht jedes Gericht, das dabei ist, und nicht jede Beilage schmeckt den Freiheitlichen dabei.

Zuerst hebe ich hervor, was wir unterstützen.


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Wir unterstützen, dass eine Integration körper- und sinnesbehinderter Kinder im Rah­men der 9. Schulstufe der Polytechnischen Schule stattfindet. Das begrüßen wir aus­drücklich. Es gibt da zu diesem Bereich auch noch Entschließungsanträge, die wir auch unterstützen werden. Wir begrüßen auch, dass das modulare System für die Son­derfälle, nämlich Berufstätige, Kollegs, Vorbereitungslehrgänge, gilt. Der Beruf ist näm­lich das eine, für die Schule ist der Beruf das andere.

Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass es im Rahmen des Frühwarnsystems Lernbe­gleiter geben wird, die während des laufenden Schuljahrs darauf hintrainieren, dass zum Schluss eben kein „Nicht genügend“ im Zeugnis steht, sondern dass sehr wohl positiv abgeschlossen wird. Wir nehmen auch positiv zur Kenntnis, dass die Förderung von Begabten stattfinden soll.

Aber jetzt kommt es dann schon zu dem Punkt, wo wir es anders gelöst sehen wollen. Es ist nämlich alles mit dem Bereich des modularen Systems übertitelt, und hier zitiere ich aus einem Vortrag von Heinrich Kern, Universitätsprofessor an der Donau-Univer­sität in Krems, der sagt: Hinzu kommt gewissermaßen als letzter bildungspolitischer Schrei eine Modularisierung der Studieninhalte, also eine Zerlegung des zu vermit­telnden Wissens in kleine mundgerechte Häppchen, die unmittelbar nach dem Servie­ren abgeprüft werden. Man fordert nur noch kurzfristig verfügbares Detailwissen. Das Erkennen, Denken und Handeln in großen Zusammenhängen scheint nicht mehr not­wendig.

Das ist das Problem, das wir jetzt beim modularen System in der Oberstufe sehen. Es geht darum, Sitzenbleiben zu verhindern. Wir glauben nicht, dass es sehr sinnvoll ist, wenn wir eine Fördermaßnahme mit dem Frühwarnsystem machen und dem Kind die Chance geben und sagen: Du bekommst jetzt vom Staat nicht den Nachhilfelehrer, sondern den Lernbegleiter in der Schule, der dir die Möglichkeit gibt, deine Note so zu verbessern, dass du positiv abschließt, und wenn du dieses Angebot nicht annimmst, bekommst du zum Dank dafür noch das Aufsteigen mit bis zu drei Nicht genügend im modularen System, wo du dann mit diesen mundgerechten Häppchen (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Als wenn du  dabei gewesen wärst!)

Hier sieht man schon ganz eindeutig, dass die Förderung der Begabten hier weiterhin ein Placebo ist. Mir liegt auch ein Brief von Dr. Günther Schmid von der Bildungsplatt­form Leistung und Vielfalt vor, der meint: Ja, Begabtenförderung auch im modularen System wäre gut, eine 35-prozentige Erhöhung der Möglichkeiten für die Förderung auch. Aber wenn diese 35 Prozent vom jetzigen Standard der Gymnasien ausgehen, so würde das bedeuten, eine Wochenstunde pro Jahr Förderung. Das ist keine wirkli­che Begabtenförderung.

Wir sehen, für die Schwächeren gibt es Vorwarnsystem mit Lernbegleitung plus modu­lares System, Aufsteigen mit Nicht genügend, also zwei Initiativen, für die Begabten gibt es nur eine und auch nur mit geringen Mitteln.

Daher werden wir trotz der vielen, zugegebenermaßen guten Punkte das Gesamtwerk ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mayer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.00.16

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nur sehr wenig Zeit und möchte mich daher nicht mit den Dingen auseinandersetzen, die offensichtlich Kollege Rosen­kranz nicht verstanden hat, obwohl wir sie vielfach und detailliert besprochen haben. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Rosenkranz.) Es geht genau um das Gegenteil der


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Fall beim Nicht genügend – damit einmal dieser Punkt weg ist. Es ist in Zukunft genau das Gegenteil der Fall! Jemand mit einem Nicht genügend kann nicht mehr aufsteigen, kann keine Matura machen. Er muss das positiv abgeschlossen haben. Er bekommt gar nichts geschenkt mit zwei oder drei Fünfern. Das stimmt einfach nicht. Sie rechnen da mit der Uninformiertheit der Bevölkerung, oberflächlich, wie Sie sind. Und das tut einfach weh. Ich muss Ihnen das sagen. Es ist das pure Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben, der Fall. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was wir wollen, ist das System umstellen. Wir wollen, dass man in Zukunft auf etwas anderes schaut. Das ist genau das, was heute fast alle Fraktionen – ich glaube, sogar Ihre Fraktion, ich glaube, sogar der Klubobmann hat das gebracht – gesagt haben. Professor Hengstschläger wurde heute im „Kurier“ zitiert, auch im „Club 2“ und „Im Zentrum“ wurde darüber geredet. Wir haben gesagt, wir wollen nicht den Durchschnitt herbringen.

Wir wollen folgendes Beispiel – Sie kennen es –: drei Nicht genügend, ein Sehr gut. Dort, wo der Schüler ein Sehr gut hat, wo er Talente, Begabungen hat, diesen Bereich wollen wir entdecken, dort wollen wir ihn fördern, dort wollen wir ihm alle Möglichkeiten öffnen. Und dort, wo Schwächen vorhanden sind, muss er ein gewisses Grundmaß haben. Das könnte fast abgeschrieben sein von dem, was wir heute mit der Modularen Oberstufe umsetzen wollen, was Hengstschläger hier fordert. (Der Redner hält den er­wähnten „Kurier“-Artikel in die Höhe.) Genau das ist die systematische Umstellung. Grundkenntnisse müssen da sein, aber Begabungen wollen wir entdecken. Und in die­se Richtung geht das.

Wenn wir hier von stärkerer Individualisierung reden, müssen wir das auch ganz kon­kret einfordern. Jetzt kommen gesetzliche Maßnahmen dazu, die das garantieren, das wurde in Schulversuchen erprobt: Über 60 Prozent der Nicht genügend fallen dort weg, weil die Schüler individuell an der Schule direkt gefördert werden. Es gibt die Möglich­keit, in solchen Modulen ganze Jahrgänge zu überspringen. Man kann Dinge im Vo­raus machen, wenn man in einem Fach besonders begabt ist. Und hier kommen Sie heraus und sagen, das sei alles nichts, das sie Quatsch.

Seitdem Frau Ministerin Schmied diese Aufgabe betreut und Bildungsministerin ist, ist das die größte Umstellung, auch inhaltlich und theoretisch, die durchgeführt wurde. Das sagen auch alle Wissenschafter, von der Hirnforschung anfangen, bis hin zu Pro­fessor Hengstschläger. Was ist zu tun? Wo soll man richtigerweise umstellen? Da kommt man genau zum Ergebnis dieser Modularen Oberstufe.

Das jetzt schlechtzumachen, ist wirklich ein ganz arger Stil; das tut mir eigentlich leid. Aber in diese Richtung wollen wir weiterarbeiten, ob Sie bremsen oder nicht. Der Weg ist richtig, das schwöre ich Ihnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Franz.)

14.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.02.54

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Die Modulare Oberstufe, Elmar Mayer, war eine alte Forderung der Grünen, die wir unterstützen. Wir wollen die Modulare Oberstu­fe. Diesem Modell können wir aber leider aus vielerlei Gründen nicht zustimmen. Da hat nicht nur der Kollege Rosenkranz etwas nicht richtig verstanden, das ist zuge­gebenermaßen häufiger der Fall (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Gott sei Dank!), sondern da hat die breite Öffentlichkeit etwas falsch verstanden oder nicht richtig ver­standen.


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Ich zitiere beispielsweise die Tageszeitung „Heute“ vom 7. Dezember. (Abg. Amon: Das ist kein Qualitätsblatt!) Die hat messerscharf geschlossen – Zitat –: Oberstufe: Re­gierung beschließt Sitzenbleiben mit zwei Fünfern. – Also so kann man den Entwurf auch lesen. Vielleicht liegt es ein bisschen an der Kommunikation, die hier vonseiten der Vertreter der Regierungsparteien (Abg. Dr. Rosenkranz: Zu wenige Inserate! – Abg. Amon: Das ist keine Qualitätszeitung!) – Die Qualität der Tageszeitungen möchte ich nicht beurteilen.

Die Qualität der Kommunikation der Regierung hingegen möchte ich schon beurteilen. Und ich kann Ihnen als alter Lehrer keine sehr gute Note ausstellen. Aber lassen wir das! (Heiterkeit des Abg. Elmar Mayer. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan.)

Prinzipiell wäre das richtig. Wir brauchen ein Kompetenzmodell, wiewohl ich, Kollege Rosenkranz – da gebe ich Ihnen schon recht –, betreffend die Frage dieses Häppchen­wissens auch meine Sorgen und Probleme habe. Wir müssen eher darauf schauen, Kindern und Jugendlichen vernetztes Denken beizubringen; das ist richtig. Dieser er­wähnten Gefahr muss man bei einer Modularisierung entgegentreten. (Beifall der Abg. Dr. Moser.) Also diesen Einwand, so glaube ich, sollte man immer im Auge haben. Die Modulare Oberstufe als solche ist kein Allheilmittel.

Nur: So, wie Sie das jetzt durchführen, geht es nicht. Bezüglich Förderunterricht ist schon darauf hingewiesen worden, das Ausmaß ist bescheiden genug. Man kann sa­gen: Okay, es ist mehr, das ist prima!

Hochbegabtenförderung: Bitte, das ist ein dringendes Gebot unseres Schulsystems! (Abg. Elmar Mayer: Zustimmen!) Ich habe an meiner Schule massiv darum gekämpft, dass wir das unter schwierigsten Bedingungen einführen können. Hochbegabte nicht zu fördern, das ist ein Verbrechen an Jugendlichen. Da müssen wir etwas tun. Das se­he ich hier alles andere als gewährleistet.

Das größte Problem unserer Oberstufe ist die neunte Schulstufe. Frau Ministerin, wir haben uns ja auch in Ihrem Ministerium darüber unterhalten. Ich habe Sie darauf hin­gewiesen, dass wir zwei Drittel der Repetentinnen und Repetenten in der neunten Schulstufe haben. Und was geschieht hier mit dieser Modularen Oberstufe? – Genau die neunte Schulstufe wird ausgenommen. Genau dort, wo die Probleme am bren­nendsten sind, wird nichts getan. Es tut mir leid, aber daran kann ich wenig Positives finden.

Ich zitiere Ihnen in diesem Zusammenhang auch einen absolut unverdächtigen Herrn vom bifie, Herrn Direktor Lucyshyn, der gesagt hat: Mit solchen Reformen verab­schiedet sich die österreichische Bundesregierung von einer faktenbasierten Bildungs­politik. – Ein schlechteres Zeugnis kann man eigentlich gar nicht ausstellen, als dies Professor Lucyshyn macht. Leider muss ich ihm in diesem Zusammenhang recht ge­ben. Das führt uns nicht dorthin, wo wir hinwollen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich darf darauf verweisen, dass meine Kollegin Jarmer dann noch zu den Sonderschu­len speziell reden wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich jetzt schon folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Harald Walser, Helene Jarmer, Alev Korun, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Abschaffung der Sonderschulen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, unter Einbin­dung behinderter ExpertInnen eine Gesetzesvorlage zu entwerfen und dem Nationalrat


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 100

vorzulegen, welche die Umwandlung der bestehenden Sonderschulen in Kompetenz­zentren für inklusiven Unterricht zum Inhalt hat und für alle SchülerInnen mit sonderpä­dagogischem Förderbedarf den inklusiven Unterricht verwirklicht.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Harald Walser, Helene Jarmer, Alev Korun, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Abschaffung der Sonderschulen

eingebracht im Zuge der Debatte über Top 4) Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisations­gesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtge­setz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1628 d.B.)

Begründung

2008 hat Österreich die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinde­rungen ratifiziert. Damit ist Österreich völkerrechtlich zur Umsetzung der Konvention verpflichtet.

In Artikel 24 (Bildung) der UN-Konvention heißt es in Absatz 1:

(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancen­gleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten eine integratives Bil­dungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen.

Im Rahmen der Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplanes (NAP) für Menschen mit Behinderungen hat das BMUKK einen breit angelegten Diskussions- und Aushand­lungsprozess zur Umsetzung von Art. 24 der UN-Konvention für die Rechte von Men­schen mit Behinderung initiiert. Zentral geht es dabei um die Frage, mit welchen struk­turellen, organisatorischen und pädagogischen Maßnahmen die österreichische Schul- und Bildungslandschaft nachhaltig weniger aussondernd, also insgesamt inklusiver ge­staltet werden kann.

Inklusiver Unterricht bedeutet, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen mitten­drin sind im Schulgeschehen, nicht nur dabei. Dazu müssen die Rahmenbedingungen an den Schulen entsprechend angepasst werden. Im Gegensatz zum Integrativen Un­terricht bedeutet Inklusiver Unterricht die Gleichberechtigung und Chancengerechtig­keit für Schüler/innen mit Behinderungen.

Die Sonderschullehrpläne sind unflexibel und müssen abgeschafft und durch indivi­duelle Lehrpläne ersetzt werden. Ziel muss es sein, die Schüler/innen an ihr Leistungs­maximum heranzuführen, ihre Begabungen zu fördern und ihre Schwächen auszuglei­chen. Keinesfalls dürfen Unterrichtsinhalte pauschal gekürzt werden, wie dies derzeit der Fall ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 101

Die Sonderschulen sollen zu Kompetenzzentren für inklusiven Unterricht und Förde­rung umgebaut werden, wie zum Beispiel im Bezirk Reutte und in weiten Teilen der Steiermark bereits geschehen. Die Kompetenzzentren helfen den Schulen bei der Ge­staltung des Unterrichts, bieten Weiterbildung für Lehrer/innen an, Koordinieren die be­nötigten Schulplätze im jeweiligen Bezirk, organisieren Fahrtendienste und sorgen für die nötigen Ressourcen. Dort bekommen auch Eltern Hilfe und Beratung. Im Sinne der Partizipation sollen an den Kompetenzzentren auch BeraterInnen mit Behinderungen angestellt werden.

Im Bereich der LehrerInnen-Ausbildung muss sichergestellt werden, dass jedeR Lehre­rIn Grundkenntnisse im Bereich der inklusiven Pädagogik erhält, um in einer Inklu­sionsklasse unterrichten zu können.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, unter Einbin­dung behinderter ExpertInnen eine Gesetzesvorlage zu entwerfen und dem Nationalrat vorzulegen, welche die Umwandlung der bestehenden Sonderschulen in Kompetenz­zentren für inklusiven Unterricht zum Inhalt hat und für alle SchülerInnen mit sonder­pädagogischem Förderbedarf den inklusiven Unterricht verwirklicht.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. 4 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


14.07.37

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! An meinen Vorredner und Kollegen, Herrn Dr. Walser, gerichtet, weil Sie gesagt haben, Sie können mir im Hinblick auf die Kommunikation keine gute Note ge­ben, das sagen Sie „als alter Lehrer“, das ist Ihr Zitat. – Bitte um Verzeihung, ich hätte das nicht so formuliert. (Abg. Dr. Walser: Man muss der Realität ins Auge blicken!)

Aber da sind Sie tatsächlich noch ein bisschen zu sehr verhaftet im alten pädagogi­schen Denken (Heiterkeit bei Bundesministerin Dr. Schmied), denn ich hätte mich da­rüber gefreut, wenn Sie mir gesagt hätten, was ich gut kann, und nicht das, was ich nicht so gut kann. (Abg. Dr. Moser: Wir wollen die Begabten fördern!) Das ist nämlich der neue Ansatz in der Pädagogik, die wir wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte mich schwerpunktmäßig mit der neuen Oberstufe beschäftigen. Es gibt ja auch andere Punkte, die in diesem Paket enthalten sind, wie die Frage der Integration; dazu werden noch Kolleginnen und Kollegen von mir das Wort ergreifen. Ich glaube tatsächlich, dass die neue Oberstufe, wie wir sie Ihnen heute vorlegen, ein beträcht­licher Fortschritt ist, denn auf der einen Seite – und das muss man doch sagen – ist das Regierungsprogramm ja da nicht ganz so ins Detail gegangen, sondern für die Bil­dungspolitik waren zwei Eckpfeiler vorgegeben.

Der eine Eckpfeiler war die bessere Vorbereitung auf die tertiäre Ausbildung. Dem ver­suchen wir, Rechnung zu tragen, indem wir die Oberstufe modularisieren und ähnlich dem universitären Betrieb nicht jemanden, der in einem Fach negativ ist, von vornhe­rein davon abhalten, dass er auch keine weiteren Prüfungen mehr absolvieren darf, sondern es geht letztlich darum, dass jemand im Rahmen des Absolvierens seiner Ausbildung am Ende alle Teile positiv absolviert hat. Da wird gar nichts hergeschenkt. Alles ist nachzubringen und zu erbringen, aber eben zeitlich flexibel.


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Und das trägt auch dem zweiten Punkt, der sich im Regierungsübereinkommen findet, Rechnung, nämlich das Repetieren hintanzuhalten.

Aber wie versuchen wir, das jetzt umzusetzen? – Das eine ist im Sinne von einem stärkeren Fördern auf der einen Seite, wenn wir Schwächen erkennen – dies aber nicht nur durch Förderkurse im klassischen Sinn, sondern auch durch individuelle Förder­maßnahmen, etwa auch durch einen Begleitlehrer, den wir künftig dienst- und besol­dungsrechtlich anerkennen wollen.

Das ist ein Lehrer, der eine Vertrauensperson sein soll, den sich der Schüler/die Schü­lerin selbst auswählen kann und der den Schüler/die Schülerin eben auch in seinem/ih­rem Fortkommen begleitet.

Und zum ersten Mal, Herr Kollege Rosenkranz, institutionalisieren wir die Begabtenför­derung. Das gab es bisher nicht. Ich finde es eigentlich traurig, was gesagt wurde. Ich habe dem Herrn Direktor Schmid – er hat mir den gleichen Brief geschrieben – geant­wortet, der kritisiert hat, dass wir die Mittel für spezielle Fördermaßnahmen um 35 Pro­zent erhöhen. Es liegt künftig in der Kompetenz der Schule und des Direktors, zu sa­gen, wie viel man von all den Mitteln, die man für solche Fördermaßnahmen hat, in die Förderung Schwächerer oder eben in die Förderung begabter Schülerinnen und Schü­ler mit unterschiedlichen Begabungen investiert. Also das ist wohl ein wirklicher Fort­schritt, den man auch anerkennen sollte.

Abschließend möchte ich sagen – ich habe leider nur 4 Minuten Redezeit zur Verfü­gung –, dass diese neue Oberstufe wirklich ein Fortschritt ist, weil sie genau dem Rechnung trägt, was etwa der heute schon viel zitierte und strapazierte Professor Hengstschläger sagt, nämlich nicht die Gleichmacherei steht im Mittelpunkt, sondern die differenzierten Begabungen stehen im Mittelpunkt. Wir beurteilen nicht nach dem, was jemand in erster Linie nicht kann, sondern wir sagen den Kindern, was sie kön­nen, und wir fördern sie damit in besonderer Weise in ihrem Fortkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


14.12.06

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Umsetzung des Konzeptes der neu­en Oberstufe, des Modulsystems beginnt man eine Reform, die sicher in die richtige Richtung geht. Das ist überhaupt keine Frage. Es hat ja einige Pilotversuche in Öster­reich gegeben. Ich selbst habe mir einen Pilotversuch der Bundeshandelsakademie in Kirchdorf angesehen. Ich muss sagen, das hat einiges für sich. Was ich vor allem sehr positiv empfunden habe und was auch hier im Gesetzestext so verankert ist, das sind die intensiven Fördermaßnahmen, die intensive Betreuung von Schülerinnen und Schü­lern mit ihren Schwächen. Dieses Festigen, Vertiefen, das rechtzeitige Erkennen von Defiziten ist ganz wichtig. Das erfolgt jetzt in kürzeren Abständen. Es gibt auch sozusa­gen freiwillige Fördermaßnahmen, aber auch verpflichtende.

Ich sehe es auch als ein positives Zeichen in die Richtung, dass generell Nachhilfe, pri­vate Nachhilfe reduziert wird – private Nachhilfe, von der wir heute schon gesprochen haben, die die Familien jährlich 140 bis 160 Millionen € kostet. Das ist absolut positiv zu sehen.

Mein Problem ist – was heißt „Problem“? –, meine Überlegung ist auch, es müssen wirklich genügend finanzielle Mittel vorhanden sein. Die finanziellen Mitteln für die zu­sätzlichen Lehrer müssen gesichert sein, sonst wird dieses Modell oder diese Form der Fördermaßnahmen ad absurdum geführt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 103

Negativ sehe ich grundsätzlich nicht so sehr, dass man weniger wiederholen muss. Wir wissen alle, Schuljahre, die wiederholt werden, fehlen einem irgendwo, kosten auch die Volkswirtschaft etwas. Also man sollte das Nachholen von Schuljahren, von Schulun­terricht, von Schulstufen möglichst reduzieren. Aber so, wie es jetzt im Gesetz vorge­sehen ist, dass das Aufsteigen mit drei Fünfern – ich weiß schon, der dritte Fünfer auf­grund der Entscheidung der Klassenlehrerkonferenz – möglich sein soll, das erscheint mir doch etwas zu weit gegriffen. Wenn jemand in drei Gegenständen Schwächen hat, das aufzuholen, das nachzuholen, aber gleichzeitig auch die neuen Anforderungen be­wältigen zu müssen, wird sehr schwierig sein.

Daher werden wir heute diesen Gesetzestext nicht als Gesamtes ablehnen, sondern wir haben eine getrennte Abstimmung beantragt und werden diesen Punkt ablehnen, weil wir sehen, dass das zu wenig ausgegoren ist und dass das letztendlich einfach auch in Richtung Leistungsanreiz zu wenig ist.

Grundsätzlich möchte ich aber auch sagen, dass wir glauben, dass dieses modulare System ein richtiger Reformansatz ist, vor allem was Förderung, Begleitung, Begabten­förderung betrifft. Man wird dann sehen, ob es wirklich nicht nur den Schwächeren zu­gutekommt, sondern auch jenen, die besondere Talente und Fähigkeiten haben, ob das der richtige Weg ist. Wir werden in den nächsten Jahren sehen, ob hier noch et­was nachzubessern ist oder ob es sich so entfaltet, wie es sich die Regierungsparteien wünschen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

14.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminis­terin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.16.12

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Hohes Haus! Bevor ich zur neuen Oberstufe kurz ein paar Worte sage, möchte ich die Aussage des Herrn Abgeordneten Rosenkranz zur Sprache bringen. Sie haben gemeint, die AHS werde „ausgehungert“. – Das stimmt nicht!

Es ist so, dass die AHS – genauso wie die Hauptschulstandorte – auch von den Maß­nahmen profitieren, die wir bisher umgesetzt haben, ob das die Sprachförderung ist, die wir im Übrigen vor dem Sommer verlängern sollten, die kleineren Klassen oder die Nachmittagsbetreuung. Es ist mir wichtig, einmal mehr festzuhalten, dass die zusätzli­chen Lehrer, die an die Neue Mittelschule kommen, auch zusätzlich finanziert sind. Aber das haben wir im Kontext des Budgets ja bereits diskutiert und, wie ich hoffe, auch gemeinsam festgestellt.

Jetzt zur neuen Oberstufe. Wir haben bisher insgesamt 40 Standorte. Frau Abgeordne­te Haubner hat einen besucht, wo dieses Modell in unterschiedlichen Varianten erprobt wurde. Ich selbst habe auch einen Standort besucht und war sehr beeindruckt, vor al­lem von folgenden Punkten, die ich dort realisiert vorgefunden habe, nämlich dass durch ein Frühwarnsystem viel früher auf die einzelnen Stärken, Schwächen, Defizite eingegangen werden kann und dass die Lehrer und Lehrerinnen plötzlich auch in eine andere Rolle kommen und als Lernbegleiter und Coach mit die Verantwortung für den Erfolg übernehmen.

Das, was mir besonders aufgefallen ist und was mir besonders gut gefällt, ist, dass mehr Eigenverantwortung gelebt wird, dass die Schüler und Schülerinnen selbstbe­wusster werden und dass das einfach auch im Schulklima im Umgang miteinander et­was verändert und bewegt.

Wichtig in der Umsetzung ist es, denke ich, dass die Schulstandorte gut vorbereitet werden. Es ist daher eine gute Entscheidung, dass wir das nicht mit einem Stichtag


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 104

einführen, sondern den Schulen bis zum Jahr 2017 Zeit geben, einzusteigen und sich vorzubereiten.

Und es ist uns sehr bewusst – wir bewegen uns ja hier Gott sei Dank in Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich der Bundeskompetenz (Abg. Dr. Moser: Gott sei Dank!) –, dass wir dazu auch begleitend Verwaltungsunterstützung und Softwaresysteme bereit­stellen müssen.

Als zuständige Ministerin ist mir eines auch ganz wichtig – und da danke ich Ihnen be­sonders, Frau Abgeordnete Haubner –: Es ist natürlich entscheidend, dass mehr Leh­rer und Lehrerinnen, mehr Ressourcen eingesetzt werden, denn wenn man zusätzli­ches Coaching haben will, braucht das mehr Leistung. Und da wir ja jetzt nicht im Hob­bybereich und im karitativen Bereich tätig sind, braucht mehr Leistung auch entspre­chende Abgeltung.

Herr Abgeordneter Amon, ich bedanke mich vor allem auch bei Ihnen dafür, dass wir gemeinsam mit vereinten Kräften daran arbeiten, dass das Zug um Zug umgesetzt wird und wir das Modell gleichzeitig in der vollen ressourcenmäßigen Ausstattung umset­zen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.

Weiters möchte ich hervorheben: Herr Abgeordneter Walser, Sie haben zu Recht – und wir haben ja im letzten Ausschuss darüber diskutiert – die 9. Schulstufe angespro­chen. Die 9. Schulstufe ist derzeit, so die Einschätzung unserer Experten, in der Tat noch nicht reif für ein modulares System. Daher ist es notwendig, dass wir uns der 9. Schulstufe mit höchster Konzentration widmen. Ich bedanke mich bei allen Bil­dungssprechern, dass wir einen gemeinsamen Termin schon im Jänner gefunden ha­ben, um das Thema „9. Schulstufe“ gemeinsam zu diskutieren.

Im Bereich Integration kommen wir einen Schritt weiter, das ist Teil eines Prozesses. Ich darf vor allem auch Frau Abgeordneter Jarmer versichern, dass wir da intensiv wei­terarbeiten werden und dass ich die Integration in der 8., 9. Schulstufe jetzt als den nächsten wichtigen Schritt sehe. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Abg. Ursula Haubner.)

14.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.21.11

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wird viel darüber gesprochen, dass unser Bildungssystem die Kinder nach ihren Begabungen fördern soll, dass alle Kinder nach ihren Begabungen zu fördern sind, dass auf die Stärken und nicht auf die Schwächen zu schauen ist, dass vor allem auch der Blick darauf zu werfen ist – hat Kollege Amon heute gesagt –, was die Kinder können, und nicht darauf, was die Kinder nicht können.

All das kann natürlich auch ich zu 100 Prozent unterstützen. Das ist ja auch der sozial­demokratische Ansatz zur Chancengleichheit im Bildungssystem. All das muss aber – und das hat die Frau Ministerin jetzt angesprochen – auch für Kinder mit Behinde­rungen gelten. Ich bin ja sehr froh – und ich sehe da eine große Chance bei der Dis­kussion um die Gemeinsame Schule –, dass genau die Inklusion für Kinder mit Behin­derungen da immer auch mitgedacht werden kann und dass die Gemeinsame Schule dabei eine große Chance bietet.

Im Ministerium – das wissen wahrscheinlich alle Kolleginnen und Kollegen – wird ja seit dem Frühjahr sehr intensiv in einer engen Kooperation mit dem BMASK, mit Ex­pertInnen des Ministeriums, mit ExpertInnen der Schulaufsicht und auch mit Vertrete-


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rInnen der Zivilgesellschaft an einem Inklusionsfahrplan gearbeitet, wobei am Ende die inklusive Schule stehen soll, die die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorsieht und die wir alle gemeinsam ja auch möchten.

Heute steht der Beschluss auf der Tagesordnung, mit dem – die Frau Ministerin hat es schon angesprochen – ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Inklusion gesetzt wird, nämlich die Integration in der 9. Schulstufe, in den Polytechnischen Schulen, auch in den einjährigen Haushaltungsschulen. Ich kann Ihnen allen versichern, dass das nur ein erster Schritt ist und dass wir auf diesem Stand nicht stehen bleiben werden.

Der Nationale Aktionsplan, der jetzt in Begutachtung geschickt worden ist, an dem im Bildungsministerium eigens noch weitergearbeitet wird, und auch der Unterausschuss, in dem die Anträge der Grünen betreffend die Abschaffung der Sonderschulen bezie­hungsweise Entwicklung in Richtung Kompetenzzentren weiter behandelt werden, sind ja wichtige Schritte in Richtung Inklusion von Kindern mit Behinderungen.

Ich möchte aber schon zu bedenken geben, dass man bei allen Maßnahmen immer auch die Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen und – das ist natürlich sehr wichtig – die Wünsche der Eltern respektieren muss. Natürlich müssen auch die Sorgen und die Kritik der Behindertenorganisationen ernst genommen werden, aber das geschieht ja, weil gerade beim Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen alle Akteu­rInnen einbezogen und die ExpertInnengespräche sehr, sehr breit angesetzt werden.

Zum Antrag, den Kollege Huainigg jetzt dann einbringen wird, der in der Sekundar­stufe II basierend auf der IBA, der Integrativen Berufsausbildung, vor allem im Bereich der Teilqualifizierung, Verbesserungen bringen soll: Ich bin davon überzeugt, dass das ein weiterer Schritt in Richtung mehr Integration oder mehr Inklusion von Kindern mit Behinderungen sein kann und vor allem auch dazu beitragen wird, dass der Start von Jugendlichen in das – ich sage das immer so – Erwachsenenleben noch besser funk­tionieren kann, weil ich davon überzeugt bin, dass es wichtig ist, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderungen nicht nach der Schule endet.

Die schulische Bildung oder die Schulbildung muss einfach dafür da sein, dass Men­schen ein selbstbestimmtes Leben führen können, und die inklusive Schulbildung muss dazu führen, dass alle Menschen gleichberechtigt an allen Lebensbereichen teilhaben können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Franz.)

14.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

(Das Mikrophon der Gebärdensprachdolmetscherin funktioniert nicht; es wird ein ande­res geholt.)

Wir werden 1 oder 2 Minuten warten, bitte. – Die Frage ist, ob wir ein Stehmikrophon hinstellen können, das da vorne steht. Ich sehe leider nicht, ob die Schnur lang genug ist. – Ja, das geht sich aus, dann werden wir behelfsweise dieses verwenden. Ich dan­ke allen, die mitgewirkt haben.

 


14.26.44

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Ich wiederhole mich gerne noch einmal: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe da an, wo ich vorhin aufgehört habe: In Gebärdensprache wäre es möglich, ohne Mikrophon zu arbeiten, aber ich bin hier inklusiv auch für Sie tätig, deswegen haben wir das Mikro­phon jetzt doch in Betrieb genommen. Nun gut!

Zum Thema Integration, 9. Schulstufe: Einige positive Schritte sind zu erkennen. Kolle­ge Huainigg hat ja seine Initiativen vorangetrieben, die Ausweitung der Schulformen –


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 106

das ist ein gemeinsamer Antrag, und er wird auch vorgelesen – in Bezug auf Teilquali­fikation. Kleine Schritte sind also zu verzeichnen, aber für mich ist es noch immer zu wenig.

Deswegen möchte ich jetzt einen weiteren Entschließungsantrag einbringen, den ich vorlesen werde.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Helene Jarmer, Harald Walser, Alev Korun, Freundinnen und Freun­de betreffend Ausweitung des Inklusiven Unterrichts auf alle Schulformen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, dem Nationalrat noch im ersten Halbjahr 2012 einen Gesetz­entwurf über die Ausweitung der Integration und des Inklusiven Unterrichts an allen mittleren und höheren Schulen vorzulegen.“

*****

Der Antrag hat diesen Zweck: Integration ist ein Schritt. Was wir hier vermissen, ist der Inklusive Unterricht. Ich habe gehört, Kollegin Königsberger-Ludwig, Sie verwenden das Wort „Inklusion“. Also ich bin zufrieden, wir haben im Parlament bereits mehrmals „Inklusion“ gehört. Das ist gut. Wir dürfen nicht vergessen, die Integration ist generell sehr positiv, aber wir verwenden nach wie vor den Sonderschullehrplan an diesen Ein­richtungen. Wir brauchen einen individuellen Lehrplan.

Frau Kollegin, Sie haben es bereits angesprochen: Der Nationale Aktionsplan ist ja vor Kurzem im Entwurf verbreitet worden. Ich habe ihn also durchgeblättert, den Bereich Bildung genau durchforstet. Sehr wenige Punkte sind ausformuliert. Ich habe mir sehr viel mehr erwartet. Ich hoffe, dass in diesen Entwurf auch die Behindertenverbände ihre Stellungnahmen einbringen können und wir hier gemeinsam unser Ziel erreichen können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Helene Jarmer, Harald Walser; Alev Korun, Freundinnen und Freun­de betreffend Ausweitung des Inklusiven Unterrichts auf alle Schulformen, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Unterrichtsausschusses (1628 d.B.) über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schulun­terrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungs­gesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1617 d.B.)

Begründung

In der Regierungsvorlage 1617 d.B. wird die Überführung des Schulversuches zur Inte­gration von SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Polytechni-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 107

schen Schulen ins Regelschulwesen, sowie die Ausweitung der Integration in einjähri­ge Haushaltungsschulen beschlossen. Dies darf zwar als erster Schritt in Richtung Ausweitung der Bildungschancen für SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förder­bedarf gewertet werden, allerdings ist das noch lange kein gleichberechtigter Zugang zu Bildung für Menschen mit Behinderungen. Weiterhin werden Jugendliche mit Behin­derungen systematisch vom Erwerb höherer Bildung ausgeschlossen, da der Besuch von mittleren und höheren Schulen für SchülerInnen mit sonderpädagogischem För­derbedarf nicht vorgesehen ist. Eine Ausweitung der Integration und die Einführung des Inklusiven Unterrichts an mittleren und höheren Schulen ist im Sinne der Gleichbe­handlung raschest umzusetzen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, dem Nationalrat noch im ersten Halbjahr 2012 einen Geset­zesentwurf über die Ausweitung der Integration und den inklusiven Unterricht an allen mittleren und höheren Schulen vorzulegen.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.30.43

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Gesellschaft von morgen entscheidet sich heute in der Schule, und wir wollen eine Gesellschaft ohne Vorurteile, in der behinderte Menschen und nicht be­hinderte Menschen gleichberechtigt nebeneinander und miteinander leben.

Dieses Selbstverständnis kann in der Schule gelernt werden, im Rahmen der schuli­schen Integration, die bis zur 8. Schulstufe sehr gut funktioniert. Es gibt jetzt beinahe an jeder Volks- und Hauptschule Integrationsklassen. Heute setzen wir einen wichtigen weiteren Schritt, nämlich die Integration in der 9. Schulstufe, die in Polytechnischen Lehr­gängen und in einjährigen Schulen erprobt worden ist.

Wir möchten aber einen weiteren Schritt setzen mit einem Entschließungsantrag, den ich im Namen aller Parteien einbringen werde, in dem es darum geht, dass man die berufsbildenden mittleren Schulen mit einbezieht, dass es Schulversuche gibt, die man dann ins Regelschulwesen übernehmen kann.

Es gibt bereits ein sehr gutes Modell, das hier weitergeführt und weiterentwickelt wer­den soll, das ist die sogenannte Teilqualifizierung im Rahmen der integrativen Berufs­ausbildung. Diese Teilqualifizierung funktioniert in Berufsschulen sehr gut, es gibt über 5 000 integrative Lehrverträge. Es geht darum, die Fähigkeiten des einzelnen behin­derten Menschen zu sehen, entsprechend zu fördern und in der Schule auch die ent­sprechende Ausbildung anzubieten, mit dem Ziel, dass der behinderte Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt einen Job findet und weiter integriert wird.

Das sollen auch die berufsbildenden mittleren Schulen leisten, und deshalb möchte ich jetzt folgenden Entschließungsantrag einbringen, wobei es so ist, dass ich aufgrund meiner Sehbehinderung den Antrag nicht selbst vorlesen kann, daher werden ihn das Vorleseprogramm meines iPhones und meine parlamentarische Mitarbeiterin einbringen.


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Da das Vorleseprogramm des iPhones nicht funktioniert, trägt Mitarbeiterin Evelyn Pam­mer den Text des Antrages vor.

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, Möglichkeiten einer Teilqualifizierung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach der 9. Schul­stufe in berufsbildenden mittleren Schulen auszuarbeiten und auf Basis der Erfahrun­gen Modelle der Teilqualifizierung in berufsbildenden mittleren Schulen zu überprüfen. Die Integration in berufsbildenden mittleren Schulen soll in Schulversuchen erprobt wer­den, um mittelfristig Rahmenbedingungen für den Regelschulbetrieb zu eruieren.“

*****

(Abg. Mag. Gaßner: Inklusive landwirtschaftliche Schulen!)

Bei der Technik ist heute der Hund drinnen, aber die Teilqualifizierung wird trotzdem fortgesetzt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von BZÖ und Grünen.)

14.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ja, das passiert leider immer wieder mit der Technik, aber der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unter­stützt und steht auch mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Ing. Nor­bert Hofer, Mag. Helene Jarmer, Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Teilqualifizierung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 4, Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1617 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisations­gesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtge­setz 1985, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, das Berufsreifeprüfungsgesetz und das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert werden (1628 d.B.)

Die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist bis zur 8. Schul­stufe im Regelschulwesen verankert. Nun mehr werden die Schulversuche zur Integra­tion in der 9. Schulstufe an den Polytechnischen Lehrgängen und den einjährigen Haushaltungsschulen auch ins Regelschulwesen übernommen. Im Anschluss an die Pflichtschule nutzten bisher über 5.000 Jugendliche die integrative Berufsausbildung als Übergang von der Schule in die Berufswelt. Dies zeigt, wie groß der Bedarf an wei­terführenden Angeboten ist. Die positiven Erfahrungen der Berufsschulen sollen nun in den berufsbildenden mittleren Schulen weiterentwickelt und auf Basis dieser Erfah­rungen sollen Modelle der Teilqualifizierung für das Regelschulwesen überprüft wer­den. Ziel ist es, dass behinderte Jugendliche mit körperlichen oder intellektuellen Ein­schränkungen die Möglichkeit einer Ausbildung in mittleren berufsbildenden Schulen erhalten können, die ihnen eine Berufsperspektive in der Wirtschaft verschafft.

Im Regierungsprogramm wird das Bekenntnis zu einer Ausbildungsgarantie für alle Ju­gendlichen bis zum 18. Lebensjahr abgegeben. Ziel ist es, den Anteil der Jugendlichen


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ohne Berufsausbildung oder Schulabschluss zu senken und die Jugendbeschäftigung durch die Möglichkeit des Besuchs einer weiterführenden Schule, eines Ausbildungs­programms oder der Erhalt eines Lehrplatzes zu sichern.

Im Kapitel „Bildung“ des Koalitionsabkommens ist festgelegt, dass die Möglichkeiten der Integration nach der 8. Schulstufe verwirklicht werden sollen. Ebenso sollen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf bestmöglich in das Schulsystem integriert wer­den.

Die Möglichkeiten der Teilqualifizierung von Kindern mit sonderpädagogischem Förder­bedarf in berufsbildenden mittleren Schulen sollen in Abstimmung mit den Experten­runden zum Nationalen Aktionsplan sowie unter Einbeziehung der Schulaufsicht und unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Clearings, der integrativen Berufsausbil­dung und der bisherigen Schulversuche in berufsbildenden Schulen ausgearbeitet und in Schulversuchen erprobt werden, um mittelfristig Rahmenbedingungen für den Regel­schulbetrieb zu finden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, Möglichkeiten einer Teilqualifizierung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach der 9. Schul­stufe in berufsbildenden mittleren Schulen auszuarbeiten und auf Basis der Erfahrun­gen Modelle der Teilqualifizierung in berufsbildenden mittleren Schulen zu überprüfen. Die Integration in berufsbildenden mittleren Schulen soll in Schulversuchen erprobt wer­den, um mittelfristig Rahmenbedingungen für den Regelschulbetrieb zu eruieren.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.36.05

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Hohes Haus! Wenn ich die mittleren und höheren Schulen, wie sie sich zum jetzi­gen Zeitpunkt präsentieren, genauer betrachte, so stellt das für mich sehr wohl ein starres System dar, ein System, das sich mit Sicherheit Jahrzehnte nicht bewegt hat, ein System, das unseren Schülerinnen und Schülern Unterrichtsgegenstände ohne gro­ßen Freiraum vorgibt.

Freiraum bedeutet für mich, dass unsere Schülerinnen und Schüler sehr wohl die Mög­lichkeit haben müssen, vermehrt Wahlpflichtfächer aussuchen zu dürfen, was wiede­rum ihre Begabungen fördert, aber auch ihre Interessen hervorruft. Umso mehr freut es mich jetzt, dass es gelungen ist, die Oberstufe schrittweise auf eine modulare Form umzustellen. Mir ist aber auch bewusst, dass solch eine Umstellung mit Sicherheit eine neue Herausforderung für alle Beteiligten darstellt.

Die Module sorgen aber dafür, dass von unseren Schülerinnen und Schülern eine kon­tinuierliche Leistung während des gesamten Schuljahres erbracht werden kann. Der Unterricht wird individualisiert, und es herrscht eine neue Lehr- und Lernkultur vor. Für unsere SchülerInnen – und das hat die Frau Ministerin vorhin auch schon erwähnt – bringt das sehr viele Vorteile, wie zum Beispiel ein erweitertes Frühwarnsystem, eine Förderung von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung sowie ein Eingehen auf Be­gabungen und Interessen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 110

Als sehr positiven Aspekt sehe ich das Vermeiden von teilweise – sehr oft – sinnlosen Klassenwiederholungen. Schülerinnen und Schüler müssen ja trotzdem ihre negativen Bewertungen bis zur Matura positiv abgeschlossen haben, sonst werden sie zur Matu­ra nicht zugelassen.

Wenn man internationale Studien betrachtet, so kann man auch erkennen, dass das Sitzenbleiben für einen großen Teil unserer Schülerinnen und Schüler von Nachteil ist. Klassenwiederholungen bedeuten nicht nur für den Staat mehr Geldaufwand, sondern vor allem auch für unsere Familien.

Abschließend gratuliere ich allen, die an der Erarbeitung dieses neuen Systems betei­ligt waren, und bedanke mich dafür, dass es gelungen ist, dieses neue Modell zu reali­sieren. Ich bin überzeugt, dass jene wenigen, die diesem Modell noch kritisch gegen­überstehen, in der Praxis sehen werden, dass dies ein wichtiger und richtiger Schritt für unsere Jugendlichen und für unser Schulsystem ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ so­wie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Frau Abgeordnete Franz zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.39.15

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Die neue Oberstufe wurde in 40 unterschiedlichen Schul­versuchen sehr erfolgreich erprobt. Deshalb war es an der Zeit, ein Modell für alle Schulen und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die nun ab der 10. Schulstu­fe gelten.

Dieses Modell bringt viele Vorteile: Es bringt die Individualisierung des Unterrichts. Wir haben mehr Qualität im Unterricht. Es gibt eine geringere Drop-out-Quote. Es gibt eine bessere Vorbereitung auf die Uni durch mehr Eigenverantwortung. Es gibt die Begab­tenförderung, das Überspringen eines Schuljahres beispielsweise. Es gibt die Förde­rung von lernschwachen Schülern durch spezielle Förderungen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die individuellen Lernfortschritte und die Leistungs­fähigkeit der einzelnen Schülerinnen und Schüler werden stärker berücksichtigt. Es gibt den Begleitlehrer als Vertrauensperson für die speziellen Fördermaßnahmen. Durch die Einteilung in Kompetenzmodule wird die Selbständigkeit entsprechend gefördert. Damit ist auch die Eigenverantwortung der Schüler gegeben, die eine bessere Vorbe­reitung für die spätere Ausbildung ist.

Sitzenbleiben wird verhindert, jedoch ohne weniger Leistung zu verlangen, denn es gibt auch die Begabtenförderung. Es können auch Module übersprungen werden, eben auch durch spezielle Begleitmaßnahmen. Dies führt zu einer neuen Lehr- und Lernkul­tur. Wir haben heute schon im Beitrag zum Bildungsvolksbegehren viel gehört. Das sind alles Forderungen, die auch dort gefordert sind.

Organisatorisch ist die Umsetzung an den einzelnen Schulstandorten sicher noch eine große Herausforderung. Vom pädagogischen Standpunkt ist diese modulare Oberstufe aber ein innovatives Modell, und ich freue mich, dass wir das heute beschließen. (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Gaßner.)

14.41

14.41.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1617 der Beilagen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 111

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betrof­fenen Teil und schließlich über die restlichen noch nicht abgestimmten Teile des Ge­setzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 4 Z 15 in der Fassung der Regie­rungsvorlage.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich für diesen Teil des Gesetzentwur­fes aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit. Das Gesetz ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Sonderschulen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung des Inklusiven Unterrichts auf alle Schulformen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kö­nigsberger-Ludwig, Huainigg, Hofer, Jarmer, Ursula Haubner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Teilqualifizierung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 222.)

14.44.175. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1787/A(E) der Abgeordne­ten Sonja Ablinger, Mag. Silvia Fuhrmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend kreative Bildung im Rahmen ganztägiger Schulformen sowie über den

Antrag 1154/A(E) der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kol­legen betreffend die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zu­sammenarbeit zwischen Musikschulen und Musikkapellen im Rahmen von Be­treuungsformen in den Schulen außerhalb des Regelunterrichts (1629 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1794/A(E) der Abgeordne­ten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend mu­sisch-kreativen Schwerpunkt in der Neuen Mittelschule (1630 d.B.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 112

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Ablinger. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.45.26

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kurze Redezeit, daher nur kurz: Was wir mit diesem Antrag erreichen wollen, basiert auf dem Unterausschuss, den wir im Unter­richtsausschuss gebildet haben, dieses Mal mit dem Schwerpunkt kulturelle Bildung.

Der Hintergrund ist, dass es aufgrund des wünschenswerten, begrüßenswerten Aus­baus der ganztägigen Schulformen manchmal zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Musikschulen kommt.

Wir haben bei diesem Unterausschuss von vielen Beispielen von Kooperationen mit Theatereinrichtungen gehört. Zum Beispiel hat Frau Anna Badora von tollen, ermuti­genden Projekten mit dem Schauspielhaus Graz berichtet, die sehr unterstützenswert sind: „Kunst macht Schule ()“, „Kultur macht Schule“. Das unterstützt auch meine Mi­nisterin, das ist ein Projekt von ihr.

Es hat sich aber herausgestellt, dass es im Zusammenhang mit den Musikschulen, mit ganztägigen Formen, zu Schwierigkeiten kommt.

Dieser Antrag soll sicherstellen, dass die Kooperation zwischen den Musikschulen und den ganztägigen Schulformen unterstützt wird, sodass mehr Kinder als bisher von dem qualitativ hochstehenden Angebot der Musikschulen profitieren können, wobei anzu­merken ist, dass Musikschulen in den Ländern und Gemeinden ein tolles Angebot ha­ben.

Das ist der Hintergrund. Es geht darum, das zu gewährleisten, sicherzustellen und zu forcieren. – Ich bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

14.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhr­mann. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.47.05

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Im Grunde genommen, das möchte ich noch erwähnen, greifen wir auch einen dringenden Wunsch der Landeshauptleutekonferenz auf, die auf die Problematik aufmerksam gemacht hat, dass es in diesen sechs Bundesländern großartige Musikschulen gibt, und auch in der Praxis Lehrpersonal, das an Musikschulen unterrichtet, Zugang zu Schulen findet, dies aber nicht auf gesetzliche Beine gestellt ist. Diese Lücke versuchen wir jetzt zu schlie­ßen und für Rechtssicherheit zu sorgen.

Einen ersten Schritt haben wir schon vor einiger Zeit gesetzt, mit dem Ziel, mehr Krea­tivität in die Schule zu bringen, vor allem wenn es um eine qualifizierte Betreuung und Unterstützung bei der Nachmittagsbetreuung geht. Dafür haben wir den Freizeitpäda­gogen beziehungsweise die Freizeitpädagogin eingeführt. Eine spezielle Ausbildung zu diesem Beruf kann an der Pädagogischen Hochschule absolviert werden.

Wir wollen eben, dass auch im Bereich der Nachmittagsbetreuung Jugendliche in den Bereichen Musik und Sport speziell gefördert werden. Ich denke, wir sollten jenen, die noch immer Sorge haben, dass es mit dem Ausbau der ganztägigen Schulformen zu Einschränkungen in der Freizeitgestaltung kommt, diese Sorge nehmen, weil wir selbst­verständlich wollen, dass in ganztägigen Schulformen, im Bereich der Nachmittagsbe-


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treuung Kinder auch ihren Hobbys, ihren Ausbildungen in den Bereichen Sport, Musik und Theater nachgehen können.

Mit dieser Initiative wollen wir dem gerecht werden. Das betrifft, wie meine Vorrednerin gesagt hat, im Speziellen Musikschulen. Es gibt in Österreich 430 Musikschulen, das sind sehr viele. In Summe sind es etwa 7 000 MusikpädagogInnen, die unterrichten, die an Musikuniversitäten eine entsprechende Ausbildung gemacht haben. Ich denke, dass es jedenfalls legitim ist, dass solch gut ausgebildete PädagogInnen auch an Schu­len unterrichten dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosen­kranz. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.49.32

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Ge­nese dieses Antrags ist differenziert. Es hat einen Antrag von mir gegeben, in der Aus­schusssitzung selbst gab es dann den Antrag der Koalition, und dann gab es quasi wie in einer Arbeitssitzung – und so sollte ein Ausschuss auch sein – die Einigung auf ei­nen Text, wo man dann versucht hat, nicht in irgendeiner Form einzuschränken, son­dern nach Möglichkeit ein kulturelles und sportliches Engagement und eine Betreuung im Rahmen der Ganztagsbetreuung an Schulen sicherzustellen.

Klar sein muss: Es geht da um Fragen des Engagements in der Breite. Kollege Walser hat vorhin gemeint, das österreichische Schulwesen mache zu wenig für die Höchstbe­gabten. – So ist es sicherlich auch im Bereich Musik.

Zu diesem Förderprogramm, in dem es darum geht, dass Institutionen, die vor Ort sind, einbezogen werden, um Freizeit sinnvoll zu gestalten, muss ich sagen: Ein Kind, das besonders gut Klavier spielen kann, wird durch ein Hereinziehen der örtlichen Blasmu­sikkapelle sicher nicht gefördert werden. Das muss klar sein, das ist eine andere Schiene.

Daher komme ich auch zum Problem des Ganztagsunterrichts mit verschränktem Un­terricht. Was macht man wirklich mit einem begabten Kind, das bereits hervorragend als „Wunderkind“ Klavier spielt? Es muss die ganztägige Schule besuchen, es hat am Nachmittag keine Zeit zu üben, und es hat auch keine Zeit für einen Unterricht, der dort nicht geboten werden kann, der unter Umständen nicht einmal in einer Musikschule ge­boten werden kann, sondern vielleicht bereits an einer Hochschule oder von einem pri­vaten Instrumentallehrer.

Dieses Kind würde Teile des Unterrichts verlieren. So ein Kind kann nur am Vormittag in die Schule gehen, denn es wäre einem Kind mit dieser Höchstbegabung auch un­zumutbar, vielleicht erst nach 16 oder 17 Uhr mit dem instrumentalen Üben anzufan­gen. Außerdem sollte dieser Unterricht täglich stattfinden statt vielleicht zwei- oder drei­mal pro Woche.

Das heißt: Da ist eine Maßnahme gesetzt worden, um eben flächendeckend im ländli­chen Bereich die eine oder andere Kulturinstitution, möglichst breit gefächert, aber auch Sportinstitutionen, Sportvereine und Ähnliches heranzuziehen, wobei diese Insti­tutionen sehr gut helfen können, eine Begabung zu entdecken. Diese Vereine, diese Institutionen, die da herangezogen werden sollen, sind durchaus geeignet, das zu er­kennen. Daher begrüßen wir diese Initiative.

Wir hoffen, dass die Ganztagesbetreuung, solange das nicht verpflichtend ist, in dieser Hinsicht gute Früchte zeitigen wird, sodass die eine oder andere Begabung entdeckt wird. Es geht aber auch darum, für die anderen Kinder, in der Breite sozusagen – das sind wir unserem Kulturland Österreich schuldig –, den entsprechenden Zugang zur


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 114

Musik, zur bildenden Kunst, zum Theater und Ähnlichem zu ermöglichen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dr. Walser. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.53.12

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Beginnen wir mit dem Positiven. Ich kann dem Kollegen Rosenkranz vollinhaltlich folgen, ich sehe die Sache genauso.

Wir müssen in der Schule Raum schaffen. Ich sehe es genauso, was die Förderung anlangt. Keine Bange, wir werden schon noch auf Differenzen kommen, nämlich dann, wenn es um die Einschätzung der Ganztagsschule geht. Aber es ist in der Tat so, dass wir schauen müssen, dass wir alle Ressourcen nützen, die es in einer Gemeinde gibt, um Kinder zu fördern, ob es nun sportliche Ressourcen sind, wie ein Sportverein, oder Musikvereine. Es wäre ein Unding, darauf nicht zurückzugreifen.

Daher ist uns sowieso klar, dass wir in den Schulorganisationen Schulen diesbezüglich wesentlich autonomer gestalten müssen und den Schulen, den DirektorInnen, den Lehr­kräften, den Eltern die Möglichkeiten geben müssen, die Schule zu öffnen. Keine Fra­ge, diesbezüglich müssen wir etwas tun.

Schauen wir uns aber den ganztägigen Unterricht an. Da würden Sie staunen, Herr Kollege Rosenkranz, wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, sich die Home­page meiner Schule anzuschauen, www.bgfeldkirch.at. Da haben wir nämlich unter dem Begriff „(Hoch-)Begabungsförderung“ sehr wohl Möglichkeiten erwähnt, wie man auch dann, wenn Unterricht wäre, Kindern und Jugendlichen besondere Förderungen dort, wo sie besondere Fähigkeiten haben, zukommen lassen kann. Das ist also im Be­reich der Schule schon jetzt möglich, es ist nur sehr, sehr mühsam.

In ganztägigen Schulformen, zum Beispiel in Finnland, dauert der Unterricht bis 14 Uhr. Wir stellen uns das eher bis 15 Uhr vor. Da gibt es dann sehr wohl noch die Möglich­keit, individuell zu üben, ob das jetzt Musik oder Sport ist. Wichtig ist, dass wir diese Vereine in die Schulen hereinholen, dass wir die Möglichkeit schaffen, dass Kinder sich eben auseinandersetzen können, dass möglichst nicht über einen Kamm geschoren wird, sondern dass man sie ihre Fähigkeiten, ihre Talente möglichst individuell entwi­ckeln lässt. Das ist das große Ziel. Ich glaube, mit diesem Antrag kommen wir dem Ganzen schon ein Stückchen näher.

Frau Ministerin, ich habe Ihnen aber auch im Ausschuss schon sagen müssen, dass wir mit Ihrem Modell der FreizeitpädagogInnen nicht einverstanden sind. Es handelt sich hierbei nämlich um eine Schmalspurpädagogik, die genau das nicht schafft, was dieser Antrag eventuell schaffen könnte; nämlich dass wir wirklich bestausgebildete und vor allem auch entsprechend engagierte Fachkräfte in die Schulen bekommen. Ich habe große Zweifel, ob das möglich ist bei einer Ausbildung zur Freizeitpädagogin von zwei Semestern, und zwar teilweise für Menschen mit wenig Fortbildung; Matura ist beispielsweise nicht vorgeschrieben. So entwickelt sich die ganztägige Schulform zu einer Aufbewahrungsstätte, und genau das darf nicht passieren. (Beifall bei den Grünen.)

14.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Markowitz zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.57.01

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Man darf bei dieser Debatte eines nicht vergessen: Dass in den letzten Jahren betref-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 115

fend Musikhauptschulen beziehungsweise Musikgymnasien sehr viel gute Arbeit ge­leistet wurde. Es geht darum, dass man den Nachmittagsförderunterricht oder die Nach­mittagslehrer, die Musikunterricht geben wollen, auf eine legale Basis stellt. Deswegen ist der Antrag auch lobenswert, wir werden ihn unterstützen. Bis jetzt war es nicht mach­bar, dass Musiklehrer am Nachmittag in anderen Schulen unterrichten – sie haben es trotzdem getan. Diese Maßnahme geht also in die richtige Richtung.

Was Kooperationen und Zusammenarbeit betrifft: No na net, natürlich ist es etwas, das absolut unterstützenswert ist. Aber was die Freizeitpädagoginnen betrifft, hat Ursula Haubner vorhin bereits erwähnt: Hier geht es uns vor allem um eine Aufwertung, damit es nicht passiert, dass wir ein Zweiklassensystem haben, sodass die einen Lehrer halb­wegs erträglich verdienen und die anderen finanziell nicht über die Runden kommen. Ich glaube, das wollen wir alle nicht. Deshalb müssen wir da den Hebel ansetzen, da­mit dies nicht passiert, damit eben die Schere, die da aufbricht, geschlossen wird.

Sonst wurde von den Kollegen schon alles gesagt. Wir werden den Anträgen zustim­men, weil wir glauben, dass es eine Besserstellung für jeden Jugendlichen ist, der auf dem Land oder auch in der Stadt Musik wichtig findet und sich in diese Richtung enga­gieren möchte. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

14.58

14.58.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wünscht die Berichterstatterin beziehungsweise der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehmen werde.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5, über die dem Ausschussbericht 1629 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend krea­tive Bildung im Rahmen ganztägiger Schulformen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 223.)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6, über die dem Ausschuss­bericht 1630 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend musisch-kreati­ven Schwerpunkt in der Neuen Mittelschule.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 224.)

14.59.49Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 9330/AB

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die laufenden Verhand­lungen, und wir gelangen zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten mit der Ordnungs­zahl 9330/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsord­nung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Be­gründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der


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Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Mi­nuten dauern.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Mag. Korun als Antragstellerin des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Die Redezeit beträgt, wie erwähnt, 10 Minuten. – Bitte.

 


15.00.49

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich muss zuerst meiner Verblüffung Ausdruck verleihen.

Wir haben es hier mit einem Minister zu tun, der die Fragen inhaltlich kaum beantwor­tet hat. Wir verlangen deshalb eine Anfragebesprechung im Plenum. Und wenn ich es richtig sehe, bemüht sich der Herr Außenminister gar nicht hierher, sondern schickt sei­nen Staatssekretär, mit dem wir genau dieses Anliegen im Menschenrechtsausschuss schon behandelt und besprochen haben. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Ein besseres Zeichen von Diskussionsverweigerung und von Verweigerung, auf kriti­sche Punkte einzugehen, können Sie nicht setzen! Danke schön, ÖVP! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Das ist immer derselbe Leierkasten! Nehmen Sie einmal eine neue Rede mit! Das ist ja überheblich, was Sie da machen, extrem!)

Das ist wirklich eine Verhöhnung des Parlaments! Ich habe diese Debatte mit Herrn Staatssekretär Waldner im Menschenrechtsausschuss geführt. Alle Kolleginnen und Kollegen, die anwesend waren, wissen das. Wir haben dort Argumente ausgetauscht, wir haben inhaltlich diskutiert.

Ich habe die parlamentarische Anfrage an den Herrn Außenminister gestellt, habe eine Verhöhnung zurückbekommen, und ich werde jetzt darauf eingehen. Und jetzt bei der parlamentarischen Besprechung, bei der Anfragebesprechung erscheint der Außenmi­nister nicht, sondern schickt wieder den Herrn Staatssekretär. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will dem Herrn Staatssekretär nicht nahetreten, es geht nicht um ihn, son­dern es geht um eine Diskussionsverweigerung seitens des Außenministers. (Beifall bei den Grünen.)

Worum geht es? – Die Bundesregierung hat vor ein paar Monaten ein Abkommen mit Saudi-Arabien abgeschlossen, mit dem Regime eines Landes, in dem auf den soge­nannten Abfall von der Religion, vom Islam im konkreten Fall, die Todesstrafe droht, in das Juden und Jüdinnen nicht einmal einreisen dürfen, in dem alle anderen Religionen als der wahhabitische Islam verfolgt werden, in dem selbst Gottesdienste von anderen Religionen in Privatwohnungen verboten sind und verfolgt werden. Genau mit so einem Regime hat die Bundesregierung ein Abkommen abgeschlossen, damit ein – ich zitiere – Internationales König-Abdullah-Bin-Abdulaziz-Zentrum für Interreligiösen und Interkul­turellen Dialog in Wien, inmitten Europas, etabliert wird.

Angesichts der schrecklichen Menschenrechtslage in Saudi-Arabien, angesichts des Totalverbots von allen anderen Religionen als dem Wahhabismus ist es ein Hohn, von „interkulturellem und interreligiösem Dialog“ zu sprechen und ausgerechnet Saudi-Ara­bien, ausgerechnet ein Regime, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, wo die Religionsfreiheit schlicht und ergreifend nicht existiert, zum angeblichen Dialogführer zwischen den Religionen und zwischen den Kulturen zu erheben. (Abg. Dr. Belako­witsch-Jenewein: Reden Sie von der Türkei?)

Damit erweist die Bundesregierung auch den zirka 500 000 Muslimen und Musliminnen im Land einen Bärendienst (Beifall bei den Grünen) und macht sich völlig unglaubwür­dig für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, jedes Mal, wenn sie die Worte „Extremis­mus“, „Fundamentalismus“ und „Bekämpfung derselben“ in den Mund nimmt, wenn sie es wagt.


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Die Bundesregierung weiß entweder nicht, mit welchem Regime sie es da zu tun hat, mit welchem Regime sie angeblich dialogisieren will – oder es ist der Bundesregierung egal, dass man mit so einem Regime einen angeblichen Dialog führt. Ich weiß nicht, was schlimmer wäre, es ist auf jeden Fall beides sehr, sehr schlimm.

Damit wird ausgerechnet Saudi-Arabien, wo der Wahhabismus, der ja eine extrem fun­damentalistische, extrem rigide und unterdrückerische Interpretation der Religion Islam ist, ausgerechnet dieses Land, ausgerechnet dieses Regime wird zum angeblichen Vertreter von 1,5 Milliarden Muslimen und Musliminnen weltweit auserkoren. Dieses Regime wird mindestens einen der angeblichen Vertreter von Muslimen und Muslimin­nen weltweit ernennen. Dieses Regime hat einen zweistelligen Millionenbetrag in Euro investiert, um ein Ringstraßenpalais zu kaufen, wo das Zentrum seinen Sitz haben wird. (Abg. Scheibner: Na hätten Sie es lieber, wenn es der Steuerzahler bezahlt?) Nein, nein! (Abg. Scheibner: Na also! Seien wir doch froh, dass es wer bezahlt!)

Es wäre viel besser, wenn man nicht so ein Pseudodialogzentrum etablieren würde. Dialog schön und gut, aber ausgerechnet so ein Regime zum Dialogführer zwischen den Kulturen und Religionen zu erheben, das ist ja die Todsünde, die Sie begehen. (Bei­fall bei den Grünen.)

Das wollen Sie offensichtlich nicht nur nicht einsehen, sondern da betreiben Sie auch Diskussionsverweigerung.

Kollege Lopatka hat vor ein paar Stunden eine sehr spannende APA-Aussendung ge­macht, die habe ich mir genau angeschaut. Darin behauptet er, das würde ja gar nicht stimmen, Herr Außenminister Spindelegger hätte ja alle diese Fragen beantwortet. – Schauen wir uns das gemeinsam an, Herr Kollege, wie er diese Fragen hervorragend beantwortet hat!

Zum Beispiel die Frage 2: „Ist Ihnen bekannt, dass in Saudi-Arabien auf den ,Abfall vom Islam‘ die Todesstrafe droht? Wenn ja, wie verträgt sich das mit dem Vorhaben des saudischen Königs, den ,Dialog‘ mit anderen Religionsanhängern und ‑anhängerinnen fördern zu wollen?“

Die Antwort des Herrn Außenministers – übrigens eine Sammelantwort, wo er in ein paar Absätzen gleich auf sieben Fragen eine Antwort gibt, angeblich; ich zitiere –:

„Österreich hat eine langjährige international anerkannte und erfolgreiche Tradition im Dialog der Kulturen und Religionen und hat dieses Engagement in den letzten Jahren in vielfacher Hinsicht verstärkt.“ – Alles schön und gut.

Weiter heißt es: „Die von Österreich initiierten Dialoginitiativen sind seit jeher den uni­versalen Grund- und Freiheitsrechten, einschließlich der Religions- und Gewissensfrei­heit, der Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie der Rechtsstaatlichkeit ver­pflichtet.“ – Und so weiter und so fort.

Nur, was er eben nicht dazu schreibt, ist, dass genau diese Religions- und Gewissens­freiheit in Saudi-Arabien schlicht und ergreifend nicht existiert, von Gleichbehandlung von Männern und Frauen gar nicht zu sprechen. Es dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass in Saudi-Arabien Frauen nicht einmal Auto fahren dürfen, geschweige denn als Bürgerinnen dieses Landes ein Wahlrecht haben und an den stattfindenden Wahlen teil­nehmen dürfen.

Von universalen Grund- und Freiheitsrechten ist da die Rede. In Saudi-Arabien wurde allein im Oktober des letzten Jahres 19 Mal die Todesstrafe nicht nur verhängt, son­dern auch vollstreckt, überproportional oft an armen Gastarbeitern und Gastarbeiterin­nen.

Auf die Frage, ob ihm diese Todesstrafe auf den „Abfall vom Islam“ bekannt sei und wie sich das mit der Dialogidee vertragen würde, geht der Herr Außenminister mit kei­nem Wort ein.


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Nächstes Beispiel, Frage 4: „Ist Ihnen bekannt, dass in Saudi-Arabien nicht-moslemi­sche Gottesdienste selbst in Privatwohnungen sowie alle Arten christlicher Insignien und Bücher verboten sind (siehe Länderkurzbericht von Amnesty International) und Ju­den und Jüdinnen in das Land gar nicht einreisen dürfen? Wenn ja, wie verträgt sich das mit“ der Idee des Dialogs?

Und der Herr Außenminister antwortet: „Österreich hat eine langjährige international anerkannte und erfolgreiche Tradition ().“ Und so weiter und so fort.

Ich könnte das jetzt fortsetzen. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Bitte nicht!) – Das wundert mich bei der FPÖ, muss ich übrigens sagen, dass es da von der FPÖ, die ja bei jeder Gelegenheit, sobald das Wort „Islam“ fällt, von Fundamentalismus und Terror und so weiter redet und sagt, dass die Muslime alle so undemokratisch seien, dass es da keine Reaktion von der FPÖ gibt. (Abg. Scheibner: Seid doch froh, dass es einmal nicht so ist!)

Es ist offensichtlich überhaupt kein Problem für die FPÖ, dass der Wahhabismus in Wien eine Bühne bekommt, dass Saudi-Arabien im Namen von 1,5 Milliarden Moslems sprechen darf. Ich nehme an, das ist sogar im Interesse der FPÖ, damit sie alle Musli­me in Bausch und Bogen der Zurückgebliebenheit und der Radikalität und des Terrors bezichtigen kann. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Es hätte ja auch der Herr Erdogan diese 20 Millionen bezahlen können! Warum hat er das nicht?)

Das dürfte auch das Anliegen der ÖVP sein, um wieder Munition zu haben für den nächsten Wahlkampf. Auf der einen Seite schüttelt man Hände mit dem Regime in Saudi-Arabien, man wird Partner und hat dann anschließend nicht den Mut, Saudi-Ara­bien wegen irgendetwas zu kritisieren. Das steht heute noch auf der Tagesordnung, nämlich die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien und wie die Bundesregierung sich geweigert hat, in dieser Sache tätig zu werden. Wenn man schon mit diesem Regime angeblich dialogisiert und kooperiert, dann sollte man auch menschenrechtliche Anlie­gen an dieses Regime herantragen. Dazu ist man aber zu feige, das will man nicht.

Wenn sich der Herr Außenminister schon nicht hierher traut und Antworten zum zwei­ten Mal verweigern will, dann würde ich gerne zumindest von seinem Staatssekretär, Herrn Staatssekretär Waldner, klare Antworten auf diese elf Fragen haben. Darum würde ich bitten. Und zwar wirkliche Antworten und nicht leere Floskeln, was für eine tolle Tradition wir nicht haben. Diese tolle Tradition im Dialog, die Österreich hatte und teilweise noch immer hat, wird genau mit solchen Aktionen von der Bundesregierung zerstört. Ich bitte um Antworten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatsse­kretär Dr. Waldner zu Wort gemeldet. Die Redezeit sollte 10 Minuten nicht überschrei­ten. – Bitte.

 


15.11.30

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Wolfgang Waldner: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Nachdem Frau Ab­geordnete Korun erwähnt hat, dass ich schon im Außenpolitischen und im Menschen­rechtsausschuss ausführlich mit ihr darüber diskutiert habe, freut es mich, dass ich auch hier kurzfristig die Gelegenheit habe, zu diesem Thema Stellung zu nehmen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass es gesagt wurde, und ich sage es wieder: Österreich hat auf Grund der historischen und geopolitischen Situation eine langjährige Tradition im interkulturellen und interreligiösen Dialog, insbesondere mit der muslimisch gepräg­ten Welt und insbesondere mit dem Islam in Europa.

Die rechtliche Anerkennung des Islam in Österreich im Jahr 1912 hat sehr viel dazu beigetragen, dass diese Dialog-Aktivitäten seit Jahrzehnten auch einen sehr prominen-


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ten Platz auf unserer außenpolitischen Agenda einnehmen. Das neu beschlossene ös­terreichische Auslandskulturkonzept 2011 enthält als eine von drei Zielsetzungen die „Leistung eines nachhaltigen Beitrags zur globalen Vertrauensbildung und Friedenssi­cherung durch Initiativen im Bereich des Dialogs der Kulturen und Religionen“. Öster­reich beabsichtigt daher, auch in Zukunft verstärkt Initiativen zu Themen des interkul­turellen und interreligiösen Dialogs zu setzen. Damit soll ein Beitrag zum Abbau von Stereotypen und dadurch auch zu Frieden und Sicherheit geleistet werden.

Der Dialog der Kulturen und Religionen soll zur Stärkung von Demokratie und zur uni­versellen Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten, inklusive der Religions- und Gewissensfreiheit, beitragen. Der Dialog ist ein wichtiges Instrument zur Förde-
rung des interkulturellen und interreligiösen Zusammenlebens und der Integration in Ös­terreich und in Europa.

Über eine im Außenministerium eingebettete Task Force „Dialog der Kulturen“ werden seit Jahren Projekte mit zwischenstaatlichen Organisationen, mit tertiären Bildungsein­richtungen und mit der Zivilgesellschaft organisiert und durchgeführt. Diese Aktivitäten nutzen den Dialog als Instrument zur gemeinsamen Identifizierung und Besicherung universeller Grundwerte wie Demokratie, Menschenrechte und Religionsfreiheit.

Und genau in dieser Tradition, Frau Abgeordnete, wurde von Österreich, vom Herrn Vi­zekanzler im Oktober 2011 dieses Gründungsübereinkommen für das Zentrum für In­terreligiösen und Interkulturellen Dialog unterzeichnet. Das Zentrum wurde als interna­tionale Organisation mit Sitz in Wien gegründet. Der Gründungsvertrag gibt völker­rechtlich verbindliche Regelungen für die Struktur und für die Ausrichtung dieses Zen­trums vor und enthält ein klares Bekenntnis zur Allgemeinen Erklärung der Menschen­rechte der Vereinten Nationen und damit auch zur Religions- und Gewissensfreiheit. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Mit diesem Zentrum wird erstmals eine stabile internationale Plattform für den Dialog zwischen den Weltreligionen geschaffen, und das mitten in Wien.

Der Bedarf an einem systematischen interreligiösen und interkulturellen Dialog in unse­rer Welt heute ist ja wohl unbestritten. Ich kann das aufgrund meiner persönlichen Wahr­nehmung – ich bin zwar erst acht Monate in meinem Amt – selbst bestätigen. Ich habe bereits viele Gespräche mit Religionsvertretern geführt, mit Politikern, die sich mit die­sen Fragen beschäftigen, im In- und Ausland, zuletzt im Kosovo, in Priština, mit Reli­gionsvertretern, in Djakarta vor fünf Wochen, in Doha vor ungefähr einem Monat und diese Woche noch in Maskat, wo ich wieder mit Vertretern des Islam und mit Politikern reden werde, die genau dieses Thema auch verfolgen.

Wir erachten daher dieses Zentrum als wichtige Initiative für den internationalen Dia­log, und wir haben uns bewusst dafür entschieden, gemeinsam mit Spanien und auch mit Saudi-Arabien Mitbegründer zu sein. Es haben sich mehrere andere europäische Städte für den Sitz dieses Zentrums beworben: Madrid, Genf, London. – Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn dieses Zentrum dort angesiedelt worden wäre? (Abg. Mag. Korun: Ja! Ja!) Wir sind stolz darauf, dass es in Wien sitzt. (Beifall bei der ÖVP.) Und dass es in Wien sitzt, ist eben wiederum Anerkennung und Bestätigung unserer langjährigen Tradition und unserer Glaubwürdigkeit in diesem Bereich.

Das Zentrum ist eine Bereicherung für Wien, eine Bereicherung für Wien als Amtssitz für internationale Organisationen und fügt sich nahtlos in unsere bisherigen Aktivitäten für Dialog und für den Frieden ein.

Der Beitritt zu diesem Vertrag steht weiteren Mitgliedern natürlich offen, und es gibt mehrere Staaten, die sich bereits dafür interessieren, diesem Gründungsvertrag beizu­treten.


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Das Dialogzentrum beschränkt sich nicht auf die monotheistischen Religionen Juden­tum, Christentum und Islam, sondern bezieht ausdrücklich auch andere Glaubensrich­tungen ein: den Buddhismus, den Hinduismus. Diese Glaubensrichtungen werden von Anfang an im Direktorium vertreten sein.

Der Heilige Stuhl hat zu erkennen gegeben, dass er Beobachterstatus für dieses Zen­trum anstrebt und dass er eine aktive Rolle hier einnehmen will. Der Apostolische Nun­tius hat im Rahmen des Empfanges des Herrn Bundespräsidenten vor einigen Tagen, wo ich dabei war, vor dem versammelten diplomatischen Korps sich sehr positiv zu diesem Zentrum geäußert. Und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich hat die Initiative in öffentlichen Stellungnahmen mehrmals ausdrücklich be­fürwortet.

Keine der Religionen, die hier vertreten sind, wird dominieren oder ihre Sichtweise um­setzen oder durchsetzen können. Gerade deshalb haben wir diese Form der interna­tionalen Organisation gewählt: ein verbindliches Abkommen zwischen Staaten mit kla­ren Strukturen und Beschlussregeln.

Das Zentrum beruht auf klaren Grundsätzen, das Gründungsabkommen beruft sich klar und deutlich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Na­tionen, insbesondere auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Wir werden natürlich un­sere Dialogschwerpunkte umsetzen, die Ihnen bekannt sind: Religionspluralismus, Re­ligions- und Gewissensfreiheit (Abg. Mag. Korun: In Saudi-Arabien auch?), Schutz von religiösen Minderheiten und Stärkung der Rolle und der Leadership-Funktionen von Frauen.

Wir sehen in dem Zentrum eine Möglichkeit, auch einen Beitrag zur Durchsetzung ge­rade dieser Werte und dieser Prinzipien, insbesondere in jenen Ländern, in denen die­se bisher weniger oder nicht geachtet werden, zu leisten. Der Erfolg dieses Zentrums hängt von den beteiligten Religionsgemeinschaften und Kirchen ab, die die Träger des Dialogs sind.

In den nächsten Wochen, nur zur Information, wird ein österreichischer Verein gegrün­det, der die Einrichtung des Zentrums vorbereiten wird. Mitglieder werden die drei Ver­tragsparteien sein, die das Gründungsübereinkommen unterschrieben haben: Öster­reich, Spanien und Saudi-Arabien, und alle Entscheidungen werden im Einvernehmen mit diesen drei Staaten und diesen Gründungsmitgliedern getroffen.

Wir bereiten gerade die Regierungsvorlage über die Ratifikation des Gründungsüber­einkommens vor und hoffen, dass in wenigen Wochen das parlamentarische Genehmi­gungsverfahren eingeleitet werden kann. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Zentrum einen konstruktiven Beitrag leisten wird, und hoffe, dass die Initiative auch im Rahmen der parlamentarischen Behandlung Ihre Unterstützung finden wird.

Gestatten Sie mir, Frau Abgeordnete, zum Schluss noch einen persönlichen Wunsch zu äußern, den ich schon am Rande des Menschenrechtsausschusses geäußert habe: Geben Sie doch diesem Dialog, dieser Initiative eine Chance, und beurteilen Sie diese Initiative anhand der konkreten Ergebnisse! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt jeweils 5 Minuten.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


15.19.31

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Für die Sozialdemokraten in


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diesem Haus darf ich eindeutig festhalten: Österreich ist ein Land, das sich intensiv für die Menschenrechte engagiert. Österreich setzt sich für den Dialog zwischen den Kon­fessionen, zwischen den Kulturen und den verschiedenen Gesellschaftssystemen ein. Das hat Tradition.

Ein Name, der bis heute dafür steht, ist Bruno Kreisky, der sich als Außenminister und Bundeskanzler und mit ihm das Land in den Dialog eingebracht hat und der es dem Dialog verschrieben hat. Internationale Einrichtungen in Wien sind ein sichtbares Sym­bol dafür. Wir Sozialdemokraten stehen unverrückbar dazu.

Und eine solche neue Einrichtung wurde im Herbst des Vorjahres hier ins Leben geru­fen. Mit dem Gründungsübereinkommen für dieses Internationale Zentrum für Interreli­giösen und Interkulturellen Dialog ist eine weitere Institution dazugekommen.

Ich will sie keinesfalls auf eine Stufe stellen mit den Einrichtungen der Vereinten Natio­nen oder anderer internationaler Institutionen, selbstverständlich nicht. Bedeutung und Größenordnung sind uns durchaus bewusst. Aber es ist eben eine Einrichtung, die sich für den Dialog einsetzt und dem Gespräch verschreibt, und das ist zu begrüßen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Natürlich hat Frau Abgeordnete Korun recht, wenn sie auf die Menschenrechtssitua­tion, insbesondere die nicht vorhandene Religionsfreiheit in Saudi-Arabien hinweist. Wir haben das im Menschenrechtsausschuss wirklich ausführlich diskutiert, und es steht heute noch einmal als Thema auf der Tagesordnung.

Aber weil eben der saudische König der Geldgeber für dieses Zentrum ist, ist ein Hin­terfragen natürlich zulässig. Kritik kommt ja nicht nur von den Grünen, sie kommt ja auch von den Medien und anderen Stellen. Aber sie kommt auch aus der islamischen Welt. Dazu möchte ich noch ein Wort sagen: Dort ist diese Initiative nicht unumstritten. Das wird wohl so sein in der islamischen Welt. Aber ich frage: Was ist in der vielfälti­gen, mehrfach gespaltenen islamischen Welt derzeit nicht unumstritten?

Denken wir zum Beispiel nur an die religiös motivierten Auseinandersetzungen zwi­schen den verschiedenen Richtungen des Islams im Irak, in Pakistan, im Iran mit den menschenverachtenden Folgen wie Terror und Bürgerkrieg zwischen den Glaubens­gruppen. Umso mehr möchte ich sagen: Jeder Versuch, den Dialog und die Gesprächs­bereitschaft zu fördern, muss uns recht sein, und das gerade hier in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Korun, es ist nicht das saudische Regime, das den Dialog hier führt (Abg. Mag. Korun: Sondern?), sondern es sind die Menschen, die dort zusammenkommen, die Vertreter verschiedener Weltreligionen, Gesellschaften, die sich dort zusammenset­zen und den Dialog führen.

Argumentiert wird vom Zentrum, dass der saudische Geldgeber nicht direkt Einfluss nehmen wird, sondern ein Board of Directors, dem Vertreter sämtlicher großer Religio­nen angehören. Die werden die Agenden führen. Wir müssen das vorerst zur Kenntnis nehmen und davon ausgehen, dass es auch so funktionieren wird. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen.

Auch der Vatikan entsendet Vertreter in dieses Gremium. Wir haben hier schon gehört, dass der Nuntius sehr positiv dazu Stellung genommen hat. Aber auch andere christli­che Religionen, Orthodoxe, jüdische Vertreter wird es geben. Darüber hinaus wird es ein Advisory Board mit rund hundert Vertretern nicht nur der fünf Weltreligionen geben, sondern auch Wissenschaftern und Vertretern der Zivilgesellschaft.

Herr Staatssekretär Waldner hat schon auf die Stellungnahme des Nuntius beim Neu­jahrsempfang des Herrn Bundespräsidenten hingewiesen, und ich unterstreiche das auch für uns als sozialdemokratische Fraktion.


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Echte Religionsfreiheit ist selbstverständlich untrennbar damit verbunden, wenn man von Menschenrechten spricht, und das wird man dem saudischen System und Regime auch ununterbrochen sagen müssen. Das tun wir ja auch, Frau Kollegin. Doch gerade dieses interreligiöse Zentrum kann dabei sehr hilfreich sein. Das möchte ich sehr deut­lich sagen.

Sie haben in einer Presseaussendung behauptet, es würde dem Regime ein Persil­schein ausgestellt. – Das tut niemand! Das geschieht keineswegs! Niemand erklärt das Regime für glorreich, wie Sie gemeint haben. Aber was hätten Sie eigentlich gesagt, Frau Kollegin Korun, wenn man Nein zu diesem Zentrum gesagt hätte? Ich kann mir vorstellen, dass Sie das dann auch als Fehler bezeichnet und laut kritisiert hätten.

Zum Schluss: Der „Falter“ schreibt in einem bemerkenswerten Kommentar: Das um­strittene Zentrum ist jedenfalls einen Versuch wert. Außenpolitik kennt zwei Kategorien: entweder Isolation oder Dialog.“

Ich meine, wir sollten den richtigen Weg gehen, nämlich den Dialog und nicht die Isola­tion. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Lopat­ka. – Bitte.

 


15.25.02

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann unmittelbar bei meinem Vorredner anschließen und darf ihm sehr für diese klare Stellungnahme seitens der sozialdemo­kratischen Fraktion danken.

Es geht darum, dass das, was Österreich immer ausgezeichnet hat, auch jetzt eine Fortsetzung findet, nämlich dass Wien ein Zentrum des Dialogs bleibt. Und geben Sie diesem Zentrum eine Chance, Kollegin Korun, und verteufeln Sie dieses Zentrum nicht, bevor es seine Arbeit aufgenommen hat!

Ich verstehe Ihre Position nicht, denn Sie machen einen ganz großen Denkfehler: Sie setzen dieses Zentrum gleich mit dem Regime in Saudi-Arabien, und das ist ein großer Fehler. Anscheinend weigern Sie sich, sich mit der Sache auseinanderzusetzen. Denn hätten Sie sich mit der Sache auseinandergesetzt, dann würden Sie wissen, wer hier die Entscheidungen trifft. Und das ist nicht Saudi-Arabien! Das kann Saudi-Arabien aufgrund des Vertrages gar nicht sein!

Daher sage ich es Ihnen, sollten Sie das überlesen haben: Es ist eindeutig vertrags­mäßig festgelegt, dass es drei entscheidende Gremien gibt. Das erste ist die Vertrags­parteienversammlung, wo es nicht eine Vertragspartei gibt, sondern mehrere Vertrags­parteien. Das zweite ist das Direktorium, wo nicht nur eine Religion vertreten ist, so wie Sie das darstellen, sondern Mitglieder dieses Direktoriums sind drei Muslime, drei Chris­ten, ein Vertreter des Judentums, also Vertreter der monotheistischen Religionen, und darüber hinaus werden auch die Buddhisten und der Hinduismus vertreten sein.

Und dann gibt es noch ein beratendes Gremium. Der Geldgeber ist nicht der, der be­stimmt, was geschieht, speziell dann nicht, wenn das vertragsmäßig anders festgelegt ist. Und vielleicht hätten Sie auch nachlesen oder nachhören sollen, was bei der Grün­dung von saudi-arabischer Seite gesagt worden ist. (Abg. Mag. Korun: Ich habe es gelesen!) – Ja, wenn Sie es gelesen haben, Frau Kollegin Korun, dann haben Sie das Gegenteil von dem gesagt und behauptet, was Sie gelesen haben.

Schauen Sie sich die Situation weltweit an! Ich verweise auf das, was heuer zum Bei­spiel schon in Nigeria passiert ist, auch in anderen Staaten. Was kann die Antwort da­rauf sein? – Wie es vorher gesagt worden ist: Isolation, Gesprächsverweigerung oder


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die Muslime hereinholen und zum Dialog bewegen! (Abg. Mag. Korun: Welche?) Alle Muslime, ich will niemanden ausschließen! Das ist der große Unterschied zu Ihnen. Sie wollen welche ausschließen, wir nicht! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und BZÖ.)

Dialog lebt davon, dass ich alle einlade, auch die einlade, die das Gegenteil von dem vertreten, was uns wichtig sein kann. Und unterstellen Sie niemandem, der für dieses Zentrum ist, dass er gegen Menschenrechte ist! (Abg. Mag. Korun: Das unterstellen Sie mir jetzt!) Es schwingt bei Ihnen mit, dass das kein Beitrag wäre, Menschenrechten verstärkt zum Durchbruch zu verhelfen. Es schwingt bei Ihnen mit, als würden wir Missstände, die es in Saudi-Arabien gibt, dadurch legitimieren. Das stimmt nicht! Das ist schlichtweg falsch, wenn Sie das so gleichsetzen.

Wenn die Spannungen und Konflikte weltweit zunehmen, dann sind wir umso mehr aufgerufen, Österreich als einen Ort anzubieten, wo dieser Dialog stattfinden kann. (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Korun.) – Was meinen Sie? Ich sage es Ihnen noch einmal: Ich möchte, wenn ich einen Dialog führe, niemanden ausschließen. Selbstverständlich werden auch die Gemäßigten dabei sein. Aber was hilft mir ein Dialog, den ich nur mit den Gemäßigten führe, wo ich andere wieder von vornherein ausschließe? Diesen An­satz halte ich für falsch, sage ich Ihnen.

Daher, meine ich, wären Sie auch gut beraten, würden Sie diese Initiative nicht von vornherein verteufeln, sondern dieser Initiative, die erst am Beginn steht, auch eine ent­sprechende Chance geben.

Den Schritt, den Außenminister Spindelegger gesetzt hat, halte ich für richtig. Denn Österreich soll nicht nur eine große Vergangenheit haben, was den Dialog betrifft, son­dern Österreich soll sich auch in Zukunft mit seiner Bundeshauptstadt Wien, wo die UNO ihren Sitz hat, auch im Bereich der NGOs anbieten. Und darum geht es.

Niemand kann heute schon beurteilen, welche Erfolge dieses Zentrum bringen wird. Aber wenn hier nicht einmal der Start ermöglicht wird, dann kann das nie einen Erfolg bringen. Wenn wir diesen Start entsprechend mit unterstützen, dann ist die Chance, hier zu einem Erfolg zu kommen, gegeben. Und ein Erfolg wäre, auch in Saudi-Arabien die Menschenrechte zu stärken, auch weltweit alles zu tun, dass jeder seine Religion frei nach seinem Gewissen ausüben kann. Darum geht es!

Und ich bitte Sie, schauen Sie sich noch einmal die Gründungsdokumente an! Sie wer­den nichts vorfinden, was dem entgegensteht. Im Vordergrund steht nämlich, etwas zu tun für Völkerverständigung, etwas zu tun, dass die Religionen zueinander finden. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Hüb­ner. – Bitte.

 


15.30.52

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Herr Kollege Lopatka, das ist schon weitgehend rich­tig, was Sie da ausführen zur Frage, wie dieses Zentrum organisiert sein wird und dass es ausgeschlossen ist, dass es als wahhabitsche Propagandabühne missbraucht wird, da gebe ich Ihnen durchaus recht. Aber ich glaube, das ist ja in diesem Fall nicht die zentrale Frage, sondern entscheidend ist, wie diese Frage beantwortet worden ist. Und da, muss ich sagen, würde ich mich, wäre ich Kollegin Korun, als Fragestellerin auch leicht verschaukelt fühlen. Das ist auch nicht viel besser geworden durch die Stellung­nahme von Herrn Staatssekretär Waldner.

Er hat zwar schöne Worthülsen und Textbausteine aus dem Außenministerium hier vorgetragen, aber die Fragen, die hier gestellt worden sind, sind nicht beantwortet. Ich


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gebe schon zu, diese Fragen sind vielleicht lästig, das sind natürlich polemische No-na-Fragen. Als Außenminister würde ich mich auch nicht darüber freuen, wenn ich sol­che Fragen wie ob der Außenminister weiß, dass in Saudi-Arabien keine Religions­freiheit herrscht beziehungsweise auf den „Abfall vom Islam“ die Todesstrafe droht, be­antworten müsste. – No na.

Natürlich enthält das – und das ist Sache der Grünen – auch polemische Unwahrheiten Die Kollegin hat noch einmal wiederholt, dass in Saudi-Arabien Juden und Jüdinnen nicht einreisen dürfen. Das ist eine glatte Erfindung! Nach Saudi-Arabien ist teilweise Leuten mit israelischen Stempeln im Pass die Einreise verweigert worden. Da sind bei der Einreise Leute, die im Pass als Geburtsort Israel eingetragen hatten, schikaniert worden, das stimmt. Aber nach der Religion werden alle gefragt, weil ja die heiligen Städte Mekka und Medina für Nichtmuslime gesperrt sind. Aber dass da Juden und Jüdinnen nicht einreisen dürfen, das glaube ich nicht. Es gibt Hunderte jüdische ame­rikanische Experten, die dort arbeiten, von den Flugzeugfirmen angefangen bis zu Mili­tärkontraktoren, das weiß jeder.

Ich muss sagen, da hätte ich mir erwartet, dass der Herr Staatssekretär zumindest heute in seiner ergänzenden Antwort ein bisschen darauf eingeht. Ich hätte mir auch erwartet, dass das Außenministerium solche Unrichtigkeiten klarstellt, dass man zu­mindest zu dem Punkt sagt, ja das stimmt ja überhaupt nicht, was Sie sagen, das ist ei­ne wahrheitswidrige Polemik.

Richtig ist natürlich, dass Saudi-Arabien, wenn man es bewertet, wahrscheinlich das schlimmste Land der Region ist, was die Menschenrechte, die Freizügigkeit und die Art der Regierungsform betrifft. Es ist weit schlimmer organisiert und weit repressiver als der Iran zum Beispiel. Dies geht so weit, dass das Land als Privateigentum der Familie Al-Saud weitergeführt wird, also in einer Weise, wie wir sie seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in Europa nicht mehr kennen.

Es gibt also die Nachfahren des Staatsgründers, das sind derzeit ungefähr 42 000 Prin­zen, die das Land als Privateigentum betrachten. Es gibt keine Unterscheidung zwi­schen dem Staatsbudget und dem privaten Budget der königlichen Familie, und, und, und, also Dinge, die unglaublich sind. Aber – das kennen wir ja aus anderen Staaten – das ist ein sogenannter gemäßigter prowestlicher Staat, das heißt, er folgt den ameri­kanischen politischen Vorgaben, gestattet die Militärkooperation wie verlangt und ist daher nicht in der Achse des Bösen, wird daher üblicherweise nicht kritisiert, von Sank­tionen und so weiter gar keine Rede. Aber das ist eben der Doppelstandard. Das ha­ben wir auch in Ägypten, in Tunesien oder im Jemen gesehen, wo die braven Prowest­lichen lange Zeit gehalten wurden. Erst wenn man sieht, der schafft es nicht mehr, dann gibt es schnell einen Wandel und dann ist das ein Böser, dann wird er zum Rück­tritt aufgefordert und dann gibt es gleich eine Solidarisierung mit der Bevölkerung.

Aber solange das nicht geschieht, wird von der westlichen Wertegemeinschaft natürlich ein saudi-arabisches System als ein Garant der Stabilität geschützt. Das ist die politi­sche Realität, auch wenn sie eben doppelbödig und doppelmoralisch sein mag, und das wissen wir.

Womit Kollege Lopatka natürlich recht hat – das habe ich ohnehin schon gesagt –, ist, dass dieses Zentrum wohl nicht als Propagandadrehscheibe oder als Propagandazen­trum verwendet oder missbraucht werden kann, das ist ausgeschlossen. Die Struktur ist mehrfach genannt worden. Daher sehe ich auch nicht ein, warum es da so eine Auf­regung gibt. Das wird wenigstens von ausländischen Geldgebern bezahlt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.) Die sonstigen religiösen Dialog- und anderen Foren bringen auch nichts. Es gibt ja Dutzende solcher Foren. Die anderen haben den Nachteil, dass wir sie zahlen oder zumindest mitzahlen über Beiträge zu internationalen Organisatio-


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nen. Und das ist wenigstens gratis. Also warum die Aufregung? – Danke. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

15.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Öllinger gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


15.35.33

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Es wird Sie überraschen, Herr Kollege Hübner, aber in weiten Teilen Ihrer Ausführungen kann ich Ihnen durchaus zustimmen. Die Fra­gen wurden nicht beantwortet, und es waren Fragen gestellt. Deshalb gab es auch ei­ne Anfragebesprechung, weil diese Fragen nicht beantwortet wurden.

Es wird Sie vielleicht alle überraschen, aber ich bin nicht grundsätzlich so wie meine Kollegin Korun gegen dieses Dialogzentrum. Ich schließe mich allerdings ihrer Mei­nung an, und das ist entscheidend, dass man ein solches Dialogzentrum von österrei­chischer Seite nur führen kann, wenn eine entsprechende Haltung vorhanden ist.

Sie selbst, Herr Kollege Hübner, haben darauf hingewiesen, es gibt allgemein Doppel­bödigkeit. Das ist keine gute Voraussetzung von unserer Seite, den Dialog zu begin­nen, wenn wir uns in entscheidenden Fragen, in Fragen der Meinungsfreiheit, der bür­gerlichen Rechte, und, und, und verschweigen, nichts dazu sagen, weil es ohnehin gratis ist. Ich weiß schon, Sie haben nur das Gratis gemeint und nicht das Verschwei­gen der Menschenrechte, aber darauf läuft es hinaus. Das haben nicht Sie gesagt, son­dern das hat indirekt der Herr Staatssekretär gesagt.

Soll das Zentrum irgendwo anders stehen: in Paris, in Genf oder sonst wo? – Nein, es soll in Österreich stehen. Ja, okay, aber es soll nur dann in Österreich stehen, wenn Österreich imstande ist, auch klar Position zu beziehen. Und die Voraussetzung für je­den Dialog in dieser Frage ist, dass es diese Position gibt, dass es diese Position zu den Religionsrechten im Iran, im Irak, natürlich auch in Saudi-Arabien gibt und dass man nicht nur fehlende Religionsrechte im Iran oder in einem anderen muslimischen Land ankreidet, sondern selbstverständlich das auch mit dem in Beziehung bringt, der mit einem in Fragen der Religionsrechte den Dialog führen will, aber nicht imstande ist, diese Religionsrechte oder auch die ganz normalen bürgerlichen Rechte zu gewähren.

Und ich wäre durchaus bereit, dem Zentrum auch diesen Vertrauensvorschuss zu ge­ben, aber ich bin nach dem, was ich selbst im Menschenrechtsausschuss erlebt habe, nicht bereit, der österreichischen Politik und dem Außenministerium diesen Vertrauens­vorschuss zu geben, denn wenn man sich verschweigt – und das war ja das Thema; nicht geführt in dieser Debatte, sondern zu einem Antrag, der dann später diskutiert wird –, wenn in Saudi-Arabien die Todesstrafe vollzogen wird, wenn in Saudi-Arabien die Todesstrafe auch für Nichtmuslime ausgesprochen wird, wenn man sich dabei ver­schweigt, dann hat man jede Voraussetzung für einen Dialog verspielt. Und wenn man da klein beigibt und glaubt, es reicht als Dialogvoraussetzung, nichts zu sagen, dann ist das der schlechteste Start, der geradezu denkunmöglich ist, für das, was eigentlich das Anliegen sein sollte, das uns eint. Insofern: vollkommen d’accord. (Beifall bei den Grünen.)

Und das ist der Punkt, Herr Staatssekretär, da kann man nicht mit, da geht es nicht um die Nichtbeantwortung von konkreten Fragen – egal, wie richtig oder falsch sie sind oder was darin insinuiert wird –, sondern da geht es darum, dass von Österreich eine klare Haltung gefordert wird.

Wenn Herr Staatssekretär Waldner in seiner Rede heute eigentlich die Floskeln wie­derholt hat, die in der Anfragebeantwortung enthalten sind beziehungsweise die er auch schon im Menschenrechtsausschuss von sich gegeben hat, dann kann man nur mut-


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maßen: Österreich ist nicht imstande und willens, diesen Dialog so zu führen, in Aner­kennung selbst des Umstandes, dass wir es hier mit einem Regime oder mit einer Glaubensrichtung, dem Wahhabismus, zu tun haben, der bisher sehr intolerant war – aber sie werden sich anhören müssen, was wir dazu zu sagen haben.

Und wenn die Wahhabiten oder der Wahhabismus, vertreten durch das saudische Re­gime, sagt: Ich will mir das nicht anhören, sondern ich kaufe mir meine Möglichkeit, das zu vertreten, für die 24 oder 30 Millionen, mit denen wir das Gebäude erworben haben, und damit seid ihr ruhig!, dann, meine Damen und Herren, ist das das Ende des Dia­logs. Dann kann man sagen, gut, irgendein privater Immobilienhändler hat ein gutes Geschäft gemacht mit dem Verkauf der Immobilie, und ein paar Leute werden wohl leben. Aber, ehrlich gesagt, mit dem interreligiösen und interkulturellen Dialog, der nur mit Offenheit geführt werden kann, hat das absolut nichts zu tun! (Beifall bei den Grü­nen.)

15.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Scheib­ner zu Wort. – Bitte.

 


15.40.57

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Meine Damen und Herren! Da kommen jetzt schon ein paar Widersprüche zutage. Auf der einen Seite fordern wir – zu Recht – den Dialog, und der Dialog muss natürlich mit allen geführt werden, und gerade mit jenen, mit denen man besondere Probleme hat. Wozu sonst einen Dialog führen? Ich weiß schon, dass es gewisse Gruppen gibt, für die Dialog eine Aussprache unter Gleichge­sinnten ist, aber das bringt uns nichts in dieser Frage. Es ist notwendig, sehr aktiv, sehr dynamisch und sehr kritisch überall dort einen ernsthaften Dialog zu führen, wo Men­schenrechte gefährdet sind, wo Religionsfreiheit gefährdet ist, und vor allem auch – und das sage ich hier jetzt auch als Mitteleuropäer – wo das Christentum unterdrückt wird. Ich sage: auch wo das Christentum unterdrückt wird. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Öllinger: Dort gibt es das gar nicht!)

In vielen dieser islamischen Staaten wird das Christentum unterdrückt und werden auch andere Religionsgemeinschaften unterdrückt. Da möchte ich, dass mit einem Maß gemessen wird! Und wenn ich mir heute diese Euphorie ansehe in den Ländern des arabischen Frühlings: Dort sind es letztlich auch christliche Minderheiten, die die Zeche für diese Revolution zu zahlen haben, dort gibt es einen Massenexodus, und niemand erhebt dagegen sein Wort (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ), niemand hält dagegen und sagt: Das ist nicht die Demokratisierung, das ist nicht die Wende von der Diktatur zu Demokratie und Menschenrechten, die wir uns darunter vorgestellt haben!

Ich halte auch nichts davon, dass man auf der einen Seite – und da haben Sie recht – den Iran verteufelt – das ist die Achse des Bösen – und auf der anderen Seite in Saudi-Arabien wegschaut, weil das die Freunde – in Klammer: der USA – sind. Das kann auch nicht eine Bewertungsgrundlage für Menschenrechte sein.

Da haben auch wir eine Möglichkeit und eine Aufgabe. Und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum wir beim Tagesordnungspunkt 10, wo es um eine Stellungnahme zu ei­nem Anti-Terrorgesetz in Saudi-Arabien geht, eine sehr windelweiche Regierungsstel­lungnahme bekommen, wo es heißt, Saudi-Arabien wird aufgefordert, die Abschaffung der Todesstrafe „anzudenken“. Was heißt „andenken“? – Für uns ist die Todesstrafe unzulässig! Da brauchen wir nichts anzudenken, sondern das ist überall abzuschaf­fen – das ist eine Forderung! (Beifall beim BZÖ.) Wir werden es nicht durchsetzen können, aber wenn man nicht einmal die Forderung aufstellt, was will man denn dann tun?


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Frau Kollegin Korun, es gibt viele, viele unterschiedlich geprägte islamische Staaten, und in vielen gibt es weitgehende Rechte auch für andere Religionsgemeinschaften – in anderen ist das weniger der Fall. Frau Kollegin Korun, mir gefällt in der Türkei auch diese Ausprägung nicht, wo man Islam mit Nationalismus und mittlerweile einem otto­manischen Großmachtstreben verbindet, wo es auch nicht möglich ist, dort neue christ­liche Kirchen zu gründen. Da erwarte ich mir auch von Ihnen, dass Sie das Wort erhe­ben, wenn man sagt, es gibt Grundsätze, die nicht zu relativieren sind, sondern die für alle gelten.

Deshalb ist auch die Situation in Saudi-Arabien zu kritisieren, überhaupt keine Frage, und zwar auf das Schärfste. Aber das kann uns doch nicht davon abhalten, dass wir den Dialog führen, gerade auch mit Vertretern Saudi-Arabiens. Das ist doch notwendig und richtig und wichtig. Und wenn es hier einen Dialog gibt, an dem sich auch Saudi-Arabien beteiligt: Na hurra! Genau das brauchen wir, dass endlich alle an einem Tisch sitzen – Vertreter der moslemischen Gemeinschaft, auch von Saudi-Arabien, der Chris­ten, der Juden, der Buddhisten und auch anderer –, gemeinsame Veranstaltungen ma­chen und den Dialog führen. Warum soll man da dagegen sein?

Ich sage Ihnen: Wenn die Saudis das finanzieren, mit 20 Millionen € oder 30 Millio­nen €, dann ist mir das lieber, als wenn sie in verschiedenen Ländern Moscheen finan­zieren und ihre Hassprediger dorthin entsenden. (Beifall beim BZÖ.)

Das ist eine sinnvolle Investition, da sind wir nicht dagegen. Man muss aufpassen, kei­ne Frage, dass das nicht missbraucht wird, aber das ist eine Chance für eine wirklich neue Form der Diskussion.

Wenn man den Dialog will und wenn man auch den Menschen in diesen Ländern hel­fen will, dann muss man dort auch aktiv sein. Und ich habe Ihnen gestern über eine Delegation im Sudan berichtet, wo wir an einer Konferenz teilgenommen haben, wo auch viele Islamisten, sehr radikale, dabei gewesen sind. Ich sage Ihnen: Eine Initiative von der Frau Abgeordneten Muttonen, die sich dort mit Frauengruppen zusammenge­setzt hat, hat mehr gebracht für diese Frauen als hundert solche Anfragediskussionen hier im geheizten Hohen Haus. Das sage ich Ihnen auch.

Aktive Politik für die Menschenrechte ist etwas anderes als hier vordergründige Dis­kussionen und Anfragebesprechungen abzuhalten. (Beifall beim BZÖ.)

In diesem Sinne unterstütze ich voll diese Initiative. Wir müssen diesen Dialog führen, denn durch Isolation wird man überhaupt nichts bewirken – ganz im Gegenteil. Gerade in diesen Ländern – Stichwort auch Iran – gibt es eine gewisse Art, an solche Dinge heranzugehen, auch einen gewissen Stolz, einen Nationalstolz, und durch Isolation und Sanktionen treiben Sie gemäßigte Leute den Radikalen in die Arme, weil die ganz einfach sagen: So lassen wir mit uns nicht umgehen!

Das ist der falsche Weg. – Dialog wäre der richtige. (Beifall beim BZÖ.)

15.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

15.47.10Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 9393/AB

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nunmehr zur kurzen Debatte
über die Anfragebeantwortung der Frau Bundesministerin für Justiz mit der Ordnungs­zahl 9393/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, eine Verlesung erübrigt sich daher.

Wir gehen in die Debatte ein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 128

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung nie­mand länger als 5 Minuten sprechen darf. Dem Erstredner kommt eine Redezeit von 10 Minuten zu. Die Frau Bundesministerin sollte ihr Statement nicht länger als 10 Minu­ten halten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Grosz als Antragsteller. – Bitte.

 


15.47.50

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Heute müssen wir einmal mehr darüber diskutieren und als Legislativ- und Kontroll­organ der Republik auch den Beweis antreten, wie die Österreichische Volkspartei die Justiz de facto für ihre parteipolitischen Zwecke missbraucht.

Die Anfragebeantwortung über diese leidige Affäre einer Anzeige der Justiz selbst, weil ich aus einem Unterausschuss ÖBB der Justiz Unterlagen zur Verfügung gestellt habe und nicht die Täter des ÖBB-Skandals im Mittelpunkt von Ermittlungen standen, son­dern jener, der der Justiz etwas überträgt, ist nicht der einzige Fall dieser grotesken Aktion des Justizministeriums.

Uns liegt eine Anfragebeantwortung der Justizministerin vor, wo sie wortreich erklärt, dass das ohnedies alles nur ein Versehen war. Ein Abgeordneter des BZÖ, sinniger­weise ein Abgeordneter aus dem Kreise der Oppositionsparteien, nimmt Unterlagen aus dem Unterausschuss auch im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht, weil es sich um ein Offizialdelikt handelt, und stellt diese Unterlagen der Justiz zur Verfügung. – Und aus Dankbarkeit bekommt er von der Justiz eine Anzeige wegen Geheimnisverrat!

Dann wird die Justiz mit Anfragen eingedeckt und kommt drauf, dass sie erstens die Auslieferung nicht begehrt hat, und zweitens, dass das, was mir vorgeworfen worden ist, nicht einmal ein Straftatbestand ist. Aber der Versuch des politischen Kabinetts, an­hand einer OTS-Aussendung, wonach man Unterlagen an die Justiz übermittelt hat, ein­mal mehr einen Oppositionsabgeordneten zu kriminalisieren, ist aktenkundig.

Zum zweiten Teil dieser Anfragebeantwortung: Da wird erklärt, dass es letztlich zu ver­meidbaren Missverständnissen gekommen ist, die dem betroffenen Abgeordneten auch offengelegt worden sind. – Ja, wie sind sie dem betroffenen Abgeordneten offengelegt worden? Da wird dann Sektionschef Pilnacek dazu missbraucht, dass er am 6. Oktober vorigen Jahres ein Schreiben verfasst und mir zu übermitteln versucht, in dem sich die Justiz auf zwei Seiten wortreich entschuldigt: Das war alles nur ein Missverständnis, wir können nichts dafür.

Blöderweise wird das Schreiben erst am 12. Oktober – nur so nebenbei: der interne Ministeriumsweg vom Büro des Herrn Pilnacek zur Poststelle dauert sieben Tage! – abgefertigt und mir an eine falsche Adresse in der Dorotheergasse zugeschickt.

Am 19. Oktober 2011 kommt es dann zu einer Debatte hier im Hohen Haus. Und als wir hier im Plenum dann diese Debatte führen wollen, kommt Abgeordneter Singer hier heraus und zitiert aus einem Schreiben, das ich zum damaligen Zeitpunkt nicht einmal kannte, hält das Schreiben in die Kamera, sagt: Herr Grosz, das müssen Sie ja schon wissen! Warum diese Debatte hier? Die Frau Ministerin hat sich ja ohnehin schon bei Ihnen entschuldigt!

Dann lassen wir den Brief bei der Poststelle ausheben und hier unter Zeugen öffnen und treten einmal mehr den Beweis an, dass die Justiz und damit Sie selbst, Frau Mi­nisterin, Schreiben an Beschuldigte – und als „Beschuldigter“ wurde ich auch geführt – in Kopie zuerst dem ÖVP-Klub zur Verfügung stellen und dann erst dem Beschuldigten zukommen lassen. – Erster Fall. (Ruf beim BZÖ: Ein Skandal!)

Dann erleben wir am Montag, den 16. Jänner 2012, den zweiten Fall dieser Aktenüber­mittlung im Justizministerium. Der Landesrat der Österreichischen Volkspartei in Kärn-


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ten tritt zurück mit der Begründung, es wird Anklage gegen ihn erhoben. Also er tritt aus seiner Funktion zurück, weil er bestimmt weiß, dass Anklage gegen ihn erhoben wird.

Dann gibt es am 16. Jänner 2012 um 14.06 Uhr eine APA-Meldung: „Bei der Staatsan­waltschaft Klagenfurt wusste man am Montag noch nichts von einer Entscheidung über eine Anklageerhebung gegen Martinz.“ – Die Staatsanwaltschaft hat es nicht gewusst, der Beklagte sehr wohl.

„,Der Vorhabensbericht liegt beim Justizministerium, wir haben noch keine Informatio­nen darüber, was damit geschieht‘, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Klagenfurt“. „Martinz selbst wollte auch nach mehrmaliger Anfrage nicht sagen, woher er sein Wis­sen über die Entscheidung zur Anklage bezogen hat. ,Sie müssen mir schon zugeste­hen, dass ich Informationsquellen habe ‘, sagte der ÖVP-Obmann.“

Das heißt, der Kärntner ÖVP-Obmann und ÖVP-Landesrat kennt den Vorhabensbe­richt der Staatsanwaltschaft Klagenfurt und kennt bereits die Entscheidung des Justiz­ministeriums, die nicht einmal der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zur Verfügung gestan­den ist. – Das ist der zweite Beweis, den wir heute hier antreten, wo wir Sie überfüh­ren, dass Sie die Justiz zu Ihrer eigenen verlängerten Werkbank der Lichtenfelsgasse missbrauchen. Dieser Zustand, sehr geehrte Damen und Herren, gehört abgestellt! (Bei­fall beim BZÖ.)

Wir haben einen Unterausschuss zur Reform der Justiz eingesetzt, in dem wir jetzt dis­kutieren werden. Es kann nicht sein, dass Beschuldigtenrechte gebrochen werden! Es kann nicht sein, dass interne Unterlagen je nach parteipolitischem Gutdünken ÖVP-Funktionären zur Verfügung gestellt werden oder nicht! – Frau Justizministerin, ich kann Ihnen schon sagen, wie das gelaufen ist. Am Montag haben Sie in der Früh Herrn Vizekanzler Spindelegger informiert und haben gesagt: Du, ich habe da auf meinem Schreibtisch einen Vorhabensbericht von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, die wollen unseren Martinz anklagen. Da müssen wir etwas tun.

Und Spindelegger, nicht als Vizekanzler, sondern als ÖVP-Parteiobmann – und Mar­tinz bestätigt ja auch das Telefonat mit Spindelegger –, hat gesagt: Du, Martinz Pep­perl, Klagenfurt, die Justiz will dich anklagen. Du musst heute noch zurücktreten! – Und er tritt zurück, weil er durch einen Amtsmissbrauch – durch einen nachgewiesenen Amtsmissbrauch! – diese Informationen bekommen hat, die eigentlich streng vertrau­lich sind. Wenn wir in Zukunft Vorhabensberichte der Justiz am Basar Ihrer parteipoliti­schen Werkbank verkaufen können, dann sage ich: Gute Nacht, Österreich! (Beifall beim BZÖ.)

Und es ist nicht der erste Fall und nicht der zweite Fall, sondern bereits der x-te Fall, dass Sie die Justiz missbrauchen. Immer dann, wenn es gegen Ihre eigenen Leute geht, wird das Recht gebeugt, wird das Recht gebrochen. Da werden Briefe aus dem Justizministerium verschickt, da werden Journalisten bedient. Und wenn es um die ÖVP geht, da wird alles unterdrückt. Da werden meterweise Aktenkonvolute betreffend Herrn Strasser vergessen und über Jahre wird nicht Anklage erhoben, denn das ist Ihr eigener ÖVP-Abgeordneter. Da wird es die Frau Minister schon richten. Den Herrn Strasser dürfen wir nicht ausliefern! Da vergisst dann eben ein parteipolitisch gesteuer­ter Staatsanwalt, wenn es einen ÖVP-Mandatar trifft. Der wird mit Samthandschuhen angefasst. Dann vergisst die Justiz das – und dann wird eingestellt.

Wenn es aber darum geht, illegale Abhörmaßnahmen gegen einen Oppositionsabge­ordneten zu treffen, dann heißt es von der Regierungspartei: Entschuldigen Sie, das war ein Missverständnis. Also wenn wir das Telefon des Herrn Westenthaler abhören, dann ist das ein Missverständnis. Wenn wir den Grosz anzeigen, weil er der Justiz selbst etwas gegeben hat, dann ist es ein Missverständnis. Aber wenn wir eigene Leu­te schützen, wie Herrn Strasser oder Herrn Martinz, dann war es ein Versehen.


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Wenn diese Justiz gegen Herrn Abgeordneten Pilz vorgeht und seinen Laptop be­schlagnahmen will, dann gibt es hier eine Justizministerin, die sich wortreich erklärt und sagt: Das war alles ein Versehen, das tut uns alles leid. – Frau Justizministerin, wenn das alles ein Versehen ist, dann treten Sie zurück, denn Sie haben versehent­lich dieses Amt angetreten! Das sage ich Ihnen auch einmal in dieser Klarheit. (Beifall beim BZÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie können sich nicht aus dieser Affäre retten, denn allein bei dieser illegalen Briefübermittlung an den ÖVP-Klub hat der Briefschreiber Pilnacek gegenüber der Austria Presse Agentur ja selbst gesagt: Dieser Brief wurde nicht von mir weitergegeben. Also kann er nur von Ihrem Kabinett gekommen sein oder von Ihnen selber. Gegen diesen Amtsmissbrauch werden wir vorgehen und haben auch Anzeige eingebracht. Dann werden wir schauen, wie Ihr eigener unterdrückter Justizapparat mit diesem Bruch des Briefgeheimnisses, mit diesem Amtsmissbrauch in Zukunft umgehen wird!

Frau Ministerin, Ihr eigener Justizapparat ist aufgefordert, gegen Sie zu ermitteln, weil Sie nicht als Justizministerin agieren, sondern als Parteisekretärin, und das ist für ei­nen Rechtsstaat, das ist für unser Justizsystem absolut schädlich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass auch das für Sie von Interesse sein sollte. Wir diskutieren so oft über die Sinnhaftigkeit, über die Stärkung des Rechtsstaa­tes. Diese Republik wird seit Monaten von Skandalen überflutet, die im Übrigen einige Parteien in diesem Hohen Haus betreffen. Wir diskutieren über einen Vertrauensverlust innerhalb der Bevölkerung gegenüber den Instanzen unseres Staates, gegenüber Exe­kutive und Legislative, und da kann es nicht sein, dass in dieser krisenhaften Zeit, wo das Vertrauen der Menschen gegenüber den Säulen des Staates immer brüchiger wird, die Justiz latent dabei ertappt wird, dass sie parteipolitisch vorgeht, statt für Recht und Ordnung in diesem Staat zu sorgen.

Frau Justizministerin, ich ersuche Sie daher heute anhand dieser Anfragebeantwortung und auch Ihres Nebensatzes, man habe ja dem Abgeordneten ohnedies alles erklärt, uns jetzt einmal zu erklären, wie Herr Landesrat Martinz zum Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft gekommen ist. Seine Informationsquelle will er nicht nennen, aber vom Herrn Kranz, vom roten Staatsanwalt aus Klagenfurt, hat er es sicher nicht. Das ist einmal auszuschließen.

Und ich möchte auch nach wie vor wissen, wie Herr Abgeordneter Singer – jetzt haben wir Sie zum zweiten Mal erwischt! – dazu gekommen ist, aus Akten des Justizministe­riums zu zitieren, bevor der Beschuldigte diese überhaupt in der Post gehabt hat. Lang­sam erinnert mich Ihre Ressortführung an die der Vorsitzführung der Partei der Christ­demokraten unter Giulio Andreotti in Italien – und die ist wegen des Mafiaparagrafen aufgelöst worden. (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.)

15.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Dr. Karl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.57.50

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In der gegenständlichen Debatte möch­te ich eingangs auf meine Beantwortung der schriftlichen Anfrage vom 20. Dezem-
ber 2011 und meine Stellungnahme anlässlich der 124. Sitzung des Nationalrates am 19. Oktober 2011 verweisen. Ich habe sowohl in dieser schriftlichen als auch in der mündlichen Stellungnahme sehr klar und deutlich Stellung genommen, habe mich sehr klar und deutlich und auch sehr ausführlich zu den vorliegenden Vorfällen geäußert.


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Ich gehe aber natürlich sehr gerne auch noch auf die anscheinend noch offenen Punk­te näher ein.

Lassen Sie mich damit bei der Sitzung des Justizausschusses am 5. Oktober 2011 be­ginnen! In der Sitzung des Justizausschusses am 5. Oktober 2011 hat der Abgeordne­te Mag. Ewald Stadler verlangt, dass aufzuklären sei, wie es dazu kommen könne, dass Herr Abgeordneter Gerald Grosz wegen der Weiterleitung von Protokollen des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses betreffend die Prüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, der ÖBB Holding AG sowie der nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns an die Staatsanwaltschaft Wien strafrechtlich verfolgt würde.

Mit OTS vom 6. Oktober 2011 beklagte sich Herr Abgeordneter Gerald Grosz über – ich zitiere wörtlich – „eine eindeutige Kriegserklärung der Justizministerin an den Rechts­staat und das Parlament. Die Justizministerin und die dafür zuständigen Stellen in ih­rem Ressort haben sich damit eindeutig des Amtsmissbrauches schuldig gemacht. Dem Aufdecker und Anzeiger der ÖBB-Skandale rund um die Spekulationsverluste der rot/schwarzen ÖBB-Vorstände und des MAV-Cargo-Skandals hätte der Prozess ge­macht werden sollen“, so Abgeordneter Grosz.

Ich habe aus diesem Anlass umgehend eine Prüfung dieser Vorwürfe beauftragt. Die Prüfung dieser Vorwürfe hat zum Ergebnis geführt, dass die Staatsanwaltschaft Wien in der Beurteilung des Berichtsauftrags des Bundesministeriums für Justiz einem Miss­verständnis unterlegen ist. Der – entgegen Ihren Ausführungen, Herr Abgeordneter Grosz – von mir nicht missbrauchte Leiter der Strafsektion meines Ressorts hat mich darüber informiert und hat auch vorgeschlagen, im Sinne größtmöglicher Offenheit dem betroffenen Abgeordneten zu erklären, wie es zu diesem Verfahren kommen konnte.

In der Tat wurde die Berichterstattung über die Übermittlung der vertraulichen ÖBB-Ausschussprotokolle zum Anlass genommen, der Staatsanwaltschaft Wien einen Be­richtsauftrag zu erteilen, der grundsätzlich darauf abgezielt hat, den Wissensstand da­rüber zu verbreitern, welche konkreten Schritte in dem bereits anhängigen Verfahren der Staatsanwaltschaft Wien aufgrund der übermittelten Aussagen vor dem Ständigen Unterausschuss in Aussicht genommen werden beziehungsweise ob daraus neue Er­kenntnisse gewonnen werden können.

Konkret wurde daher der Oberstaatsanwaltschaft Wien mit Erlass vom 19. Mai 2011 der Auftrag erteilt, unter Anschluss der erwähnten Pressemitteilung über die Übermitt­lung der Protokolle über die getroffenen Maßnahmen zu berichten. Diese Formulierung hat offensichtlich das Missverständnis verursacht, bloß über die rechtliche Einordnung der Veröffentlichung der Tatsache der Übermittlung von Protokollen und der medialen Begründung unter Hinweis auf divergierende Aussagen von Auskunftspersonen zu be­richten. Tatsächlich wäre ein Ermittlungsverfahren gar nicht einzuleiten gewesen, weil von vornherein feststand, dass § 310 Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht gar nicht erfüllt sein konnte, weil ein Ausschuss gemäß Artikel 52b B-VG ausdrücklich nicht durch die­se Strafbestimmung erfasst ist, was der Oberstaatsanwaltschaft Wien am 14. Septem­ber 2011 auch zur Kenntnis gebracht wurde.

Ich habe es ausdrücklich begrüßt, dass Abgeordneter Gerald Grosz mit persönlichem Schreiben des Leiters der Strafrechtssektion meines Hauses davon informiert wurde, dass seine Eintragung in das Register ebenso wie jene des Ministeriums als anzeigen­de Stelle als überschießend zu beurteilen ist und daher die Oberstaatsanwaltschaft Wien angewiesen wurde, diese Eintragung zu löschen beziehungsweise zu berichtigen.

Im Übrigen bestand auch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wien keine Verdachts­lage gegen den Abgeordneten, die auf eine Beschuldigung im Sinne von § 48 Abs. 1 Z 1 StPO konstitutiv ist, sodass auch keine Verständigung gemäß § 50 StPO notwen-


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dig war. Da auch die Bestimmung des § 194 StPO an die Stellung als Beschuldigter anknüpft, wäre eine Verständigung von der Einstellung des Verfahrens ebenfalls nicht zwingend erforderlich gewesen.

Das erwähnte Schreiben meines Sektionsleiters und der Erlass an die Oberstaatsan­waltschaft Wien wurden schließlich am 12. Oktober 2011 abgefertigt und zur Post ge­geben. Nach den objektiven Abläufen habe ich keinen Anlass, zu vermuten, dass die­ses Schreiben, das ja einen Fehler der Justiz aufzeigt, von Mitarbeitern meines Hauses weitergegeben worden ist. Ich sehe hier überhaupt kein Motiv. Warum sollte ein Mitar­beiter meines Hauses ein Schreiben, in dem ein Fehler der Justiz aufgezeigt wird, wei­tergeben? Das ist ja für das Ansehen der Justiz nicht unbedingt förderlich. (Abg. Grosz: Das hat ja der Herr Singer zitiert! War das förderlich, dass das der Herr Singer zitiert hat? Woher hat es der Herr Singer gehabt?)

Das Motiv ist mir überhaupt nicht klar, und deshalb gehe ich wirklich davon aus, dass kein Mitarbeiter in meinem Haus diesen Brief weitergegeben hat. Auf welche Weise dieses Schreiben zur Kenntnis des Herrn Abgeordneten Singer gekommen ist, entzieht sich meiner Kenntnis (Abg. Grosz: Glauben Sie, ich bin zum Singer gegangen?) und ist derzeit auch Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen.

Ich meine jedoch, dass ohnedies auf die im Justizausschuss und in den Medien erho­benen Vorwürfe hätte reagiert und dass auch hätte dargelegt werden müssen, auf wel­che Weise und mit welchem Ergebnis die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Wege der Fachaufsicht meines Ressorts kontrolliert wird. Das, bitte, ist ja gerade Inhalt und Auftrag des Interpellationsrechts des Nationalrats. Die Aufregung darüber verstehe ich daher nicht. Wir haben kontrolliert, wir haben die entsprechenden Schritte gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft gesetzt, und wir haben dem Betroffenen unser Bedauern über das verursachte Ungemach zum Ausdruck gebracht. Jede andere Vorgangsweise wäre meines Erachtens zu Recht auf Kritik gestoßen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Es geht jetzt nicht um den Brief an mich, sondern es ist Ihr Herr Abgeordneter Singer! Glauben Sie, ich bin der Osterhase und habe es ihm ins Nesterl gelegt?)

Lassen Sie mich zusammenfassen: Gegen den Abgeordneten Gerald Grosz wurde auch nach dem Inhalt der Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wien das Verfahren a li­mine eingestellt, weil eine Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 310 Abs. 2 StGB im Zu­sammenhang mit der Presseaussendung des BZÖ-Parlamentsklubs vom 11. Mai 2011 nicht vorliegt. Die Stellung eines Auslieferungsersuchens und die Verständigung des Abgeordneten von der Einleitung eines Verfahrens konnten daher zu Recht unterbleiben.

Dennoch war die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft Wien überschießend, weil sie den Berichtsauftrag einfach unrichtig interpretiert hat. Die dadurch verursachten Nach­teile, insbesondere die Erfassung im Register, wurden nachträglich beseitigt, und es wurde auch versucht, dem betroffenen Abgeordneten die Umstände, wie es zu diesem Missverständnis kommen konnte, darzulegen. (Abg. Grosz: Kein Problem! Aber wa­rum erzählt mir das der Herr Singer?)

Über den Brief des Leiters der Strafrechtssektion meines Ressorts, in dem im Grunde wirklich schonungslos ein Fehler aufgezeigt wurde (Abg. Grosz: Aber warum sagt mir das der Singer? – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), und auch über die Maßnahmen (Abg. Grosz: Warum zitiert der Martinz aus dem Vorhabensbe­richt der Staatsanwaltschaft?), die gesetzt wurden, um dieses Missverständnis aufzu­klären und wiedergutzumachen (Abg. Grosz: Ist der Herr Singer Ihr Mitarbeiter? – Prä­sidentin Mag. Prammer gibt neuerlich das Glockenzeichen), haben wir berichtet. Uns war es einfach wichtig, Sie darüber aufzuklären, warum es zu diesem Missverständnis gekommen ist.

Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich keine Kenntnis darüber habe, wie der Brief zu Herrn Abgeordnetem Singer gekommen ist. Mir war es wichtig, dass Ihnen gegenüber


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aufgeklärt wird, wie es zu diesem Verfahren kommen konnte, und dass alle Schritte ge­setzt wurden, um eben auch die Folgen entsprechend zu beseitigen. (Abg. Grosz: Und woher hat der Martinz den Vorhabensbericht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bedeutung der Immunität und der Be­stimmungen der Geschäftsordnung des Nationalrats ist den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern meines Ressorts natürlich bewusst, und sie wird ihn Dienstrechtsbesprechun­gen auch immer wieder erörtert. Die Umstände des Einzelfalles wurden auch zum An­lass genommen, um die Berichtsaufträge meines Hauses exakter zu formulieren. Das heißt, wir haben aus diesem Einzelfall die Konsequenzen gezogen, wir haben daraus gelernt, um in Zukunft solche Fehler auch zu vermeiden.

Wir haben hier meines Erachtens wirklich einen ganz wichtigen Schritt in Richtung einer Fehlerkultur getan und nicht einmal den kleinsten Versuch unternommen, einen Fehler zu vertuschen oder einen Fehler schönzureden. Ganz im Gegenteil! Wir haben uns klar zu diesem Fehler bekannt und haben auch die richtigen Konsequenzen da­raus gezogen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus diesem Vorfall nun den Schluss zu ziehen, das Justizressort sei die Quelle für un­zulässige Informationsweitergaben in allen möglichen anderen Fällen, das, bitte, weise ich wirklich auf das Schärfste zurück! In keinem Fall werden Informationen nach außen weitergegeben. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Die Abgeordneten Grosz und Petz­ner: Martinz! – Abg. Grosz: Vorhabensbericht!)

Ich selbst und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ressorts sind in der Be­handlung von Strafsachen dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, das inklu­diert, dass ich mich den Bestimmungen des Staatsanwaltschaftsgesetzes über die Be­handlung von Berichten der Staatsanwaltschaften verpflichtet sehe. Wir prüfen diese streng nach den Gesetzlichkeitserfordernissen und vermeiden bewusst und streng auch nur jeden Anschein einer unzulässigen Beeinflussung. Das gilt für alle Fälle; es müs­sen nämlich alle Fälle gleich behandelt werden. Ob das jetzt der von Ihnen angespro­chene Fall Martinz oder ein anderer Fall ist, wir behandeln alle Fälle gleich, wie das in einem Rechtsstaat auch geboten ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Woher hat er den Vorhabensbericht?)

Gerade in clamorosen Fällen eröffnet jedoch die mediale Berichterstattung natürlich im­mer wieder ein breites Feld für Spekulationen. Wir sind ja heute während der Ausfüh­rungen des Herrn Abgeordneten Grosz wieder einmal Zeugen davon geworden, wie die Gerüchteküche blüht, welche Gerüchte es gibt, welche Spekulationen es gibt. (Abg. Grosz: Alles zitiert!) Diese Gerüchteküche ist, wie gesagt, auch Ihnen zuzuschreiben. Ich würde Sie bitten, bei den Tatsachen zu bleiben und nicht irgendwelche Gerüchte über Vorkommnisse im Ministerium zu verbreiten.

Ich äußere mich nämlich – und das ist wirklich in allen Fällen so – nicht über den Inhalt von Verfahren, die sich noch im Stadium des nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens befinden. So habe ich es bisher gehalten, so werde ich es auch weiterhin halten – und das gilt für alle Fälle, egal, welche Fälle Sie hier im Einzelnen auch noch aufzählen, Herr Abgeordneter Grosz! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Woher hat der Martinz den Vorhabensbericht?)

Herr Abgeordneter Grosz, ich habe erfahren, dass Sie das Amt des Justizsprechers des BZÖ übernommen haben. (Oje-Rufe bei der ÖVP.) Ich möchte Sie darauf hinwei­sen, dass Justizpolitik in Österreich in weiten Teilen Konsenspolitik war und ist, und ich lade Sie daher ein, dass Sie sich wirklich abseits vom Tagespopulismus den grund­sätzlichen Fragen der Justiz widmen und gemeinsam mit mir und auch die Fraktionen hier im Hohen Haus unterstützend dahin gehend tätig sind, Justizpolitik zu gestalten –


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zum Wohle der Justiz und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger in Österreich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.09


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt jeweils 5 Minuten.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haberzettl. – Bitte. (Abg. Grosz – in Richtung von Bundesministerin Dr. Karl –: Aber woher der Herr Martinz den Vorha­bensbericht hat, haben Sie nicht gesagt, der bei Ihnen auf dem Schreibtisch liegt!)

 


16.10.20

Abgeordneter Wilhelm Haberzettl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Kollege Grosz, ein bisschen verwundert bin ich schon, denn Sie haben in Ihren Ausführungen eines vergessen: Sie haben vertrauliche Unterlagen weiterge­geben, und Sie haben das in den letzten Ausschusssitzungen lauthals kundgetan, was ja auch anhand der Protokolle nachzuvollziehen ist. Also die Diskussion um die Ver­traulichkeit sollten wir, glaube ich, hier einmal ordentlich führen, und zwar nicht aus der Perspektive, ob sich juristische Folgen ergeben oder nicht, sondern aus der Perspek­tive, dass wir Menschen dazu gebracht haben, als Auskunftspersonen vertrauensvoll zur Verfügung zu stehen. – Wenn sie dann den Saal verlassen haben, waren ihre Aus­sagen in den Medien zu lesen. (Abg. Grosz: Nein, bei der Justiz! Der Vorwurf war bei der Justiz!) – Sie haben es ja weitergegeben, und Sie haben auch in der Öffentlichkeit kundgetan, warum Sie es weitergeben.

Ein paar kurze Rückblenden in den Ausschuss selbst, Herr Kollege Grosz. – Sie haben krampfhaft versucht, Kick-back-Finanzierungen zu finden, persönliche Bereicherungen zu finden. Sie sind wie ein Rumpelstilzchen herumgelaufen, um einen Verbündeten zu finden, der Sie endlich in Ihren Bemühungen unterstützt. Aber Sie haben keine Verbün­deten gefunden, weshalb Sie dann auch sozusagen publizieren mussten.

Ich überlege jetzt, warum diese Kurzdebatte heute von Ihnen, weil als notwendig er­achtet, gefordert worden ist. – Gestern Abend in der „Zeit im Bild“ hat Ihr Kollege Petz­ner kundgetan, in Bezug auf die 980 000 €, die anscheinend aus dem Telekombereich zum BZÖ geflossen sind, gibt es ja heute gar keine Politiker mehr, die darüber reden können. (Abg. Petzner: Falsch!)

In der heutigen Ausgabe des „Kurier“ ist ein Foto, allerdings ein Jugendfoto, von Ihnen, Herr Grosz, mit „Ziegenbart“ – damals waren Sie, glaube ich, Parteisekretär, wenn mich nicht alles täuscht –, der damaligen Justizministerin – eine Ihrer Amtsvorgänge­rinnen – und von Herrn Westenthaler, und diese Personen waren zu dieser Zeit in poli­tischen Funktionen, Herr Petzner; darauf – ich habe nachgesehen – können Sie Gift nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege, wenn Sie mir jetzt die Gastinger um­hängen, dann lernen Sie Geschichte! Lernen Sie Parteigeschichte!) Das heißt, Herr Westenthaler, in Wirklichkeit können Sie schon über Argumente nachdenken, wie Sie die 980 000 € verteilt haben.

Zweiter Punkt – und das Ganze wird eigentlich eher zur Chuzpe in der Zwischenzeit –: Sie werden Justizsprecher, Herr Grosz! – Das heißt, Sie haben ein Problem. Komi­scherweise fällt mir immer wieder Christian Faul ein, wenn Sie am Rednerpult stehen; warum auch immer. Das heißt in Wirklichkeit, Sie haben ein Problem. Ich habe heute eine Diskussion mit dem Vertreter für das „junge Parlament“ geführt, und zwar über die Charaktereigenschaften von Parlamentariern. Dazu sollten Geduld und Wahrheitsliebe zählen. – Das zeichnet Sie nicht aus!

In diesem Sinne würde ich sagen, treten wir leise. Sie wärmen eine alte Geschichte auf, die es nicht wert ist. Wir sollten unsere Diskussionen anderen Dingen widmen. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

16.13



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 135

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Don­nerbauer zu Wort. – Bitte.

 


16.13.40

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Grosz, als Justiz­sprecher der Volkspartei und als Obmann des Justizausschusses darf ich Sie als neu bestellten Justizsprecher des BZÖ zu einer objektiven und sachlichen Zusammenarbeit im Justizausschuss einladen. Ich würde mich, so wie auch alle anderen, darüber sehr freuen. Ich möchte weder Vorschusslorbeeren noch Misstrauen im Vorhinein verteilen, ich würde einfach dazu aufrufen: Reden wir unaufgeregt über die Justizprobleme, die es gibt, und suchen wir gemeinsam sachliche Lösungen! Dazu darf ich Sie einladen, und darauf freue ich mich. Es wird an Ihnen liegen, das, was Ihnen Herr Kollege Ha­berzettl vorhin unterstellt hat, nicht zu bestätigen, sondern eine objektive und sachli­che Arbeit zu führen.

Daher bleiben wir bei den Fakten, auch in Bezug auf diese Anfragebeantwortung! Bleiben wir einfach bei den Fakten! Fakt ist – wie die Frau Bundesministerin schon ausgeführt hat –, dass hier ein Fehler passiert ist. Das ist unumwunden zugegeben worden. Bei der Staatsanwaltschaft ist ein Ersuchen um Berichterstattung falsch einge­ordnet worden, weshalb Sie als Beschuldigter geführt worden sind, obwohl das eigent­lich nichts in diesem Register zu suchen gehabt hätte. (Abg. Petzner: Das passiert dauernd! Ständig!) Aber es hat weder eine Anzeige gegeben noch Ermittlungen gegen Sie, noch sind Sie in sonst irgendeiner Form damit belastet worden. Sie haben Unterla­gen aus einem Unterausschuss an die Justiz übermittelt – bis hierher habe ich auch keine Einwände –, um eine entsprechende Überprüfung zu erreichen, und das Ersu­chen ist ganz einfach falsch eingeordnet worden.

Das sind die Fakten, und es gibt weder Grund für aufgeregte noch für lautstarke Dis­kussionen, sondern im Gegenteil: Das zeigt wirklich vorbildlich auf, wie Frau Bundes­ministerin Dr. Karl, wie das Ressort damit umgegangen ist – und man hat sich dafür bei Ihnen auch entschuldigt.

Grundsätzlich ist es aber kein Makel, als Beschuldigter geführt zu werden; auch das möchte ich schon sehr offen sagen. Das kann jedem von uns immer wieder passieren, auch wenn wir nichts am Kerbholz haben. Dazu gibt es ja auch viele Beispiele hier im Hohen Haus: Es braucht nur einer von Ihnen eine Anzeige zu machen, irgendetwas hineinzuschreiben – und damit ist man Beschuldigter. So einfach ist die Sache. (Abg. Grosz: Das ist ja alles nicht das Hauptproblem! – Abg. Petzner: Das Hauptproblem ist, warum Akten aus dem Justizministerium hinausgehen!) Herr Kollege Grosz, daher gibt es hier wirklich keinen Grund zur Aufregung. (Abg. Grosz: Das Problem ist, warum Ak­ten aus dem Justizministerium an andere gehen!)

Sie, Herr Kollege Grosz, haben diese Anfragebeantwortung hier zum Thema gemacht, und daher möchte ich das ganz klar aufklären. Also kein Grund zur Aufregung! Ja, es ist ein Fehler passiert, der aber keine Konsequenzen hatte. Es gab eine Entschuldi­gung – und ich glaube, daher ist die Sache ausgeräumt.

Sie, Herr Kollege Grosz, haben vorhin den Rücktritt des Kärntner Landesrates Martinz kritisiert. (Abg. Grosz: Nein, den habe ich beklatscht!) – Ich meine, das ist doch kein Anlass für „Skandal!“-Rufe, sondern ein positives Beispiel für politische Verantwortung.

In diesem Zusammenhang gibt es Vorwürfe, auch in der Öffentlichkeit. Es gibt Vorwür­fe, es gibt Anzeigen – und daher auch Ermittlungen, Ermittlungen, die nicht nur Dr. Mar­tinz oder die Frau Bundesministerin für Justiz kennen können, sondern die auch in der Öffentlichkeit in den Medien immer wieder kolportiert worden sind. Herr Landesrat Mar­tinz nimmt politische Verantwortung wahr, indem er sagt, er möchte Ermittlungen, er


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möchte Erhebungen in solchen Verfahren weder im Wege stehen noch behindern, und er möchte auch seine politische Arbeit damit nicht belasten. (Abg. Petzner: Das hat er nicht gesagt!) Dr. Martinz sagt, er legt sein Mandat zurück und möchte abwarten, was letztlich herauskommt. Kommt es zu einer Anklage, kommt es zu einem Verfahren – und was ist das Ergebnis?

Eine solche Vorgangsweise kann man eigentlich nur positiv hervorstreichen und ist doch kein Anlass für Kritik. Im Gegenteil! Ich glaube, es gibt viele andere Beispiele. Der stellvertretende Kärntner Landeshauptmann Uwe Scheuch ist in erster Instanz verur­teilt worden, aber der sieht keinen Anlass für einen Rücktritt. (Abg. Rädler: Das ist eine andere Partei!)

Es gibt auch in Ihren Reihen, Herr Kollege Grosz, rechtskräftig verurteilte Mitglieder des BZÖ-Klubs, die auch überhaupt keinen Anlass für einen Rücktritt sehen.

Von meinem Vorredner wurde ja schon auf einen Bericht im „Kurier“ hingewiesen: Te­lekom, 1 Million ans BZÖ, das steht heute im „Kurier“ – und es ist auch ein Foto dabei: Kollege Grosz und Kollege Westenthaler Seite an Seite mit der damaligen Bundesmi­nisterin Gastinger. (Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Das wäre doch ein Anlass, darüber nachzudenken, ob man nicht abwartet, was dabei herauskommt – und vielleicht sogar sein Mandat zur Verfügung zu stellen. Das wäre politische Verantwortung, Herr Kollege Grosz, aber nicht sich aufzuregen über einen Fehler, der halt passiert ist, der passieren kann, um von verschiedenen Vorwürfen ab­zulenken. Das ist nicht unser Verständnis von Verantwortung. (Abg. Ing. Westentha­ler: Wenn Dummheit wehtun würde, würdest du dich den ganzen Tag krümmen!)

Wir sehen das, was Kollege Martinz in Kärnten macht, als vorbildhaft an, und Sie vom BZÖ könnten zeigen, ob Sie auch so ein Verständnis von politischer Verantwortung haben, dass Sie Vorwürfe, die im Raum stehen, vorbehaltlos aufklären und Aufklärung durch die Justiz ermöglichen.

Das wäre etwas, das man Ihnen ins Stammbuch schreiben könnte, Herr Kollege Grosz. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: So eine Lügerei!)

16.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Ro­senkranz. – Bitte.

 


16.18.39

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Naja, so ganz einfach kann man sich es jetzt nicht machen, wie die beiden Vor­redner das getan haben.

Die Justiz hat seit geraumer Zeit mit einem Vertrauensverlust zu kämpfen – und diese Debatte trägt nicht gerade dazu bei, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

Ich möchte jetzt nur einen kurzen Exkurs machen: gestrige Sitzung des Untersu­chungsausschusses. Die Mitglieder waren informiert, dass Medien – „NEWS“, „Fal­ter“ – über Unterlagen aus dem Justizbereich verfügen, wo es um diese ganzen Geld­flüsse geht, Unterlagen aber, die dem Untersuchungsausschuss nicht zur Verfügung stehen; Aussagen zu Beweisthemen, die wir demnächst abhandeln wollen. Kollege Pilz hat in der Cafeteria zufällig Herrn Sektionschef Pilnacek getroffen, der dem Kollegen Pilz gesagt hat: Ja, das ist richtig, diese Sachen gibt es noch nicht, kriegt ihr aber bald! – Also das ist nicht jener Umgang, den wir uns als Parlament mit der Justiz ein­mal vorstellen! Dass dem Parlament Akten nicht übermittelt werden, sondern lieber Medien, das ist schon eine sehr beredte Sprache. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Kommen wir auf den Punkt! – Herr Kollege Donnerbauer hat gemeint, wenn man als Beschuldigter geführt wird, ist das auch kein Problem, man kann ja am Ende unschul­dig sein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 137

Herr Kollege Donnerbauer, ich glaube – und Sie haben das ja dokumentiert, indem Sie einen Zeitungsartikel gezeigt haben –, dass Sie tatsächlich Medien lesen. In Wirklich­keit ist es so, dass der Status des Beschuldigten in der österreichischen Medienland­schaft dazu missbraucht wird (Zwischenruf des Abg. Grosz), um bereits vorzuverur­teilen. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Ich verweise nur auf den Fall des Präsidenten Graf, der seit Jahren als Beschuldigter geführt wird, obwohl er das als Abgeordneter gar nicht gewusst hat – er wurde nicht einmal in Kenntnis gesetzt davon! –, in der Frage um Seibersdorf. Er ist unschuldig, aber die Justiz tut nichts, weil es offensichtlich besser ist, wenn man jemanden medial immer anpatzen kann: Sie haben ja ein Strafverfahren! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.) Und das passiert interessanterweise immer dann, wenn es sich um Oppositionspolitiker dreht.

Und dann kommt man einmal auf etwas drauf, auf eine Kleinigkeit, denn der Kollege Grosz hat eben Folgendes gemacht: Er hat einen Bericht, wie es an sich jeder Staats­bürger machen müsste, der vom Verdacht einer Straftat Kenntnis hat, an die Justizbe­hörden geschickt.

Und was passiert dann damit? Nach der Auffassung, das ist berichtspflichtig, denn es kommt ja aus dem Parlament, und wenn es um das Parlament geht, muss die Justiz­ministerin sofort informiert werden – dem gilt ja besondere Aufmerksamkeit, eigentlich müsste das Ganze wie rohe Eier behandelt werden –, gibt es dann den Auftrag an die Oberstaatsanwaltschaft: Bitte berichtet mir, was dort passiert!

Und da entsteht ein Missverständnis. Man trägt ein: Anzeige des Justizministeriums gegen Gerald Grosz wegen Amtsmissbrauchs. – In der Sache ohnehin falsch. Bitte, die Rechtsvorlesung für die Oberstaatsanwaltschaft wurde ein paar Monate später vom Justizministerium gemacht, und zwar dahin gehend, dass diese Materien aus dem Un­terausschuss des Parlaments gemäß Artikel 52b Bundes-Verfassungsgesetz ohnehin nie das Tatbild erfüllen können. Also inhaltlich einmal komplett falsch, aber aus dem Bericht wird eine Anzeige – Missverständnis!

Und gelernt hat man daraus, dass in Zukunft die Berichte deutlicher abgefasst werden. Also ich weiß gar nicht: Wie kann man etwas so missverstehen? – Ich nehme an, bei der Oberstaatsanwaltschaft, bei den Staatsanwaltschaften generell sind in diesen Funk­tionen Akademiker tätig. Wir hatten am Vormittag eine Bildungsdebatte über Lesen, Schreiben, die ursprünglichen Begriffe und so weiter. Wenn da steht: Bitte berichtet mir!, dann hat das für mich eine andere sprachliche Qualität als: Mach eine Anzeige! Ich kann mir diesbezüglich auch nicht vorstellen, wie man bisher so missverständlich hat formulieren können, dass so etwas überhaupt passiert.

Daher glaube ich, es ist ganz recht gewesen, dass etwas passiert. Man kommt drauf und dann sagt man, wie die kleinen Kinder im Kindergarten manchmal: Hoppala, Ent­schuldigung, und es ist schon wieder gegessen. – Nein, so kann man es nicht sehen!

Wenn es ein Einzelfall gewesen wäre (Abg. Grosz: Ist es aber nicht!), dann hätte man gesagt: Gut, Fehler passiert, Missverständnis. – Aber seit ich Mitglied in diesem Hohen Haus und Mitglied des Immunitätsausschusses bin, sehe ich es ganz genau: Es ist ein System (Abg. Grosz: So ist es!), wenn es um Oppositionspolitiker geht. Die Sache Martinz ist etwas ganz anderes. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Die Frau Ministerin hat gesagt, der Herr Sektionschef Pilnacek hat gesagt (Zwischenruf des Abg. Rädler): Ich weiß nicht, wer diesen Brief bekommen hat, noch bevor ihn der Herr Grosz gehabt hat. – Die Frau Ministerin hat die Hand ins Feuer gelegt und ge­meint: Aus meinem Kabinett war es niemand!, der Herr Kollege Singer hat ihn aber trotzdem tatsächlich gehabt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Der Kollege Grosz hat ihn dem Herrn Singer in die Hand gegeben? (Abg. Grosz: Ja, wie der Osterhase!) – Jetzt lachen aber die Hühner! (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

16.23



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 138

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser zu Wort. – Bitte.

 


16.23.50

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Bisher habe ich die diskutierte Causa relativ nüchtern gesehen, aber nach Ihrem heuti­gen Auftritt nicht mehr. (Abg. Dr. Strutz: Jetzt nicht mehr!)

Es sind zwei Punkte, zu denen Sie heute in einer absurden Art und Weise Stellung ge­nommen haben.

Der erste Fall ist der Fall Martinz. – Zur Erinnerung: Es geht um einen ÖVP-Landesrat, dessen Steuerberater das Glück hatte, für ein sechsseitiges Gutachten 6 Millionen € zu bekommen. Meine Damen und Herren, jeder von uns wünscht sich so ein Einkommen! (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Dass das die Staatsanwaltschaft interessiert, ist kein Zufall. (Abg. Rädler: Der Van der Bellen hat es gekriegt!)

Jetzt hat er offensichtlich die Notbremse gezogen und tritt zurück. Die Frage ist: Wa­rum gerade zu diesem Zeitpunkt? Die Antwort ist relativ klar – und da hat der Kollege Grosz recht –: Weil ihm offensichtlich bekannt wurde, dass er angeklagt wird.

Sie fragen: Was ist der Nutzen der ÖVP? – Der Nutzen der ÖVP ist, dass er rechtzeitig zurücktritt und nicht als aktiver ÖVP-Landesrat angeklagt wird. (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ.)

Sie sagen: Er hat gar nichts von seiner bevorstehenden Anklage gewusst. – Ich habe schnell gegoogelt, und es gibt reichhaltige Unterlagen dazu. (Abg. Grosz: Ja, das hat er ja ...!)

Es heißt auf ORF-Kärnten: „Der Grund für den Rücktritt ist laut Martinz, dass gegen ihn ... Anklage erhoben wird“.

Ein weiteres Zitat: „Er verstehe auch nicht, warum gegen ihn Anklage erhoben werde“.

Ein weiteres Zitat: „Ich habe ... einen Schauprozess am Hals.“

Und das letzte – und das lässt tief blicken –: „Er ziehe eine frühe Konsequenz noch vor der Anklage, die laut seinen Informationen kommen soll.“

Und jetzt frage ich mich, woher sind die Informationen? (Abg. Grosz: Nicht vom Grosz! Und auch nicht vom Singer!) – Diese Antwort sind Sie uns schuldig geblieben.

Der Klagenfurter Staatsanwalt hat davon nichts gewusst. Offensichtlich gibt es eine undichte Stelle. Wenn Sie es nicht waren, dann erwarte ich mir von Ihnen, dass Sie das zumindest aufklären, Frau Justizministerin. (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ.)

Zweiter Punkt, der Fall Grosz – es ist kein „Fall Grosz“, insofern verzeihen Sie mir das, aber ich nenne es jetzt einmal technisch so –: Unabhängig davon, wie man den Fall in­haltlich sieht, stellt sich die Frage: Wie kommt ein Brief des Justizministeriums in den ÖVP-Klub? Wir alle haben hier gesehen, dass der Abgeordnete Grosz das Schreiben des Sektionschefs im Original in den Plenarsaal hereingetragen hat, hier geöffnet hat und dann aus diesem Brief zitiert hat. (Abg. Kopf: Da habe ich etwas anderes gese­hen! Das hat der Stadler gemacht! Was haben Sie da gesehen? Das hat der Stadler gemacht!) Und damit hat sich herausgestellt, dass dieser Brief und der, den vorher schon der Abgeordnete Singer verlesen hat, offensichtlich identisch waren.

Sie fragen sich jetzt: Was wäre der Nutzen, wenn dieser Brief vorher aus dem Justiz­ministerium an den ÖVP-Klub gehen würde? – Ich kann Ihnen sagen, was der Nutzen war: Genau der, dass nämlich der Abgeordnete Singer herausgeht, Ihre Position vertei­digt und, bevor hier noch irgendein Vorwurf kommt, sagen kann, das Justizministerium


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 139

hat das alles analysiert, hat den Fehler aufgedeckt und (Abg. Grosz: Entschuldigung!) hat sich entschuldig. Das war das Ziel! (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ.)

Nur eines geht nicht: Wenn Sie das so machen wollen, kommen Sie ins Parlament und entschuldigen Sie sich selbst, aber was nicht geht, ist, dass vertrauliche Korrespon­denz – von wem auch immer – offensichtlich in den ÖVP-Klub gespielt wird! Das geht nicht! Sie werden es nicht gewesen sein, aber ich verlange von Ihnen, dass Sie klären, wie dieser Brief in den ÖVP-Parlamentsklub gekommen ist. (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

Der Abgeordnete Singer könnte das aufklären, aber er hat schon wieder das Weite ge­sucht, so wie damals in der Debatte, als er fluchtartig den Saal verlassen hat. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Entschuldigung, er ist da. Damals haben Sie fluchtartig den Saal verlassen; jetzt sitzen Sie gelassen herinnen. Sie sind auch nicht auf der Redner­liste – das ist kein Zufall. Sie könnten erklären, woher Sie den Brief haben. Wieso ver­schweigen Sie sich in der Frage? – Sie könnten das aufklären. Das machen Sie nicht. (Abg. Mag. Donnerbauer: ... Gerichtsakten!) – Das wird wohl einen Grund haben. (Zwi­schenrufe beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, zum Fall selbst: Ich gestehe Ihnen zu, dass die Fachauf­sicht funktioniert hat. Sie haben erkannt, dass der Abgeordnete Grosz zu Unrecht als Beschuldigter geführt wurde, trotzdem macht mich der Umstand, dass der Kollege Grosz als Beschuldigter geführt wurde, hellhörig. Warum? – Weil wir uns wieder einmal in diesen gefährlichen Gemengelagen befinden: Oppositionspolitiker, möglicher Amts­missbrauch, Berichtspflicht.

Offensichtlich – und das glaube ich Ihnen – wollten Sie sich nur objektiv anschauen, was in dem Verfahren läuft. Bei der Staatsanwaltschaft – Sie sind freundlich und sa­gen, das war missverständlich formuliert – kommt so ein Ersuchen (Abg. Ing. Westen­thaler: Sofort beschuldigt!) offensichtlich als Aufforderung, den Kollegen Grosz als Be­schuldigten zu führen, an. Und das halte ich für hochproblematisch, denn das ist ein Problem der Kultur, die möglicherweise bei den Staatsanwaltschaften vorherrscht. (Abg. Ing. Westenthaler: Das entscheidet die ÖVP, wer als Beschuldigter gilt!)

Meine Damen und Herren, in diesem Sinne: Sie haben heute wenig zur Beruhigung beigetragen. Ich erwarte mir aber jedenfalls von Ihnen die Antwort auf folgende Fra­gen: Woher wusste der ehemalige Landesrat Martinz von seiner Anklage?, und: Wie kommt ein Brief des Justizministeriums – so viel ist klar und objektiv – in den ÖVP-Klub? – Danke schön. (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ.)

16.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Petzner zu Wort. – Bitte. (Abg. Rädler – in Richtung des sich zum Rednerpult bege­benden Abg. Petzner –: Sag gleich etwas zu den Geldkoffern! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


16.29.01

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister Karl, wir nehmen also zur Kenntnis, dass es sich bei der Causa Grosz seitens der Justiz um ein Missverständnis handelt, wie Sie das erklärt haben, um einen Teil einer Fehlerkultur. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Wissen Sie, was das Problem dabei ist? – Dass es bei der Justiz auffallend viele Miss­verständnisse gibt in letzter Zeit (Abg. Mag. Donnerbauer – auf eine Seite des „Kurier“ deutend –: Da habt ihr aber etwas anderes zu klären!) und eine auffallend hohe und ausgeprägte Fehlerkultur, und dass diese Missverständnisse zufälligerweise immer


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 140

zum Nachteil und zum Schaden von Oppositionsabgeordneten passieren und dass die­se Missverständnisse eigenartigerweise immer zum Vorteil von Mandataren oder ehe­maligen Mandataren der Österreichischen Volkspartei passieren. – Das sind sehr ei­genartige, parteipolitisch eindeutig zuordenbare Missverständnisse, die hier passieren! Ich darf hier ein paar Beispiele aufzählen.

Das Beispiel Grosz habe ich schon genannt: als Beschuldigter geführt ohne Aufhebung der Immunität – ein Missverständnis.

Dass man den zentimeterdicken Strasser-Akt übersehen hat – ein Missverständnis.

Dass Abgeordnete dieses Hauses illegal überwacht werden – ein Missverständnis. (Abg. Höfinger: ... – ein Missverständnis! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass der Laptop des Herrn Pilz beschlagnahmt werden soll – ein Missverständnis.

Dass Herr Martinz von der Anklage erfahren hat – ein Missverständnis.

Meine Damen und Herren, da geht es um Menschen, da geht es um den österreichi­schen Rechtsstaat und da ist jedes Missverständnis, jeder Fehler ein Missverständnis, ein Fehler zu viel. (Beifall beim BZÖ.)

Und ich ersuche schon auch den Abgeordneten Singer: Erklären Sie sich! Sie verste­cken sich da hinten so. – Vielleicht kann die Kamera einmal hinfahren: Das ist der Herr da in der vorletzten Reihe, der jetzt so grinst. (Abg. Mag. Donnerbauer hält eine Seite des „Kurier“ in die Höhe. – Abg. Rädler: Die zwei Teletubbies!)

Woher haben Sie jetzt diesen Brief und diese Information? Woher haben Sie das? Kom­men Sie heraus! Haben Sie den Mut! Wenn Sie hier den Mut haben, vom Rednerpult des Parlaments aus den Herrn Grosz anzugreifen, dann haben Sie auch den Mut, sich herauszustellen und zu erklären, woher Sie diese Informationen haben! – Es kann nur das Justizministerium, es kann nur das Umfeld des Justizministeriums sein, meine Da­men und Herren.

Das Gleiche gilt für die Causa Martinz. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt sagt: Wir kennen die Anklage noch gar nicht, wir kennen den Vorhabensbericht nicht!, der seit November im Justizministerium liegt – auffallend lange, muss man auch feststellen.

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz erklärt, sie habe auch noch keine Kenntnis von der Anklage. – Und Sie erklären heute, Sie können zu 100 Prozent ausschließen, dass sei­tens des Justizministeriums eine Information weitergegangen ist.

Es war also keiner. Es war niemand. – Jetzt kann ich mir das nur mehr so erklären, dass der Herr Martinz ein so schlechtes Gewissen hat wegen eines 12-Millionen-€-Auf­trags an seinen eigenen Steuerberater, dass er so ein Schuldgefühl hat, dass er sich denkt (Abg. Rädler: Da war aber schon der ... auch dabei!): Naja, das Gewissen drückt, ich trete gleich zurück. – Das ist die einzige Erklärung, die ich habe. Das heißt, der Herr Martinz verurteilt sich selbst, und das steht symptomatisch für die Misswirt­schaft und die korrupte Politik der Österreichischen Volkspartei, meine Damen und Her­ren. Das sei in dieser Klarheit und ganz klar gesagt. (Beifall beim BZÖ.)

Es wird Ihnen auch nicht gelingen – das sage ich zum Schluss – durch eine auffällige Aktenübermittlung seitens des Justizministeriums an den Untersuchungsausschuss, wo nämlich Folgendes passiert: Die Akten, die irgendwelche ehemaligen Parteimitar­beiter oder Mandatare von Oppositionsparteien betreffen, werden immer sofort und er­staunlich schnell übermittelt; die Akten, die andere betreffen, Regierungsbeamte viel­leicht, Parteigänger der ÖVP, brauchen immer erstaunlich lange. (Abg. Grosz: Blau­lichtfunk!) Das ist sehr auffällig und das werden wir uns nicht gefallen lassen!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 141

Wir werden es uns auch nicht gefallen lassen, dass offensichtlich seitens der Justiz oder auch seitens der Reihen der Abgeordneten – das wird noch aufzuklären sein – immer auch Akten, die vertraulich sind, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen, ent­weder seitens der Justiz an die Öffentlichkeit gespielt werden oder seitens der Abge­ordneten dieses Hohen Hauses im Untersuchungsausschuss. Das wird zu diskutieren sein und das lassen wir nicht zu.

Denn wenn hier der Herr Donnerbauer den „Kurier“ groß in die Kamera hält (Abg. Räd­ler: Die zwei Teletubbies!) und auch der Herr Haberzettl, dann ist es schon sehr auf­fällig, wie sehr Sie Folgendes zelebrieren: Sie zelebrieren hier einen Amtsmissbrauch, denn alles, was bisher in der Öffentlichkeit zu lesen steht, ist aufgrund von illegaler Weitergabe von vertraulichen, geheimen Akten passiert. Und mit Ihrer Zelebrierung heißen Sie das gut und verteidigen Sie das noch, meine Damen und Herren! Wir ma­chen bei diesem Spiel sicher nicht mit. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Besonders lustig war ja der Kollege Haberzettl. (Abg. Grosz: Die heißen Klub der Ah­nungslosen!) – Der ist jetzt schon so lange in der Politik, aber trotzdem noch völlig ah­nungslos, denn wissen Sie, Herr Kollege Haberzettel – vielleicht kann man es ihm aus­richten –, wer damals im Jahr 2006 und beim Gastinger-Wahlkampf Generalsekretär war? Wissen Sie das? Das war nicht der Herr Grosz, das war ein gewisser Uwe Scheuch, der heute bei der FPK ist, der in erster Instanz nicht rechtskräftig zu einer Haft­strafe verurteilt wurde. Das war der Generalsekretär des BZÖ. Und die Frau Gastinger übrigens (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen), die war überhaupt parteifrei. (Abg. Grosz: Die ist zur ÖVP gegangen!)

Das werden wir alles auch im Untersuchungsausschuss aufklären, alle Personen vorla­den. Wir sind für volle Aufklärung. Eines kann ich heute schon sagen: An das BZÖ selbst, an die Bundespartei ist kein einziger Cent der Telekom geflossen, und das wer­den wir auch beweisen. (Beifall beim BZÖ.)

16.34

16.34.42 Ordnungsruf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Petzner, es hat hier im Haus nicht nur im Plenum, sondern auch in den letzten Präsidialsitzungen des Öfteren De­batten darüber gegeben, dass unmittelbar strafrechtliche Vorwürfe mit Ordnungsruf ge­ahndet werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo denn?) Sie können Vermutungen anstel­len, aber diese nicht als definitive Sachlagen argumentieren, und Sie haben das in Ih­rer Wortmeldung einige Male getan. Deswegen erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Grosz: Wo denn? – Abg. Ing. Westenthaler: Was hat er denn gesagt?) – Amts­missbrauch und Korruption, zwei Mal.

Also das ist mir alleine schon ... (Ruf: Verdacht!) – Nein, nicht Verdacht, ich habe ge­nau aufgepasst!

*****

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber die anderen dürfen! Bei der Frau Gastinger! Die anderen dür­fen alles unterstellen!)

Herr Abgeordneter Westenthaler, ich habe ganz genau und sorgfältig zugehört. Man kann viele Vorwürfe tätigen, das ist in dieser Debatte auch geschehen. (Abg. Ing. Wes­tenthaler: Sehr einseitig!) Das ist ja auch vollkommen, fast möchte ich sagen: logisch in derartigen Debatten, aber man kann nicht definitive Feststellungen treffen. Das ist unzulässig und wird mit Ordnungsruf geahndet. (Abg. Grosz: Und wenn wir den Wahr­heitsbeweis antreten? – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Ing. Wes­tenthaler und Riepl.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 142

16.36.017. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Kulturbericht 2010 der Bundesministe­rin für Unterricht, Kunst und Kultur (III-255/1447 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1536/A(E) der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anpassung der Basisabgeltung für die Bundesmuseen an reale wirtschaftliche Bedingungen (1448 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Verhandlungen über die Tages­ordnung wieder auf, und wir gelangen zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zum Vorbringen einer Druckfehlerberichtigung zu Punkt 7 erteile ich Frau Berichter­statterin Durchschlag das Wort. – Bitte.

 


16.36.54

Berichterstatterin Claudia Durchschlag: Zum Bericht des Kulturausschusses über den Kulturbericht 2010 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, III‑255/1447 der Beilagen, bringe ich folgende Druckfehlerberichtigung vor.

Die Antragsformel hat folgendermaßen zu lauten:

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Kulturausschuss somit den Antrag, der Na­tionalrat wolle den Kulturbericht 2010 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, III-255 der Beilagen, zur Kenntnis nehmen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Danke.

Weitere Stellungnahmen seitens der Berichterstattung liegen nicht vor.

Daher gehen wir in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Unterreiner zu Wort. – Bitte.

 


16.37.33

Abgeordnete Mag. Heidemarie Unterreiner (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus und auch zu Hause vor den Fernsehschirmen! Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe das hier schon ein paar Mal ge­sagt, aber ich wiederhole es immer wieder ganz gerne: Für uns Freiheitliche ist Kultur­politik nicht nur eine Verzierung, nicht nur ein Ornament, sondern sie ist das Funda­ment, auf dem unsere Gesellschaft aufbaut. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Wertschätzung, dass Österreich ein Kulturland ersten Ranges ist, wird vom Volk mitgetragen, auch von Menschen, die nie ins Theater gehen oder nie in die Oper ge­hen oder nie in ein Museum gehen. Und deshalb sind wir Freiheitliche, gerade was die Versäumnisse in der Kulturpolitik angeht, besonders kritisch.

Allein die Tatsache, dass wir den Kulturbericht 2010 schon vor geraumer Zeit im Kul­turausschuss behandelt haben, nämlich im Oktober, und dass er erst heute ins Plenum kommt, zeigt ja eigentlich schon, dass Kulturpolitik bei der Regierung keinen besonde­ren Stellenwert hat, oder die Tatsache, Frau Ministerin, dass alle Termine für den Kul­turausschuss verschoben wurden – ich weiß wohl, dass Sie nicht direkt dafür verant­wortlich sind, aber trotzdem kann man ja ein bisschen dahinter sein –, der Dezember­termin, der Jännertermin, der Februartermin. Wir wissen noch immer nicht, wann der nächste Kulturausschuss ist. Also man zeigt auch da wieder nicht, dass die Kultur­politik etwas Wichtiges ist – eine Tatsache, die für uns Freiheitliche inakzeptabel und daher anzuprangern ist. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 143

Und so kommt es zu wahrlich grotesken und zu beschämenden Situationen, wie dass eine im Jahr 2008 – bitte, im Jahr 2008! – begonnene Evaluierung der Bundestheater bis heute ein Geheimpapier blieb. Obwohl diese Effizienzanalyse angeblich seit einem Jahr abgeschlossen ist und immer wieder beteuert wird, dass sie im nächsten der im­mer wieder verschobenen Kulturausschüsse diskutiert werden wird, blieb sie bis jetzt nur einigen Eingeweihten zugänglich und wird damit wie eine geheime Verschluss­sache, fast wie eine des Heeresnachrichtenamtes, gehandhabt.

Damit wird der Opposition die wichtige Aufgabe der Kontrolle entzogen, und auch das können wir natürlich nicht gutheißen. Dieses Hinauszögern und Taktieren ist unwürdig und daher auf das Schärfste anzuprangern.

Vier Jahre evaluieren, sehr geehrte Frau Bundesministerin – und Sie wissen, dass ich Ihre Arbeit schätze, aber wir müssen als Opposition auch Kritik einbringen –, und im­mer noch kein Ergebnis – das geht einfach nicht, Frau Bundesministerin!

Auch was die Bundesmuseen angeht, werden wichtige Entscheidungen nicht gefällt und immer wieder verschoben. Wir haben schon vor Jahren erkannt, dass das Projekt Museum Neu – wir haben das hier schon ein paar Mal diskutiert – zum Scheitern verur­teilt ist, und auch immer wieder aufgezeigt, dass es keinen Sinn macht, zwei völlig ver­schiedene Museen zusammenzuzwingen.

Ich möchte nur einmal noch in Erinnerung rufen, dass der Auftrag der Kulturministerin, die Bundeshymne umdichten zu lassen, rund 1 Million € gekostet hat, während das Jahresbudget des Volkskundemuseums – hören Sie zu, denn viele von Ihnen wissen das nicht! – 400 000 € ausmacht. Also das ist wirklich ein karges Auskommen. Und nur zur Erinnerung – ich wiederhole das noch einmal –: Während dem Volkskundemuseum das Dach über dem Kopf zusammenfällt und oft das Geld für Ausstellungsplakate fehlt, durfte sich der im Zeitraum des Kulturberichtes noch in Amt und Würden befindende damalige Direktor des MAK, Peter Noever, noch an 9,5 Millionen € erfreuen.

Er wurde erst durch die Opposition zum Abgang gezwungen, wobei wir Freiheitlichen in all den Jahren seiner Amtszeit seine verfehlte Ausstellungspolitik kritisierten, ange­fangen von der Beweihräucherung des Kinderschänders Otto Mühl bis zur Verherrli­chung des Mörderregimes Nordkoreas, und die Grünen im Vorjahr die Geburtstagsfeier von Noevers Mutter anprangerten. Noever ist nun Geschichte. Mit dem neuen Direktor Christoph Thun-Hohenstein lebt die Hoffnung, dass das MAK wieder seiner Aufgabe gerecht wird, nämlich der Befassung mit der Angewandten Kunst.

Doch nun zurück zum gescheiterten Projekt der Frau Bundesministerin Museum Neu. Das Völkerkundemuseum, das zurzeit nur ein Anhängsel des Kunsthistorischen Mu­seums ist – das, wie Sie alle wissen, thematisch völlig andere Aufgaben hat –, und das bedeutendste und größte Volkskundemuseum Europas, das Volkskundemuseum in Wien, müssen wieder eigenständige Bundesmuseen werden, um ihrer wichtigen Auf­gabe und Bedeutung wieder gerecht werden zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Und jenen, die meine bewahrenden Ansichten nicht gelten lassen wollen, sei die wirt­schaftliche Bedeutung vor Augen geführt. Nur sehr wenige Länder der EU können im Kulturtourismus mit Österreich vergleichbare Zahlen vorweisen. Nach der Baubranche und dem Sozialsektor ist der Tourismus mit 200 000 Beschäftigten schon an dritter Stelle, wobei der Städtetourismus und damit der Kulturtourismus eine wichtige Rolle spielt. Der Kulturtourismus ist damit ein bedeutender Wirtschaftszweig, und dazu gehö­ren natürlich auch die Museen.

Jahr für Jahr wird bei den Bundesmuseen die Basisabgeltung nicht entsprechend dem Kostenanstieg durch die realen wirtschaftlichen Bedingungen erhöht. Wir Freiheitlichen bekennen uns zum Sparen, das ist hinlänglich bekannt, aber bei den Bundesmuseen schrumpft Jahr für Jahr das jeweilige operative Budget für die eigentlichen Aufgaben, nämlich die Vermittlung von Kunst, Kultur, Wissen und Forschung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 144

Daher habe ich mich damals entschlossen, einen Entschließungsantrag einzubringen, den ich an dieser Stelle nochmals verlesen möchte, und zwar geht es um die Anpas­sung der Basisabgeltung für die Bundesmuseen an reale wirtschaftliche Bedingungen.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Unterrichtsministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird dazu aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass im Falle eines Anstiegs der fixen Kosten das operative Budget der Bundesmuseen verringert wird, und daher die jeweilige Basisabgeltung jährlich entsprechend zu erhöhen.

Des Weiteren wird die Bundesregierung dazu aufgefordert, dem Nationalrat eine Re­gierungsvorlage zuzuleiten, die eine Novelle des Bundesmuseengesetzes dahin ge­hend vorsieht, dass die Anpassung der Basisabgeltung an reale wirtschaftliche Bedin­gungen entsprechend dem tatsächlichen Anstieg der fixen Kosten automatisch zu er­folgen hat.“ (Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, unser Bundesschatz, unser kulturelles Erbe muss at­traktiv gezeigt werden können und nicht aus Kostengründen im Keller versteckt wer­den. Die dreiprozentige Steigerung der Gehälter, Miet- und Heizkosten pro Jahr ist ein großes Problem für alle Museen, denn sie schmälert das operative Budget Jahr für Jahr, trotz der enormen Steigerungen bei den Besucherzahlen bei einigen unserer Mu­seen. Also die Tüchtigkeit der Direktorinnen und Direktoren wird dadurch nicht belohnt.

Statt für völlig sinnlose Förderungen Geld hinauszuschmeißen – ich erinnere noch ein­mal an die 1 Million für die Bundeshymne – ist es unsere Pflicht, den Erhalt unserer großen Kulturinstitutionen zu sichern. Das sind die Museen, Kunsthochschulen, Thea­ter, Opernhäuser, der Denkmalschutz, Bibliotheken und die traditionellen Festwochen, denn der Erhalt dieser großen Institutionen kann den Zusammenhalt und die Stabilität in unserer Gesellschaft garantieren.

Und wie immer schließe ich gerne, ceterum censeo: Die Bewahrung unserer Identität ist das Gewissensthema unserer Epoche. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Ich bin mir nicht sicher, ob Kollege Fichtenbauer diese Meinung teilt! – Abg. Dr. Fichten­bauer: Bin jedenfalls gegenteiliger Meinung!)

16.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Ablinger zu Wort. – Bitte.

 


16.45.39

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst, Frau Kollegin Unterreiner, vielleicht noch ein­mal zu Ihrem Vorwurf, es würde uns Kultur kein Anliegen sein, weil es keine Termine gebe. Ich darf darauf hinweisen, dass der Hintergrund für die Verschiebung eine ein­vernehmliche Einigung war, weil es eine Sondersitzung zum EU-Gipfel gegeben hat. Und dass es dann länger dauert, hängt einfach mit dem Usus des Hauses zusammen, dass wir Rücksicht nehmen, wenn jemand nicht kann.

Es hat einmal das BZÖ nicht gekonnt, dann waren es Sie, dann war es die ÖVP, dann waren es wir. Das ist halt einfach so, aber Sie wollen doch nicht von mir verlangen, dass ich einen Termin vorlege und bestimme. Ich finde, das würde dem Usus des Hau­ses widersprechen, ich möchte das auch nicht machen. Das war also eine reine Rück­sichtnahme. – Das zu diesen Fakten.

Insgesamt zum Kulturbericht möchte ich darauf hinweisen, dass im Kulturbudget jeden­falls die Mittel konstant geblieben sind, es sind so wie im Vorjahr 330 Millionen € gewe­sen, 2010. Der Großteil des Budgets – Sie haben es erwähnt – konzentriert sich auf Bundesmuseen und die Bundestheater. Ich freue mich, und darauf möchte ich hinwei-


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sen, dass wir gerade bei den Bundesmuseen eine Steigerung der Besucher von fast 9 Prozent haben, und besonders erfreulich finde ich – und da sieht man, dass dieser freie Eintritt für Unter-19-Jährige sehr wirksam war –, dass 920 000 Jugendliche mehr als im Vorjahr, das sind 24 Prozent, das Museum besucht haben. Daran sieht man, dass das eine wirksame Maßnahme war, und darüber bin ich sehr froh.

Auch in den Bundestheatern gab es eine Steigerung der Besucherzahlen von knapp 2 Prozent. Aber weil ich die Bundestheater jetzt anspreche, möchte ich schon auf et­was eingehen, was wir auch im Kulturausschuss ganz kurz erwähnt haben. Ich habe mir auch im Hinblick auf 100 Jahre Frauentag angesehen, wie viele Frauen denn als Autorinnen und Regisseurinnen auf den Brettern, die uns die Welt bedeuten, vorkom­men. Das Fazit ist jedenfalls bei den Theatern – in Österreich genauso wie im deut­schen Raum, aber jetzt im Zusammenhang mit dem Kulturbericht konzentriere ich mich natürlich auf die österreichischen Bundestheater –, dass die fast ausschließlich von Män­nern bespielt werden.

Autorinnen und Regisseurinnen lässt man selten Erfolge feiern. Es gibt nur eine höhere Anzahl von Autorinnen, Regisseurinnen dort, wo die Bühnen von Frauen geleitet wer­den, und eine Ausnahme ist noch das Schauspielhaus in Wien. Nur als Beispiel – so sehr ich es schätze und regelmäßig besuche – das Burgtheater: Bei den sieben Pre­mieren im Haupthaus gab es in der Saison 2010/11 keine einzige Autorin und keine einzige Regisseurin, auch nicht in der Saison 2011/12. Ich glaube nicht, dass eine hun­dertprozentige Männerquote dem kulturpolitischen Auftrag entspricht, und finde, dass wir darüber in der Öffentlichkeit viel öfter diskutieren müssten.

Zum Antrag der Kollegin Unterreiner, betreffend automatische Erhöhung der Basisab­geltung – ich darf Sie daran erinnern, Sie haben ihn im Ausschuss schon eingebracht –: Wir stehen logischerweise zur öffentlichen Finanzierung und Absicherung der Kunst und Kultur. Das halte ich für ganz wesentlich, weil Kunst und Kultur eben nicht marktkon­form sind und deswegen besonders die Unterstützung der öffentlichen Hand brauchen. Das ist auch nicht etwas, das man geschmäcklerisch beurteilen kann. Aber ich darf
Sie erinnern, dass in der Zeit, als Ihre Partei an der Regierung beteiligt war, von 2000
bis 2007, zum Beispiel bei den Bundesmuseen die Basisabgeltung gleichgeblieben ist.

Seitdem Ministerin Schmied das Amt übernommen hat, wurde die Basisabgeltung ein­mal um 6 Millionen und dann um 8 Millionen erhöht. Ich kann Ähnliches sagen, was die Bundestheater betrifft. Da gab es von 2000 bis 2007 keine Erhöhung und dann 5, 3 und 2 Millionen. Das heißt, wir stehen dazu, wiewohl ich Ihnen recht gebe, dass wir grund­sätzlich gemeinsam darum kämpfen müssen, dass die Kultur und die Kunst in der Krise nicht zum Opfer werden. Wir haben jedenfalls noch viele Pläne für die Zukunft und müssen klarmachen, dass nicht an der Kunst gespart wird, denn dann wird an der Gesellschaft gespart. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Durch­schlag.)

16.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Jury zu Wort. – Bitte.

 


16.50.10

Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Bundesminis­terin! Ich glaube, dass die Kunst und Kultur ganz gut durch die Krise gekommen sind. Ich kann das als Bürgermeister und als oberster Vertreter einer Künstlerstadt sagen. Ich kann diesem Kulturbericht natürlich auch sehr viel Positives abgewinnen. Natürlich bestimmt immer der Standort den Standpunkt, aber ich möchte anfügen, dass auch im letzten Jahr einige sehr positive Aktionen, vor allem für die Kulturvermittlungen und Kul­turinitiativen im ländlichen Raum, passiert sind. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)


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Wenn wir uns die neuen Programme für die Programmkinos und Regionalkinos an­schauen, die neuen Förderungen, so ist das sehr positiv, denn das heißt, dass man die Digitalisierung auch im ländlichen Bereich fortführen kann. Was mich im letzten Jahr sehr gefreut hat, ist der gemeinsame Beschluss aller fünf Parlamentsparteien zum Bibliotheksgesetz, damit wir in Zukunft für Qualitätsstandards und Förderrichtlinien ein­heitliche Standards bekommen. Dafür möchte ich mich recht herzlich bei allen im Aus­schuss beteiligten Personen bedanken.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist, dass auch das Bundesdenkmalamt mit der Präsi­dentin Neubauer in die Kunstvermittlung einsteigt, weil gerade die Jugend die Denk­malschützer von morgen sind, und ich glaube, dass die Sensibilisierung auf diesem Gebiet sehr wichtig ist.

Abschließend möchte ich noch die fünfte Aktion hervorheben, die ich in diesem Kultur­bericht als positiv empfunden habe. Das ist das Projekt „culture connected“, das Schu­len mit Kulturinitiativen verbinden möchte, auch weitergehend mit dieser Programmart. Ich glaube, das ist die Ansage, dass Bildung, Kultur und Kunstvermittlung auch für den ländlichen Raum in Zukunft vonstattengeht.

Abschließend möchte ich noch sagen, dieser Kreativmotor für die regionale Entwick­lung sind eben Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft, sie schaffen einen Mehrwert für die ländlichen Regionen, sind Motor für wirtschaftliche Dynamik, weisen überdurchschnitt­liches Wachstum auf, fördern Kreativität, Innovation und Unternehmergeist sowie Stand­ortattraktivität, Lebensqualität, Wohlbefinden und kulturelle Vielfalt. – Herzlichen Dank, Frau Kulturministerin. Ich möchte Ihnen im Zuge dessen wieder ein tolles Kulturpro­gramm der Künstlerstadt Gmünd übergeben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Ju­ry überreicht Bundesministerin Dr. Schmied das genannte Programmheft.)

16.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Fuhr­mann zu Wort. – Bitte.

 


16.54.06

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Kollege Jury, Ihre Rede war jetzt wirklich erfrischend, vor allem auch deshalb, weil man als Regierungspartei nicht gewöhnt ist, hier auch einen positiven Redebeitrag ei­ner Oppositionspartei zu hören. (Ruf bei der FPÖ: Na, na!) Das ist etwas Besonderes, das erfreut uns natürlich und ist auch nicht selbstverständlich. Ich bin eigentlich froh, dass man sich anscheinend sehr wohl auch inhaltlich mit den Themen ganz genau auseinandersetzt und dann nicht ansteht, positive Dinge zu erwähnen, wenn dem so ist.

Ich glaube nämlich, dass es ein bisschen verkürzt ist, wenn Oppositionsparteien, ein­gangs die Frau Unterreiner, sich ausschließlich auf die negativen Dinge fokussieren, sich beschweren, warum diverse Projekte in Ausschüssen noch nicht diskutiert worden sind, und sich dann herausstellt, dass eigentlich schon im Dezember längst ein Termin dagewesen wäre, dieser aber aufgrund der Sondersitzung verschoben wurde, et ce­tera.

Ich glaube, die Bundestheater-Evaluierung zu beklagen ist genau das schlechteste Beispiel, das einem einfallen kann, und zwar in mehrerlei Hinsicht. Erstens wäre die Frau Bundesministerin nicht dazu gezwungen gewesen, sich dieser Herausforderung zu stellen, überhaupt eine Analyse der Bundestheater durchzuführen. Es ist nämlich auch nichts, womit man berühmt wird oder sich bei den Theaterdirektoren beliebt macht, wenn man hergeht und sagt, wir wollen einmal analysieren, wie wirtschaftlich gesehen in den Häusern gearbeitet wird.


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Das ist schon etwas, wo man mit großen Dramen rechnen müsste. Die sind aber Gott sei Dank nicht passiert, weil ich meine, dass sehr konstruktiv gearbeitet wurde, mit den Häusern guter Kontakt gepflogen wurde, die Aufsichtsräte letztendlich mit eingebunden worden sind und Bundestheaterchef Springer auch vorgelegt hat, wie er das Potential sieht. (Abg. Mag. Unterreiner: Woher wissen Sie das?)  Ich weiß das deshalb, weil ich, wie auch Sie dies schon längst hätten machen können, eine Zusammenfassung der Evaluierung gelesen habe. (Abg. Mag. Unterreiner: Da steht ja nichts drinnen!) – Da stehen konkrete Summen drin, da steht drin, wie das Potential der einzelnen Häu­ser ausschaut, et cetera.

Und Ihnen dürfte auch nicht entgangen sein, dass wir uns bereits inhaltlich damit auseinandergesetzt haben, ob es legistischer Änderungen bedarf. Die gibt es. Eine No­velle des Bundestheaterorganisationsgesetzes steht in Aussicht, war bereits im Minis­terrat. Das ist also auch etwas, was man sich beschaffen kann, Informationen, die nicht geheim sind. Ich lade Sie jedenfalls ein, auch wenn der Termin erst im März sein kann, konstruktiv darüber zu diskutieren.

Wenn Sie sich hierher stellen und sagen, eigentlich sind Sie der Meinung, dass man grundsätzlich alle Fördermaßnahmen der Inflation anpassen sollte, dann glaube ich, dass sich grundsätzlich niemand gegen dieses Ansinnen aussprechen würde, wenn das Geld keine Rolle spielen würde. Wenn Sie selbst sagen, auf der einen Seite sind Sie fürs Sparen, und auf der anderen Seite soll man jedem das geben, was er will, dann führen Sie sich selbst ad absurdum, denn Sie müssten wissen: Entweder das eine oder das andere; beides wird es nicht geben. (Zwischenruf der Abg. Mag. Unterreiner.)

Ich glaube, dass wir uns kulturpolitisch nicht verstecken müssen, ganz im Gegenteil, es ist viel geschehen. Bei den Bundesmuseen Karola Kraus, aber auch Thun-Hohenstein leisten hervorragende Arbeit, zwei neue Direktoren, die man auch gut und kritisch be­obachtet hat. Ich glaube, die haben beide Ihre Erwartungen erfüllt.

Um auch andere Bereiche anzusprechen: In der Musikbranche, im Filmbereich ist viel passiert, das Film/Fernseh-Abkommen wurde erhöht, die Förderungen wurden erhöht. Der Wirtschaftsminister hat auch Geld in die Hand genommen, um da Wertschöpfungs­ketten zu generieren. Also ich glaube, das alles ist positiv.

Frau Bundesministerin, eines möchte ich anregen, wir haben es am Rande schon ein­mal besprochen: Mir wird immer wieder, mittlerweile von verschiedenen Seiten, gesagt, dass im Zeitalter der Digitalisierung viele Künstler, ob Filmschaffende, Autoren oder Musiker, um ihr geistiges Eigentum fürchten. Ich glaube, dass sich auch der Kulturaus­schuss durchaus damit befassen müsste, inwiefern es nicht Maßnahmen bedarf, um den Schutz geistigen Eigentums sicherzustellen und die Kreativleistungen unserer Künst­lerinnen und Künstler und unserer Kreativen auch entsprechend nicht nur wertzuschät­zen, sondern sicherzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Riemer zu Wort. – Bitte.

 


16.58.39

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministe­rin! Ich glaube vorweg, das Ganze ist immer so wie Licht und Schatten, und wenn man den Kulturbericht vielleicht etwas ergänzt, wie es die Kollegin Unterreiner gemacht hat, dann sollte das erlaubt sein. Natürlich ist da sehr viel Positives drinnen und der Bericht zeigt auch die kultivierte Handschrift unserer Frau Kulturministerin. Keine Frage, aber der alte Weinheber hat schon einmal gesagt, es kann nicht sein, dass der eine so viel hat und der andere gar nichts. Ich glaube, da sollte man natürlich auch mit einhaken.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 148

Wir haben unsere ganze Hochkultur, das sind Flaggschiffe in unserem Land, das ist ganz wichtig. Wir wissen, Österreich profitiert davon, es ist identitätsstiftend, auch der Kulturtourismus, wie wir gehört haben. Wir wissen natürlich auch, dass diese Botschaf­ten in die ganze Welt hinaus natürlich für Rot-Weiß-Rot etwas Einzigartiges sind, und ich, als Anhänger eines Bildungsbürgertums, muss sagen, ich stehe da auch voll da­hinter und freue mich darüber. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man von den Schatten redet, dann ist immer wieder die Frage, wer über Kunst und Kultur in diesem Land bestimmt – das muss auch zu hinterfragen sein, als kriti­scher Ansatz – und wem die materiellen Ressourcen zur Verfügung stehen.

Ich spreche hier mit dem Mund des Bürgers in der Steiermark, vielleicht auch in ande­ren österreichischen Regionen: Der „Wasserkopf“ Wien, wie viel kriegt der an Res­sourcen, und was kriegen die Bundesländer?

Und da muss ich immer Folgendes zitieren: Wenn wir kämpfen müssen – Flavia Solva, Joanneum Research –, dann sagen die einen: Das ist ja eigentlich eine Sache, die dem Land Steiermark gehört!, und die anderen sagen: Der Bund hat da nichts zu tun! – Und was passiert? – Andere Bundesländer graben aus, und wir schütten zu. Das kann es nicht sein, denn wir bewahren die Kulturgüter für die kommenden Generationen!

Ebenso gibt es eine ewige Debatte um das Freilichtmuseum Stübing – eine nimmer en­den wollende Geschichte.

Aber es gehört auch die Förderung regionaler Museen dazu. Ich nehme jetzt bewusst eine Einrichtung aus der Südsteiermark, stellvertretend vielleicht für Tausende andere Einrichtungen, heraus: das steirische Weinmuseum Kitzeck. Das ist ein kleines Mu­seum, einzigartig in Europa! Trotzdem verrotten dort über tausend Artefakte, weil das Geld nicht zur Verfügung steht. Die Gemeinde hat keines, das Land hat keines, der Bund hat keines. Wer hat Geld?

Ich denke auch an das Museum in Ehrenhausen-Stajerska/Steiermark. Grenzüber­schreitende Kultur wird dort geboten. Man versucht, diesen Grenzzaun, dieses Miss­verhältnis aus dem vorigen Jahrhundert einzureißen, einzudämmen, zu werben über die Grenze hinweg. Es fehlt dort an Geld, und es lebt nur von Privatinitiativen. Das Land hat kein Geld, der Bund hat kein Geld.

Oder ich denke da auch an das Keltenmuseum. – Das Land Steiermark, muss ich sa­gen, bietet aber trotzdem heute in einer Aussendung an, dass man 20 000 € – obwohl es kein Geld gibt, nicht einmal 1 000 € für dieses Museum gibt! –, in die Slowakei für die Instandhaltung eines Kindergartens oder einer Schule verwenden kann. – Das ist Kulturpolitik, Bildungspolitik, die mich schon etwas überrascht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber ich denke auch an die kulturellen Einrichtungen. Ich erinnere da an die Förderung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien und ersuche, dass man da was macht.

Ich frage mich schon: Wofür ist eigentlich Geld da? – Wenn ich mir die großzügige Förderung mit 21 Millionen für den Ausbau und die Revitalisierung des 21er-Hauses im 3. Bezirk ansehe, dann bedrückt mich das.

Abschließend: Kultur/Kunst ist das, was man dafür hält und wofür man bereit ist, Geld auszugeben. Was ist deren Wert? Daraus ergibt sich auch, dass sich der Staat nicht mehr als Kultur-/Kunstförderer einmischen darf, weil es für Künstler unwürdig ist, sich subventionieren zu lassen. Oder haben wir die Möglichkeit, dass wir sagen: Wir ma­chen Kunstwerke wieder steuerlich geltend, damit man etwas tun kann!?

Ein Bürger hat mir geschrieben: Warum kann man Studierende der Kunstuniversität nicht noch stärker in die Museumsarbeit einbinden?


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Und da gibt es auch von den Bürgern etwas: Kulturschaffende und Künstler wären ge­zwungen, sich am Markt, sprich am Bürger zu orientieren, weil das, was nicht als Kul­tur/Kunst akzeptiert wird, auch nicht gekauft wird.

Das sind lauter Statements, mit denen wir uns auseinandersetzen.

Herr Kollege, es geht mir nicht um Pro und Kontra im Kulturausschuss, sondern ich meine, wir sollten diskutieren. Wir wollen das eine rot-weiß-rote Flaggschiff erhalten, und das geht von Vorarlberg bis Wien, von Oberösterreich bis Kärnten: Es geht um Ös­terreich! Und da dürfen wir wohl wahrlich trefflich streiten und diskutieren. Da sollen die Kunst, die Kultur, die Künstler und Rot-Weiß-Rot profitieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.04

17.04.10

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, komme ich noch einmal kurz auf die vorherige De­batte zurück und halte noch einmal fest: Wortmeldungen, Reden, in denen unmittelba­re strafrechtliche Tatbestände, die nicht vorliegen, vorgeworfen werden, werde ich auch in Zukunft mit einem Ordnungsruf ahnden.

Während der letzten Debatte hat ein genau derartiges Vorgehen nicht nur Herr Abge­ordneter Petzner gemacht – ich habe das jetzt nachgelesen –, sondern auch Herr Ab­geordneter Haberzettl gegenüber dem BZÖ, weswegen ich auch ihm einen Ordnungs­ruf erteile.

Dieses Grundprinzip sollte dringend von allen Abgeordneten eingehalten werden. Ich ersuche Sie, in Ihren Wortmeldungen auch in Zukunft darauf zu achten, nicht von Ver­urteilungen zu sprechen, wo keine vorliegen.

*****

Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Zinggl zu Wort. – Bitte.

 


17.05.00

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Riemer, wenn es nicht um Pro und Kont­ra geht, dann frage ich mich, warum Sie als Kontraredner auftreten und drei FPÖ-Red­ner vor mir reden dürfen, denn ich glaube, ich übe mehr Kritik an dem Kulturbericht als Sie, und trotzdem stimmen wir diesem zu. Und wir wissen auch, warum. Weil es letzt­endlich auch so etwas wie einen Grenzwert an Kritik gibt. (Präsident Neugebauer über­nimmt den Vorsitz.)

Trotzdem möchte ich, Frau Ministerin, jetzt auf einige Baustellen sehr dezidiert hinwei­sen. Sie kennen die Baustellen. Eine davon wurde auch von der FPÖ genannt. Das ist die Veröffentlichung der Studie zu den Bundestheatern. Wenn die Kollegin Fuhrmann sagt, wir sollen uns bedanken dafür, dass es diese Studie überhaupt gibt, dann muss ich sagen: Na ja, warum sollte ich mich für irgendetwas bedanken, das ich nicht ken­ne? Das interessiert mich eigentlich gar nicht!

Ich meine, es ist doch wirklich eigenartig, dass hier für eine Studie 550 000 € ausge­geben werden, und die bekomme ich nicht zu Gesicht. Warum eigentlich nicht? Nicht nur als Staatsbürger nicht, aber vor allen Dingen nicht als Parlamentarier. Da frage ich: Wo besteht dann überhaupt noch Kontrollmöglichkeit?

Es ist doch keine Transparenz, dass man die Öffentlichkeit nicht entsprechend über die Lage der Bundestheater informiert. Es ist meiner Meinung nach eine vordemokratische Einstellung, dass man sagt: Die Bundestheater bekommen 150 Millionen, dafür gibt es Oper und Operette, super, und wie wir mit dem Geld wirtschaften, das ist unsere Sa-


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che! Wir haben da eine Studie gemacht, die kostet 550 000 €, aber was da drinnen steht, das wissen wir und das bleibt geheim, und wir werden schon alles reparieren! – Ah ja, dann sickert durch: 14 Millionen gibt es an Einsparungspotenzial. Aber die Bud­gets im kommenden Jahr berücksichtigen das nicht. Die Bundestheater bekommen weiter die übliche Subvention. Da meint man: Die werden sie schon in Zukunft besser verwenden! Macht euch keine Sorgen: 150 Millionen, Oper, Operette! Alles okay! – Das kann es, glaube ich, nicht sein!

Und die zweite Baustelle – Frau Ministerin, die kennen Sie auch –, das sind die Bun­desmuseen. Da gibt es auch keine Kurskorrektur. Ich werde nicht müde, darauf hinzu­weisen. Wir haben mindestens fünf Häuser – ich würde ja schon fast sagen sechs, wenn man das Leopold Museum dazuzählt – für Gegenwartskunst. Und wir haben erst vor Kurzem das 21er-Haus eröffnet. Zur Verfügung steht da ein Betrag von 31 Millio­nen € für die Baukosten und 2 Millionen € jährlich an Zusatzsubvention. Was da jetzt die Privaten dabei zahlen, was immer versprochen wurde, weiß ich nicht. Wir werden dazu eine parlamentarische Anfrage machen, habe ich mir heute überlegt.

Aber wir haben kein Haus – und das hat die Kollegin Unterreiner auch sehr richtig an­gesprochen – für interkulturellen Dialog. Wir haben kein „Haus der Kulturen“. Wir ha­ben das Ethnologische Museum völlig verschüttet. Und Direktor Steven Engelsman, der am 1. Mai beginnen wird, wird sehen, dass er da nichts anderes als die budgetäre Reserve des Kunsthistorischen Museums zu verwalten hat.

Ich glaube, dass ein „Haus der Kulturen“ viel wichtiger wäre als zusätzlich ein Museum für Gegenwartskunst. Ich habe sicher nichts gegen Gegenwartskunst, das weiß jeder, der mich kennt – ich war immerhin drei Jahre lang Bundeskurator –, aber was zu viel ist, ist zu viel, und dort, wo es fehlt, gehört nachgebessert. Man kann nicht sagen, man hat kein Geld für ein „Haus der Kulturen“, für diesen interkulturellen Dialog, wenn man gleichzeitig immer mehr reinsteckt in die Häuser, die eh schon genug haben. – Das war die zweite Baustelle.

Und die dritte Baustelle ist die der Verteilungsfrage. – Frau Ministerin, Sie wissen, konstante Budgets für die Kultur, alles okay, aber realiter sind das natürlich Rückgänge im Budget. Und jetzt fragen wir uns dann, wie das funktioniert: Auf der einen Seite müssen die großen Häuser valorisiert werden: steigende Personalkosten, Infrastruk­turkosten und so weiter. Also selbstverständlich werden die dann valorisiert. Aber wo kommt das Geld her? – Das kann ja nur von den Mittleren und von den Kleinen kom­men bei konstanten Budgets. Und Ihre Aussage: Das ist keine Frage von Entweder-oder, sondern von Sowohl-als-auch!, ist leider nicht ganz PISA-konform, denn wir ha­ben ein gedeckeltes Budget, und wenn die einen das Geld mit der Valorisierung brau­chen, dann geht es woanders ab. Und diese Verteilungsfrage werden wir uns immer öf­ter stellen müssen.

Zuletzt komme ich noch auf die Salzburger Festspiele zu sprechen, denn dort liegt überhaupt sehr vieles im Argen. Der Rechnungshofbericht hat es mehr als deutlich gemacht. Aber ich will das jetzt nicht aufzählen, es steht eh alles drinnen, und wir wer­den das öffentlich noch weiterdiskutieren. Aber eines kann ich nicht verstehen: dass Sie sich so gegen eine Novellierung des Festspielfonds-Gesetzes wehren! Wieso ha­ben die Salzburger Festspiele nicht die gleichen Auflagen wie jede andere Kulturinitia­tive? Warum muss das ein Hort von Privilegien, warum müssen die Salzburger Fest­spiele der Anwalt der Korruption sein? Das kann so in Zukunft nicht weitergehen! Auch da werden wir nicht aufhören, zu drängen. Wir haben gleich, als diese Fälle der Mal­versation im Jahr 2010 aufgetaucht sind, gefordert, da eine neue Gesetzgebung, die in Zukunft so etwas verhindert, durchzusetzen.

Wer kommt für diese Schäden im Jahr 2010 eigentlich auf? Das fragt sich niemand! Wer ist dafür verantwortlich? Wer kommt dafür auf? Oder es haben die Salzburger


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Festspiele so viel Geld, dass das ohnehin egal ist, dass die Qualität nicht darunter lei­det. Dann frage ich mich eigentlich, warum sie so viel haben. Also irgendetwas stimmt da nicht! Und wenn Sie sagen, es gibt keine Rechtsform, die Malversationen verhin­dern kann, dann kann ich Ihnen dazu nur sagen: Das stimmt, aber es gibt sehr wohl Strukturen, die ein Unrechtsbewusstsein fördern können, und es gibt andere Struktu­ren – und die haben wir gerade –, die dieses Unrecht geradezu fördern.

Ich meine, da besteht Handlungsbedarf, und wenn Sie das nicht einsehen, Frau Minis­terin, dann übernehmen Sie tatsächlich die Verantwortung für künftige Malversationen, was immer auch an Unrechtmäßigkeiten bei den Salzburger Festspielen auf uns zu­kommt. Darauf hat auch der Rechnungshofpräsident Moser hingewiesen, und ich wür­de mir das wirklich sehr gut überlegen. Mit Streicheln, Streicheln und mit „Wir haben alles super gemacht, es ist ja alles ganz toll!“ – typischer ÖVP-Kurs, immer schon ge­wesen bei der Gehrer – geht das nicht. Das weiß ich, das habe ich mehrere Male be­wiesen.

Wir werden nicht aufhören, auf diese Defizite hinzuweisen, und nicht müde, die Bau­stellen weiterhin aufzuzeigen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. – Bitte.

 


17.11.21

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ich komme zuerst zum Positiven des Kulturberichts: Natürlich werden wir diesem zu­stimmen. Er ist leserfreundlich, hat ein tolles Layout, ist total übersichtlich und ver­ständlich. Vor allem ist er einfach zu lesen. So können wir auch leichter aufzeigen, wo Missstände vorhanden sind. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Dan­ke für den Applaus von der ÖVP. – Diese werde ich auch gleich erörtern.

Ein wichtiger Punkt für uns ist – und man hat ja auch gesehen, dass das bei den Ju­gendlichen gut angekommen ist –, dass es einen Gratiszugang zu den Museen gibt. Das funktioniert gut. Da sollten wir überlegen – das habe ich das letzte Mal schon an­gesprochen –, das noch auszubauen und auf die Theater auszudehnen. Bei den Bun­destheatern sollten wir eine Aktion starten, damit man für junge Menschen einen bes­seren Zugang schafft. Im Kulturausschuss sollten wir darüber auch diskutieren. Ich glau­be, da würden wir einen gemeinsamen Weg finden.

Ein weiterer Punkt ist – auch eine „never ending story“ – das „Haus der Geschichte“. Da würde ich mir schon erwarten, dass wir da nach dieser langen Diskussion von 1999 bis 2010 versuchen, 2012 endlich zu einem guten Ergebnis zu kommen. Es kann nicht sein, dass wir das jahrelang diskutieren und dabei nichts weitergeht. Es wurde ja schon sehr viel für die Planung ausgegeben, man spricht in diesem Bereich von über 100 000 €, und es sind jetzt wieder 60 000 € dazugekommen. Frau Ministerin, ich glaube, Sie se­hen das inzwischen auch so oder haben es ohnehin immer schon so gesehen und sind auch der Meinung, dass wir da endlich zu einem Ende kommen sollten.

Was die Bundesmuseen betrifft, so geht – und das wurde vorhin richtig angemerkt – ein Großteil des Budgets in eben diesen Bereich. Aber auch da sollten wir an eine Auf­teilung denken, vor allem was den regionalen Zugang betrifft. Ich bin für einen regiona­len Zugang. Ich finde, auch die kleinen Museen in den Bundesländern draußen sollten nicht verhungern, auch ihnen sollte das Recht eingeräumt werden zu überleben. Was jedoch die Basisabgeltung und die inflationäre Anpassung betrifft, wird sich das finan­ziell nicht ausgehen. Das sehe ich auch so. Wenn man da eine jährliche Anpassung macht, dann sind die Kosten viel zu hoch, und das ist nicht zu schaffen.

Etwas, was wir auf alle Fälle überdenken müssen, ist die Wirtschaftlichkeit der Mu­seen, auch was Einsparungen betrifft. Man kann zwar sagen, die Heizkosten werden


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teurer, aber dann muss man halt schauen, wo man sonst einsparen kann und wie man durch Revitalisierung oder Renovierung das Ganze in Zukunft leistbar machen kann.

Abschließend: Wir sollten uns auch überlegen, was wir beim Volkskundemuseum bes­ser machen könnten. Eine Frage ist auch dessen Umbenennung in „Österreich-Mu­seum“, also in ein Museum mit rot-weiß-roter Flagge, damit die Menschen in unserem Land, auch die Jugendlichen, einen anderen Zugang dazu haben. Dann, glaube ich, werden wir gemeinsam in eine gute Zukunft gehen, denn Österreich ist ein Kulturland. Das sehen wir vor allem am Städtetourismus, denn gerade in den Städten, wo wir ein großes kulturelles Erbe, wo wir große Kulturgüter haben, haben wir hohe Nächtigungs­zahlen. Daher erwarte ich mir, dass wir das in Zukunft hier gemeinsam umsetzen. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

17.14


Präsident Fritz Neugebauer: Nun kommt Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort. – Bitte.

 


17.14.28

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Prä­sident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte zuerst auf einzelne Punkte zu sprechen kommen, die Sie erwähnt haben, und dann auf den Kulturbericht 2010 in aller Kürze eingehen.

Ein Punkt ist mir sehr wichtig, Frau Abgeordnete Unterreiner, weil ich mich dafür gleich am Beginn meiner Amtszeit eingesetzt habe, nämlich dass wir relativ zeitnah Berichte diskutieren. Und ich möchte nur festhalten, dass der Kulturbericht 2010 vor dem Som­mer 2011 an das Parlament übermittelt wurde. Ich bin mir da keiner Versäumnisse meinerseits oder vonseiten meines Hauses bewusst. Das ist zeitgerecht erfolgt. Und Sie werden auch den Bericht des Jahres 2011 vor dem Sommer 2012 bekommen. Wie dann der Fahrplan gestaltet wird, das liegt nicht in meiner Verantwortung.

Was die Evaluierung der Bundestheater angeht, darf ich an die Ausführungen der Frau Abgeordneten Fuhrmann anschließen und sagen: Es ist eine große Herausforderung, Bundestheater, Kunst- und Kultureinrichtungen einer Evaluierung zu unterziehen, ohne gleich in das neoliberale Eck gedrängt zu werden. Und ich freue mich sehr, dass es in einem sehr professionellen, tiefgehenden Prozess gelungen ist, da in die Details zu ge­hen, und dass das nicht unter medialer Begleitung geschehen ist. Das ist Teil einer or­dentlichen Public Governance, wo diejenigen, die betroffen sind, auch die jeweiligen Detailinformationen haben. Das heißt, die jeweiligen Geschäftsführungen, die Aufsichts­räte haben die Informationen.

Ich halte – und dazu stehe ich; wir haben im Kulturausschuss ja schon darüber gespro­chen – nichts davon, in der Öffentlichkeit Sängergagen zu diskutieren, Probeneinsatz­pläne zu diskutieren. Dafür gibt es eine klare Verantwortung! Dabei bleibe ich.

Ich freue mich – an der nächsten Sitzung des Kulturausschusses wird auch Herr Dr. Sprin­ger teilnehmen –, dass wir uns im Detail über die Umsetzung unterhalten werden, denn die Evaluierung war ein Teil, die Umsetzung ist bereits beauftragt und ist voll im Gange.

Zum Thema Basisabgeltung: Nichts wäre mir als Kunst- und Kulturministerin lieber als eine Valorisierung des Kunst- und Kulturbudgets. Ich glaube, Frau Abgeordnete Fuhr­mann, ich kann da von „wir“ sprechen. Eine Valorisierung eines Teiles des Kunst- und Kulturbudgets, so wie Sie das vorschlagen, nämlich der Bundesmuseen, würde – und da hat Abgeordneter Zinggl völlig recht – zulasten anderer Bereiche gehen. Daher: Va­lorisierung ja! Es wäre großartig, wenn uns da in einem Teilbereich ähnliche Regelun­gen gelängen – bei den Universitäten haben wir die Gehaltsanpassung und –indexie­rung –, wenn uns das auch beim Kunst- und Kulturbudget gelänge. Ich halte es derzeit für wenig wahrscheinlich.


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Ich blicke etwas neidvoll nach Deutschland, wo es Bundesstaatsminister Neumann ge­lungen ist, in Zeiten wie diesen 5 Prozent Erhöhung für Kunst und Kultur zu bekom­men, mit der Begründung: Kunst und Kultur sind die Seele einer Gesellschaft, und wenn wir Sparkurse fahren, müssen wir ja nicht mit Gewalt alle Segmente und alle Bereiche jetzt in Schwierigkeiten stürzen!

Ich sage Ihnen aber auch, Kunst und Kultur zählen zu den Gefährdungsbereichen, wenn wir vom Sparkurs sprechen, weil ein Teil des Budgets ja Ermessensausgaben sind und eine Kürzung von Ermessensausgaben schnell einmal beschlossen ist.

Das sind die Rahmenbedingungen, vor denen wir derzeit stehen, und ich glaube, es ist wichtig, sie auch offen anzusprechen.

Zu den Ausführungen von Herrn Abgeordneten Riemer: Ein klares Bekenntnis zur öf­fentlichen Finanzierung von Kunst und Kultur! Aber eines müssen wir hier, bitte, auch beachten – und werten Sie das jetzt nicht als den Beginn eines „Wer hat Schuld?“-Spiels! –: Gemäß Bundes-Verfassungsgesetz haben da die Bundesländer ein großes Maß an Verantwortung. Wenn man das ganz ernst sehen würde, dann hätte der Bund im Bereich der Kunstförderung „nur“ – unter Anführungszeichen – subsidiäre Stellung. Das betrifft nicht die Bundesinstitutionen. Aber es ist wichtig, das anzusprechen. Ich denke, dass der neue Direktor des Völkerkundemuseums eine faire Chance bei dem verdient, wie er das Museum angeht, welche Kooperationen er mit dem Volkskunde­museum eingeht. Das ist wichtig.

Auch ein paar Worte zu den Salzburger Festspielen. Wir werden noch eingehend darü­ber diskutieren, ich möchte jetzt aber einzelne Punkte festhalten.

Erstens: Der Rechnungshof erfüllt seine Aufgabe und leistet wesentliche Beiträge.

Zweiter Punkt: Ich nehme die Empfehlungen des Rechnungshofes sehr, sehr ernst.

Dritter Punkt – und dieser ist in der medialen Berichterstattung in den letzten Tagen für meinen Begriff etwas zu kurz gekommen –: Die Prüfung des Rechnungshofes hat er­geben, dass es keine Malversationen bei den Salzburger Festspielen gegeben hat. Diese Feststellung ist mir sehr wichtig.

Im Zusammenhang mit dem Rohbericht wurde bereits eine ganze Fülle von Maßnah­men umgesetzt, in die Wege geleitet: Internes Kontrollsystem, Geschäftsordnung für das Direktorium, Vier-Augen-Prinzip, gesamtbetriebliche Datenbank, es gibt einen neu­en kaufmännischen Leiter. Und wenn man hier von einzelnen Gremien spricht und hier beklagt wird, es gäbe keinen Aufsichtsrat, dann meine ich, da muss man einfach genau hinschauen, sich die Aufgaben des Kuratoriums vor Augen führen, und dann stellt man fest, dass der Aufsichtsrat der Salzburger Festspiele das Kuratorium ist.

Wenn man jetzt bekrittelt, dass die interne Revision dem Kuratorium untersteht, dann ist das auch eine Kritik, die ich so nicht gelten lasse, denn wenn Sie in Aktiengesell­schaften schauen, dann werden Sie sehen, dass dort die interne Revision zwar im Or­ganigramm der Aktiengesellschaft angeführt ist, aber sehr wohl primär dem Aufsichts­ratsvorsitzenden berichtspflichtig ist und es natürlich auch der Aufsichtsratsvorsitzende ist, der die Prüfagenda für das nächste Jahr genehmigen muss. Das ist ja ein wesentli­ches Element der Kontrolle. Und daher ist es sehr sinnvoll, dass die interne Revision bei den Salzburger Festspielen dem Kuratorium unterstellt ist. – Aber das sind schon Details.

Ich bleibe auch bei dem, was ich schon mehrfach gesagt habe: Es gibt leider keine Rechtsform, die uns vor Korruption, vor Malversationen schützen könnte, aber wir müs­sen sehr wohl immer an der Public Governance arbeiten. Und ich lege auch Wert auf die Feststellung – und darüber werden wir ja auch noch Diskussionen führen –, dass es einen Unterschied gibt zwischen Corporate Governance – das richtet sich an Unter-


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nehmen, Gewinnorientierung, Aktionärsinteressen – und einer Public Governance, die dem Gemeinwohl und den Bürgern und Bürgerinnen verpflichtet ist.

Ein paar Sätze noch zum Bericht 2010: Entscheidend und ein großer Schritt, denke ich, und das wurde ja auch schon erwähnt, war die Einführung des freien Eintritts in die Bundesmuseen, mit Nachahmungseffekt – es haben sich ja andere Institutionen ange­schlossen. Und es ist erfreulich, dass im ersten Jahr der Einführung, 2010, das Besu­cher-Plus in dieser Altersgruppe 24 Prozent betragen hat.

Kunstkammer und 21er Haus wurden als Investitionsprojekte bereits erwähnt. Und hin­weisen möchte ich auch auf das öffentliche Büchereiwesen und auf die Volkskultur, die wir im Jahr 2010 neu aufgestellt haben.

Zum Abschluss möchte ich meinen Redebeitrag dazu nützen, um auch eine Bitte an Sie zu richten. Wir sind gerade in sehr intensiven Gesprächen mit der EU-Kommission, mit Kommissar Hahn. Es wird die neue Strukturfondsperiode jetzt vorbereitet, und die Bundesländer werden die operationellen Programme für die Strukturfonds ausarbeiten. Bitte achten Sie darauf, dass seitens der Bundesländer Kunst und Kultur als kofinan­zierungsfähig in den operationellen Programmen gemeldet werden. Dann kann nämlich im Wege der Kofinanzierung die österreichische Finanzierung durch EU-Mittel erweitert und aufgestockt werden. Seitens der EU, seitens Kommissar Hahn gibt es hier grünes Licht. Der Ball liegt bei uns, konkret bei den Bundesländern, dass das jetzt in den Pro­grammen verankert wird. In Zeiten knapper Budgets, denke ich, ist es eine besondere Aufgabe, Kunst und Kultur entsprechend zu positionieren und die Projekte wirklich auch in der Breite zu berücksichtigen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Abge­ordneten der ÖVP sowie des Abg. Markowitz.)

17.24


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


17.25.00

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Jetzt zuzuhören und den Kulturbericht 2010 zu lesen, das macht Freude. Er bietet einen eindrucksvollen Überblick über die engagierte Kulturpolitik in Österreich, der Frau Bundesministerin Schmied und ihr Ministerium einen verlässlichen Rahmen und vor allem die entsprechenden budgetären Bedingungen bieten können. Ich darf hier einige Bereiche ansprechen, über die man sonst meiner Meinung nach zu wenig spricht, die aber erwähnt werden sollten.

Ein paar Worte zur Förderung der Volkskultur in Österreich. Im Rahmen der Budgetde­batte habe ich mich damit gründlich auseinandergesetzt und möchte mich nicht wie­derholen. Ich möchte aber nur eines feststellen – es kann nicht oft genug gesagt wer­den –: nicht nur dass deutlich mehr Mittel als früher bereitgestellt werden, sondern viel mehr, es wird nämlich deutlich erkennbar, wie durch einen offenen Zugang zur Volks­kultur, wie er von der sozialdemokratischen Kulturministerin beschritten wird, diese von einem verstaubten, ewig gestrigen und heimattümlerischen Image weggeführt wird hin zu einem neuen demokratischen, offenen und toleranten Heimatbegriff. (Beifall bei der SPÖ.)

Förderung der Volkskultur heißt zugleich auch Förderung der typischen Ressourcen, die die Basis für das Kultur- und Musikland Österreich darstellen.

Kunst und Nachwuchsförderung: Seit 2009 schreibt das Bundesministerium Staatssti­pendien für die verschiedensten Bereiche der Kunst aus. 90 Stipendien werden zuer­kannt, jeweils in einer Höhe von 6 600 €.

Denkmalschutz: Ich komme aus einer Stadt mit zwei historischen Kernen, nämlich Krems und Stein, und es ist mir ein Bedürfnis, hier klarzumachen, dass die Förderung


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des Denkmalschutzes vor allem auch eine Förderung der Bewohner in diesen Altstadt­bereichen ist, die dort gerne leben und die durch diese Fördermaßnahmen auch in Zu­kunft qualitätsvoll in diesen Ortskernen weiterleben können.

Ich möchte die Gelegenheit auch wahrnehmen, herzlich Dank dafür zu sagen, Frau Bun­desministerin, dass Sie sich persönlich von den großen Revitalisierungs- und Sanie­rungsvornahmen der Pfarrkirche Krems-St. Veit überzeugt haben. Und ich darf noch etwas hinzufügen: Ich hoffe, dass auch der flüssige Gruß unsere Kultur bewiesen hat, nämlich die Weinkultur in Krems. – Herzlichen Dank, Frau Bundesministerin. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Sacher reicht Bundesministerin Dr. Schmied die Hand. – Abg. Grosz: Otto „Dank“ Pendl hat einen neuen Nachfolger bekommen! – „Danke!“, „Danke!“)

17.27


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Durchschlag. – Bitte.

 


17.27.11

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Kulturbericht 2010 bestätigt: Österreich ist eine Kulturnation. Das wird, und das ist in Österreich ja nicht so selbst­verständlich, nicht nur von außen, zum Beispiel von Touristen, so gesehen, sondern es entspricht durchaus auch dem Selbstverständnis der meisten Österreicherinnen und Österreicher.

Im Zuge der Beschäftigung mit dem Kulturbericht sollte man sich aber auch die Frage stellen: Was wollen wir auf kulturellem Gebiet erreichen? Was sollen die Menschen da­von haben? Was sollen sie spüren? Was sollen sie lernen?

Für mich lautet die Antwort: Kultur, die gefördert wird, also für die die Menschen über ihre Steuerbeiträge zahlen, muss auch einen Nutzen für sie haben, direkt oder indirekt. Direkt, indem sie viele Möglichkeiten haben, mit Kunst und Kultur in Kontakt zu kom­men, sich von Kunst berühren zu lassen, sich vielleicht auch einmal darüber aufzure­gen, im Idealfall von Kunst und Kultur emotional abgeholt zu werden. Das können sie dann in Museen, in Theatern, bei Festivals, Ausstellungen et cetera. Indirekt, indem beispielsweise Festspiele oder auch Festivals eine große Umwegrentabilität haben. Das heißt, das schafft und sichert Arbeitsplätze und bringt daher am Ende auch Steu­ereinnahmen. Daher: Steuerung durch den Gesetzgeber mit öffentlichen Mitteln sollte beides berücksichtigen, und die Entwicklung der Kultur sollte auch – nicht nur, aber auch – unter diesem Aspekt betrachtet werden.

Mir besonders wichtig in diesem Zusammenhang sind junge Menschen. Als diejenigen, die einmal Verantwortung für unser Land tragen werden, sind sie von beiden Aspekten besonders betroffen. Wir haben für ihre geistige Nahrung und Weiterentwicklung zu sorgen, aber genauso natürlich auch für Arbeitsplätze und ihre wirtschaftlichen Ent­wicklungsmöglichkeiten.

Da gibt es in diesem Zusammenhang zwei Maßnahmen, die ich für erwähnenswert hal­te: den Gratiseintritt für Menschen unter 19 in Museen einerseits und die verbesserte Förderung der öffentlichen Bibliotheken auf der anderen Seite. Der Gratiseintritt in die Museen hat – das ist heute schon einmal gesagt worden – durchaus zu einem ver­stärkten Besuch durch junge Menschen geführt. In einer Zeit, in der die Jugend sehr oft mit Attributen wie „niveaulos“, „kulturlos“, „bildungsfern“ et cetera belegt wird, ist das ein sehr, sehr schönes Zeichen.

Man sollte sich aber trotzdem natürlich auch die Frage der Nachhaltigkeit stellen: Wer­den die jungen Museumsbesucherinnen und Museumsbesucher auch die Kulturfans von morgen sein? Oder wird das Interesse dann, wenn Eintritt zu zahlen ist, erlahmen? Und sollte es so sein, sollten wir da draufkommen: Welche Maßnahmen können wir setzen, um Kunst und Kultur noch besser und leidenschaftlicher zu vermitteln? – Das


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soll den Erfolg dieser Maßnahme nicht schmälern, aber im Sinne eines effizienten Steu­ermitteleinsatzes sollten wir es im Auge behalten.

Der zweite Bereich, die Förderung der öffentlichen Bibliotheken, entspricht ebenfalls dem Anspruch, den Bereich der Kultur nicht als elitär zu begreifen, sondern als eine Art geistiges Grundnahrungsmittel. Und dieses Grundnahrungsmittel sollte möglichst vie­len Menschen zur Verfügung stehen. Bibliotheken als eine Art Lese-Nahversorger ent­sprechen diesem Auftrag.

Als Oberösterreicherin freut es mich ganz besonders, dass mein Heimatbundesland diesem Bildungsauftrag in besonderer Weise nachkommt. Oberösterreich hat prozen­tuell die meisten öffentlichen Bibliotheken, die von besonders vielen Ehrenamtlichen – und da sind es meistens Frauen und in Oberösterreich über 2 000 – betrieben werden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Oberösterreich ist auch jenes Bundesland, das die Bibliotheken auch finanziell sehr gut unterstützt. Die Förderung, die das BMUKK dazugibt, hilft, diesem Kultur- und Bildungs­auftrag noch besser nachzukommen.

Zusammenfassend kann man sagen: Österreich ist eine Kulturnation. Das zeigt dieser Bericht. Und das ist durchaus etwas – bei allen Verbesserungsmöglichkeiten, die es immer gibt –, über das wir uns freuen sollten. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.30


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


17.31.00

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz zu zwei Bereichen Stellung neh­men, und zwar zum Antrag der FPÖ und zum Kulturbericht in Bezug auf die Bundes­museen.

Eine jährliche Anpassung, so wie es in diesem Antrag gefordert wird, ist natürlich wün­schenswert, aber in der derzeitigen Situation nicht möglich. Frau Kollegin, wir haben das ja auch, glaube ich, relativ lange diskutiert, auch im Rahmen des Besuches des Naturhistorischen Museums. Es wären ja sämtliche Sparten und sämtliche Kulturinitia­tiven davon betroffen, und das ist ganz einfach nicht finanzierbar.

Aber es ist nicht nur die budgetäre Situation, die dafür ausschlaggebend ist, es sind auch politische Gründe, die man bedenken sollte, denn es geht ja darum: Politik muss auch ihre Verantwortung wahrnehmen, um Gestaltungsspielräume zu bewahren und über die Verteilung der Mittel Prozesse im Kulturbereich zu steuern, Schwerpunkte zu setzen und auch Innovationen zu unterstützen.

Kunst und Kultur haben einen sehr hohen Stellenwert, und der Frau Ministerin ist es ja gelungen – und das ist eine ganz tolle Sache –, dass unser Budget hier gleichgeblie­ben ist und nicht im Rahmen der Sparmaßnahmen gesunken ist.

Ganz kurz zu den Bundesmuseen. Hier ist eine sehr hohe Qualität bei den Ausstel­lungen festzustellen, und das Besucherinteresse ist auch sehr groß. Jeder, der Aus­stellungen besucht, sei es im Kunsthistorischen Museum, sei es in der Albertina, kann sich vom großen Interesse der Besucher überzeugen, von dem großen Andrang und der hohen Qualität dieser Ausstellungen. Da zeigt sich, dass das Investitionspro­gramm 2010 sehr gut war und diese 7 Millionen € in die Bundesmuseen sehr gut inves­tiert waren. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Besucherandrang hat es ja gezeigt. Die Besucherzahlen sind im Jahr 2010 enorm gestiegen, und das hat sicher auch damit zu tun, dass der freie Eintritt für Kinder und


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Jugendliche eingeführt wurde, denn eine Steigerung von 8 Prozent in diesem Bereich ist wahrscheinlich kaum mehr zu überbieten.

Das ist auch eine sehr nachhaltige Investition, wie es die Kollegin vorher auch ange­sprochen hat. Dieser nachhaltige Effekt ist sicher für die Kinder und Jugendlichen inso­fern sehr wichtig und bedeutsam, als die Jugendlichen die Schwellenängste im Hinblick auf Museumsbesuche überwinden können, für Kunst und Kultur sensibilisiert werden und die heutigen Kinder auch die Museumsbesucher von morgen sein werden. – Vie­len Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


17.34.11

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute einen sehr um­fassenden Kulturbericht. Lassen Sie mich daher auf zwei Inhalte besonders eingehen, zwei Themen, die zum einen breite Bevölkerungsschichten betreffen, gleichzeitig aber auch immense Bedeutung haben, was die ländlichen Räume betrifft, was die Aus- und Weiterbildung vor allem von Kindern und jungen Menschen betrifft.

Das eine sind die öffentlichen Büchereien, das öffentliche Büchereiwesen, das gerade heute – und das sehe ich auch im Hinblick auf die Bildungsstrategie – eine gewichtige Bedeutung hat oder vielleicht auch wieder noch stärker an Gewicht gewinnen muss. Eine Neuaufstellung des Büchereiwesens, so wie es im Kulturbericht dokumentiert ist, ist daher unabdingbar und wird von mir auch wirklich sehr begrüßt. Um das fachliche, aber auch das qualitative und quantitative Angebot weiter zu steigern, um den Men­schen Lust aufs Lesen zu machen, war es daher wirklich wichtig, diese neuen Strate­gien und Wege zu gehen, damit die Menschen eben auch in der heutigen Zeit, in der wir mit Informationen überflutet sind, lesen lernen in dem Sinn, dass sie das für sie Wichtige herausfiltern können, um damit am Arbeitsplatz oder auch im Leben gut auf­gestellt zu sein.

Das Zweite, das ich ansprechen möchte, ist die Unterstützung und die Förderung der Volkskultur. Da geht es, das möchte ich auch betonen, keineswegs um verstaubte Tra­ditionen, sondern da geht es vielfach auch wirklich um Bildung und Ausbildung von jun­gen Menschen, sei es im musikalischen Bereich, in Chören oder in Musikschulen oder aber auch in Theatern. Es geht hier darum, eine Verknüpfung von Identität und Werten herzustellen, aber auch für Ausbildung im künstlerischen Bereich und für persönliche Weiterbildung zu sorgen.

Eine Förderung der Dachverbände, so wie sie dokumentiert ist, oder von besonders in­novativen Projekten und Veranstaltungen sollte daher auch in Zukunft einen Schwer­punkt dieser Arbeit bilden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer. – Bitte.

 


17.36.31

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der aufschlussreiche Kulturbericht umfasst auch ein Kapitel zum öffentlichen Büchereiwesen, auf das ich ebenfalls kurz eingehen möchte.

In den 1 500 öffentlichen Büchereien in Österreich wird täglich niederschwelliger, kos­tenfreier und meist auch schon barrierefreier Zugang zu Wissen und Information von vielen Menschen genutzt. Dass dies noch besser möglich wird und die Qualität der In-


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frastruktur von Büchereien und die Ausbildung von MitarbeiterInnen ständig verbessert werden konnten, hat mit dem Gesetz zur Büchereiförderung Neu zu tun.

In meiner Bezirksstadt St. Johann im Pongau zum Beispiel bedeutete die im August er­folgte Übersiedlung der Bücherei in ein anderes Gebäude ganz wichtige Verbesse­rungen: Vergrößerung, Modernisierung, Digitalisierung, PC-Arbeitsplätze für Bibliothe­karInnen wie für BenutzerInnen, flexible Regale, um ein und denselben Raum auch für Veranstaltungen nützen zu können, eine entsprechende technische Ausstattung, die Vorträge und verschiedenste Veranstaltungen für ganz unterschiedliche Zielgruppen auch gut möglich macht. Drei MitarbeiterInnen gewährleisten, dass die Bibliothek 15 Stun­den pro Woche geöffnet ist, und dreimal wöchentlich zu unterschiedlichen Tageszeiten können die Menschen Medien entlehnen. Mit großem Einsatz der MitarbeiterInnen und mit Hilfe eines finanziellen Zuschusses durch den Bund für PCs und Medien wird auf einen Bestand von 15 000 Medien hingearbeitet. Das ist unter anderem ein Zielstan­dard aus diesem Kriterienkatalog, dass eben pro EinwohnerIn eine bestimmte Anzahl von Medien erreicht wird.

Bildung und Zugang zu Bildung sind ein Grundrecht für alle Menschen. Mit den Bü­chereien, meine ich, wird diesem Ansatz verstärkt auch Rechnung getragen. Zahlrei­che Büchereien in Österreich haben die Büchereiförderung, diese neue Büchereiförde­rung, gekoppelt an neue Ziel- und Strukturvorgaben, auch genützt und in ihren Ge­meinden das Angebot wesentlich verbessert – ein Beweis dafür, wie wichtig und positiv es war und ist, das öffentliche Büchereiwesen als Fördergebiet seitens des BMUKK neu zu definieren und neu zu organisieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39


Präsident Fritz Neugebauer: Es spricht nun Frau Abgeordnete Höllerer. – Bitte.

 


17.39.07

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bun­desministerin! 2010 waren für die Bundesmuseen und für die Nationalbibliothek 146,77 Millionen € vorhanden, die natürlich auch aufgewendet wurden. Eines der we­sentlichsten Ziele der museumspolitischen Initiative 2010 war die verstärkte Heranfüh­rung der Bevölkerung zu Kulturangeboten. Mit der Einführung des freien Eintritts für Ju­gendliche bis zum 19. Lebensjahr in die Bundesmuseen und auch in die Nationalbiblio­thek, welcher mit 1. Jänner 2010 in Kraft getreten ist, konnte gerade in dieser Hinsicht ein sehr bedeutender Schritt gesetzt werden. Es wurde heute bereits einige Male da­rauf hingewiesen.

Es gibt mittlerweile auch Nachahmer, das ist alles sehr positiv. Auf diese Weise konn­ten auch 920 000 junge Menschen die Bundesmuseen besichtigen beziehungsweise in den Bundesmuseen neues Wissen vermittelt bekommen. Das sind um 24 Prozent mehr als im Jahr davor. Im Jahr 2010 konnten insgesamt 4 070 800 Besucherinnen und Besucher verzeichnet werden. Im Jahr 2011, so ist aus Vorerhebungen ablesbar, waren die Besucherzahlen allerdings wieder rückläufig.

Laut Pressemeldungen wurde darauf hingewiesen, dass die Zählmethoden in den Bun­desmuseen unterschiedlich sind und es daher auch zu Verzerrungen kommen kann. Da aber solch positive Kulturinitiativen wie dieser Gratiseintritt, der im Jahr 2010 einge­führt wurde, erfolgsmäßig letztendlich auch an den Besucherzahlen ablesbar sein müs­sen, wäre es vielleicht auch eine gute Anregung, Frau Bundesministerin, künftig für einheitliche Zählkriterien in den Bundesmuseen Sorge zu tragen, denn dann kann man wirklich aussagekräftige und auch korrekte, vergleichbare Besucherdaten bekommen. (Beifall des Abg. Dr. Zinggl.)

Zusammenfassend kann natürlich gesagt werden, dass mit dem Gratiseintritt für Kinder und Jugendliche in unsere Bundesmuseen ein besonders wichtiges kulturpolitisches


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Geschehen stattgefunden hat und dass damit eine tolle Maßnahme gesetzt wurde. Da­zu auch meine Gratulation. (Beifall bei der ÖVP.)

17.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schickho­fer. – Bitte.

 


17.41.49

Abgeordneter Mag. Michael Schickhofer (SPÖ): Sozialdemokratische Handschrift wird immer dann erkennbar, wenn ein qualitativ hochwertiges Angebot einer breiteren Personengruppe zur Verfügung steht.

Wir wollen vor allem jungen Menschen den Zugang zu Bildung, Kunst und Kultur er­leichtern (Zwischenrufe bei der FPÖ), sie dazu motivieren, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen, sind doch Kunst und Kultur ein zentraler Bestandteil der Lebens­bildung. Daher halte ich es für ganz, ganz wichtig, dass es den freien Eintritt für alle Ju­gendlichen bis 19 Jahre – nicht nur für die Schülerinnen und Schüler – in die Bundes­museen und in die Österreichische Nationalbibliothek gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir junge Menschen motivieren, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen. Daher bin ich sehr froh darüber, dass es ergänzende Stipendienformate gibt, dass wir Arbeitsmöglichkeiten auch in Auslandsateliers schaf­fen und dass wir es jungen Menschen ermöglichen, sich auf internationalen und natio­nalen Ausstellungen und Messen zu präsentieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass 1,75 Millionen € in Kooperationen von Schulen und Kultureinrichtungen investiert werden. Das ist vor allem für uns im ländlichen Raum sehr wichtig.

Ich halte es aber auch für notwendig, dass wir immer darauf achten, dass die Qualität gesteigert wird. Daher ist es meiner Meinung nach sehr sinnvoll, dass es klare Leis­tungsvorgaben durch Rahmenzielvereinbarungen für die Bundesmuseen gibt. Denn für mich heißt sozialdemokratische Kulturpolitik Qualitätssteigerung, einen breiteren Zu­gang zu schaffen – und das, und dafür steht die Frau Bundesministerin, bei einem kon­stanten Budget. Das ist die eigentliche Kunst, erfolgreich in einem Ressort zu wirtschaften.

Da Herr Zanger und Frau Schenk im Saal sind und die steirische Schulsituation und der Bildungsplan angesprochen wurden: Ich glaube, wir kommen damit einer Forde­rung von FPÖ und BZÖ nach, die Verwaltungsreformvorschläge des Rechnungshofes, die auf Seite 173 angeführt sind, umzusetzen und eine klare Schulstandortstrategie auch unter betriebswirtschaftlichen Kriterien. (Abg. Zanger: Das kann aber anders auch ausschauen, nicht so, wie ihr das macht!)

Wir akzeptieren die Tatsache, dass wir in der Steiermark gegenüber den siebziger Jah­ren um rund die Hälfte weniger Schüler haben, wir wollen aber vor allem eines  (Abg. Zanger: 30 Kilometer Schulweg sind okay für Sie?) – Sie können jetzt sagen, Sie von der FPÖ wollen Mehreinnahmen, damit wir uns weiterhin diese Strukturen leisten kön­nen. Uns Sozialdemokraten geht es aber darum, ein höchstmögliches Bildungsangebot auch im ländlichen Raum zur Verfügung zu stellen; das heißt Begabtenförderung, Sprach­förderung, Leseförderung. Durch diese Reformvorhaben wird es möglich, dass wir über 1 000 Lehrerwochenstunden für die Kinder in der Steiermark zur Verfügung stellen, dass das Leistungsniveau der Bildungsinstitutionen gehoben wird. (Abg. Zanger: Eine große Leistung!)

Wir müssen uns dazu bekennen, die vorhandenen Mittel effizienter einzusetzen. Es geht da um 36 einklassige Volksschulen mit weniger als 20 Schülern, also im Schnitt 5 Kinder pro Schulstufe (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Zanger), und ich glaube, die haben auf Basis der Rechnungshofempfehlung und aufgrund der wichtigen Bil-


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dungsstrategien der Ministerin in Zukunft in der Steiermark mehr Chancen als bisher. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Ihr habt selber gesagt, ihr erspart euch nichts! – Abg. Mag. Schickhofer – das Rednerpult verlassend –: Wir erhöhen die Qua­lität!)

17.45


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schöneg­ger. – Bitte. (Abg. Grosz – in Richtung des Abg. Mag. Schickhofer –: Wenn du eine Schule schließt, wo ist die Qualitätssteigerung? – Abg. Mag. Schickhofer: Die Quali­tätssteigerung ist, wenn ich 5 Kilometer weiter fahre ! – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen. – Weitere Zwischenrufe.)

Bitte, Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


17.45.49

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Vielleicht, Kollege Grosz, Kollege Schickhofer, wäre es besser, wenn ihr das draußen klärt, das wäre an­genehmer für alle anderen Kollegen.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, zum Kulturbericht 2010 ist nun wirklich schon alles gesagt, das Kulturjahr 2010 liegt ja auch schon etwas zurück. Damit kann ich es kurz machen, ich schließe mich beinahe vorbe­haltlos den Ausführungen der Vorrednerinnen und Vorredner an. Es ist ein sehr guter Bericht geworden, er ist gut lesbar und gibt einen guten Überblick über das Kultur­jahr 2010.

Kurz greife ich ganz besonders gerne auf, dass es im Jahr 2010 aus Grazer Sicht et­was Erfreuliches gegeben hat: Es ist gelungen, das Schloss Eggenberg zu einem Welt­kulturerbe zu machen. Das ist zum einen auch der umsichtigen Arbeit des Grazer Bür­germeisters Siegfried Nagl zu verdanken. Ich glaube, das ist sehr erfreulich. (Beifall bei der ÖVP.)

Erfreulich ist auch die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit des Bundesdenkmal­amts mit den Denkmaleigentümern. Da nenne ich als Beispiele das Rosegger-Geburts­haus Kluppeneggerhof, die Grazer Triestersiedlung und auch die Sanierung von Gra­zer Stadtpalais wie jene des Palais Kottulinsky. Das sind positive Beispiele für gute Zu­sammenarbeit.

Erfreulich ist auch die Unterstützung Grazer Museen, wie des Kindermuseums und des Universalmuseums Joanneum, da ist etwas wirklich Tolles entstanden. Ich kann jedem empfehlen, dieses Museumsviertel einmal zu besuchen. Da ist ein neues Stadtviertel entstanden, und das ist auch wirklich toll.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Dieser Hinweis wird wahrscheinlich überflüssig sein, aber ich sage es Ihnen trotzdem gerne: Heuer jährt sich die Gründung des Frei­lichtmuseums Stübing zum 50. Mal. Da ist noch etwas zu tun. Sie haben im Ausschuss schon festgestellt, dass Sie die Finanzierung bis 2013 sichergestellt haben. Das ist gut, und ich nehme an, dass wir alle das Interesse verfolgen, nämlich das gesamtösterrei­chische Interesse, Stübing über das Jahr 2013 hinaus auf gesunde Beine zu stellen und die Zukunft zu sichern.

Ja, das war’s. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

17.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


17.47.54

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ein wichtiges Kapitel der Kulturpolitik ist die Frage der kulturellen


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Teilhabe. Um zu einem besseren Verständnis für Kunst und Kultur zu kommen, benö­tigt es ein geschultes Wahrnehmungsvermögen, Offenheit, Wissen und Vermittlung und Freude daran, mit der Kunst in einen Dialog zu treten. Wir haben das erkannt und Schrit­te in diese Richtung gesetzt.

Ein wichtiger Schritt ist das Zusammenwirken von Schule und Kunst unter dem Motto „Kunst macht Schule“. Mithilfe von KünstlerInnen und Kunstpädagogen werden die An­näherung an die Kunst und Kultur und die Auseinandersetzung damit eingeleitet.

Ich habe heute schon in der Bildungsdebatte den Artikel 26 der Menschenrechte er­wähnt, nämlich das Recht auf Bildung. Mit dem Projekt „Kunst macht Schule“ erfüllen wir einen Teil davon.

Einen zweiten großen Teil erfüllen wir durch die Einführung des freien Eintritts in die Bundesmuseen für alle Kinder und Jugendlichen unter 19 Jahren. Dieses Gesetz ist, wie meine Vorredner und Vorrednerinnen bereits gesagt haben, mit 1. Jänner 2010 in Kraft getreten, und dieser freie Eintritt hat sich als recht großer Erfolg entpuppt. Mehr junge Menschen als je zuvor haben die Museen gestürmt. Begleitend werden hoch­wertige, qualitativ hochstehende Vermittlungsprogramme angeboten, die auch sehr gut angenommen werden.

Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, ist keine Einbahnstraße, denn erstens werden jüngere Kinder von Aufsichtspersonen begleitet und tragen dann ihre Begeis­terung wieder zurück in die Familien – das hat dort Auswirkungen –, und zweitens sind sie das Publikum von morgen.

Mit dem freien Eintritt ist auch eine weitere Forderung der Menschenrechte erfüllt wor­den. Im Artikel 27, der sich auf das kulturelle Leben bezieht, heißt es: „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an Kunst zu er­freuen“. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte.

 


17.50.12

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Stellen wir uns vor, es heißt im Museum nicht „Berühren verboten!“, sondern es heißt „Bitte berühren!“ Kunst durch die Finger­spitzen spürbar machen. – Das ist nicht Zukunftsmusik, das geschieht und zeigt auch, welche neuen Wege die Kulturvermittlung bereits beschreitet.

Dazu ein positives Beispiel aus dem Museum für Völkerkunde. Da hieß es „Begreifen erlaubt!“ Wie ist das geschehen? – Zu allen Sonderausstellungen wurden Programme für Blinde und Sehschwache angeboten. Gratulation zu all diesen Bemühungen! (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

Zu den neuen Wegen der Kulturvermittlung gehört auch, dass sich die Kultur zu den Menschen hinbewegt. Das ist auch so geschehen. Die Volksoper etwa hat keine Brie­ferl an die Senioren versendet, sondern war bei den Seniorenmessen in Wien und St. Pölten präsent – also der persönliche Kontakt.

Spannend ist die Entwicklung der öffentlichen Büchereien, wir haben es ja gehört. Ist Bücherlesen in unserer modernen und multimedialen Welt out? – Mitnichten! Die Kam­pagne „Österreich liest. Treffpunkt Bibliothek“ ist eine Erfolgsstory.

Wie schaut es in Zeiten wie diesen mit der Finanzierung aus? – Das Budget für Kunst und Kultur bleibt 2012 gegenüber dem Vorjahr beinahe unverändert. Also keine drasti-


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schen Kürzungen. Das ist ein gutes Zeichen, wie ich meine, und zeigt auch den hohen Stellenwert von Kunst und Kultur in unserem Land. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.52

17.52.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vorneh­men werde.

Zunächst Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Kulturausschus­ses unter Berücksichtigung der von der Berichterstatterin vorgebrachten Druckfehler­berichtigung, den vorliegenden Bericht III-255 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Kulturausschusses, seinen Bericht 1448 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um Ihr zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

17.52.589. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1565/A(E) der Ab­geordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien (1620 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Es erfolgt keine mündliche Berichterstattung.

Zu diesem Punkt sind insgesamt fünf Debattenredner gemeldet. Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Muchitsch. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.53.28

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Wir behandeln nun den Antrag des Abgeordneten Josef Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien. Wie bereits im Ausschuss festgehalten wurde, ist es Öster­reich und dem zuständigen Bundesministerium für europäische und internationale An­gelegenheiten wichtig, die Lage der deutschsprachigen Volksgruppen in Slowenien zu verbessern.

Das wird natürlich genauestens verfolgt. Bei jeder Gelegenheit wird diese Thematik von Österreich gegenüber den slowenischen Stellen auch angesprochen. Der Erfolg bis dato ist aber eigentlich nicht zufriedenstellend. Das heißt, bisherige versöhnliche Ges­ten der slowenischen Politik und der slowenischen Verwaltung sind zwar erste Schritte, aber mit diesen dürfen wir uns nicht zufriedengeben – und das werden wir auch nicht.

Slowenien befürchtet, dass es bei einer Anerkennung der deutschsprachigen Volks­gruppen einen Folgeeffekt gibt, das heißt, dass vielleicht wesentlich größere Minder­heiten in Slowenien, wie zum Beispiel serbische Minderheiten, dann auch entsprechen­de Ansprüche stellen.

Angst war bis vor Kurzem auch in Österreich noch ein Thema, wenn es darum ging, Minderheiten gleich zu behandeln. Das Beispiel Ortstafelstreit in Kärnten kennen Sie,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 163

wo es aber Gott sei Dank gelungen ist – dank der Vermittlung unseres Staatssekretärs Josef Ostermayer –, diesen zu lösen.

Es gilt, beim Thema Slowenien und deutschsprachige Minderheit dranzubleiben und Slowenien zu überzeugen.

Die Annahme des Entschließungsantrages kann dazu sicherlich ein weiterer Schritt sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Staatssekretär Dr. Waldner zu Wort. – Bitte.

 


17.55.24

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Wolfgang Waldner: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte auch hier im Plenum noch einmal bekräftigen, dass dieses Anliegen im Außen­ministerium sehr ernst genommen und von uns regelmäßig aktiv angesprochen wird.

Ich selbst habe, wie auch im Ausschuss angekündigt, die Frage der Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit bei meinen Besuchen mehrmals angesprochen, in Lai­bach gegenüber meinen offiziellen slowenischen Gesprächspartnern. Der Herr Bun­despräsident hat das Thema in Laibach gegenüber Staatspräsident Türk zur Sprache gebracht.

Ich darf die Ausgangssituation noch einmal kurz umreißen: Diese altösterreichische deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien umfasst zirka 1 600 Personen, etwa 1 Pro­mille der Bevölkerung, verteilt sich auf ganz Slowenien mit einer Konzentration in sechs Städten.

Die Volksgruppe ist im bilateralen Kulturabkommen mit Slowenien aus dem Jahr 2002 ausdrücklich anerkannt. Damit ist das Kulturabkommen aus österreichischer Sicht jedenfalls ein wichtiger Schritt zur Verankerung dieser Volksgruppe als autochthone Minderheit in der slowenischen Verfassung. Und die slowenische Verfassung garantiert diesen Minderheiten das freie Bekenntnis der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe, ein­schließlich der Pflege der eigenen Kultur und Verwendung der eigenen Schrift und Spra­che.

Eine Anerkennung als autochthone Volksgruppe mit gewissen Sonderrechten ist für die deutschsprachige Minderheit derzeit hingegen nicht vorgesehen, sondern nur für die italienische und die ungarische Volksgruppe.

Präsident Türk, auch das wurde im Ausschuss mehrfach diskutiert, hat unserem Bun­despräsidenten eine Mitgliedschaft der deutschsprachigen Volksgruppe im sogenann­ten Rat für die Zusammenarbeit vorgeschlagen. Dieser soll für neue Volksgruppen im ehemaligen Jugoslawien eingerichtet werden. Eine solche Teilnahme könnte ein sinn­voller Zwischenschritt auf dem Weg zur vollen Anerkennung sein.

Ich möchte Ihnen hier noch einmal versichern, dass wir uns auch in den internationalen Foren, im Menschenrechtsrat, natürlich im Europarat, weiter dafür einsetzen werden und dass das Ziel die Verankerung der deutschsprachigen Volksgruppe als autochtho­ne Volksgruppe in der Verfassung bleibt.

Wir werden in Zukunft die Vereine der deutschsprachigen Volksgruppe weiterhin finan­ziell unterstützen – im Wege unserer Botschaft in Laibach und durch das Außenminis­terium direkt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 164

17.57.38

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich vor allem auch da­ran, wie mit Schwächeren und vor allem auch mit Minderheiten umgegangen wird. So gesehen ist Österreichs Gesellschaft qualitativ sehr hochstehend, und wir können ruhi­gen Gewissens nach einigen Maßnahmen, die im österreichischen Parlament gesetzt wurden und werden, vor allem auch durch die Lösung der Kärntner Ortstafelfrage und das in Verhandlung stehende Volksgruppengesetz, mit Fug und Recht von Slowenien ähnliche oder gleiche Schritte verlangen (Abg. Öllinger: Das hat aber schon lange ge­dauert bei uns!), wenn es um die Anerkennung der altösterreichischen deutschsprachi­gen Volksgruppe in Slowenien geht.

Ich bin unserem Außenminister Michael Spindelegger und auch Herrn Staatssekretär Waldner sehr dankbar dafür – der Herr Staatssekretär hat das auch zum Ausdruck ge­bracht –, dass sie auch beim Beschluss der Kärntner Ortstafelfrage ganz klar von Slo­wenien diesbezügliche Schritte verlangt haben und diese auch ständig bei bilateralen Gesprächen einfordern.

Die Anerkennung ist nicht nur ein symbolisches Zeichen, sondern bringt natürlich auch Rechte mit sich, wie zum Beispiel die Verwendung der Muttersprache. Ich glaube, wir sollten die Anerkennung weiter forcieren, und bin mir sicher und bin zuversichtlich, dass unser Außenminister und unser Staatssekretär da wesentliche Fortschritte erwir­ken werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Riemer. – Bitte.

 


17.59.00

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Slowenien – ich danke einmal den Vorrednern und vor allem den Damen und Herren im Menschenrechtsausschuss unter dem Vorsitz von Frau Korun.

Der Ruf Sloweniens als europäisches Musterland hat in menschenrechtlicher Hinsicht natürlich ein gewaltiges Defizit. Kärnten hat, wie wir gehört haben, mit der Ortstafelfra­ge schon vorgezeigt, wie so etwas gehen kann.

Die Italiener, Ungarn und auch Roma haben da natürlich diesen Schutz, den die Deut­schen in Slowenien nicht haben, geschweige denn führt das dazu. Zurzeit sind – und das ist nur wenige Kilometer von unserer Grenze entfernt, es sind 2 500 allein nur in Marburg, ich wollte das nur kurz sagen – diese Statistiken zu prüfen.

Daraus resultieren ein starker Assimilierungsdruck und die Furcht der tatsächlichen Deutschen, sich zu deklarieren. Das geht so weit, dass sie sich nicht einmal trauen, die Adresse auf die Briefe zu schreiben, wenn sie eine Botschaft an einen ihrer Vereine richten – im 21. Jahrhundert! Wir haben noch Grenzen aus dem vorigen Jahrhundert in den Köpfen, obwohl sie durch Europa eigentlich schon niedergerissen sein sollten.

Was brächte eine verfassungsrechtliche Verankerung? Das ist wichtig, nicht Kulturab­kommen, die taugen nicht sehr viel. In erster Linie geht es um einen rechtlichen und ma­teriellen Schutz der Minderheit und eine Minderung des Assimilierungsdrucks. Deutsch­sprachige wären als ganz normale Bürger zu betrachten und nicht als Bürger zweiter Klasse. Der slowenische Staat müsste für die Umsetzung der Menschenrechtskonven­tion in der Praxis und für die Sanktionierung der Nichtgewährung von Rechten sorgen. Wichtig ist auch die Möglichkeit, gemäß der Menschenrechtskonvention gegen Hetze und gegen Diskriminierung Anzeige erstatten zu können. Es gibt einschlägige Urteile slowenischer Gerichte, sogar des Verfassungsgerichts, klagen oder Anzeigen erstatten kann nur eine anerkannte Minderheit, ansonsten taugt das nichts.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 165

Eine normale Verwendung der deutschen Sprache und der Ortsnamen in ihrer Sprache sollte nicht unter Strafe stehen oder Diskriminierung hervorrufen. Der Verein in Cilli darf zum Beispiel seinen Namen nicht in deutscher Sprache wählen, nur auf Slowenisch; das ist sonst verboten. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das ist ja Blödsinn!)

Ebenso wichtig ist die Behandlung in den Medien, auch dabei geht es nur um eine verfassungsrechtliche Verankerung. Der slowenische Staat hätte dann auch für die Be­wahrung von deutschen Inschriften in Kirchen und Kapellen und auf Friedhöfen zu sor­gen. Der Denkmalschutz müsste auch dafür sorgen, dass im Gottscheer-Land verlas­sene Friedhöfe nicht einfach als Weide oder Hundedressurplätze genutzt werden.

Wie wir schon gehört haben, wäre die Vertretung, also zumindest ein Abgeordneter im Parlament wie bei den Italienern oder Ungarn, wichtig. Das ist eine wesentliche Sache. Die Vereine brauchen natürlich auch eine geregelte Grundfinanzierung. Die Gemein­den sind die Träger von Grundschulen und Kindergärten, also geht es bei der Vertre­tung im Gemeinderat um ein Mitspracherecht bei der ersten und zweiten Fremdspra­che. Zweisprachige Kindergärten und Grundschulen, aber nicht nur für Diplomatenkin­der in Laibach, sondern Deutsch auch als Unterrichtssprache in Marburg – das wäre eine wesentliche Sache.

Diese Punkte, die ich hier verlesen habe, sind auch durch den Europarat schon mehr­mals festgestellt und auch eingemahnt worden. Ich ersuche wirklich darum, nicht nur mit Worten, sondern tatkräftig einzuschreiten. Eine tolle Geschichte war gestern der „Kleinen Zeitung“ zu entnehmen: Der ehemalige Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ hat gemeint, dass die Kommission ähnlich wie beim Kärntner Ortstafelkonflikt durchaus bereit wäre, eine Vermittlungsposition einzunehmen.

Nutzen wir diese Chance! In Laibach gibt es Damen und Herren, die bereit sind, zu reden. Wir müssen natürlich wie in anderen Menschenrechtsfragen das Ruder aktiv in die Hand nehmen. Ich bitte, diesen Antrag zu unterstützen. Reißen wir Grenzen in Eu­ropa nieder! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


18.03.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Staatssekretär! Kol­lege Riemer, Sie wären dann glaubwürdig, wenn Sie mit derselben Energie und mit demselben Engagement die österreichischen Roma verteidigen würden. Wenn Sie die Rechte der Roma in Österreich verteidigen und für sie geradestehen würden, dann wür­de ich Ihnen ja Glaubwürdigkeit attestieren. (Zwischenruf der Abg. Mag. Unterreiner.) So aber muss ich sagen, dass Sie von der Realität und davon, wie es zu diesen Pro­blemen gekommen ist, wenig verstanden haben. Ich werde versuchen, ein bisschen da­rauf einzugehen.

Ich sage aber gleich vorneweg, dass ich trotzdem froh darüber bin, dass es einen ge­meinsamen, nüchternen, richtigen Antrag gibt. Es wird nämlich einfach eine Wertschät­zung für kulturelle Eigenheiten in Slowenien ausgesprochen, eben für die Sprache, die Kultur, den Zusammenhang einer Lebenswelt, in der Menschen oft unter Verleugnung ihrer Vergangenheit groß geworden sind. So haben sie wieder eine Chance, ihrer eige­nen widersprüchlichen Geschichte nachzuspüren. Darum geht es den Grünen dabei.

Bedenken wir, was nach 1945 geschehen ist! Ich habe es in mehreren Gebieten des ehemaligen Jugoslawien erlebt, dass Menschen, die aus Misch-Ehen gekommen sind  (Zwischenruf.) Das war die Realität. Für jene, die es nicht wissen: Menschen aus sogenannten Misch-Ehen hatten nach 1945 nicht die Verpflichtung, sich offiziell bei den Behörden zu melden. Die deutschsprachige Bevölkerung – unter Anführungszei-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 166

chen –, rein „deutsche Familien“, sind nach der Meldung in die entsprechenden Lager gekommen und haben diesen Leidensweg erlebt, den die Vertriebenen kennen. Die Men­schen, die aus solchen Familien kommen, wissen, wie widersprüchlich, problematisch und äußerst schmerzhaft das alles war.

Aber jene, die dort geblieben sind, weil sie aus gemischten Familien waren – das war auch nicht ganz selbstverständlich, aber durchaus üblich –, hatten das Problem, dass sie die Sprache und die Kultur ihrer beiden Eltern nicht mehr gleichwertig wahrnehmen konnten. Das war die Situation nach 1945. Das war sehr schmerzhaft für die Men­schen. Es gibt zum Beispiel diese Obfrau eines Vereines in Slowenien, die klarerweise erst mit 14, 15 Jahren darauf gekommen ist, dass sie aus so einer Familie ist. Dass solche Menschen die Möglichkeit und die Chance haben, sich ihrer eigenen Kultur wie­der zuzuwenden und das wieder zu leben, ist für uns Menschenrecht.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, das würde für Slowenien gelten, das gilt aber selbstverständlich auch für Österreich. Das würde genau für jene junge Menschen der zweiten oder dritten Generation einer Einwandererfamilie gelten, die sagen: Ja, ei­gentlich würde ich mich mit der Kultur meiner Eltern, meiner Großeltern wieder inten­siver beschäftigen. Genau darin besteht es, den Wurzeln nachzuspüren und Men­schenrechte in allen Gebieten der Europäischen Union so umzusetzen, dass die Men­schen sich ihren Wurzeln entsprechend auch kritisch mit ihrer Kultur beschäftigen kön­nen. Dafür stehen wir.

Ich nenne Ihnen als Obmann der Parlamentarischen Gruppe Österreich-Slowenien ein Beispiel: Wir haben immer wieder Austauschgespräche gehabt, und auf slowenischer Seite haben wir Abgeordnete wie Kramberger. Spricht man mit dem Kollegen, dann sagt er: Ja, der Großvater! Dieses Kulturnetzwerk, in dem wir in Mitteleuropa stehen, ist also vielfältig. So, wie wir nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich viele slowe­nische, viele slawische Namen haben, ist es auch in diesen Gebieten.

Ich meine, das muss der Fokus sein: ein kultureller Austausch, eine wirkliche kulturelle Anerkennung. Wir haben eigentlich so unendlich lange gebraucht, um nur die notwen­digsten Dinge zu machen, die im Staatsvertrag stehen – Stichwort Ortstafeln. Das ist eigentlich sehr traurig. Die Slowenen haben währenddessen alle anderen Minderhei­ten, selbst die Kroaten, sehr aktiv eingebunden. Ich kenne den Minderheitensprecher der Kroaten, ein alter Herr, der für sehr viele Minderheiten als Kontaktperson im Par­lament gesprochen hat. Das ist eine andere Kultur, aber die Minderheiten in diesen Re­gionen sind sozusagen auch organisiert.

Das ist ein guter Antrag, ein gemeinsamer in diesem Punkt: Der Fokus muss richtig sein, und ich hoffe, dass der Herr Staatssekretär vor allem diesen kulturellen Aus­tausch, diese positive Zukunftsorientierung in den Vordergrund stellt. (Beifall bei den Grünen.)

18.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


18.08.15

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Hohes Haus! Kollege Pirklhuber, schöne Worte, aber die Frage ist, was dann daraus wird. Österreich und vor allem dieses Haus haben den Staatsvertrag erfüllt, zuletzt mit der Lösung der Frage der Ortstafeln in Kärnten.

Was wir jetzt im Jahr 2012 in einem den Menschenrechten verbundenen Europa erle­ben, ist, dass es Slowenien nicht getan hat, dass die deutschsprachige Minderheit nicht anerkannt ist, dass sie den Minderheitenschutz nicht genießt. Die Slowenen ge­hen zwar relativ lustig her und beantragen bei der Europäischen Union einen Marken­schutz für – man höre – „Steirisches Kürbiskernöl jenseits der Mur“. (Zwischenruf des


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Abg. Dr. Pirklhuber.) Wenn es also um wirtschaftliche Gedanken geht, vereinnahmen die Slowenen alle Minderheiten, auch wenn es um die Mehrheit des Kürbiskernöls geht. Auf slowenischer Seite wird „Steirisches Kürbiskernöl jenseits der Mur“ erfunden. Wenn es aber darum geht, die deutschsprachige Minderheit, zu denen die Untersteirer gehören, endlich anzuerkennen, tun sie sich schwer. (Abg. Dr. Pirklhuber: Aber die Steirer !)

Wir stimmen dem Antrag sehr wohl zu, weil das einer unserer Grundforderungen ent­spricht. Wir sind daher auch froh, dass Kollege Riemer endlich die Mehrheit der Re­gierungsparteien für seinen Antrag hinter sich vereinen konnte. Aber sind wir doch ehr­lich: Es wird wieder nichts bringen! Die deutschsprachige Minderheit wird wieder nicht anerkannt werden, und wir werden das Thema weiterhin vor uns herschieben. Das liegt auch daran, dass die österreichische Bundesregierung es nicht gewohnt ist, eine klare und deutliche Sprache in dieser Frage zu sprechen.

Im Ausschuss haben wir gefragt: Was haben Sie denn persönlich getan? Mit wem ha­ben Sie denn gesprochen? Wo haben Sie mit welchen Sätzen darauf Einfluss genom­men, dass die deutschsprachige Minderheit endlich anerkannt wird? – Ja, also das ist dort ein bisschen, und auf Beamtenebene, und ein bisschen fragen wir den Herrn Bot­schafter. Nein! Es gibt keine offizielle Erklärung des Außenministers – eines Vizekanz­lers und ÖVP-Parteiobmannes, der in der Außenpolitik überhaupt untergetaucht ist, wenn er sich nicht gerade mit Pässen beschäftigt –, in der er eindeutig sagt: Österreich besteht darauf, dass die deutschsprachige Minderheit endlich anerkannt wird.

Wir wollen das. Wir stimmen dem zu, aber wir gehen davon aus, dass das leider Got­tes nicht der letzte Antrag zu diesem Thema war. (Beifall beim BZÖ.)

18.10

18.10.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1620 der Beilagen an­geschlossene Entschließung betreffend Anerkennung der deutschsprachigen Minder­heit in Slowenien.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 225.)

18.11.14 10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1764/A(E) der Ab­geordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend geplantes men­schenrechtswidriges Anti-Terrorgesetz in Saudi-Arabien (1621 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich rufe den 10. Punkt der Tagesordnung auf.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Vock. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.11.32

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Menschenrechte sind bekanntlich unteilbar. Wenn auch die Einmischung in in­nere Angelegenheiten eines anderen Staates wie in diesem Fall Saudi-Arabien immer hinterfragenswert ist, so ist ein Verstoß gegen Menschenrechte grundsätzlich verurtei­lenswert. Darum hätten oder haben wir auch den Antrag der Kollegin Korun gerne un­terstützt, der aber leider keine Mehrheit im Ausschuss gefunden hat, weshalb hier ein negativer Ausschussbericht vorliegt.

Dabei sagt dieser Antrag ja nur, dass sicherzustellen ist, dass nur international aner­kannte Straftatbestände verfolgt werden sollen, es zu keinen willkürlichen Inhaftierun-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 168

gen oder Inhaftierungen ohne vorherige Anklage kommen soll, Gerichtsverfahren nur vor ordentlichen unabhängigen Gerichten durchgeführt werden sollen, keine Todes­strafen an Personen unter 18 beziehungsweise ohne ordentliches Gerichtsverfahren vollzogen werden sollen. Folter soll verhindert werden, politische Häftlinge, die auf­grund der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit und Versammlungs­freiheit inhaftiert sind, sind freizulassen, und generell ist die Abschaffung der Todes­strafe in diesem Staat zu überdenken.

Die Regierungsparteien haben sich in ihrem Abänderungsantrag nur auf den Kampf gegen den Terrorismus konzentriert und nicht die grundsätzliche Verletzung der Men­schenrechte in diesem Fall, in diesem Staat berücksichtigt. Daher lehnen wir auch den Regierungsantrag ab. (Beifall bei der FPÖ.)

18.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Staatssekretär Dr. Waldner zu Wort. – Bitte.

 


18.13.13

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Wolfgang Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte vorweg kurz dem in der heutigen Kurzdebatte zum Dialogzentrum geäußerten Vorwurf entge­gentreten, dass die Abschaffung der Todesstrafe, konkret in Saudi-Arabien, vom Au­ßenministerium nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben werde.

Die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist eine der Prioritäten der österreichischen Menschenrechtspolitik. Dies wurde auch durch den Entschließungsantrag des Natio­nalrates zum Thema Todesstrafe im Sommer 2011 bestätigt. Österreich engagiert sich gemeinsam mit den EU-Partnern generell und intensiv für die Abschaffung der Todes­strafe sowie für die Nicht-Vollstreckung im Einzelfall. Konkret zu erwähnen sind Inter­ventionen auf Basis der EU-Leitlinien vor allem bei grausamen Hinrichtungsformen, bei jugendlichen Straftätern, bei unfairen Verfahren, bei Schwangeren oder Menschen mit geistiger Behinderung.

Frau Abgeordnete Korun, in diesem Sinne fordern wir auch laufend gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten in bilateralen Kontakten mit den saudischen Ge­sprächspartnern natürlich auch in Saudi-Arabien die Abschaffung der Todesstrafe oder als ersten Schritt zumindest eine Aussetzung der Todesstrafe. Das nur vorweg und zur Ergänzung zur früheren Debatte, weil es auch mit dem jetzigen Thema, mit der Dis­kussion zum Entwurf eines neuen Anti-Terrorgesetzes in Saudi-Arabien, die wir eben­falls mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, zusammenhängt.

Dazu ist zu sagen, dass Maßnahmen gegen den Terrorismus im Interesse der gesam­ten Staatengemeinschaft sind. Wir sind jedoch überzeugt davon, dass solche Maßnah­men unter Einhaltung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Grundsätze erfolgen müssen. Der Gesetzentwurf in Saudi-Arabien selbst ist keineswegs unumstritten in die­sem Land, und derzeit ist noch nicht klar, ob und in welcher Form der Entwurf in Saudi-Arabien weiter bearbeitet wird. Eine baldige Verabschiedung dieses Gesetzes ist je­denfalls nach dem Wissensstand, den wir im Außenministerium haben, nicht absehbar. Österreich wird natürlich nicht zögern, Bedenken zu äußern, wenn der finale Entwurf vorliegt und darin wieder menschenrechtswidrige Bestimmungen enthalten sind.

Unser Ziel ist es, den Menschenrechtsschutz bei Maßnahmen gegen den Terrorismus weltweit zu verbessern, nicht nur in Saudi-Arabien. Wir haben daher im Rahmen der UNO, insbesondere während der österreichischen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat, bei jeder Gelegenheit unsere Stimme für eine Stärkung des Schutzes der Menschenrechte im globalen Kampf gegen den Terrorismus erhoben. Als Mitglied des UNO-Menschen­rechtsrates, aber auch auf regionaler und bilateraler Ebene werden wir unser Engage-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 169

ment für diesen verstärkten Menschenrechtsschutz und für die Rechtsstaatlichkeit wei­ter fortführen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


18.16.03

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Bekanntlich hat die Republik Österreich einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat inne. Nicht zuletzt dadurch kommt schon zum Ausdruck, dass Österreich nicht nur ein Land ist, in dem die Menschenrechte mit größter Selbstver­ständlichkeit hochgehalten werden, sondern dass wir uns auch international immer dort, wo sie missachtet werden, für die Menschenrechte einsetzen. Dazu bedürfte es eigentlich keiner Anträge im Parlament mehr.

Wenn heute dennoch dieser von uns im Ausschuss eingebrachte Antrag hier debattiert und hoffentlich beschlossen wird, so erfolgt dies vor dem Hintergrund, dass es ange­sichts von Akten des Terrorismus und deren Bekämpfung auf der einen Seite und der Wahrung der Menschenrechte auf der anderen Seite, die durch Anti-Terrorismus-Maß­nahmen bedroht sind, zu einem Spannungsverhältnis kommt, das durch die Politik zu bewältigen ist. Akte des Terrorismus sind schwere Verbrechen, bedrohen die Gesell­schaft und fordern unschuldige Menschenleben. Anti-Terrorismus-Strategien werden auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene daher immer notwendiger. Die in­ternationale Gemeinschaft erfordert den Kampf gegen grenzüberschreitende Krimina­lität. Schritte für internationale Rechtshilfe und Auslieferungsabkommen sind gesetzt worden und werden auch weiter gesetzt. Polizeiliche Zusammenarbeit ist ein Gebot der Stunde. Das ist die eine Seite.

Maßnahmen der Terrorbekämpfung sind aber sehr oft mit erheblichen Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte und die Menschenrechte verbunden. Das ist die andere Seite. Es besteht die Gefahr und es ist vielfach Realität, dass von manchen Regierun­gen der Terrorismus zum Vorwand genommen wird, um die Regeln der Rechtsstaat­lichkeit zu umgehen und die Menschenrechte zu mindern. Hierbei den richtigen Weg zu finden ist eine der ganz großen aktuellen Herausforderungen an die Politik.

Wie schon im Ausschuss festgestellt sind wir aber der Meinung, dass man das nicht nur auf ein Land projizieren sollte, so wie es Frau Kollegin Korun mit ihrem speziellen Antrag getan hat, sondern dass wir uns mit unserer mahnenden Haltung darüber hi­naus auf alle Länder beziehen sollten, in denen die Gefahr droht, dass die Menschen­rechte unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung aufgeweicht und missachtet werden. Daher haben wir diesen Antrag gemeinsam mit der ÖVP eingebracht, und ich ersuche um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

18.18


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


18.18.41

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das vom Regime in Saudi-Arabien geplante sogenannte Anti-Terrorgesetz ist ein klar menschenrechtswidriges. Es würde zum Beispiel unbegrenzte Isolationshaft vorsehen oder durch Folter erzwun­gene Geständnisse zulassen. Willkürliche Verhaftungen wären die Folge, und das alles unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung. Es ist also ein ganz klassisches men­schenrechtswidriges Gesetz, ein Versuch einer nicht demokratischen Regierung, de­mokratischen Protest zu kriminalisieren und demokratisch protestierende Bürger und Bürgerinnen so lange wie möglich in Haft zu nehmen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 170

Genau deshalb haben wir einen sehr konkreten Antrag gestellt, dessen Inhalt Herr Kol­lege Vock aufgezählt hat. Das werde ich nicht wiederholen, aber in diesem Antrag sind menschenrechtliche Standards und Selbstverständlichkeiten enthalten wie beispiels­weise die, dass faire Gerichtsverfahren vor ordentlichen, unabhängigen Gerichten ab­zuhalten sind und dass die österreichische Bundesregierung sich gegenüber dem neu­en Dialogpartner Saudi-Arabien für die Einhaltung dieser menschenrechtlichen Selbst­verständlichkeiten und Standards einsetzen soll.

Die Reaktion der Regierungsfraktionen im Menschenrechtsausschuss hat leider meine schlimmsten Befürchtungen darüber bestätigt, was mit dem sogenannten interreligiö­sen Dialog mit dem König-Abdullah-Zentrum angefangen wurde. Offensichtlich haben die Regierungsfraktionen nicht den Mut oder nicht mehr den Mut, nachdem dieses Ab­kommen über das König-Abdullah-Zentrum unterzeichnet wurde, Saudi-Arabien auf wunde Punkte, auf Menschenrechtsverletzungen, auf fehlende menschenrechtliche Stan­dards in Saudi-Arabien hinzuweisen.

Deshalb haben die Regierungsfraktionen auch einen völlig verwässerten Gegenantrag gestellt, in dem das Wort „Saudi-Arabien“ nicht mehr vorkommt. Das darf offensicht­lich nicht mehr sein. Man will den neuen Dialogpartner nicht vor den Kopf stoßen, man will nicht auf menschenrechtliche Defizite und die Tatsache eingehen, dass mit diesem sogenannten Anti-Terror-Gesetz Bürgerkritik kriminalisiert werden soll. Das zu themati­sieren ist unerwünscht.

Deshalb haben wir im Menschenrechtsausschuss den Gegenantrag der Regierungs­fraktionen abgelehnt und werden es auch hier tun. Denn damit beweisen die Regie­rungsparteien leider, dass der sogenannte Dialog, der mit Saudi-Arabien begonnen wurde, jetzt schon schlechte Früchte trägt, nämlich keine Position zu haben und nicht die Stimme gegen Menschenrechtsverletzungen zu erheben.

Das kann es nicht sein! Deshalb werden wir den genannten Antrag von SPÖ und ÖVP ablehnen und bleiben bei unserem Antrag. Wer mit jemandem einen Dialog führt, sollte diesen Dialog auf Augenhöhe führen und sollte auch auf Mängel und Kritikwürdiges beim Dialogpartner hinweisen, sollte den Mut dazu haben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


18.22.13

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätz­ten Damen und Herren! Menschenrechte sind ein hohes Gut, das ist überhaupt keine Frage. Wir von der ÖVP treten massiv für die Einhaltung der Menschenrechte und auch für einen erheblichen Standard dieser ein. Aber die Sichtweise sollte unserer Mei­nung nach nicht auf einzelne Staaten beschränkt sein, sondern wir wollen, dass sich Österreich umfassend für die Einhaltung der Menschenrechte und für die Verbesserung dieser einsetzt.

Selbstverständlich wollen wir auch Verbesserungen in Saudi-Arabien erreichen. Aber der grüne Antrag ist, glaube ich, doch zu kurz gegriffen, und daher ist dieser Antrag, der schon von Kollegen Sacher erwähnt worden ist, von den Regierungsfraktionen ein­gebracht worden. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich weiterhin für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte im Zusammenhang mit nationalen, regionalen oder internationalen Anti-Terrorismus-Strategien einzusetzen sowie den Dialog der Kulturen und Religionen und andere Projekte zur Stärkung der Menschenrechte und Grundfreiheiten weiterhin zu fördern und so zur Verhinderung von Radikalismus als Grundlage für den Terrorismus beizutragen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 171

Dabei ist natürlich zu beachten, dass Konflikte entstehen können, wenn man Terroris­mus bekämpft, dass man unter Umständen einen Eingriff in Menschenrechte beobach­ten kann und dass dabei das Prinzip auf alle Fälle aufrechtbleibt, dass der Kampf ge­gen den Terrorismus jedenfalls stets in vollem Einklang mit den internationalen Men­schenrechtsverpflichtungen zu führen ist.

Österreich ist auf sehr gutem Weg und hat auch als Mitglied des Menschenrechtsrates sehr viele Themenbereiche als thematische Schwerpunktsetzung bereits angedacht und begonnen. Unser Außenminister Michael Spindelegger ist konsequent daran, die­sen Weg zu verfolgen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.24


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


18.24.28

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Kollege von der ÖVP! Wären Sie nur beim Tou­rismus geblieben und hätten nicht über den Terrorismus und die Menschenrechte ge­sprochen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Hohes Haus! In diesem Parlament ist es eben leichter und schneller, eine eindeutige Verurteilung, eine einstimmige Verurteilung zu erreichen, wenn es darum geht, Hunde in der Ukraine zu schützen. Ich nehme es also zur Kenntnis: Bei der Todesstrafe in Saudi-Arabien schaffen wir keine Einstimmigkeit! Da sind drei Parteien dafür – die Grünen mit der Antragstellerin, die Freiheitlichen und das BZÖ, also wir –, dass wir hier eine ordentliche Verurteilung aussprechen und in Österreich, als Österreicher mit einer einheitlichen Stimme sprechen.

Da sagt die Regierung: Nein, das können wir nicht, die Todesstrafe in Saudi-Arabien verurteilen und das System, das dort herrscht. Das dürfen wir nicht, denn da könnten wir ja mit Öl und Wirtschaft – die OMV und wer nicht alles dann bei Herrn Spindelegger ein- und ausgeht!

Aber die Hunde in der Ukraine: 10 Minuten hat es gedauert! Da haben sich die fünf Fraktionen getroffen, da haben wir die Ukraine verurteilt, die Ukraine aufgefordert, ge­zwungen, Maßnahmen, Europäische Union, Fußball-EM, Wahnsinn und, und, und! Bei den Hunden ist es also gegangen, bei den Menschen in Saudi-Arabien geht es nicht. Schämen Sie sich, sehr geehrte Damen und Herren von SPÖ und ÖVP! (Beifall bei BZÖ und Grünen.)

Und reden Sie, bitte schön, nie mehr von Menschenrechten! Reden Sie mit dem Ver­gleich bitte nie mehr von Menschenrechten – es war ja schon der vorige Tagesord­nungspunkt entlarvend, also die Nullachtfünfzehn-Erklärung: Der Bundesminister wird aufgefordert, vielleicht irgendwann einmal am Sankt-Nimmerleins-Tag die deutschspra­chige Minderheit in Slowenien durchzusetzen. Das ist durchgegangen.

Der Antrag des BZÖ, nämlich meiner, ist einmal mehr vertagt worden, endlich die Men­schenrechtsverbrechen an der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien aufzuklä­ren. Der wurde abgelehnt. Also reden wir, bitte schön, nicht von einer aktiven Men­schenrechtspolitik unter Führung dieser Volkspartei, die Menschenrechte bestenfalls vom Hörensagen kennt, sehr geehrte Damen und Herren!

Daher halte ich diesen Entschließungsantrag der Regierungskoalition von SPÖ und ÖVP nicht für wert, dass wir ihm zustimmen. Wenn der Kollege Staatssekretär ein Heizpapier braucht, dann schenken Sie ihm ein paar Festmeter Holz, aber bedienen Sie ihn nicht mit einem Papier, mit dem er sowieso nichts anfangen kann. (Beifall beim BZÖ.)

18.26

18.26.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 172

Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Men­schenrechte, seinen Bericht 1621 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantra­ges 1764/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn Sie dem zustimmen, bitte ich um Ihr entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1621 der Beilagen an­geschlossene Entschließung betreffend Sicherung der Menschenrechte im Kampf ge­gen den Terrorismus.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 226.)

18.27.3411. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1765/A(E) der Ab­geordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend blutigen Ab­bau von Konfliktmineralien im Kongo (1622 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Die erste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordnetem Plessl. – Bitte.

 


18.28.02

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst möchte ich hier die Möglichkeit nutzen, unserem Bürgermeister Erwin Kaipel zu seinem, glaube ich – so ist mir gesagt worden –, 59. Geburtstag alles Herzliche zu wünschen! (Allgemeiner Beifall.)

Jetzt zu TOP 11: Im Jahre 2011 haben wir insgesamt 121 Gesetze beschlossen. Aller­dings ist ein deutlicher Rückgang von einstimmigen Beschlüssen zu verzeichnen, und zwar von rund einem Drittel auf ein Viertel der Beschlüsse. Diesem negativen Trend des Jahres 2011 wirken wir, die Mitglieder des Menschenrechtsausschusses, daher gleich in dieser Sitzung im Jahr 2012 deutlich entgegen, wie die heutigen TOPs bewei­sen beziehungsweise beweisen werden.

Im aktuellen Tagesordnungspunkt geht es nun um den blutigen Abbau von Konfliktmi­neralien in der Demokratischen Republik Kongo. Dieses von seinem ehemals belgi­schen Kolonialregime, späteren Diktatoren und nachfolgenden Bürgerkriegen – Stich­wort „Afrikanischer Weltkrieg“ – tief gezeichnete Land liegt mitten im Herzen von Afrika. Mit rund 70 Millionen Einwohnern – viertgrößter Staat Afrikas –, rund 200 Volksgrup­pen und der zweitgrößten Fläche aller afrikanischen Staaten – 2,34 Millionen Quadrat­kilometer – zählt der Staat trotz des natürlichen Rohstoffreichtums zu den ärmsten Ländern der Welt. Bedingt durch die jahrzehntelange Ausbeutung nimmt Kongo im Human Development Index der UN den letzten Platz von 187 ein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Den Menschen in der Republik Kongo wollen wir mit­tels der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Entschließung längst überfällige Hil­fe zur Selbsthilfe ermöglichen. Daher fordern wir die Bundesregierung und insbesonde­re den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten geschlos­sen auf, sich erstens im Rahmen der EU dafür einzusetzen, dass Konfliktmineralien im Dialog der EU mit der Demokratischen Republik Kongo konsequent berücksichtigt wer­den, um diese zu ermutigen, durch mehr Transparenz bezüglich des Abbaus und Han­dels mit Konfliktmineralien für mehr Schutz der betroffenen lokalen Bevölkerung zu sor­gen, und zweitens sich im Rahmen der EU für eine Reform und Professionalisierung des Sicherheitssektors der Demokratischen Republik Kongo einzusetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 173

Mit dem heutigen gemeinsamen Beschluss setzen wir ein klares Zeichen unserer Soli­darität mit den Männern, Frauen und Kindern, die in diesem krisengebeutelten Staat le­ben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

18.30


Präsident Fritz Neugebauer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.30.59

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss leider eine tatsächliche Berichtigung vornehmen. Mein Vorredner, der niederösterreichische Abgeordnete Rudi Plessl, hat in seinem Redebeitrag unserem Erwin Kaipel zum 59. Geburtstag gratu­liert. – Das ist unrichtig.

Richtig ist vielmehr, dass Kollege Kaipel heute seinen 60. Geburtstag feiert.

Lieber Erwin, alles Gute zu deinem Geburtstag! (Allgemeiner Beifall. – Abg. Grosz: Ich hätte Namenstage auch noch anzubieten! – Heiterkeit.)

18.31


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Herr Staatssekretär Dr. Waldner zu Wort. – Bitte.

 


18.31.38

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Wolfgang Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf zum Antrag der Frau Abgeordneten Korun aus außenpolitischer Sicht Folgendes anmerken: Der il­legale ... (Abg. Grosz: Für die Faschingssitzung! Lei, lei! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Grosz: Ihr wisst aber schon, dass das in ORF III übertragen wird?! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Wolfgang Waldner (fortsetzend): Herr Präsident! Ich darf zum Antrag der Frau Abgeordneten Korun unter außenpolitischen Gesichtspunkten Folgendes sa­gen: Der illegale Abbau von Rohstoffen durch verschiedene Rebellengruppen in der Demokratischen Republik Kongo stellt aus menschenrechtlicher und sicherheitspoliti­scher Sicht ein gravierendes Problem dar. Derartige Aktivitäten sind eine Gefahr für den Frieden und für die Stabilität im Land. Wir messen daher einer friedlichen und wirt­schaftlich nachhaltigen Entwicklung im Kongo große Bedeutung bei. Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, dass insbesondere die Menschen vor Ort vom Roh­stoffreichtum der Region profitieren können.

Die Bundesregierung teilt daher die Forderung nach mehr Transparenz im Hinblick auf den Abbau von Rohstoffen im Kongo, verfolgt dieses Ziel aber auch in anderen Kon­fliktregionen. Gemeinsam mit unseren Partnern in der EU nutzen wir internationale Fo­ren, um das Problem der sogenannten Konfliktmineralien anzusprechen und Lösungen zu erarbeiten.

Auf Ebene der Vereinten Nationen gibt es seit 2003 eine Zusammenarbeit mit der Re­publik Kongo im Rahmen des sogenannten Kimberley-Prozesses, den Österreich voll unterstützt. In diesem Zertifizierungsverfahren müssen teilnehmende Staaten genaue Richtlinien einhalten, um Rohdiamanten als konfliktfrei verkaufen zu können. Auch wenn hier nach wie vor Probleme bestehen, sehen wir das starke Engagement der Re­publik Kongo in diesem Prozess als wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des illegalen Rohstoffhandels. Wir werden uns daher im Rahmen dieser Initiative weiterhin aktiv ein­bringen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 174

Eine weitere Möglichkeit, den illegalen Handel mit sogenannten Konfliktmineralien ein­zudämmen, besteht darin, die Transparenz von Geldflüssen im Zusammenhang mit dem Abbau und Handel in Konfliktzonen zu erhöhen. Die Europäische Kommission ar­beitet gerade an einer Reihe von Maßnahmen in dieser Hinsicht.

Darüber hinaus leistet die EU auch einen großen Beitrag zur Professionalisierung und Reform des Sicherheitssektors im Kongo. Alle diese Maßnahmen sind essenziell, um den illegalen Rohstoffabbau zu bekämpfen und die Sicherheitslage für die Bevölkerung nachhaltig zu verbessern. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

 


18.34.21

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, dass die heutige Diskussion und Debatte über diesen Punkt ganz wichtig ist. Erstens hat im Ausschuss Einstimmigkeit geherrscht, und ich nehme an, ja bin davon überzeugt, dass dieser Ent­schließungsantrag auch hier einstimmig beschlossen wird.

Aber der zweite Punkt ist der, dass ein Problem, das wahrscheinlich 99,9 Prozent der Bevölkerung von Österreich nicht kennen, auch thematisiert wird, und zwar eklatante Menschenrechtsverletzungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt hier Zahlen, dass im Kongo – natürlich geht es um die Rohstoffe, vor allem Gold, Diamanten und Kobalt – im Kampf um diese Mineralien seit dem Zweiten Weltkrieg fünf Millionen Menschen er­mordet wurden, und auch von 300 000 Vergewaltigungen sprechen die offiziellen Zahlen.

Die Bevölkerung wird heute noch von diesen Rebellen zur Arbeit in den Minen gezwun­gen; man muss sich vorstellen, unter welchen Verhältnissen! Darunter sind ungefähr 50 000 Kinder. Also 50 000 dieser Zwangsarbeiter sind Jugendliche unter 18 Jahren, und da kommen natürlich auch Kinder dran.

Es gibt also heute – zu dem Zeitpunkt, zu dem wir hier sitzen – eklatante Verletzungen der Menschenrechte, und ich glaube, das kann sich niemand vorstellen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass hier auch die Bundesregierung, gemeinsam mit der Europäischen Union, aktiv wird und aktiv bleibt. Ich weiß, dass unser Herr Staatssekretär ein großer Verfechter und Kämpfer für die Menschenrechte ist, und ich glaube, dass diese heutige Debatte und Beschlussfassung für ihn sehr hilfreich sein wird, sich mit dem Parlament im Rücken noch engagierter gegen diese Missstände, gegen diese Verbrechen einzu­setzen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


18.36.21

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Großruck, du hast vollkommen recht: Das ist eine einstimmige Ma­terie. Auch wir werden dem zustimmen, es ist für uns eine „No na net“-Sache. Außer­dem hüpfen wir den USA hinterher. Dort gibt es ja bereits seit Beginn des Jahres ein Gesetz, das den Ankauf von Metallen und Materialien aus Kriegsregionen verbietet. Jetzt wird die EU natürlich nachziehen; das ist auch gut so, das ist das richtige Zei­chen.

Ich hoffe nur – und nur so hätte es für die leidgeplagte Bevölkerung dort einen Sinn –, dass man darauf achtet, dass die Großkonzerne und Betriebe, die ja diese Materialien zur Herstellung von Hightech-Material wie Handys und Computern brauchen, darauf achten, dass diese Zertifizierung und Punzierung auch eingehalten wird, beziehungs-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 175

weise dass dahin gehend kontrolliert wird, dass sichergestellt werden kann, dass es nicht aus diesen Kriegsregionen stammt.

Es ist auch darauf zu schauen – denn man wird da erfinderisch werden –, dass man das nicht über Dritt- oder Viertstaaten einführt, dass man nicht das Material in halb Afrika herumkarrt und dann über ein Nicht-Kriegsgebiet nach Europa oder in die USA verkauft. Man muss da natürlich schon ein bisschen Obacht haben, wenn die USA, die den wirtschaftlichen Gedanken immer sehr im Vordergrund haben, gleich mit Beginn des Jahres ein Gesetz machen.

Aber sonst sind selbstverständlich auch wir dafür, dass dort die Bevölkerung geschützt wird. Wir wollen ebenfalls mit blutigem Gold und blutigen Diamanten nichts zu tun ha­ben, sprechen uns hier – so wie dankenswerterweise alle Fraktionen hier im Hohen Haus – klar dagegen aus und stimmen natürlich diesem Antrag zu. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


18.38.26

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie können sich vorstellen, dass ich sehr, sehr erfreut darüber bin, dass mein Antrag eine große Mehrheit im Men­schenrechtsausschuss gefunden hat und dass dieses Anliegen, das wir in den Men­schenrechtsausschuss getragen haben, dort sehr, sehr positiv diskutiert wurde.

Ich finde es auch bemerkenswert und sehr schön, dass zumindest im Parlament das Bewusstsein dafür gegeben ist, und ich hoffe, ausgehend vom Parlament werden wir das Bewusstsein in der Bevölkerung auch erhöhen und ausweiten können, dass wir mit dem, was wir einkaufen, mit unseren Handys, mit unseren Hightech-Geräten natürlich auch dafür verantwortlich sind als Konsumenten und Konsumentinnen, unter welchen Umständen diese Materialien abgebaut werden und ob Menschen dabei zu Schaden kommen, ob Menschenrechte verletzt werden oder nicht. Insofern: Danke an die ande­ren Fraktionen dafür, dieses Grünen-Anliegen, dieses menschenrechtliche Anliegen zu unterstützen!

Ein Wermutstropfen bleibt jedoch, und den möchte ich schon erwähnen. Mit einem Ab­änderungsantrag der Regierungsfraktionen wurden bestimmte Teile meines Entschlie­ßungsantrags abgeändert. Vor allem der Teil, in dem es um eine nachhaltige Demilita­risierung der Minen im Ost-Kongo geht, wurde herausgenommen.

Um dieses Anliegen insgesamt vorwärts zu bringen, haben wir den Antrag im Aus­schuss einstimmig beschlossen. Ich möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass dieser Teufelskreis und dieser blutige Kreislauf von Menschenrechtsverletzungen, Ausbeu­tung, Plünderung, Versklavung der Zivilbevölkerung, um diese wertvollen Mineralien dort abbauen zu können, ohne Demilitarisierung der Minen nicht durchbrochen werden kann.

Deshalb möchte ich hier sowohl an Herrn Staatssekretär Waldner als auch an die an­deren Fraktionen im Haus appellieren, das zu berücksichtigen, denn das muss der zweite Schritt sein. Es ist gut, wenn sich unser Außenministerium in der EU und inter­national dafür einsetzt, dass der blutige Abbau von Konfliktmineralien im Kongo, aber auch anderswo beendet wird, aber wir müssen uns selbstverständlich auch als Re­publik dafür einsetzen, dass die Militarisierung der Minen durchbrochen wird, beendet wird, um diesen Teufelskreis von Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung zu be­enden. Deshalb möchte ich hier auch ganz offiziell an den Herrn Staatssekretär und die Bundesregierung appellieren, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und weiter zu verfolgen. – Danke für die Unterstützung. (Beifall bei den Grünen.)

18.41



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 176

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Spadiut. – Bitte.

 


18.41.23

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Über die schwerwiegenden Verstöße gegen die Menschen­rechte im Kongo haben wir schon sehr viel gehört. Dort werden die Menschen von mi­litanten, bewaffneten Gruppen missbraucht, misshandelt, gequält, gefoltert, um Boden­schätze zu gewinnen, an denen sich diese Gruppen dann bereichern können.

Wir sind auch der Meinung, dass diese Menschenrechtsverstöße dringend verhindert werden sollten, und werden deshalb diesem Antrag auch zustimmen. Wie weit wir da­mit Erfolg haben werden, ist für mich eher fraglich, hat sich doch der Machthaber – ich weiß nicht, den Namen habe ich mir nicht gemerkt – durch massive Wahlmanipula­tionen, wie die Medien berichteten, wieder in seinem Amt bestätigen lassen, und dies wohl auch nur deshalb, um von diesen Bodenschätzen zu profitieren.

Meine Damen und Herren! Hoffen wir das Beste für die Bevölkerung, hoffen wir, dass wir ihnen helfen können, denn – wie sagt man so schön? – die Hoffnung stirbt zuletzt. (Beifall beim BZÖ.)

18.42


18.42.26Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die De­batte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1622 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend blutigen Abbau von Konfliktmineralien im Kongo.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 227.)

18.42.5612. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1788/A(E) der Ab­geordneten Wolfgang Großruck, Franz Kirchgatterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der Menschenrechte und Schutz von Journalisten (1623 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1789/A(E) der Ab­geordneten Franz Kirchgatterer, Wolfgang Großruck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Empfehlungen des VN-Menschenrechtsrates (1624 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 1790/A(E) der Ab­geordneten Franz Kirchgatterer, Wolfgang Großruck, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen (1625 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 bis 14 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Kirchgatterer. – Bitte.

 


18.43.39

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die drei Anträge, die unter einem behandelt werden,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 177

hätten wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten tiefer gehend und umfassender formuliert. Die Beratungen im Menschenrechtsausschuss waren geprägt vom Bemü­hen um breite Zustimmung. Das wurde schon von einigen Kolleginnen und Kollegen an­gemerkt.

Uns geht es um das gemeinsame Interesse, dass die Entscheidungen des Menschen­rechtsrates der Vereinten Nationen in unserem Land sehr ernst genommen werden, weil es auch unser gemeinsames Anliegen ist, dass das internationale Folterverbot von allen Ländern eingehalten wird. Leider missachten 111 Staaten das Folterverbot noch immer. Es geht auch um die Unterstützung der Folteropfer.

Meine Damen und Herren! Ohne Pressefreiheit gibt es keine Demokratie. Weltweit ha­ben Angriffe, Übergriffe auf Journalisten, ja gezielte Tötungen von Journalisten drama­tisch zugenommen. Es sind hier fünf Staaten von verschiedenen Kontinenten ange­führt. Das österreichische Engagement im Menschenrechtsbeirat der Vereinten Natio­nen soll ein sehr aktives, ein sehr kräftiges und starkes sein für rechtsstaatliche Struk­turen und die Sicherstellung der Pressefreiheit.

Meine Damen und Herren! Ich möchte das positive Selbstverständnis, die positive Tra­dition Österreichs, der österreichischen Außenpolitik im Einsatz für die Verbesserung der Menschenrechtssituation unterstreichen. Das steht Österreich auch gut an, und für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen ist es ein sehr wichtiges, ein sehr be­deutendes Anliegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.46


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Staatssekretär Dr. Waldner gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


18.46.04

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Wolfgang Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Der konsequente Einsatz für Menschenrechte ist eine langjährige Priorität der österreichischen Außen­politik. Wir nutzen dazu alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente, bilaterale Kon­takte, aber auch multilaterale Zusammenarbeit mit den Partnern in der EU, im Europa­rat, in der OSZE, in den Vereinten Nationen.

Der UN-Menschenrechtsrat ist das zentrale Forum dieser Organisation für den Schutz und für die Förderung der Menschenrechte. Österreich wurde bekanntlich im vergan­genen Jahr für drei Jahre in dieses Gremium gewählt, und diese Mitgliedschaft bietet uns die Möglichkeit, unser traditionell starkes und international anerkanntes Engage­ment für Menschenrechte mit konkreten Initiativen weiter auszubauen.

Wir stehen für einen starken Menschenrechtsrat, der spezifische Ländersituationen ef­fektiv anspricht. Mit der jüngsten Sondersitzung zur Menschenrechtssituation in Syrien am 2. Dezember 2011 in Genf, mit der Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungs­kommission und dann auch eines Sonderberichterstatters zu Syrien hat der Menschen­rechtsrat rasch und wirksam auf die schweren Menschenrechtsverletzungen in diesem Land reagiert.

Wir haben uns für die kommende Periode thematisch mehrere Schwerpunkte vorge­nommen: den Schutz der Religions- und Gewissensfreiheit sowie den Schutz der reli­giösen Minderheiten, die Förderung der Medienfreiheit und den Schutz von Journalis­ten und die Förderung der Rechte von Kindern und ihren Schutz vor Gewalt und Aus­beutung.

Zu diesen drei genannten Schwerpunkten wird Österreich in den nächsten Jahren im Menschenrechtsrat konkrete Initiativen setzen. Wir werden uns auch in anderen rele­vanten Foren, in der EU, der UN-Allianz der Zivilisationen, der OSZE, dem Europarat und der UNESCO mit diesen Prioritäten einbringen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 178

Wir werden die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat auch verstärkt nützen, um die bis­herigen inhaltlichen Schwerpunkte in diesem Gremium fortzusetzen. Dazu gehören Min­derheiten, Binnenvertriebene, Frauenrechte und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit.

Zum konkreten Antrag betreffend den Schutz von Journalisten kurz eine Anmerkung: Als Auftakt unserer Initiative zum Schutz von Journalisten hat im November letzten Jahres eine Expertenrunde der Konsultationen hier in Wien stattgefunden, an der Staa­tenvertreter, Vertreter internationaler Organisationen und der Zivilgesellschaft teilge­nommen haben. Ich habe selbst ein Panel in dieser Veranstaltung geleitet. Die Ergeb­nisse dieser Konsultationen werden in eine Resolution einfließen, die Österreich noch heuer im Menschenrechtsrat einbringen wird.

Wir wollen dabei auf das Problem der Straflosigkeit von Angriffen auf Journalisten und auf den Aspekt der Prävention von Anschlägen besonderen Wert legen und uns darauf konzentrieren. Die Tötung eines französischen Journalisten vor Kurzem in Syrien hat leider die traurige Aktualität dieser österreichischen Initiative wieder unter Beweis ge­stellt. Unser Ziel ist es, den Schutz von Journalisten fest auf der internationalen Agen­da für Menschenrechte zu verankern.

Zum Antrag betreffend Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrates möchte ich noch Folgendes festhalten: Die universelle Prüfung der Menschenrechtslage für alle Staaten findet regelmäßig im Rahmen der sogenannten Universal Periodic Review, der univer­sellen Staatenprüfung statt.

Wir haben uns im vorigen Jahr das erste Mal als Land dieser Prüfung unterzogen, und wir nehmen auch die Umsetzung der Empfehlungen im Austausch mit der Zivilgesell­schaft sehr ernst. Es wurde eine eigene UPR-Steuerungsgruppe eingerichtet, die aus den Vertretern des BKA-Verfassungsdienstes, Vertretern unseren Ressorts und Vertre­tern der Zivilgesellschaft besteht, die den Umsetzungsprozess der UPR begleitet.

Einige dieser UPR-Empfehlungen an Österreich betreffen auch die Ratifizierung des Fakultativprotokolls zur Anti-Folterkonvention, deren Voraussetzung mit dem OPCAT-Durchführungsgesetz vom 7. Dezember 2011 geschaffen wurde und die nun zügig zu Ende gebracht wird.

Abschließend noch eine Bemerkung zum Antrag betreffend die Bekämpfung der Folter: Österreich tritt international gemeinsam mit den EU-Partnern für ein absolutes, weltwei­tes Folterverbot ein und dazu nützen wir konsequent die existierenden EU-Instrumen­tarien. Um ein kohärentes Vorgehen zu sichern, werden derzeit auch die EU-Leitlinien zur Bekämpfung von Folter überprüft und in die neuen EU-Länderstrategien integriert. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

 


18.50.38

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Auch dieser Antrag, Stärkung der Menschenrechte und Schutz von Journalisten und nicht vor Journalisten, wurde im Menschenrechtsausschuss einstimmig beschlossen und steht heute zur Debatte. Wenn man sich den Ausschussbericht durchliest, in dem auch einige Zahlen angeführt sind, dann ist erschreckend und fast unglaublich, dass seit dem Jahr 2000 über 900 Jour­nalisten weltweit aufgrund ihres Berufs ums Leben gekommen sind. Besonders alar­mierend wegen der Häufung von gezielten Tötungen von Journalisten ist die Lage im Irak, in Somalia, Pakistan, Mexiko und in der Russischen Föderation. Noch alarmieren­der ist, dass 94 Prozent dieser Ermordungen nicht aufgeklärt werden, weil entweder kein Interesse daran besteht oder aus anderen Gründen. Das ist unglaublich, und das ist undenkbar.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 179

Es gibt eine andere Art von Menschenrechtsverletzungen, die noch unglaublicher und undenkbarer ist, und dazu möchte ich schon ein paar Worte sagen, denn auch im Hinblick darauf ist es unsere Aufgabe, das zu thematisieren, nämlich die Verfolgung und Ermordung von Christen weltweit. Man muss sich vorstellen, dass 100 000 Chris­ten jährlich ermordet werden. Ich spreche nicht von Verletzungen. Diese Statistik stammt von verschiedenen Instituten. Der Beauftragte der OSZE für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, der Soziologe Dr. Massimo Introvigne, ein Italiener, hat geschrieben:

Die Intoleranz gegenüber, die Diskriminierung und Verfolgung von Christen nimmt in der Tat weltweit zu. Ungezählte Christen werden jährlich umgebracht, und dies nur ih­res religiösen Glaubens wegen. Dies muss laut und deutlich in die Welt hinausge­schrien werden, diese Massaker müssen endlich aufhören. Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, dass die Verfolgungen von Christen in der ganzen Welt unerträglich sind. – Zitatende.

Da herrscht dringender Handlungsbedarf für alle, denen die Menschenrechte am Her­zen liegen. Auch dieses Themas sollten wir uns massiv annehmen, es permanent dis­kutieren und eine Sensibilität dafür herstellen, denn es ist unerträglich, wenn heute, in der Zeit der Zivilisation, in der wir Menschenrechte diskutieren, jährlich 100 000 Chris­ten umkommen. Statistisch gesehen wäre während meiner Redezeit ein Christ ermor­det worden, denn die Statistik besagt, dass das alle 5 Minuten passiert. Das muss man sich vor Augen halten! Unglaublich, aber es ist so.

In diesem Sinne bitte ich auch dafür um die nötige Sensibilität, darum, die nötige In­formation zu verbreiten. Ich denke, dass wir uns in Zukunft intensiver mit diesem The­ma befassen sollten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.53


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


18.53.43

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Engagement Österreichs im UN-Menschen­rechtsrat in den vom Herrn Staatssekretär genannten Punkten ist selbstverständlich sehr, sehr zu unterstützen, selbstverständlich auch der Punkt Schutz von Journalisten und Stärkung der Menschenrechte.

Meine Vorredner haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Menschenrechtslage, die Lage von Journalisten und Journalistinnen weltweit teilweise eine sehr triste ist und dass jährlich viele Journalisten und Journalistinnen ermordet werden oder verschwin­den, ob das jetzt in Russland ist in Verbindung mit dem noch immer andauernden Tschetschenienkrieg, ob das die Schutzlosigkeit von Journalisten und Journalistinnen in der Türkei ist, wo in den letzten Wochen und Monaten eine massenhafte Verhaftung von unabhängigen Journalisten und Journalistinnen stattgefunden hat und die Verfah­ren ohne Anklageerhebung teilweise Monate oder fast Jahre dauern. Eine Unterstüt­zung von Journalisten und Journalistinnen weltweit ist also nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend notwendig, und da stehen wir selbstverständlich hinter den Bemühun­gen unseres Außenministeriums.

Zur UPR möchte ich nicht unerwähnt lassen – das habe ich auch einmal im Menschen­rechtsausschuss betont und ist mir ein großes Anliegen –, dass das Vorgehen des ös­terreichischen Außenministeriums und des Bundeskanzleramts im UPR-Prozess ein vorbildliches war, was die Einbindung der Zivilgesellschaft betrifft. Die Zivilgesellschaft wurde zwar nicht von Anfang an einbezogen, aber ab dem Zeitpunkt, ab dem diese Einbeziehung stattgefunden hat, gab es eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit. Des-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 180

halb gehe ich davon aus, dass auch bei der Berücksichtigung und vor allem bei der Umsetzung der von Österreich angenommenen Empfehlungen der UPR-Prüfung diese konstruktive Zusammenarbeit fortgesetzt und auf die vielen inhaltlichen Beiträge von zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht verzichtet wird.

Als allerletzten Punkt möchte ich auch lobend erwähnen, dass es noch während der Verhandlungen im Menschenrechtsausschuss gelungen ist, den Antrag betreffend Empfehlungen des VN-Menschenrechtsrates insofern zu verbessern, als wir von Um­setzung „nach Maßgabe der Möglichkeiten“ übergegangen sind beziehungsweise das abgeändert haben in: diese Empfehlungen sind „schnellstmöglich umzusetzen“. Danke allen Fraktionen, die dabei waren und diese Verbesserung auch unterstützt haben. (Bei­fall bei den Grünen.)

18.56


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter List. – Bitte.

 


18.56.34

Abgeordneter Kurt List (BZÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Da­men und Herren im Hohen Haus! Das BZÖ unterstützt sämtliche Maßnahmen, die dem Schutz von Journalisten dienen. Die freie Arbeit von Journalisten – basierend auf dem Recht der Pressefreiheit – muss uneingeschränkt garantiert werden. Gleichzeitig for­dern wir Außenminister Spindelegger auf, sich mit Nachdruck in allen Gremien konse­quent für eine Verbesserung des Schutzes von Journalisten einzusetzen. Herr Staats­sekretär, richten Sie das Ihrem Chef höflich aus!

Herr Staatssekretär Waldner! Wir hätten von Ihnen heute erwartet, dass Sie auf einige der Beiträge der Abgeordneten in dieser Debatte eingehen werden. Bisher sind Sie auf keinen einzigen Beitrag eingegangen, auf keinen einzigen Fall. Wahrscheinlich hat Ih­nen Ihr Chef die direkte Konfrontation im Plenum verboten. Das ist sehr, sehr schade.

Geschätzte Damen und Herren! International sind Menschenrechtsangelegenheiten bei Außenminister Spindelegger und bei seinem Staatssekretär Waldner und damit in der Verantwortung der ÖVP angesiedelt. Bereits gestern beim Außenpolitischen Bericht hat unser Sprecher und Kollege, Kollege Scheibner, die schlechte Außenpolitik Öster­reichs angeprangert, eine Außenpolitik im Fahrwasser der Deutschen. Als Beispiele wurden Syrien oder Libyen genannt. Vor allem in Libyen sind nach Gaddafi andere Personen an der Macht, machtgierige Personen, die jetzt in Libyen die gleichen schreck­lichen Menschenrechtsverletzungen begehen wie unter dem Gaddafi-Regime.

Nachdem Bodenschätze wie Erdöl wieder gesichert sind, schaut Europa weg und die ÖVP schaut gehorsam mit weg. Diese Politik, geschätzte Damen und Herren, ist eine Schande. (Beifall beim BZÖ.)

Wir fordern eine aktive Außenpolitik auf allen Ebenen. Von einem Mitglied im Men­schenrechtsrat verlangen wir ein besonders starkes Engagement in allen Menschen­rechtsfragen. Kämpfen wir gemeinsam für die Menschenrechte! (Beifall beim BZÖ.)

18.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Buchmayr. – Bitte.

 


18.59.03

Abgeordneter Harry Rudolf Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Thema Stärkung der Menschenrechte: Wie vorhin erwähnt, wurde Österreich ja im Jänner 2011 in Genf einer Prüfung bezüglich Einhaltung der Menschenrechte unterzogen, und es wurden dabei immerhin 161 Empfehlungen für eine Verbesserung der Situation in Österreich ausgesprochen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 181

Sehr vieles davon ist umgesetzt. Eine sehr positive Wendung hat auch der Beschluss zur Einführung des OPCAT-Durchführungsgesetzes, gültig ab 1. Juli 2012, bewirkt. Es fällt in die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft, und inzwischen wurden dafür bereits 15 notwendige Planstellen beschlossen.

Beim OPCAT geht es um die strikte Einhaltung der Menschenrechte an Orten des Frei­heitsentzugs. Damit sind nicht nur Justizanstalten und Polizeiinspektionen gemeint, son­dern auch Erstaufnahmestellen für AsylwerberInnen, Kasernen, psychiatrische Einrich­tungen und Programme für behinderte Menschen.

Was die Menschenrechte betrifft: Wenn man eine Datenabfrage im Internet zu dem Thema „Verstöße gegen Menschenrechte“ startet, so würde man sich damit wahr­scheinlich wochenlang beschäftigen können. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vor­sitz.)

Es gibt da die alten Bekannten wie Libyen, Syrien, China, Iran, immerhin mit Themen wie Folter, Geißelung, Amputation, Hinrichtungen von Jugendlichen. Italien ist verbun­den mit dem Thema Roma auch sehr häufig zu finden. Deutschland denkt über Schritte gegen die Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der Proteste gegen die Parla­mentswahlen, die in Russland stattgefunden haben, nach. Von den USA mit dem Dau­erbrenner Guantánamo ganz zu schweigen, das ist inzwischen ein Synonym für die un­menschliche Behandlung von Häftlingen.

Vorhin wurde erwähnt, wie wichtig es ist, sich um die Sicherheit von Journalisten zu kümmern, und ich denke, gerade was die Journalisten betrifft – es gibt sehr viele ande­re Themen wie Kinderarbeit und Folterungen –, kann man mit Sicherheit eines behaup­ten: Eine freie Presse ist ein deutlicher Indikator für den Stellenwert einer Gesellschaft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.01.37

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Laut Amnesty International gehört in rund 80 Ländern der Erde die Folter zum Alltag. Was versteht man unter Folter? – Unter Folter versteht man das gezielte Zufügen von psychischem oder physischem Leid – von Menschen an Men­schen. Folterungen haben den Zweck, den Willen und den Widerstand des Gefolterten zu brechen. Sie werden zur Bestrafung, zur Erpressung von Geständnissen, zur Er­niedrigung oder zur Einschüchterung angewandt.

Folter und Misshandlungen verletzen, verbreiten Angst und Schrecken. Sie zerstören die Persönlichkeit und die Würde der Gefolterten. Viele Opfer schweigen aus Angst, Hilflosigkeit, aber auch aus Scham. Nach Folterungen und Misshandlungen zu einem normalen Leben zurückzukehren, ist außerordentlich schwierig und in den meisten Fäl­len mit Sicherheit nicht realisierbar.

„Folter und andere Formen grausamer, erniedrigender und unmenschlicher Behand­lung und Bestrafung können nie gerechtfertigt werden“, so die Aussage von UNO-Ge­neralsekretär Ban Ki-moon. Es gibt absolut keine Ausnahmefälle! Weder Krieg oder in­nerpolitische Instabilität noch irgendein anderer Notstand rechtfertigt Folterungen und Misshandlungen. Das absolute Verbot von Folterungen und Misshandlungen ist in der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen verankert.

Es ist unsere Pflicht, danach zu trachten, dass dieses Verbot auch tatsächlich einge­halten und insbesondere auch in Drittstaaten befolgt wird. Folteropfer müssen aktiv un­terstützt werden. Wir haben die Pflicht und müssen auf andere Staaten einwirken, dass


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diese die VN-Antifolterkonvention und das Zusatzprotokoll dazu ratifizieren und Verhü­tungsmechanismen schaffen. Daher ersuche ich Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt kommt Herr Abgeordneter Riemer mit 3 Minuten Redezeit zu Wort. – Bitte.

 


19.04.26

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die Pressefreiheit gehört natürlich zu den Grundrechten zivilisier­ter Staaten und Völker, ja, es sind unabdingbare Werte unserer demokratischen und speziell unserer freiheitlichen Grundhaltung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben heute die Zahlen gehört: 900 Journalisten seit zehn Jahren; es wurden Staaten genannt: von Russland über Pakistan und Irak bis Mexiko – das ist nicht nur alarmierend. Ich sage, das ist noch immer nicht schlimm genug, denn was wir wissen, schockiert zwar, aber was wir nicht wissen, das ist eigentlich das Schlimme. Und da gehört auch unsere westliche Gesinnungsgemeinschaft miteingeschlossen, von der hört man aber nichts. Die Methoden sind eben andere, aber am Grundsätzlichen än­dert sich da nichts.

Nicht unerwähnt bleiben sollen hier natürlich auch jene Journalisten, die aufgrund ihrer Arbeit in Gefängnissen sitzen, gefoltert und vor der Weltöffentlichkeit verborgen wer­den, aus dem Verkehr – im Sinne ihrer Peiniger – gezogen worden sind.

Über Folteropfer ist auch genug gesprochen worden. Amnesty International spricht von 111 Staaten. Was heißt das eigentlich? – Resolution und Empfehlungen helfen da aber nichts. Sie bleiben rhetorische Floskeln und werden nicht als sittliches Grundrecht ge­handhabt. Dabei ist es aber gleichgültig, ob die Opfer auf der Seite der Sieger oder der Verlierer stehen, ob sie der westlichen Wertegemeinschaft oder einer anderen politi­schen, religiösen oder wirtschaftlichen Interessengruppe angehören mögen.

Gerade die heute zitierte arabische Revolution, der arabische Frühling: Das ist doch blanker Zynismus bei so viel Morden, Quälen, religiösem Wahnsinn, bei so vielen Bom­benabwürfen und bei so viel Geschäftemacherei rund ums Öl. Ob Libyen oder Syrien, Ägypten oder in ein anderer Staat, vielleicht auch bald der Iran: Wir vergessen hinter der Brille der Parteilichkeit und der einseitigen Informationen allzu leicht, dass eben Folter und Misshandlungen, Quälen und Erpressungen gegenüber Menschen, Kindern, Familien niemals hinnehmbar sind, auch unter scheinbar demokratischen Vorhaltungen.

Die schrecklichen Misshandlungen des Diktators Gaddafi wie seiner Familie, seines Sohnes, gehören zum Schlimmsten für einen aufgeklärten Europäer. Hier haben auch Journalisten Anteil am Erfolg wider Tod und Folter. Dies gilt natürlich auch für Guantá­namo ebenso wie für vielleicht noch immer versteckte Sicherheitsreservate in Europa im Dienste der USA. Das gilt für jedes Land, mit dem Österreich Kulturabkommen un­terhält. Das gilt für jedes Land, das sich, wie wir heute gehört haben, gegenüber Chris­tenverfolgern passiv verhält – das sind über 100 Staaten.

Abschließend noch ein Punkt: Wenn nach Schätzungen der Europäischen Union jähr­lich 100 000 Menschen Opfer von Menschenhandel sind, davon 80 Prozent Frauen und Kinder, dann schauen wir bitte nicht immer in die Dritte Welt, schauen wir nach Europa! 7 000 Opfer von Menschenhandel gibt es in Wien, da haben wir genug zu tun. Auch der lukrative Sextourismus scheinheiliger Europäer und Österreicher soll hier nicht unerwähnt bleiben: Auch das ist Folter, Menschenrechtsverletzung und gehört geächtet.


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Wir, die Freiheitliche Partei, unterstützen die in Verhandlung stehenden Anträge. – Dan­ke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.08

19.08.30

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin beziehungsweise der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehmen werde.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12, die dem Aus­schussbericht 1623 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Stärkung der Menschenrechte und Schutz von Journalisten anzunehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 228.)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13, die dem Aus­schussbericht 1624 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Empfeh­lungen des VN-Menschenrechtsrates anzunehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 229.)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14, die dem Aus­schussbericht 1625 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend: Folter bekämpfen und Folteropfer unterstützen, anzunehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 230.)

19.09.5015. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 1785/A(E) der Ab­geordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung einer Studie zum Thema Zwangsverheiratung (1619 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gartelgruber. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.10.18

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ich möchte vorab, bevor wir jetzt zu diesem Antrag kommen, schon mein Bedauern da­rüber ausdrücken, dass aus dem Gleichbehandlungsausschuss der einzige abgelehnte Antrag von mir Einzug ins Plenum gefunden hat. Das finde ich eigentlich sehr be­dauerlich, denn wir hatten auch noch andere gute Themen auf der Tagesordnung, die wiederum vertagt worden sind. Also ich würde wirklich sagen, wenn wir frauenpolitisch etwas weiterbringen wollen, sollten wir uns endlich einmal auch um die wirklichen An­liegen der Frauen in Österreich kümmern. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt komme ich zu diesem Antrag: Im November 2011 hat das Familienministerium unseres Nachbarlandes Deutschland eine Studie zum Thema Zwangsheirat veröffent­licht und sehr alarmierende Ergebnisse zutage gebracht, denn neben den massiven Einschränkungen der Grundrechte der betroffenen Frauen zeigt sich hier, dass mehr


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als die Hälfte der Frauen auch körperlich von Gewalt betroffen sind, wenn sie in die Zwangsehe getrieben werden. Und überhaupt ist das Leben der Opfer sowohl vor als auch in der Ehe massiv von Gewalt bedroht.

Wir haben dann im Zuge des Budgetausschusses von der Frau Minister gehört, sie würde erst im Dezember das Budget machen, und deshalb haben wir zeitgerecht einen Antrag eingebracht, der bekräftigen soll, dass auch wir in Österreich eine Studie be­treffend Zwangsheirat erstellen sollen. Leider wurde dieser Antrag im Ausschuss mit ei­nigen etwas eigenartigen Begründungen abgelehnt. Das tut mir eigentlich sehr leid, weil ich glaube, gerade die Migrantinnen in Österreich verdienen es, dass wir uns ver­mehrt für sie einsetzen.

Frau Minister, Sie dürfen mir jetzt nicht verübeln, dass ich Ihnen hier den Vorwurf ma­che, dass Ihnen diese Frauen weniger am Herzen liegen – nicht nur wegen der Ableh­nung dieses Antrages, sondern wir haben hier auch eine Anfragebeantwortung von Ih­nen. Das ist eine Anfrage, die mein Kollege Karlsböck und ich hier eingebracht haben, zum Thema hohe Selbstmordrate von türkischstämmigen Frauen und Mädchen. Sehr bedauerlich war, dass Sie keine einzige Antwort auf diese Anfrage gegeben haben.

Ich glaube, die Fragen, die wir Ihnen gestellt haben, waren eigentlich nicht sehr schwie­rig. Die erste Frage war: Besteht derzeit ein Informationsaustausch zwischen Ihrem Ressort und anderen europäischen Staaten bezüglich der hohen Selbstmordrate von türkischstämmigen Mädchen und Frauen? – Also ich glaube, zumindest diese Frage hätten Sie mit Ja oder Nein beantworten können.

Und wenn auch mein Antrag auf Erstellung einer Studie abgelehnt worden ist, so ha­ben wir hier auch die Frage gestellt: Existieren schon Studien, die diese Problematik näher beleuchten? – Auch da gab es keine Antwort, Sie haben auf die Anfragebeant­wortung Ihres Kollegen, Gesundheitsminister Stöger, verwiesen. Auch er hat in dieser Anfragebeantwortung gesagt, es gebe dazu keine Studien.

Ich glaube, wir sind es aber den Frauen und Mädchen, die von Zwangsheirat betroffen sind, schuldig, hier tätig zu werden. Sie versprechen uns seit Jahren die Errichtung ei­ner Notwohnung für Zwangsverheiratete – auf diese warten wir leider immer noch, weil Sie sich mit der Innenministerin nicht einig werden. Also ich glaube wirklich, Sie müs­sen jetzt endlich tätig werden. (Beifall bei der FPÖ.)

19.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Silhavy. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.14.21

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Frau Kol­legin Gartelgruber, die Frau Bundesministerin wird für sich selbst sprechen, aber ich möchte trotzdem zurückweisen, und zwar ganz entschieden, dass ihr eine Gruppe von Frauen weniger am Herzen liegt. Dagegen möchte ich mich auch im Namen unserer Fraktion verwehren. (Abg. Zanger: Das ist immer so!)

Wir haben den Antrag abgelehnt und wir haben es ausführlich im Ausschuss diskutiert und auch begründet. Erstens gibt es seit dem Jahr 2008 eine Studie, die aufliegt und die allen bekannt ist, nämlich zur traditionsbedingten Gewalt an Frauen. Zum Zweiten hat die Frau Ministerin deutlich ausgeführt, dass uns die Bedürfnisse bekannt sind. Sie hat auch ausgeführt und zwar schon mehrmals, dass in ihrem Budget Vorsorge getrof­fen ist für diese Notwohnung. Also ich verstehe Ihre Argumentation daher nicht und möchte das wirklich auch aufs Schärfste zurückweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass uns die Anliegen von Frauen wirkliche Anliegen sind und dass wir lösungs­orientiert sind, das zeigt ja auch, dass wir gesagt haben, uns geht es nicht darum, wie-


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der die x-te Studie zu erstellen, die dann eine weitere Zeitverzögerung bedingt, son­dern wir wollen endlich die Umsetzung dieser Forderung haben. Ähnlich wie es um die Umsetzung bei dieser Forderung geht, würde ich auch alle Kolleginnen und natürlich auch Kollegen in diesem Haus wirklich bitten, dass Sie uns unterstützen, dass wir end­lich das Gleichbehandlungspaket in die Realität umsetzen, dass Frauen auch in der Ar­beitswelt gleich behandelt werden. Wir sollten nicht darüber diskutieren, ob wir even­tuell vorzeitig das Pensionsanfallsalter für Frauen anheben können, denn das ist weit entfernt von einer Gleichbehandlung und daher würde ich wirklich an alle Frauen, de­nen Frauenanliegen ein Thema sind in diesem Haus, appellieren, dass sie uns bei die­sen Intentionen unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Korun. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.16.13

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Ich muss bedauernd sagen, dass mir die Argumente der SPÖ nicht sehr nachvollziehbar vorkommen. Wir teilen in vielen Punkten die Vorschlä­ge der FPÖ nicht. In diesem Punkt unterstützen wir diesen Entschließungsantrag, weil wir auch der Meinung sind, dass eine österreichweite Studie über die tatsächliche Lage und die tatsächliche Zahl von Betroffenen von Zwangsheirat durchaus Sinn machen würde.

Es gibt eine ältere Studie aus Wien, allerdings bezogen auf Wien. Wir finden gut, dass es so eine Studie gibt. Allerdings ist Wien nicht Österreich, wie wir wissen. Deshalb ha­ben wir im Gleichbehandlungsausschuss auch den Antrag von Kollegin Gartelgruber unterstützt und können nicht nachvollziehen, warum man sozusagen eine Studie zur Problematik Zwangsheirat ausspielen soll gegen die betreute Wohngemeinschaft, die es seit Jahren geben sollte. Also es geht hier nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.

Eine Studie würde die tatsächlichen Ausmaße der Problematik hoffentlich für uns alle klären, zumindest für ein paar Jahre, denn da gibt es auch sehr viele Mutmaßungen. Es wird natürlich immer von der Dunkelziffer gesprochen, weil wir die Strukturen noch nicht haben, alle betroffenen Mädchen und Frauen – aber durchaus auch Burschen und Männer, das möchte ich auch dazusagen – zu erreichen. Der Großteil der von Zwangsheirat Betroffenen und Bedrohten sind Mädchen und Frauen. Das stimmt. Aber es gibt auch junge Burschen, die zwangsverheiratet werden, und die sollten natürlich auch unterstützt werden.

Da wir das entsprechende Netzwerk bundesweit nicht haben, um die Betroffenen zu erreichen und um sie, im Idealfall natürlich, vor der Zwangsehe zu erreichen, um nicht nachher Maßnahmen treffen zu müssen, wo es dann sozusagen zu spät ist und wo die Menschenrechtsverletzung passiert ist (Abg. Silhavy: Das wird die Studie aber nicht erledigen!), wäre es notwendig, eine entsprechende Unterstützung zu geben – selbst­verständlich nicht nur von der Frau Frauenministerin, sondern auch von der Frau In­nenministerin.

Diese Notwohnung, die wird uns eigentlich nicht erst seit Anfang dieser Legislatur­periode versprochen, oder nicht nur uns, sondern der Bevölkerung, sondern, wenn Sie sich erinnern, das ist auch im vorherigen Regierungsübereinkommen gestanden und wurde noch immer nicht umgesetzt.

Deshalb habe ich eine konkrete Frage an die Frau Bundesministerin, bedauernd dass die Frau Innenministerin jetzt im Moment nicht da ist, aber ich kann mich an die letzte Innenausschusssitzung erinnern, bei der sie gesagt hat, das wird jetzt im Dezember


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finalisiert, das werden wir dann wissen, wann diese Notwohnung kommt. Jetzt weiß ich, dass die Frau Frauenministerin die entsprechenden Ressourcen bereithält, seit ei­niger Zeit schon, was ich sehr, sehr begrüße.

Ich würde gerne von Ihnen wissen, was ist jetzt der Letztstand der Verhandlungen be­treffend diese Wohnung? Wir müssen uns dessen schon auch bewusst sein: Diese Wohnung wäre die erste und einstweilen die einzige österreichweit, wo junge Frauen und Mädchen adäquat betreut Zuflucht suchen könnten. Das ist nicht das Ende des Problems. Das ist erst einmal ein Anfang, um eine gute Lösung dieser Problematik zu erreichen. Also in diesem Sinne meine Frage an Sie, Frau Bundesministerin. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie sie mir konkret beantworten könnten.

Wie gesagt: Wir unterstützen den Antrag der Abgeordneten Gartelgruber und würden uns eine solche Studie auch wünschen, um auch die Debatte zu versachlichen, damit wir auch alle wissen, von wie vielen Personen reden wir, von was reden wir genau und was sind die Gegenmaßnahmen, die wir gemeinsam ergreifen müssen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Durchschlag. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.20.11

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eines ist sicher unbestritten: Zwangsheirat ist eine verabscheuungswürdige Handlung, die in unserer Gesellschaft keinen Platz ha­ben darf. Ich denke, da sind sich alle hier herinnen vertretenen Parteien einig. Die Rechtslage lässt in Österreich – Gott sei Dank – die Frauen auch nicht im Stich.

Seit dem Jahr 2006 ist Zwangsheirat ein Offizialdelikt, das heißt, Anzeige zu erstatten ist nicht nur für die Betroffene möglich, sondern auch für Fremde, und es ist ein Straf­tatbestand, der immerhin bis zu fünf Jahre Haft mit sich bringt. Das bedeutet, die Re­publik ist sich der Schwere des Vergehens durchaus bewusst, die Republik macht auch deutlich, Gewalt ist keine Privatsache, sondern geht uns alle an, und sie hat auch gesetzliche Regelungen dahin gehend getroffen.

Im Antrag wird auf die deutsche Studie aus dem November des Vorjahres Bezug ge­nommen, eine Studie, die – und darauf weisen die Studienautoren auch hin – nicht re­präsentativen Charakter hat. Trotzdem denke ich, dass man einige Rückschlüsse auf Österreich ziehen kann, sind doch die Verhältnisse so unterschiedlich nicht.

Zwangsverheiratungen sind traditionell bedingte und bei allen Religionen vorkommen­de Gewalttaten. Als solche sind sie auch zu betrachten, darauf weisen die Studienauto­ren ganz explizit hin. Ich denke, das ist auch sehr wichtig, denn natürlich besteht bei diesem Thema ausdrücklich die Gefahr, daraus ein antiislamisches oder – noch ver­kürzter – ein Anti-Ausländer-Thema zu machen. Im Mittelpunkt zu stehen haben aber die betroffenen Frauen und Mädchen, die sich, wie wir wissen, immer öfter Hilfe bei Gewaltschutzzentren, Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern holen, wenn sie sich trauen.

Damit sind wir dann schon beim wirklichen Problem: Was diese Frauen wirklich brau­chen, ist ein Schutzraum, denn Frauen und Mädchen, die sich gegen eine Zwangshei­rat wehren, verlieren damit sehr oft auch ihre Familie beziehungsweise – wenn sie nach Österreich verheiratet wurden – das einzig vertraute System, das sie hier haben.

Das heißt, es braucht einen Raum, in dem diese Frauen Schutz finden. Manchmal fin­det sich dieser Raum in einem Frauenhaus, sehr oft aber aus Kapazitätsgründen nicht. Frauenhäuser sind auch nur für sogenannte Middle-Risk-Opfer der richtige Ort, das


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muss man auch dazusagen. High-Risk-Opfer haben jetzt schon die Möglichkeit, in ein Opferschutzprogramm aufgenommen zu werden, wenn sie das freiwillig wollen. Daher muss die Einrichtung einer Notwohnung für von Zwangsheirat Betroffene raschest um­gesetzt werden, und Innenministerin Hanni Mikl-Leitner – ich habe erst gestern mit ihr darüber gesprochen – hat dies noch für heuer zugesagt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten knapper Budgets geht es auch darum, mit den finanziellen Ressourcen so umzugehen, dass der Mitteleinsatz die Prioritäten deutlich macht. Sollte das Geld einmal unbegrenzt oder in sehr großem Maße zur Ver­fügung stehen, dann ist so eine Studie sicher sehr gut und richtig, jetzt geht es aber einmal darum, den Betroffenen schnell und effektiv zu helfen. Mit der Notwohnung, die heuer noch errichtet werden soll, wird den Betroffenen geholfen – und zwar rasch, dann, wenn sie es wirklich brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Schenk. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.23.23

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Darüber, dass Zwangsheirat nicht toleriert werden darf, sind wir uns alle einig in diesem Haus, glaube ich. Zu dem Antrag betreffend Er­stellung einer Studie: Mir fehlt ein bisschen der Aspekt, der damit erarbeitet werden soll.

Von wie vielen Fällen sprechen wir? – Wir sprechen von 200 Fällen österreichweit, die Dunkelziffer liegt bei 200 Fällen. Die Frau Ministerin hat es im Ausschuss auch mitge­teilt. Der Antrag basiert auf einer Studie, die in Deutschland erstellt wurde. Dort hat Mi­nisterin Schröder bei der Präsentation dieser Studie am 9. November letzten Jahres darauf hingewiesen, dass die Studie nicht repräsentativ sei. Die Dunkelziffer sei hoch, deshalb könne nicht zuverlässig abgeschätzt werden, wie viele Zwangsverheiratete es in Deutschland gibt. So gesehen kann ich den Sinn dieser Studie hinterfragen. Ich glaube nicht, dass eine Studie diesbezüglich sinnvoll wäre, eben aus den vorhin ge­nannten Gründen.

Wenn wir aber bei der Erstellung einer Studie sind, möchte ich die Regierungsparteien hier schon in die Pflicht rufen und auf ihre Säumigkeit aufmerksam machen, was die Erstellung einer Burn-out-Studie betrifft. Wir haben im Gleichbehandlungsausschuss einen Fünf-Parteien-Antrag darüber erzielt, diesen Fünf-Parteien-Antrag zur Erstellung einer Burn-out-Studie auch einstimmig dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. Im Ge­sundheitsausschuss liegt er seit ewigen Zeiten und wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt. Das möchte ich hier schon ansprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Stichwort Säumigkeit – es wurde von meinen Vorrednerinnen auch angesprochen –: Die Notwohnung für Zwangsverheiratete, die seit 2008 angekündigt wird, im Regie­rungsprogramm auch festgeschrieben ist, gibt es bis dato noch immer nicht. Frau Mi­nisterin! Ich glaube, Sie werden sich nach mir zu Wort melden, vielleicht können Sie uns sagen, ob die Auffassungsunterschiede mit Ihrem Koalitionspartner mittlerweile aus­geräumt sind. Wir haben jetzt 2012. Sie haben letztes Jahr angekündigt, dass es diese Notwohnung 2012 geben wird. Ich bin gespannt, wann es sie geben wird, und ich darf Sie bitten, dass Sie das in Ihre Ausführungen mit einbeziehen und uns diese Informa­tionen geben. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

19.25


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Marek. 2 Mi­nuten Redezeit. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

 



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19.25.52

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man kann sagen, Zwangsverheiratung ist eine beson­ders grausame Form von Gewalt – da gebe ich Ihnen recht, Frau Kollegin Gartelgru­ber –, Gewalt gegen Frauen, die nämlich doppelt grausam ist, denn es geht nicht nur darum, dass Frauen ihrer Selbstbestimmung beraubt sind, sondern das geschieht ja auch mit Gewalt. Frauen werden unterdrückt, werden in diesen Ehen oft auch verge­waltigt, werden geschlagen, werden einfach misshandelt und vieles mehr.

Da bin ich bei Ihnen, aber ich schließe mich meiner Kollegin Durchschlag an, die ge­sagt hat, wenn die Mittel rar seien, dann müsse man einfach dort, wo es besonders notwendig ist, helfen. Da sind die Notwohnungen, die – davon gehe ich aus – heuer realisiert werden, ganz besonders wichtig.

Ich möchte den Gewaltschutz für Frauen ansprechen. Ich glaube, hier haben wir in den letzten Jahren sehr viel geschafft, hier braucht es einen gemeinsamen Schulterschluss. Ich möchte auch durchaus positiv ansprechen, dass wir hier in diesem Hohen Haus ei­nen gemeinsamen Schulterschluss aller Fraktionen in vielen Bereichen geschafft ha­ben – beim Gewaltschutzgesetz, aber auch beim Strafrechtsänderungsgesetz –, dass wir viele wesentliche Schritte gesetzt haben, etwa, wenn es um Vergewaltigung in der Ehe, aber auch viele andere Bereiche geht. Da haben wir wesentliche Schritte erreicht. Hier muss es auch weitergehen, gerade, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Das geschieht in den eigenen vier Wänden, und da muss es einfach darum gehen, dass wir den Frauen gemeinsam Mut machen, dass die Frauen aus dieser Gewalt herauskom­men. Wir brauchen viele gemeinsame Maßnahmen.

Migrantinnen sind hier oft doppelt betroffen und diskriminiert, einerseits weil sie es als Frauen schwer haben, andererseits weil sie als Migrantinnen natürlich oft Schwierigkei­ten haben, weil es nun einmal schwieriger ist, wenn man in ein fremdes Land kommt. Hier braucht es Hilfe, hier ist jede Maßnahme zu begrüßen, und hier müssen wir auch weitertun.

Frau Kollegin Silhavy, ich möchte abschließend etwas zu deiner letzten Bemerkung sa­gen, die du ein bisschen flapsig hingeworfen hast: Wer Frauenpolitik ernst nimmt, der spricht über das und nicht über das. – Also ich glaube nicht, dass eine Partei sagt, was Frauenpolitik zu sein hat und was nicht, sondern Frauenpolitik ist, was Lebensrealitä­ten von Frauen betrifft. Genau das ist es, und genau das werden wir auch tun. – Dan­ke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

19.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.28.28

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Wenn ich die Debatte so verfolge: Wir sind hier ja alle einer Meinung, und es ist uns allen ganz klar: Zwangsverheiratungen dürfen in unserer Ge­sellschaft keinen Platz haben.

Wir sollten alles tun, um den betroffenen Frauen zu helfen. Da möchte ich noch einmal auf die rechtliche Ebene verweisen. Seit 2006 ist ja die Zwangsverheiratung, Ehenöti­gung ein Offizialdelikt. Das ist eine wesentliche Verbesserung, denn betroffene Frauen müssen nicht selbst Anzeige erstatten, sondern auch ein Dritter kann ohne Zustim­mung der betroffenen Frauen und Mädchen gegen die Zwangsehe rechtlich vorgehen. Auch damit wird versucht, den Druck von den betroffenen Frauen zu nehmen.

Wenn es um die Frage geht, wie wir den Betroffenen am besten helfen: Durch eine weitere Studie? – Eine Studie ist sicherlich gut, aber wir sollten die knappen vorhande-


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nen Mittel in konkrete Hilfsprojekte stecken. Ich bin sehr froh, dass angekündigt wur­de – heute und auch in den vergangenen Tagen –, dass es die Notunterkünfte, die Notwohnungen in diesem Jahr geben wird. Das ist ein guter Schritt und notwendig. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Obernosterer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.30.00

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, alles, was unter Zwang geschieht, ver­stößt gegen die Grund- und Freiheitsrechte, genauso die Zwangsverheiratung. Ich glau­be, wir waren uns im Ausschuss alle einig, dass es eigentlich nicht verständlich ist, dass es im 21. Jahrhundert noch so viele Zwangsverheiratungen gibt, und wir waren uns auch einig, dass wir etwas tun müssen, mithelfen müssen, damit das aufhört.

Ich bin nicht Ihrer Meinung, wenn es um diese Studie geht, wir haben ja schon davon gehört. Wir kennen die Hamburger Studie, wir kennen die Wiener Studien, aufbauend auf diese Studien hat ja die Frau Bundesministerin selbst etwas vorgelegt. Wir wissen, dass man in Österreich im Jahr von zirka 200 Zwangsehen ausgeht, inklusive der Zah­len, die nicht ganz nachvollziehbar sind.

Wir wissen, wo das Problem liegt, das wissen wir alle genau: in gewissen Kulturbe­reichen, Nationenbereichen. Ich glaube, das Geld, das diese Studie kosten würde, wür­de an diesem Problem nichts ändern, und ich glaube auch – und da bin ich ganz bei der Frau Bundesministerin –, dass man dieses Geld dafür verwenden sollte, um or­dentlich helfen zu können, wenn diese Fälle auftauchen.

Wie gesagt: Wichtig ist aber – und ich glaube, da könnte man viel mehr helfen; die Stu­die wird da sicherlich nicht helfen –, dass wir nicht wegschauen, sondern hinschauen, wenn wir solche Ehen kennen, und versuchen, mit der Rechtslage, die wir ja alle ken­nen, abschreckend diese Ehen zu verhindern, denn im 21. Jahrhundert ist es zumin­dest für unser aller Verständnis eigentlich nicht tragbar, dass das heute noch vor­kommt. Im Grunde genommen sollte diese Zahl 200 – inklusive der Dunkelziffer – auf null gesenkt werden.

Da hilft uns die Studie nicht, sondern da hilft die Gesetzgebung und dass wir alle hin­schauen und nicht wegschauen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Rednerin ist noch Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort gemeldet. 3 Minuten. – Bitte.

 


19.32.36

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde schon gesagt: Zwangsverheiratung ist ein Ver­brechen. Das haben wir im Strafgesetzbuch auch so festgelegt – fünf Jahre Strafe. Letztes Jahr gab es wieder eine Verschärfung, dass nämlich nicht nur Zwangsverheira­tungen in Österreich geahndet werden, sondern auch, wenn sie im Ausland von einem Österreicher oder einer Österreicherin begünstigt oder auch verübt werden. – Das ist das eine.

Auf der anderen Seite haben wir Studien und gleichzeitig auf der anderen Seite sehr knappe finanzielle Mittel, auch das wissen wir. Wir haben die Studien „So fern und doch so nah? – Traditionsbedingte Gewalt an Frauen“, „Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld“ und, und, und. Was wir jetzt brauchen, sind zusätzliche Maß­nahmen. Die Frau Ministerin hat reagiert, indem sie Schulungen für SozialarbeiterIn-


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nen, für MitarbeiterInnen im Sozialamt, für ErzieherInnen – und, und, und – angeboten hat, um sie dafür zu sensibilisieren zu erkennen, wann eine Zwangsverheiratung statt­gefunden haben könnte. (Abg. Grosz: Öfter als wir alle glauben!) All das sind wichtige Maßnahmen. Auch jene, die schon von Zwangsheirat betroffen waren oder die zwangs­verheiratet hätten werden sollen (Abg. Grosz: Zwangsverheiratungen finden öfter statt, als wir alle glauben!), werden in sogenannten Peer Groups eingesetzt, um darauf hin­zuweisen, was Anzeichen dafür sind, dass es sich um so ein Verbrechen handelt.

Was allerdings fehlt – und da stimme ich Ihnen zu –, das ist die Einrichtung einer Not­wohnung. Wenn hier versprochen wurde, dass bis Ende letzten Jahres – und es ist ja auch im Regierungsübereinkommen festgehalten – diese Notwohnung eingerichtet werden soll, so hoffe ich doch, dass die Innenministerin den Vorschlägen, dem Kon­zept der Frauenministerin folgt (Zwischenruf bei der ÖVP) und wir diese Notwohnung jetzt endlich einrichten können.

Das ist wichtig, Kollege Hörl, für die Frauen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Uns sind die Migrantinnen sehr wichtig, und daher bin ich überzeugt, dass wir noch im nächsten halben Jahr zu dieser Notwohnung kommen – und zwar mit gerecht aufgeteilten finan­ziellen Mitteln, denn die Frauenministerin alleine wird mit ihren 11 Millionen die Mittel nicht aufbringen können.

Die Frauenministerin hat ihre Aufgabe gemacht. Ich hoffe, dass das Innenministerium folgen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.)

19.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte schön.

 


19.35.16

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen den Stand der Ver­handlungen, bei dem wir stehen, nicht vorenthalten. Es gibt eine aktuelle Entwicklung. Sie wurde angedeutet. Es wird vom Innenministerium eine Einrichtung – Räumlichkei­ten – zur Verfügung gestellt. Wir müssen nur die nächsten Schritte auch noch gehen: Wie können wir aus einer Wohnung eine Interventionsstelle machen, die auch mit Personal besetzt ist? Wir sind uns noch nicht ganz einig, wer die Kosten zu tragen hat, obwohl wir uns seinerzeit schon ausgemacht hatten, dass es halbe-halbe sein muss, weil es sonst nicht möglich ist.

Ich gehe jetzt davon aus, dass die Errichtungskosten das BMI übernehmen wird. Wir hatten sie seinerzeit mit 80 000 € betitelt, der laufende Betrieb würde je an die 150 000 € kosten. Wenn wir diese Interventionsstelle nach dem Muster der Interven­tionsstelle für Betroffene von Frauenhandel einrichten wollen – mit acht bis zehn Be­treuungsplätzen –, dann werden wir diese nächsten Schritte demnächst diskutieren.

Ich bin erfreut über diesen ersten Schritt. Vor zwei Monaten hat die Frau Innenminis­terin von mir ein sehr umfassendes Konzept nach dem Muster der Interventionsstelle für Betroffene von Zwangsheirat in Berlin erhalten, die seit über 20 Jahren existiert und mit der sichergestellt ist, dass im Bereich einer Großstadt eine anonyme Einrichtung rund um die Uhr für Frauen vorhanden ist. Bis heute ist der Ort dieser Einrichtung – ich durfte sie selbst besuchen – noch nicht bekannt.

Ich plädiere dafür und appelliere auch an alle, die dieses Thema diskutieren, dass es ganz wichtig ist, zu gewährleisten, dass Mädchen und junge Frauen bestmöglich ge­schützt sind. Und dass das Bisherige zu wenig ist – es wurde schon angesprochen –, wurde von uns beiden beziehungsweise auch vom Innenministerium erkannt. Es war nicht immer so, dass wir einer Meinung waren, jetzt sind wir einer Meinung: Es soll eine zentrale Stelle geben, weil angeschlossen an Plätze in einem Frauenhaus nicht


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ausgeschlossen werden kann, dass Verwandte oder ganze Clans sozusagen die Mäd­chen verfolgen, mit dem Tode bedrohen oder es sogar zum Schlimmsten kommen kann.

Dieses Konzept wurde jetzt wie gesagt zwei Monate von der Innenministerin geprüft. Die Antwort ist das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten, aber wir müssen jetzt in­haltlich – und das ist mein nächstes Vorhaben – sehr genau darüber reden, wie wir die­se Räumlichkeiten mit SozialarbeiterInnen, Planstellen ausstatten wollen, damit das gewährleistet ist, und wie wir uns die Kosten für den laufenden Betrieb teilen können. Das ist nach wie vor ein Schritt, der vor uns liegt und leider noch nicht hinter uns.

Im Sinne dessen möchte ich abschließend sagen: Ich glaube, dass jede Studie, die er­stellt werden würde, die Notwendigkeit zur Potenz aufzeigen würde, dass wir so schnell wie möglich eine derartige Einrichtung brauchen. Die Zahlen, die wir verwenden, und die Dunkelziffern, die immer wieder im Raum stehen, würde auch eine neue Studie meiner Ansicht nach nicht ans Tageslicht bringen. Daher sollten wir hier sehr schnell schauen – im heurigen Jahr, am besten in den nächsten Monaten –, dass wir diese Ein­richtung auch mit Leben erfüllen können, zum Schutze der Mädchen und Frauen. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.38

19.38.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, seinen Bericht 1619 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

19.39.2516. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG), in der Fassung des BGBl. I Nr. 110/1993, zuletzt geändert durch das BGBI. I Nr. 111/2010, geändert wird (1702/A)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


19.40.10

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß schon, bei ersten Lesungen am Ende einer Tagesordnung, da will sich niemand länger aufhalten; ich mache es auch relativ kurz.

Im Wesentlichen geht es darum, dass wir im Unterschied zur bisherigen Regelung – bei welcher Ersatzpflege zwar möglich ist, aber nur im Rahmen der Mittel, die dafür in einem entsprechenden Unterstützungsfonds vorgesehen sind – darauf drängen, dass da für pflegende Angehörige ein Rechtsanspruch geschaffen wird. Wir drängen darauf, weil nur über den Rechtsanspruch für die pflegenden Angehörigen – und dabei handelt es sich ja in erster Linie, weitgehend um Familienangehörige, die lange pflegen – eine entsprechend gesicherte Entlastung im Fall von Krankheit, Urlaub oder anderen Ver­hinderungsgründen möglich ist.

Die brauchen das dringend, weil die derzeitige Situation, in der Familienangehörige sehr belastet sind – das wissen wir aus den Erfahrungen beziehungsweise aus Be-


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richten –, oftmals zu einer Überforderung dieser Familienangehörigen führt beziehungs­weise auch schon geführt hat.

Wir wollen diese Möglichkeit, dass Angehörige ihre zu pflegenden Familienangehöri­gen mitpflegen, weiter stützen und stärken. Dafür braucht es eine Maßnahme wie die Schaffung dieses Rechtsanspruchs, und zwar jenseits der Debatte, ob wir uns das fi­nanziell leisten können. Das ist ein dringendes Erfordernis in diesem Bereich, mit dem wir für die Zukunft nicht nur sicherstellen, dass Angehörige pflegen können, sondern mit dem wir auch wesentlich höhere Kosten in anderen Bereichen – durch professio­nelle Pflege – etwas eindämmen können. (Beifall bei den Grünen.)

19.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Kö­nigsberger-Ludwig zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.42.22

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen zielt darauf ab, dass die Ersatzpflege für pflegende Angehörige zu einem Rechtsanspruch gemacht werden soll. Jetzt sind ja, wie auch angesprochen worden ist, die Mittel aus dem Unterstützungsfonds zu be­zahlen. Es wurde aber, und das möchte ich auch ansprechen, im Jahr 2009 eine Ver­besserung im BezieherInnenkreis durchgeführt. Damals wurde die Pflegestufe für die zu Pflegenden auf die Pflegestufe 3 herabgesetzt. Auch für Demenzkranke gibt es schon die Ausnahme, wenn sie in der Pflegestufe 1 sind, und auch für minderjährige Kin­der.

Diese Besserstellung – oder diese Verbesserung, sagen wir lieber so – hat dazu ge­führt, dass die Zahl der Anträge um ungefähr 2 000 gestiegen ist. Wir haben jetzt, im Jahr 2010, eine Zuerkennungsrate von rund 6 800 Anträgen gehabt. Das ist begrü­ßenswert, das ist auch wichtig; und diese Zuerkennungsrate zieht finanzielle Aufwen­dungen nach sich, nämlich in der Höhe zwischen 7,6 und 8,2 Millionen € in den Jah­ren 2009 und 2010.

Es ist in der Debatte wichtig, zu wissen, dass es um diese Beträge geht. Und es ist na­türlich auch so – das hast du auch richtig angesprochen, Kollege Öllinger –, dass diese Zuwendung für die pflegenden Angehörigen sehr, sehr wichtig ist. Es ist auch eine prä­ventive Maßnahme, um auch die pflegenden Angehörigen auf Sicht und auf Dauer ge­sund zu erhalten. Das ist uns durchaus bewusst, aber es ist natürlich auch wichtig, die Finanzierung abzusichern.

Der Rechtsanspruch, den du angesprochen hast oder der im Antrag gefordert wird, ist natürlich auch im Hinblick auf die Rechtssicherheit für die pflegenden Angehörigen durchaus zu begrüßen. Man muss aber, wie schon angesprochen, auch die Finanzie­rung dahinter sicherstellen. Ich denke mir, wir sollten diesen Antrag wirklich eingehend diskutieren, auch in Richtung Prävention für die pflegenden Angehörigen.

Ich bin auch sicher, dass dieser Antrag oder diese Debatte auch in der Arbeitsgruppe „Strukturreform Pflege“ mitgeführt werden muss, wenn wir tatsächlich garantieren wol­len, dass pflegende Angehörige auch gesund bleiben und ihre Angehörigen gut pflegen können. – Ich freue mich auf die Debatte. (Beifall bei der SPÖ.)

19.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Höfinger zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.44.38

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Eine wichtige Thematik, zweifelsfrei: Das Bundespflege-


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geldgesetz betrifft uns, das weckt in uns Emotionen, das ist eine sehr sensible Thema­tik. Und der eingebrachte Antrag von Ihnen, Herr Kollege, spiegelt im Großen und Gan­zen das wider, was momentan gängige Praxis ist. Daher möchte ich ein paar Fakten erwähnen, die zugrunde liegen, die auch schon von meiner Vorrednerin dokumentiert wurden.

Es gab im Jahr 2010 rund 7 000 Anträge mit über 7 Millionen €, die dadurch ausbe­zahlt wurden. Das zeigt uns, dass dieses System grundsätzlich funktioniert. Ob wir jetzt daraus einen Rechtsanspruch definieren sollen, erscheint fraglich. Mit dem Pflege­fondsgesetz, das wir im Sommer mit breiter Mehrheit in diesem Haus beschlossen ha­ben, ist nämlich genau das vorgesehen, was die Intention dieses Antrages ist, nämlich, dass die Angehörigen, die pflegen, entlastet werden: durch teilstationäre Einrichtungen mit Tages- oder Wochenbetreuung, mit mobilen Diensten und vielem anderen mehr. Da­zu bekennen wir uns, und deshalb haben wir auch gemeinsam mit den Ländern den Pflegefonds beschlossen.

Ich denke, ein wichtiger Punkt in dieser Frage ist generell: Wir müssen die Menschen dazu bewegen, dass sie bereit sind, Pflege zu leisten. Dann können wir erst daraus er­messen und definieren, ob es in Bezug auf Pflegeleistungen einen Anspruch gibt, be­ziehungsweise ob es einen Anspruch auf Geld- oder Ersatzleistungen gibt.

Was wir auch wissen: Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich bereits mit diesem Thema. Ich denke daher, wir sollten jetzt nicht vorschnell eine Änderung vornehmen, denn wir wissen auch, dass wir bis zum nächsten Finanzausgleich beziehungsweise bis zur Nach­folgeregelung des Pflegefonds durch diesen Arbeitskreis noch eine gute Entscheidungs­grundlage dafür haben könnten.

Was wir auch wissen: Die Zuständigkeit für die Organisation der Pflege liegt bei den Ländern – nicht zuletzt deshalb, weil wir wissen, dass es viele unterschiedliche Situa­tionen in den einzelnen Bundesländern gibt und wir vonseiten des Bundes daher nur sehr eingeschränkte Kompetenzen haben. (Abg. Öllinger: überall gleich!)

Aber es ist zweifelsfrei eine wichtige Materie, über die wir uns im Ausschuss, denke ich, sehr intensiv unterhalten werden. Ich denke, dass wir, so wie bisher, in Bezug auf diese wichtigen Fragen einen gemeinsamen Weg finden werden. (Beifall bei der ÖVP.)

19.47


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Hofer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.47.22

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon abenteuerlich, wie sich die Regierungsparteien hier wehren und winden und mit eigenartigen Argumenten ans Rednerpult treten. Nämlich einerseits: man müs­se erst evaluieren, wie das angenommen wird; und gleichzeitig: So viele Menschen nehmen das an, das wird zu viel Geld kosten. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.) – Die finanzielle Situation haben Sie schon angesprochen. (Abg. Königsber­ger-Ludwig: Die Fakten!) – Ja, die Fakten.

Jetzt nenne auch ich Ihnen ein Faktum. Faktum ist, dass, wenn diese Pflegeleistungen nicht von Angehörigen übernommen werden, sondern von der öffentlichen Hand, uns das noch viel mehr Geld kostet und wir daher alles unternehmen müssen, damit eben diese Pflegeleistungen von pflegenden Angehörigen übernommen werden. (Abg. Kö­nigsberger-Ludwig: Das habe ich gesagt!)

Ein Eckpunkt einer vernünftigen Behindertenpolitik ist es, Rechtsanspruch sicherzustel­len. Ich möchte nicht beim Politiker anrufen und sagen: Bitte, hilf mir doch, ich brauche ein bisschen Ersatzurlaub, weil ich das nicht mehr schaffe! – Ich will einen Rechtsan-


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spruch haben; und wenn ich diese Ersatzzeiten nicht zugesprochen bekomme, dann will ich einen Bescheid haben, um dagegen Einspruch erheben zu können.

Es ist – ich sage es noch einmal – ein Grundsatz einer vernünftigen Behindertenpolitik, dass die Menschen nicht auf Almosen angewiesen sind, sondern dass ganz klar de­finiert ist, wann jemand Anspruch hat und wann nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen ist dieser Antrag des Kollegen Öllinger ein so guter. Ich glaube, auch wenn das in Zukunft mehr kosten würde, Frau Kollegin – also nicht 7 Millionen, sondern 10 oder 12 Millionen –, ist das immer noch viel günstiger, als wenn diese betroffenen Men­schen im Pflegeheim betreut werden, denn davon hat niemand etwas.

Je mehr Menschen zu Hause im Familienverband gepflegt werden können, desto mehr Gewinner gibt es dabei: die pflegebedürftige Person, die die große Chance hat, von ei­nem nahen Angehörigen gepflegt zu werden; die öffentliche Hand, die in Wirklichkeit entlastet wird; und auch der Angehörige, der die Chance bekommt, entlastet zu wer­den, und die Möglichkeit hat, einen geliebten Menschen in dieser schwierigen Phase zu begleiten. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Wind­holz.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch etwas betonen, was ich hier an diesem Rednerpult schon so oft gesagt habe, etwas, das jetzt wieder Thema ist: Die Gesund­heitsreform soll jetzt unter anderem dazu dienen, das Budget zu entlasten und zu ge­sunden.

Tatsache ist, das wissen wir: Wir haben doppelt so viele Akutbetten wie im Europa-Schnitt, wir haben dadurch Mehrkosten von 3 Milliarden €, wir haben die höchste Zu­weisungsrate von Patienten weltweit, aber wir geben zu wenig Geld aus für den Be­reich der Langzeitpflege: nämlich 1,2 Prozent des BIP für Langzeitpflege und 10 Pro­zent des BIP für das Gesundheitswesen.

Ich bin der Meinung, dass wir, wenn wir die Gesundheitsreform durchführen, nicht die eingesparten Mittel eins zu eins verwenden können, um die Budgetlöcher zu stopfen, sondern wir müssen einen Teil davon verwenden, um die Langzeitpflege zu finanzie­ren. Wir müssten also auf einen Wert kommen wie etwa Dänemark: 2,4 Prozent des BIP. (Beifall bei der FPÖ.)

Langfristig, meine Damen und Herren, wird es nämlich nicht so sein, dass uns billige Pflegekräfte aus den ehemaligen Ostblockstaaten zur Verfügung stehen werden, denn auch dort wird das Lohnniveau steigen, Gott sei Dank. Die Pflegearbeit, jemanden 24 Stunden in einem fremden Haushalt zu betreuen, dort zu schlafen, dort die Windeln zu wechseln, dort aufzuräumen, dort zu kochen, ist keine einfache; und ich bin davon überzeugt, dass das Einkommen dieser Personen in Zukunft steigen wird. Das heißt aber auch, dass wir dafür mehr Geld als bisher in die Hand nehmen werden müssen.

Gott sei Dank beginnt das Arbeitsmarktservice, vermehrt in diesem Bereich auszu­bilden. Gott sei Dank gibt es immer mehr Menschen, auch solche, die in Österreich le­ben, die bereit sind, diese Aufgaben zu übernehmen. Aber da muss man schon sagen, dass diese Aufgabe auch gut oder besser bezahlt werden muss, weil es eine sehr schwierige, sehr aufwendige ist. Wenn wir uns die demografische Entwicklung anse­hen, dann ist jedem von uns klar, dass die Zahl der pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen steigen wird. Daher müssten wir diese Herausforderung für die Zukunft tat­sächlich für uns annehmen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Wir werden den Antrag des Kollegen Öllinger auf jeden Fall unterstützen, weil wir glau­ben, dass diese Ersatzzeiten, diese Urlaubszeiten für Menschen, die tagtäglich für ihre pflegebedürftigen Angehörigen da sind, etwas ganz Wichtiges sind. So ein Mensch


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braucht auch einmal Urlaub und etwas Freiraum, um den Kopf wieder klarzubekom­men. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

19.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Do­linschek zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.52.07

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Das eine ist, dass die Pflege von Angehörigen, vor allem, wenn sie sehr, sehr lange dauert, eine enorme physische und psychische Belastung für die Pflegenden bedeutet, sodass es notwendig ist, für eine gewisse Auszeit für den Pflegenden zu sorgen, egal, ob er selbst erkrankt ist oder ob er Urlaub braucht, um sich von den Strapazen zu erholen.

Das andere ist – das wurde heute schon angesprochen –, dass die Pflege durch Ange­hörige noch immer billiger ist, als wenn sie von öffentlicher Hand getätigt wird. Das ist nun einmal so.

In Zukunft wird die Zahl der Leute, die zu pflegen sind, wie auch die Zahl höchst be­tagter Menschen zunehmen. Wenn zurzeit die Zuwendungen aus dem Unterstützungs­fonds für Menschen mit Behinderungen gezahlt werden, wenn die entsprechenden Mit­tel da sind, ist das eben das eine. Wenn jetzt in diesem Antrag ein Rechtsanspruch auf Zuwendungen für Pflegende zur Finanzierung einer Ersatzpflege verlangt wird, kommt es noch immer billiger als die Heimpflege.

Nur sollte man mit dem Begriff „Rechtsanspruch“ sorgsam umgehen, um nicht die Be­gehrlichkeit zu erhöhen, in sämtlichen Bereichen einen Rechtsanspruch zu fordern. Da gibt es viele Dinge. Wichtig ist nur, dass wir von der Politik hergehen und ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, nämlich für die Pflege zu Hause durch Angehörige. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste.

Wir haben jahrelang die Valorisierung des Pflegegeldes verlangt. Auch das ist bis jetzt nicht passiert. Natürlich ist das in einer angespannten Finanzlage wie jetzt ein Pro­blem; aber wir dürfen auf jeden Fall jene Leute nicht vergessen, die es im Leben nicht so leicht haben, und auch jene, die sich zur Verfügung stellen, um ihre Angehörigen zu Hause zu pflegen. (Beifall beim BZÖ.)

19.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1702/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

19.54.3517. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 27. Ju­ni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979) geändert wird (1705/A)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zunächst gelangt der Antragsteller, Herr Abgeordneter Lausch, zu Wort. – Bitte.

 


19.54.58

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Zu meinem An­trag beziehungsweise zur Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, ganz kurz:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 196

Wir finden beziehungsweise ich finde, der § 109 Beamten-Dienstrechtsgesetz ist nicht mehr ganz zeitgemäß. Er widerspricht auch der österreichischen Rechtsprechung. Es geht dabei, kurz erörtert, um Folgendes:

Bei geringen, minimalen Dienstpflichtverletzungen durch Bedienstete kann der Dienst­stellenleiter oder Personalchef eine sogenannte schriftliche Ermahnung aussprechen. Diese schriftliche Ermahnung muss dann von dem Bediensteten schriftlich übernom­men werden. Das heißt, der Beamte, der Bedienstete muss das schriftlich bestätigen. Der Bedienstete hat jedoch kein Rechtsmittel dagegen, das ist nicht vorgesehen.

Somit ist einer Einzelperson, eben dem Dienststellenleiter, Tür und Tor geöffnet, wenn es darum geht, auf einen gewissen Kreis von Beamten Druck auszuüben. Er kann schriftliche Ermahnungen ausstellen, die drei Jahre lang dem Beamten zum Nachteil gereichen können. Wenn er sich bewirbt, sich beruflich in seiner Dienststelle verändern will, ist das ein Nachteil, drei Jahre lang. Dann muss die schriftliche Ermahnung aus dem Personalakt entfernt werden. Das kann aber faktisch nicht passieren, weil die Personalakte nummeriert sind, das kann also nicht mehr entfernt werden. Somit haftet diese sogenannte schriftliche Ermahnung dem Bediensteten, dem Beamten ein Leben lang beziehungsweise seine ganze Dienstzeit lang an.

Wir haben nichts gegen die schriftliche Ermahnung. Das soll schon so sein, kann schon so sein, bei minimalen, geringfügigen Dienstpflichtverletzungen. Aber eines kann nicht sein in einem Rechtsstaat wie Österreich, nämlich dass der Bedienstete, der Beamte kein Rechtsmittel gegen diese subjektive Einzelentscheidung eines Dienststel­lenleiters hat.

Das ist nicht mehr zeitgemäß. Das gibt es weder in der Gerichtsbarkeit noch im Ver­waltungsstrafverfahren. Überall gibt es Rekurse, überall kann man sich beschweren, überall kann man Berufung einlegen. Nur hier sind dem Beamten, dem Bediensteten die Hände gebunden, er kann nichts dagegen tun. Er muss es, wie gesagt, sogar mit seiner Unterschrift bestätigen, übernehmen, mit Datum und Unterschrift, und es ge­reicht ihm, wie gesagt, sein Leben lang beziehungsweise seine ganze Dienstzeit lang zum Nachteil.

Das ist so aus unserer Sicht nicht in Ordnung und gehört natürlich schnellstmöglich ge­ändert. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Pendl zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.57.45

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vom Grundsatz her, inhaltlich, Kollege Lausch, brauche ich wohl nichts dazu zu sagen. Dem können wir durchaus zustimmen in einer Zeit, in der wir uns befinden. Auch das Disziplinarrecht ist eben in die Jahre gekommen, mit allen Ent­wicklungen.

Ich glaube, das ist, den Usancen Rechnung tragend, sicher ein Beitrag, den wir bei der nächsten BDG-Novelle verhandeln können. Daher würde ich sagen: Wenn diese an­steht, kann man das aus meiner Sicht ruhig mitbehandeln, denn ich glaube, dass man das, der Zeit entsprechend, in einem modernen Disziplinarrecht durchaus so gestalten kann. Ich sehe da also kein Problem und freue mich, wenn wir das bei der nächsten BDG-Novelle gemeinsam diskutieren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Singer. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 197

19.58.41

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Da­men und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie uns etwas über den Brief!) Der Antrag wurde schon entsprechend erläutert. Ich darf einige Anmerkungen dazu ma­chen. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt können Sie aber sagen, von wem der Brief ist!)

Ich stehe der Belehrung und Ermahnung als gelinderes Mittel im Vergleich zur Diszipli­naranzeige sehr positiv gegenüber. (Neuerliche Zwischenrufe bei Abgeordneten von BZÖ und FPÖ.)

Ich darf aber auch darauf hinweisen, sehr geehrte Damen und Herren, dass, wenn ein Vorgesetzter Ermahnungen und Belehrungen unbegründet ausspricht, dies ein Amts­missbrauch ist und dieser Amtsmissbrauch mit all den Folgen geahndet wird.

Ich darf noch einen Punkt anführen: Bei diesen Maßnahmen ist auch die Personalver­tretung mit im Spiel. Geschätzter Kollege Lausch, ich denke, Sie haben wenig Ver­trauen in die Personalvertretung. Als weiteres Mittel darf ich noch anführen, dass der Betroffene selbst noch die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde hat und diesen Weg gehen kann.

Differenzierter sehe ich die Forderung nach der Vernichtung der schriftlichen Unterla­gen nach drei Jahren deshalb, weil jetzt schon im Gesetz vorgesehen ist, dass dem betreffenden Beamten keine dienstlichen Nachteile erwachsen dürfen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Disziplinäre Maßnahmen von Vorgesetzten im Lichte von Willkür und politisch motiviertem Handeln zu sehen, wie es in der Antragsbegrün­dung des Öfteren vorkommt und dargestellt wird, ist für mich nicht nachvollziehbar. Disziplinäre Maßnahmen gehören leider auch zu einem geordneten Dienstbetrieb. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.00.49

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Ich kann dem Kollegen Lausch gleich versi­chern, dass wir sicher interessiert sind an dieser Debatte und dass ich auch viele sei­ner Einwände und Bedenken teile.

Es gibt ein Problem dabei: Wenn wir das so machen – und ich bin sehr dafür, dass je­der Beamte auch das individuelle Recht haben soll, gegen eine Abmahnung ein Rechtsmittel zu ergreifen –, dann ist eines klar: Der öffentliche Sektor entfernt sich weit vom privaten Sektor. Wichtig wäre nämlich, dass wir der vorhandenen Willkür im priva­ten Sektor, die es dort genauso gibt wie im öffentlichen Dienst, auch etwas entgegen­stellen.

Das Wichtigste, was wir entgegenstellen könnten, wäre natürlich ein geordnetes Be­triebsklima, in dem Abmahnungen, Ermahnungen – aber das wissen wir, das ist der Brief ans Christkind – überhaupt nicht notwendig sind.

Im Prinzip aber: Einverstanden, sehr dafür. Bedenken hätte ich auch, ähnlich wie der Kollege Singer, bei der Dreijahresfrist. Das ist abhängig von dem Delikt, das der oder die Beamte gesetzt hat. Aber das ist der einzige Einwand, da kann man sicher darüber reden, ob es eine Dreijahresfrist bei allen Delikten geben soll. Ich will jetzt gar nicht auf einzelne eingehen, aber diesen Vorhalt, dass dann, wenn etwas nach drei Jahren ge­strichen wird und der oder die Beamte nach sechs oder sieben Jahren ein weiteres De­likt setzt, gesagt wird: Wenn wir ihn in der Liste vorgemerkt gehabt hätten, dann wäre das unter Umständen nicht passiert!, den Vorhalt könnte es geben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 198

Das ist nur ein Einwand, man kann über alles diskutieren, die Richtung ist grundsätz­lich positiv zu sehen. (Beifall bei den Grünen.)

20.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Windholz. 3 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


20.02.42

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist das ein Thema, das im Einzelfall oft wirklich nicht mehr nachvollziehbar ist. Ich darf einmal vo­rausschicken das mit den Deliktsformen. In § 44 (1c) BDG steht:

Im gesamten Verhalten ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allge­meinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Das ist in aller Regel der Vorwurf bei Disziplinarverhandlungen.

Glauben Sie mir, ich kann das aus der Praxis sagen, ich war schon Mitglied von Dis­ziplinarkommissionen, ich habe sehr häufig Kollegen vertreten bei Disziplinarkommis­sionen, und das Ganze ist auf drei Ebenen möglich: die Disziplinarkommission, gewis­sermaßen das Gremium, das entscheidet, mit einer zusätzlichen Instanz. Es kann aber auch das Einzelorgan entscheiden bei bestimmten Fällen. Und es kann der Dienstvor­gesetzte mit schriftlicher Ermahnung vorgehen. Diese schriftliche Ermahnung ist Gift, weil die auch gezielt gebraucht werden kann.

Wenn der Kollege Singer davon spricht, dass die Personalvertretung da eingebun-
den ist: nein, mitnichten! Es gibt da keine Zuständigkeit. Und ich kann Ihnen ein Bei-
spiel sagen, wie das auch gezielt, mitunter parteipolitisch, eingesetzt wird. (Beifall des
Abg. Mayerhofer.)

Ich habe einmal einen Kollegen vertreten, der war bei der Observationseinheit zur Ein­schulung. Da gab es einen wichtigen Posten, eigentlich hat alles für ihn gesprochen – und dann hat der Dienstvorgesetzte eine schriftliche Ermahnung erlassen. Und genau diese schriftliche Ermahnung hat dann verursacht, dass er diesen Job nicht bekommen hat. Ich sage, das wurde damals gezielt eingesetzt.

Wir haben sogar probiert, mit Selbstanzeige bei der Disziplinarkommission vorzuge­hen, um seine Unschuld zu beweisen, vor einer Kommission. (Abg. Pendl: Nutzt ja nichts!) – Nicht gegangen, genau! Der Kollege Pendl weiß das, und darum wird er auch wissen, wie man dieses Instrument gezielt einsetzen kann, auch parteipolitisch. (Abg. Pendl: Ich habe ja gesagt, reden wir darüber! Mehr kann man nicht machen!) Darum ist es gescheit und klug, wenn man diesen Missstand beseitigt. Das sind nicht viele Fälle, und ich möchte auch nicht generell diesen Vorwurf erheben, aber es gibt partei­politisch motivierte Vorgänge im öffentlichen Dienst. Je höher die Funktionen sind, des­to eher ist das anzutreffen.

Wenn man das neu gesetzlich regelt, werdet ihr auf jeden Fall unsere Zustimmung ha­ben, denn dann beseitigen wir einen wirklichen Missstand, der zutiefst abzulehnen ist. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Mayerhofer.)

20.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1705/A dem Verfassungsausschuss zu.

20.05.1218. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flurverfassungs-Grundsatzge­setz 1951 und das Agrarverfahrensgesetz geändert werden (1719/A)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 199

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erteile ich dem Antragsteller, Herrn Abgeordnetem Huber. 5 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


20.05.41

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Warum müssen wir das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz von 1951 sanieren? Es hat genau vor 30 Jahren, am 1. März 1982, der Verfassungsgerichtshof aufgrund von Be­schwerden der Stadtgemeinde Feldkirch und der Stadtgemeinde Innsbruck Teile des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 Bestimmungen davon aufgehoben. Die Ge­setzesaufhebung erfolgte, weil der Gesetzgeber es verabsäumt hat, die erforderlichen Differenzierungen im Zusammenhang mit der bodenreformatorischen Gestaltung von Gemeindegut vorzunehmen. Das ist ausschließlich Aufgabe und Zuständigkeit dieses Hohen Hauses, und auch aus Respekt vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichts­hofes hat sich das Hohe Haus damit zu beschäftigen.

Der Bundesgesetzgeber hätte sich mit der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichts­hofes wirklich schon längst befassen müssen. 30 Jahre ist diese Gesetzeslücke im luft­leeren Raum, 30 Jahre ist da nichts geschehen, und ich glaube, es ist wirklich höchste Zeit, dass wir uns – vor allem aus Respekt vor dem Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofes, aus Respekt unserer Gerichtsbarkeit gegenüber – dieses Gesetzes endlich annehmen.

Es ist die alleinige Entscheidung von uns, ob überhaupt, und wenn ja, in welcher Form, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz, diese Teilaufhebungen durch den Verfassungs­gerichtshof saniert werden. Es ist allein unsere Entscheidung. Und ich bin der festen Überzeugung, dass es der allgemein gebotenen Sorgfalt des Gesetzgebers entspre­chen würde, wenn nach dieser Teilaufhebung endlich grundsätzlich geprüft würde, ob man den Gesetzestorso so stehen lassen kann und will oder ob man ihn ändert.

Und schließlich würde es dem allgemein gebotenen Respekt des Gesetzgebers gegen­über dem Höchstgericht entsprechen, wenn die Argumente des Höchstgerichtes, die Auswirkungen der Rechtsauffassung des Höchstgerichtes und eine allfällige Meinung dieses Hohen Hauses dazu zur Diskussion gestellt würden. Eine Sanierung, die das Urteil von 1982 in Erwägung zieht, entspricht der gebotenen Sorgfalt des Gesetzge­bers und dem schuldigen Respekt gegenüber dem Gericht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verwirrung ist da enorm groß geworden, als im Recht der Agrargemeinschaften ohne Wissen und Wollen dieses Hohen Hauses das geteilte Eigentum neu eingeführt wurde. Geteiltes Eigentum wurde eingeführt, obwohl dieses Hohe Haus vor 145 Jahren entschieden hat, nämlich am 21. Dezember 1867, dass wir in Österreich in Zukunft kein geteiltes Eigentum mehr wollen. Das Ganze ist in Artikel 7 des Staatsgrundgesetzes von 1867 verankert.

Geteiltes Eigentum wurde eingeführt, obwohl der Bundesgesetzgeber erst im Jahr 2006 die Gesetzesregelungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch betref­fend das geteilte Eigentum wegen angeblicher Gegenstandslosigkeit aufgehoben hat. Mit der neuen Kategorie des Gemeindegutes, das seine Rechtsnatur als Substanzrecht der Ortsgemeinde nicht geändert haben soll, würde das geteilte Eigentum jedoch wie­der eingeführt, mit allen Konsequenzen, insbesondere Rechtsunsicherheit und Streite­reien ohne Ende. Im „Mieders-Erkenntnis“ des Verfassungsgerichtshofes vom 9. No­vember 2008 kann das gerne nachgelesen werden.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Der nötige Respekt vor Erkenntnissen des Höchstge­richtes ist das eine – die Grundsatzkompetenz des Hohen Hauses ist das andere. Die-


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ses Hohe Haus erweist dem Höchstgericht erst Respekt, wenn die Anstände des Höchst­gerichtes hier behandelt werden, wenn die Einwendungen gründlich erwogen, wenn al­le berührten Ministerien und die Experten dazu gehört werden und wenn dieses Hohe Haus nach gründlicher Abwägung aller Für und Wider eine Entscheidung gefällt hat.

Die richterrechtlichen Konstruktionen des „eigentumslosen Substanzrechtes“ und des „substanzlosen Eigentums“, neue Rechtspositionen der Agrargemeinschaft, sind Neu­schöpfungen in der österreichischen Rechtsordnung. Diese Neuschöpfungen, nämlich das „eigentumslose Substanzrecht“ und das „substanzlose Eigentum“, wurden als Er­gebnis der richterlichen Rechtsschöpfung hervorgebracht, weil das Hohe Haus nun schon knapp 30 Jahre nicht reagiert hat und es nicht der Mühe wert gefunden hat, sich mit dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis aus 1982 auseinanderzusetzen. Haben diese Neuschöpfungen, nämlich das „eigentumslose Substanzrecht“ und das „sub­stanzlose Eigentum“, als richterliche Rechtsschöpfung den Charme des Neuen? – Ich glaube nicht.

Alle Juristen in diesem Hohen Haus erstarren in Ehrfurcht. Wenn man sich anschaut, was diese Rechtsstreitigkeiten um das neue „eigentumslose Substanzrecht“ und das „substanzlose Eigentum“ in den letzten Jahren gekostet haben, dann zeigt das, dass nur wir hier im Hohen Haus dieses Flurverfassungs-Grundsatzgesetz von 1951 ändern können und dass wir uns wenigstens im Sinne des Respektes vor den Höchstgerichten dafür einsetzen sollten, dass wir das behandeln. Ungeachtet der hohen Wertschät­zung, die vielleicht alle Rechtsanwälte hier haben werden, kann es doch nicht sein, dass da ein Flächenbrand, der sich österreichweit ausweitet, entzündet wird, dass nur die Juristen und die Rechtsanwälte davon profitieren und dass wir als Abgeordnete uns unserer Aufgabe hier nicht bewusst werden und nichts tun.

Geschätzte KollegInnen! Das Obereigentum des Staates wurde bereits im 19. Jahrhun­dert beseitigt, das ist einfach eine historische Tatsache. (Beifall beim BZÖ. – Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus 1982 lehrt uns: Eine schlechte Gesetzgebung wäre es, wenn wir uns nicht mit dieser Materie auseinandersetzen. Eine schlechte Gesetzgebung wäre es, wenn wir uns mit den ge­setzesaufhebenden Urteilen des Verfassungsgerichtshofes erst gar nicht beschäftigen würden. Eine schlechte Gesetzgebung wäre es, sich darauf auszureden, dass das Flur­verfassungsrecht zu kompliziert sei.

18 000 Tirolerinnen und Tirolern steht nun die Enteignung ins Haus. Österreichweit gibt es über 100 000 Betroffene. Es droht wirklich ein juristischer Flächenbrand. Das ist Gift für die Wirtschaft – Hochsaison für den Stand der Advokaten! Das sind die Fakten. Diese Rechtslosigkeit müssen wir wirklich beseitigen, denn es kann nicht sein, dass auf­grund von Enteignungen nur die Advokaten profitieren.

Faktum ist weiters, dass die österreichische Bundesverfassung aus dem Jahr 1920 im Artikel 12 Abs. 1 die Bundeskompetenz für das Bodenreformrecht, insbesondere agra­rische Operationen, festgeschrieben hat. Und das Flurverfassungsrecht ist Teil des Bo­denreformrechts, insbesondere agrarische Operationen gemäß Artikel 12. Die Verant­wortung als Grundsatzgesetzgeber des Bodenreformrechts gemäß Artikel 12 der öster­reichischen Bundesverfassung – Kompetenzartikel, in Kraft seit 1925! – ist wahrzuneh­men.

In diesem Sinne erwarte ich mir ehrlich, dass alle Parteien in diesem Hohen Haus zu ihrer Verantwortung nach der Bundesverfassung stehen und die vorliegende Gesetzes­novelle in verfassungsmäßige Verhandlung ziehen und darüber beraten. (Beifall beim BZÖ.)

20.15



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 201

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Gaßner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.15.20

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Huber! Haben Sie sich eigentlich die verfassungsgerichtli­chen Erkenntnisse jemals angeschaut? Ich frage Sie das, weil ich das, was Sie uns da jetzt vorgelesen haben, dort drinnen nicht gefunden habe. Aber ich habe dort gefun­den, dass diese Grundstücke der Agrargemeinschaften zu Recht nicht den Agrarge­meinschaften gehören, sondern dass diese Gemeindeeigentum sind – sowohl 2008 als auch jetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die letzte Entscheidung ist im Dezember des Vorjahres gekommen. (Abg. Huber: Le­sen Sie das Urteil!) Auch hier steht wieder ganz klar und deutlich drinnen, das ist Ge­meindegrund und nicht das Grundstück oder die Grundstücke der Agrargemeinschaf­ten, also da hat über komische Umwege eigentlich eine Enteignung der Gemeinden stattgefunden. Das ist die Tatsache, und deswegen werden wir diesem Antrag, dass hier ein Gesetz geschaffen wird, mit dem Unrecht zu Recht gemacht werden soll, mit Sicherheit nicht zustimmen, Herr Kollege.

Wir werden im Ausschuss noch einige Möglichkeiten haben, darüber zu reden, aber so wird es nicht gehen, dass man den Gemeinden klammheimlich die Grundstücke nimmt, die ihnen eigentlich zustehen.

Interessant ist: Das landwirtschaftliche Nutzungsrecht gehört auch heute noch den Landwirten, die diese Grundstücke bewirtschaften. (Abg. Huber: Aber das, was sie er­wirtschaften, gehört der Gemeinde!) Nur das interessiert heute keinen mehr, weil es in den Agrargemeinschaften kaum mehr Landwirte gibt, sondern sehr viel mehr solche Leute, die sich an den Pfründen bereichern. Und das kann es nicht sein.

Ich habe nur eine Bitte, Herr Kollege: Erzählen Sie nicht in Tirol, dass die SPÖ Ihrem Antrag zustimmen wird! (Beifall bei der SPÖ.)

20.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.17.31

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aus der Rede vom Kollegen Huber haben wir, glaube ich, heute alle mitbe­kommen, dass es sich um eine komplexe Materie handelt. (Heiterkeit. – Beifall bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Seit 2008 gibt es ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu den Tiroler Agrarge­meinschaften, speziell zu den Gemeindegutsagrargemeinschaften. Wir haben über 2 000 Agrargemeinschaften, und 250 von diesen sind aus Gemeindegut entstanden, wurden damals in den vierziger bis siebziger Jahren übertragen. Diese werden derzeit einem Regulativ unterworfen, werden also untersucht. Die sind alle unterschiedlich auf­gestellt. Und natürlich: Wenn so ein Rechtsstreit vom Zaun gebrochen wird, dann gibt es Rechtsanwälte, die sich dafür interessieren, und es gibt derzeit eine riesige Ausein­andersetzung zwischen den Rechtsanwälten, die die Agrargemeinschaft, also die bäu­erliche Welt, vertreten, und denen, die die Gemeindeseite vertreten.

Aber es ist auch nicht so, dass da alles in die falsche Richtung läuft, sondern aus meiner Sicht gibt es derzeit durch die Novelle des Tiroler Flurverfassungsgesetzes durch­aus gute Ansätze, wie etwa, dass es für jede Agrargemeinschaft möglich ist, den Rechts­weg zu beschreiten, dass es möglich ist, freiwillige Vereinbarungen über die Erlöse zu treffen, und dass es möglich ist, auch Hauptfeststellungen zu treffen.


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Also man befindet sich derzeit in einem Prozess, dieses Thema Agrargemeinschaften aufzuarbeiten. Es ist die Frage – wir werden das im Ausschuss diskutieren, Kollege Huber –, inwieweit wir da überhaupt bundesgesetzliche Unterstützung brauchen. Aber wichtig ist, dabei zu beachten – Kollege Gaßner hat das schon gesagt –, dass es hier einmal unterschiedliche Rechtsverhältnisse gegeben hat.

Es geht nicht um Enteignung, es geht um Recht, es geht natürlich um Besitz. Aber ei­nes muss ich ganz klar feststellen, Kollege Huber: Was in der letzten Zeit geschehen ist, dass Rechtsanwälte höchstgerichtliche Entscheidungen vom Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof öffentlich angreifen und Richter öffentlich diskreditieren, das geht nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat, und ich hoffe und wünsche mir, dass wir auch das Thema Agrargemeinschaften auf rechtlich sauberer Basis für alle Beteiligten zufriedenstellend lösen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gartelgruber. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.20.01

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Wir haben jetzt einiges über die Tiroler Agrargemeinschaften gehört. Meine Vorredner sind schon darauf eingegangen, dass es eine neue Rechtsgrundlage gibt, die im Juni 2008 in Kraft getreten ist, und ein Erkenntnis des Verfassungsgerichts­hofes aus dem Jahr 1982.

Was aber hier schon etwas prekär ist – das können die Kolleginnen und Kollegen, die nicht aus Tirol sind, jetzt vielleicht nicht wissen –, ist, dass sich auch die Tiroler Lan­desregierung, geduldet von ÖVP und SPÖ, weigert, dieses Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes umzusetzen, und die Entscheidungen negiert. Und das geht in der Praxis dann so weit, dass rechtswidrige Entscheidungen von befangenen Organen in den betreffenden Ortschaften duldend in Kauf genommen werden. Es wird einfach nichts getan, und das ist ein Skandal.

Und es gibt viele Musterfälle in Tirol; der bekannteste – Kollege Gahr und Kollege Hu­ber haben dies schon anklingen lassen – ist Mieders. Aber nicht nur da, auch in mei­nem Heimatbezirk Kufstein gibt es drei Gemeinden, die massiv davon betroffen sind, das sind Langkampfen, Angath und Münster. Und auch da wäre es wirklich Zeit, dass man das einmal richtig angeht.

Bekannt ist natürlich auch die Aussage des Langkampfener ÖVP-Bürgermeisters in dieser Sache der Agrar, der damals im Zuge der Vorgangsweise sogar Landeshaupt­mann Platter, naja, sehr massiv angegriffen hat und diese Enteignung in Langkampfen mit dem Hitler-Regime verglichen hat. Landeshauptmann Platter hat dann in seiner Be­antwortung der schriftlichen Anfrage, die von uns, von der FPÖ im Landtag eingebracht worden ist, diese skandalösen Aussagen auch noch gedeckt und keine Veranlassung gesehen, da tätig zu werden. – So weit sind wir im hier im Staate Österreich und im „heiligen Land Tirol“.

Aber was mir hier schon auch noch übrig bleibt, ist: Wo bleibt hier der Rechtsstaat, wenn mehrere Höchstgerichtserkenntnisse einfach nicht mehr vollzogen werden? Ich habe den Eindruck, dass dagegen die Ortstafel-Frage in Kärnten ein Lämmchen war. In der Frage der Tiroler Agrar-Geschichte geht es ja um ein Territorium, das die Größe von Osttirol hat. Bisher haben die Gemeinden noch nichts von ihren Ansprüchen be­kommen, und das ist ein Skandal, der zum Himmel schreit. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte hier festhalten: Wir von der FPÖ stehen zum Bauernstand, zu jenen, die klare Höchstgerichtsentscheidungen auch anerkennen. Und wir von der FPÖ sind für


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 203

die Einhaltung des Rechtsstaates, für den Vollzug der Erkenntnisse und nicht für das Hintertreiben und Unterlaufen von Gesetzen, wie es derzeit in Tirol praktiziert wird. (Beifall bei der FPÖ.)

20.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dr. Pirklhuber. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.23.08

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): An dieser Materie, die ein bisschen komplex ist, kann man zweierlei ablesen: einerseits, dass das Land Tirol of­fensichtlich nicht auf der österreichischen Verfassung aufbaut, sondern seit Jahrzehn­ten auf Basis irgendwelcher möglicherweise Ortskaiserstrukturen regiert wird, die sich nicht an Verfassungsgerichtshofentscheidungen halten. – Punkt eins. (Beifall bei Grü­nen und BZÖ.)

Punkt zwei: Ein sehr spannendes Thema wird in den Ausschüssen – da werden wir uns damit beschäftigen – der Kampf um Wald und Weide sein. Dieser wird bereits seit Jahrhunderten geführt. Er bricht in Tirol jetzt wieder aus. Vor der Zeit des Römischen Rechts gab es diese wirklich basisdemokratischen, sage ich einmal, Grundrechte, näm­lich von gemeinschaftlicher Nutzung. Und gemeinschaftlich hat geheißen: aller Bürge­rinnen und Bürger in einer Gemeinde. So war das, und so ist das zu sehen.

Auch unter Maria Theresia und im 19. Jahrhundert ist gerade das klargestellt worden, weil damals natürlich dieser Kampf um Wald und Weide schon massiv vorangeschrit­ten war und sich damals schon einige, die heute in Tirol an der Macht sind, diese Pfründe sozusagen aneignen wollten. Und ich glaube, gerade diese Konfliktsituation zeigt, wie wichtig die Einhaltung der Verfassung und wie wichtig die Einhaltung auch von Verfassungsgerichtshofentscheiden ist. Daher bin ich überzeugt, dass wir im Aus­schuss nicht der Überzeugung sein werden, dass es hier zu einer Gesetzesänderung kommen muss.

Die Rechte der Gemeinden sind besonders wichtig. Heute in Tirol: beschränkte Boden­ressourcen, eine Riesenauseinandersetzung um Baugründe, um Tourismusfragen, um Fragen der Raumordnung. Wenn man die Gemeinden nicht ihre notwendige ausglei­chende Wirkung entfalten lässt und ihnen keine Berechtigung gibt – gerade diesen Ge­meinden, die man etwa im Jahr 1962 enteignet hat; in den sechziger Jahren war das, wo das übertragen wurde –, dann, muss ich sagen, ist es ein schlimmes Zeichen für die Tiroler Demokratie, wenn dort die Bundesgesetzgebung nicht vollzogen wird.

Und jetzt versucht man vielleicht sogar, sozusagen hinten herum auch ein Verfas­sungsgesetz zu ändern. Das kanns nicht sein, das darfs nicht sein!

Ich bin überzeugt davon, dass es infolge des Drucks der Tiroler Bevölkerung zu den entsprechenden Änderungen wird kommen müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.25


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. 4 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


20.25.44

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das Flurverfas­sungs-Grundsatzgesetz 1951 und das Agrarverfahrensgesetz sollen geändert werden. In allen Bundesländern – außer in Wien – gibt es Agrargemeinschaften, die hervorra­gend geführt und betrieben werden. Es kann und darf nicht sein, dass Regelungen ge­schaffen werden, wodurch Mitglieder von Agrargemeinschaften bedenkenlos enteignet


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werden. In Österreich gibt es seit langer Zeit Agrargemeinschaften, die ihre Liegen­schaften sehr erfolgreich gemeinsam bewirtschaften. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist dringend notwendig, auch da Rechtssicherheit zu schaffen, was das Eigentums­recht betrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und was Sparsamkeit in der Verwaltung betrifft, da kann sich fast jede Agrargemeinschaft in Österreich sehen las­sen. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Wenn es wo Ungereimtheiten oder gar Missbrauch gibt, gehört das mit Nachdruck ab­geschafft.

Grundsätzlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Agrargemeinschaften ein wichtiger Bestandteil unserer Landwirtschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

20.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1719/A dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zu.

20.27.1519. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes St. Pölten (35 Hv 185/11x-10) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz (1651 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort ist niemand gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1651 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes St. Pölten, GZ 35 Hv 185/11x, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwi­schen der vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz besteht; daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz nicht zuge­stimmt.“

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Somit ist die Tagesordnung erschöpft.

20.28.55Einlauf

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1812/A(E) bis 1825/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 10364/J bis 10410/J eingelangt.

*****


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 205

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 20.29 Uhr ein; das ist gleich im An­schluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.29.34Schluss der Sitzung: 20.29 Uhr


 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll141. Sitzung / Seite 206

Verzeichnis der Mitglieder des Besonderen Ausschusses zur Vorberatung
des Volksbegehrens „Bildungsinitiative“ (1647 d.B.)
laut von den Klubs eingereichten Listen
(Stand: 25. Jänner 2012)
(26)

Mitglieder:

SPÖ: Sonja Ablinger; Mag. Josef Auer; Mag. Andrea Kuntzl; Mag. Rosa Lohfeyer; El­mar Mayer; Erwin Preiner; Franz Riepl; Ewald Sacher

ÖVP: Werner Amon, MBA; Mag. Katharina Cortolezis-Schlager; Thomas Einwallner; Anna Franz; Mag. Silvia Fuhrmann; Anna Höllerer; Dr. Franz-Joseph Huainigg; Niko­laus Prinz

FPÖ: Mag. Dr. Martin Graf; Ing. Christian Höbart; Anneliese Kitzmüller; Dr. Walter Ro­senkranz; Dr. Martin Strutz

Grüne: Dr. Kurt Grünewald; Mag. Daniela Musiol; Dr. Harald Walser

BZÖ: Ursula Haubner; Mag. Rainer Widmann

Ersatzmitglieder:

SPÖ: Gabriele Binder-Maier; Harry Rudolf Buchmayr; Andrea Gessl-Ranftl; Johann Hechtl; Ulrike Königsberger-Ludwig; Mag. Christine Muttonen; Dr. Sabine Oberhau-
ser, MAS; Peter Stauber

ÖVP: Mag. Heribert Donnerbauer; Adelheid Irina Fürntrath-Moretti; Hermann Gahr; Franz Glaser; Wolfgang Großruck; Mag. Josef Lettenbichler; Mag. Bernd Schönegger; Ridi Maria Steibl

FPÖ: Dipl.-Ing. Gerhard Deimek; Dr. Andreas Karlsböck; Edith Mühlberghuber; Mag. Hei­demarie Unterreiner; Dr. Susanne Winter

Grüne: Mag. Helene Jarmer; Tanja Windbüchler-Souschill; Mag. Dr. Wolfgang Zinggl

BZÖ: Stefan Markowitz; Stefan Petzner

Obfrau/Obmann: (noch nicht bekannt)

Obfrau-/Obmannstellvertreter/in: (noch nicht bekannt)

Schriftführer/in: (noch nicht bekannt)

Impressum:

Parlamentsdirektion

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