Parlamentskorrespondenz Nr. 1173 vom 10.11.2023

Budget 2024: Expert:innen vermissen strukturelle Reformen

Beratungen starten mit Expert:innenhearing im Budgetausschuss

Wien (PK) – Das Budget 2024 soll unter anderem mehr Mittel für Unis, Landesverteidigung und ein gratis Klimaticket für 18-Jährige bringen. Jedem Ressort werden mehr Mittel als im Vorjahr zur Verfügung stehen. Für kommendes Jahr rechnet das Finanzministerium mit Einnahmen in der Höhe von 102,6 Mrd. € und Ausgaben von 123,5 Mrd. €. Das ergibt in Summe ein Defizit von 20,9 Mrd. €. Im Rahmen eines öffentlichen Hearings des Budgetausschusses wurde der Budgetentwurf von Christoph Badelt (Wirtschaftsuniversität Wien), Martin Gundinger (Austrian Economics Center), Monika Köppl-Turyna (EcoAustria Institut für Wirtschaftsforschung), Markus Marterbauer (Arbeiterkammer Wien) und Margit Schratzenstaller-Altzinger (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) analysiert.

Mit dem kommenden Budget soll mit 2,7 % die 3 %-Maastricht-Grenze wieder eingehalten werden. Das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit soll 2024 bis 2027 trotz der budgetären Belastungen unter 3 % des BIP liegen. Entsprechend dem Bundesfinanzrahmen 2024 bis 2027 soll die öffentliche Schuldenquote bis zum Ende 2027 stabil bis rückläufig unter 77 % des BIP bleiben (2179 und Zu 2179 d.B.). Angesichts dessen sprachen sich die Expert:innen gegen die Fortsetzung der Schuldenpolitik aus, um Spielräume für künftige Krisen zu schaffen.

Badelt: Es braucht Zielvorgaben beim Finanzausgleich

Mit dem Budget 2024 werden aus Sicht von Christoph Badelt "inhaltlich vernünftige Schwerpunkte" insbesondere bei Klima- und Umweltschutz, Kindern und im Bereich Sicherheit gesetzt. Kritisch sah der Experte geplante Mehrausgaben bei fehlenden Reformen. Dies sei mit dem Finanzausgleich zu begründen, so Badelt, der Zielvorgaben und Transparenz über Zielerreichung einforderte. Das Budget sei expansiv, betonte er, "in einigen Bereichen mehr als aus konjunktureller Sicht erforderlich".

Bedenken hatte Badelt aufgrund von Defizit und Schuldenstand. Weitere Krisen seien derzeit nicht in Sicht, aber dennoch denkbar. Die Budgetsituation für künftige Krisen bewertete er als "sehr schwierig". In seiner Funktion als Fiskalrat stellte Badelt fest, dass die Ausgaben für 2024 und die Folgejahre nicht so hoch sein müssten, wie dargestellt. Der Fiskalrat berechne niedrigere Ausgaben, betonte er. Daher appellierte der Experte, der Versuchung zu widerstehen, weitere Ausgaben zu tätigen, die zu Ausgaben in angegebener Höhe führen. Eine langfristige Pensionsreform sei dringend erforderlich, mahnte er angesichts von Veränderungen in der Demografie ein.

Gundinger zum Finanzausgleich: Einnahmen-Föderalismus statt Ausgaben-Föderalismus

Es handle sich um ein expansives Budget, bekräftigte auch Gundinger. Seine Kritik galt insbesondere dem Finanzausgleich. Es bedürfe eines Einnahmen-Föderalismus statt dem bestehenden Ausgaben-Föderalismus. Bei Maßnahmen zur Attraktivierung des Standortes warnte Gundinger vor problematischen Verbindungen zwischen Unternehmen und Staat.

Im Zentrum seiner Kritik stand die "überbordende Verwaltung". Viele Förderungen erachtete er als unnötig. Daher gelte es, Bürokratie abzubauen. Im Sinne der Nachhaltigkeit empfahl auch Gundinger eine Reform des Pensionssystems. Das österreichische Bildungssystem sei teuer, aber liege bei den Ergebnissen nur im Mittelfeld, führte der Experte aus. Ansetzen würde er bei einer Reduktion von Dokumentationspflichten. In Summe hielt Gundinger das Budget für einen weiteren Schritt in die falsche Richtung. Er warnte zudem vor einer bevorstehenden Wirtschaftskrise.

Köppl-Turyna kritisiert Fortsetzung der Schuldenpolitik

Die Fortsetzung der Schuldenpolitik bis 2027 hielt Köppl-Turyna für wenig nachvollziehbar. Es habe sich seit letztem Jahr nichts geändert, zitierte sie ihre Rede vom letzten Jahr. Die Zeiten niedriger Zinsen seien nicht genutzt worden, um das Budget zu sanieren, betonte sie. In diesem Sinne rief sie zu Budgetdisziplin auf. Um das Budget zu sanieren, dürfe es aber keine neuen Steuern geben. Diese hätten keine Aussicht auf Erfolg, solange keine Strukturreformen erfolgen. Obwohl große strukturelle Reformen fehlen, erkannte Köppl-Turyna positive Aspekte im Budget. Darunter falle das Budget für die Universitäten, ebenso für Sicherheit und Justiz sowie die Aufstockung der Mittel für Gewaltprävention.

Köppl-Turnya begrüßte den European Chips Act, forderte aber auch Entbürokratisierung. Positiv sah sie den Energiekostenzuschuss, sofern er zeitlich begrenzt eingesetzt werde. Beim Zukunftsfonds forderte die Expertin Sanktionierungsmechanismen und klare Zielvorgaben. Seit 2013 sei die Zielorientierung im Budget vorgesehen, dies werde jedoch ignoriert, sagte sie. Köppl-Turnya sprach sich für automatisch greifende europäische Finanzmechanismen aus, um einem Anhäufen der Schulden auf europäischer Ebene entgegenzuwirken.

Marterbauer: Notwendige Budgetkonsolidierung wird der nächsten Bundesregierung verantwortet

Das Budget 2024 sei von der hohen Inflation und aktueller Rezession geprägt. Eine verhaltene Erholung sei für nächstes Jahr vorgesehen, führte er aus. Problematisch sah Marterbauer das Defizit der nächsten Jahre entsprechend dem Bundesfinanzrahmen. Die notwendige Budgetkonsolidierung werde der nächsten Bundesregierung verantwortet, kritisierte er. Obwohl die klimarelevanten Ausgaben steigen, fehle es an grünen Zukunftsinvestitionen, hielt der Experte fest, anerkannte aber Maßnahmen beispielsweise beim Heizkesseltausch. "Die Maßnahmen reichen nicht, um die Klimaziele zu erreichen", betonte Marterbauer.

Ziel müsste die Abschaffung manifester Armut sein, argumentierte Marterbauer. Grundsätzlich erkannte er großen Finanzierungsspielraum im Budget. Als Lösung nannte er eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die eine gute Beschäftigungs- und Einkommenssituation ermöglichen soll.

Schratzenstaller-Altzinger: Zu nachhaltigem Budgetpfad zurückzukehren und Spielräume schaffen

Es handle sich um das fünfte Krisenbudget in Folge, hielt Schratzenstaller-Altzinger kritisch fest. Die Herausforderungen seien groß. Die Inflation führe zwar zu höheren Einnahmen bei der Umsatzsteuer, aber die Abschaffung der kalten Progression wirke sich auf den Haushalt aus. Unabhängig davon würden die Anforderungen an den Staatshaushalt steigen. Angesichts zahlreicher Herausforderungen hatte die Expertin gedämpfte Aussichten für die Zukunft. Ab 2024 würden überarbeitete europäische Fiskalregeln zur Anwendung kommen könnten, rief Schratzenstaller-Altzinger ins Gedächtnis. Der derzeitige Budgetpfad werde es nicht einfach machen, die Fiskalregeln der nächsten Jahre einzuhalten. Aus ihrer Sicht fehle eine wirkungsorientierte Herangehensweise.

Es gebe dringenden Handlungsbedarf, um zu einem nachhaltigen Budgetpfad zurückzukehren und um Spielräume für künftige Krisen zu schaffen, sagte sie. Schratzenstaller-Altzinger pochte im Sinne der Generationengerechtigkeit unverzüglich auf längerfristige Strukturreformen. (Fortsetzung Budgetausschuss) gla

HINWEISE: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen.

Details zum Budget 2024, den Änderungen zu den Vorjahren sowie der Entwicklung des laufenden Budgetvollzugs bietet das interaktive Visualisierungstool des Budgetdiensts. Dort erhalten Sie einen raschen und transparenten Überblick über relevante Budgetdaten.

Fotos vom Expert:innenhearing im Budgetausschuss finden Sie im Webportal des Parlaments.