Stenographisches Protokoll

133. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 7., und Mittwoch, 8. Juli 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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133. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Dienstag, 7., und Mittwoch, 8. Juli 199


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133. Sitzung / Seite 2

8

Dauer der Sitzung

Dienstag, 7. Juli 1998: 11.01 – 24.00 Uhr

Mittwoch, 8. Juli 1998: 0.00 – 1.02 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten zu Fragen der österreichischen Außenpolitik

2. Punkt: Außenpolitischer Bericht 1997 der Bundesregierung

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 741/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – EIWOG), das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz 1988 und das Preisgesetz 1992 geändert werden, und Bericht über den Antrag 215/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Einspeisung von elektrischer Energie aus erneuerbaren Energien und kleinen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in das öffentliche Netz geregelt wird (Einspeisungsgesetz 1996), und über den Antrag 386/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Regelungen zur Strompreisgestaltung, welche den europäischen Markterfordernissen entsprechen

5. Punkt: Bericht und Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden

6. Punkt: Bericht über den Antrag 543/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft

7. Punkt: Bericht über den Antrag 813/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Jakob Auer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

8. Punkt: Bericht über die Petition Nr. 4 betreffend "Die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen", überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Helene Partik-Pablé, Klara Motter und Mag. Walter Guggenberger

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird

11. Punkt: Bericht über die Petition Nr. 28 betreffend Saatgutgesetz 1997, überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic

12. Punkt: Bericht über den Antrag 676/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium zur Teilnahme am ÖPUL I


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133. Sitzung / Seite 3

I

13. Punkt: Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen)

14. Punkt: Bericht über den Antrag 387/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Evaluierung der Forderungen des Fünfparteienantrages vom 14. Juli 1994 betreffend Maßnahmen in Zusammenhang mit Sekten, pseudoreligiösen Gruppierungen, Vereinigungen und Organisationen sowie destruktiven Kulten

15. Punkt: Bericht über den Antrag 643/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Valorisierung der Familienbehilfe

16. Punkt: Bericht über den Antrag 644/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Kinderbetreuungsscheck

17. Punkt: Bericht über den Antrag 658/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

19. Punkt: Bericht über den Antrag 553/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG) geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden

22. Punkt: Bericht über den Antrag 804/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird

23. Punkt: Bericht über den Antrag 819/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmartservicegesetz geändert werden

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 18

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Fernbleiben des Abgeordneten Peter Rosenstingl von dieser Sitzung 223

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen, dem Unterrichtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 438/A (E) betreffend die Einführung eines Ethikunterrichtes als Wahlpflichtfach gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 20. November 1998 zu setzen 39

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 39

Redner:

Maria Schaffenrath 113

Dr. Dieter Antoni 115

Dr. Andreas Khol 116

Mag. Johann Ewald Stadler 117

Mag. Dr. Heide Schmidt 118

Dr. Gabriela Moser 120

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 121

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 39

Antrag der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen, die Petition Nr. 4 betreffend "Die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen", überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Helene Partik-Pablé, Klara Motter und Mag. Walter Guggenberger, in der Fassung des Ausschußberichtes 1268 d. B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Wirtschaftsausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 165, 166

Aktuelle Stunde (27.)

Thema: "Gleiche Chancen den Frauen in Europa"

Redner:

Dr. Elisabeth Hlavac 18

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 20

Mag. Gisela Wurm 22

Rosemarie Bauer 24

Anna Elisabeth Aumayr 25

Mag. Dr. Heide Schmidt 26

Mag. Doris Kammerlander 28

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 29

Heidrun Silhavy 30

Edeltraud Gatterer 32

Edith Haller 33

Maria Schaffenrath 34

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 35


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133. Sitzung / Seite 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 18

Ausschüsse

Zuweisungen 37, 129, 166

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie (824/A) (E) 75

Begründung: Dr. Brigitte Povysil 79

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 81

Debatte:

Mag. Karl Schweitzer 84

Dr. Johannes Jarolim 86

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 89

Dr. Harald Ofner (tatsächliche Berichtigungen) 91, 94

Mag. Thomas Barmüller 91

Wolfgang Jung (tatsächliche Berichtigung) 94

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 94

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 97

Herbert Scheibner 99

Dr. Brigitte Povysil (tatsächliche Berichtigung) 101

Brigitte Tegischer 101

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (tatsächliche Berichtigung) 102

Dr. Sonja Moser-Starrach 103

Doris Bures 105

Mag. Johann Ewald Stadler 106

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigung) 109

Dr. Walter Schwimmer 109

Dr. Michael Krüger (tatsächliche Berichtigung) 111

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 111

Ablehnung des Dringlichen Antrages 112

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten zu Fragen der österreichischen Außenpolitik 39

2. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend den Außenpolitischer Bericht 1997 der Bundesregierung (III-133/1332 d. B.) 39

Berichterstatterin: Rosemarie Bauer 124

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 40

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 39

Redner:

Dr. Jörg Haider 45

Dr. Andreas Khol 48


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133. Sitzung / Seite 5

Dr. Martina Gredler 50

Peter Schieder 54

Mag. Doris Kammerlander 55

Dr. Alois Mock 58

Herbert Scheibner 60

Dr. Josef Cap 61

Karl Smolle 63

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 65

Dr. Walter Schwimmer 68

Wolfgang Jung 69

Dr. Alfred Gusenbauer 71

Hans Helmut Moser 72

Dr. Helga Konrad 121

Dkfm. Holger Bauer 122

Inge Jäger 123

Kenntnisnahme des Berichtes III-133 d. B. 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat über die Ergebnisse des Europäischen Rates – Ablehnung 53, 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der NATO über einen Beitritt Österreichs zur NATO – Ablehnung 61, 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen betreffend Maßnahmen zur Beendigung des Konflikts im Kosovo – Ablehnung 70, 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser, Peter Schieder, Dr. Walter Schwimmer und Genossen betreffend Maßnahmen zur Beendigung des Konflikts und zur Durchsetzung der Menschenrechte im Kosovo – Annahme (E 127) 74, 125

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 741/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik geändert wird 125

Redner:

Dr. Michael Spindelegger 125

Ing. Gerald Tychtl 126

Herbert Scheibner 127

Hans Helmut Moser 128

Zuweisung des Antrages 741/A an den Außenpolitischen Ausschuß 129

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1108 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – EIWOG), das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz 1988 und das Preisgesetz 1992 geändert werden, und über den Antrag 215/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Einspeisung von elektrischer Energie aus erneuerbaren


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133. Sitzung / Seite 6

Energien und kleinen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in das öffentliche Netz geregelt wird (Einspeisungsgesetz 1996), und über den Antrag 386/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Regelungen zur Strompreisgestaltung, welche den europäischen Markterfordernissen entsprechen (1305 d. B.) 129

5. Punkt: Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden (1306 d. B.) 129

6. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 543/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft (1307 d. B.) 129

Redner:

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 130

Karlheinz Kopf 132

Mag. Thomas Barmüller 135

Georg Oberhaidinger 136

Ing. Monika Langthaler 138

Rudolf Schwarzböck 141

Ing. Wolfgang Nußbaumer 142

Dr. Kurt Heindl 143

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 144

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 145


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133. Sitzung / Seite 7

Mag. Franz Steindl 146

Kurt Eder 147

Peter Marizzi 148

Mag. Herbert Kaufmann 149

Mag. Kurt Gaßner 150

Berichterstatter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Schlußwort) 150

Annahme der Gesetzentwürfe in 1305 und 1306 d. B. 15


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1

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1305 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Förderung der Verstromung erneuerbarer Energieträger (E 128) 151

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1305 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Preisentwicklung der Tarifkunden (E 129) 151

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1307 d. B. 152

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft – Ablehnung 131, 151

7. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 813/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Jakob Auer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1308 d. B.) 152

Redner:

Helmut Haigermoser 152

Jakob Auer 153

Mag. Helmut Peter 155

Dr. Kurt Heindl 157

Mag. Franz Steindl 158

Helmut Dietachmayr 159

Mag. Kurt Gaßner 159

Peter Marizzi 160

Dr. Franz Löschnak 160

Mag. Johann Maier 161

Rudolf Parnigoni 162

Ingrid Tichy-Schreder 162

Annahme des Gesetzentwurfes in 1308 d. B. 163

Entschließungsantrag der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Notwendigkeit der Abschaffung der Getränkesteuer – Ablehnung 153, 164

8. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Petition Nr. 4 betreffend "Die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen", überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Helene Partik-Pablé, Klara Motter und Mag. Walter Guggenberger (1268 d. B.) 164

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 164

Theresia Haidlmayr 165

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1268 d. B. 166

Zuweisung der Petition Nr. 4 an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 166

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1200 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (1342 d. B.) 166

Redner:

Karl Freund 166

Rainer Wimmer 167

Anna Elisabeth Aumayr 168

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 169

Annahme des Gesetzentwurfes in 1342 d. B. 170

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1198 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird (1341 d. B.) 170

Berichterstatter: Josef Schrefel 170

Redner:

Dr. Stefan Salzl 171

Johannes Zweytick 172

Anneliese Klein 173

Matthias Achs 174

Annahme des Gesetzentwurfes in 1341 d. B. 175

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 28 betreffend Saatgutgesetz 1997, überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic (1339 d. B.) 176

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 676/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium zur Teilnahme am ÖPUL II (1340 d. B.) 176

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 176

Georg Schwarzenberger 177

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 177

Katharina Horngacher 179

Franz Koller 180

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 182

Andreas Wabl 182

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1339 und 1340 d. B. 184

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend lückenlose Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saat- und Pflanzgutes – Ablehnung 176, 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Ersatz der Kontrollkosten für Gentechnikfrei-Produkte – Ablehnung 178, 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl, Karl Smolle und Genossen betreffend ein EU-weites Verbot des Einsatzes von Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe – Ablehnung 178, 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Klara Motter, Dr. Stefan Salzl, Dr. Peter Kostelka, Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend ein EU-weites Verbot von Tierversuchen für Kosmetikprodukte – Annahme (E 130) 179, 185

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1158 d. B.): Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen) (1287 d. B.) 185

14. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 387/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Evaluierung der Forderungen des Fünfparteienantrages vom 14. Juli 1994 betreffend Maßnahmen in Zusammenhang mit Sekten, pseudoreligiösen Gruppierungen, Vereinigungen und Organisationen sowie destruktiven Kulten (1288 d. B.) 185

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 186

Dr. Sonja Moser-Starrach 188

Klara Motter 188

Dr. Ilse Mertel 190

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 191

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 192

Matthias Ellmauer 194

Dr. Martin Graf 194

Brigitte Tegischer 195

Edeltraud Gatterer 196

DDr. Erwin Niederwieser 197

Mag. Dr. Josef Höchtl 198


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133. Sitzung / Seite 9

Franz Riepl 198

Werner Amon 199

Annahme des Gesetzentwurfes in 1287 d. B. 200

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1288 d. B. 200


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133. Sitzung / Seite 10

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 643/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Valorisierung der Familienbehilfe (1289 d. B.) 200

16. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 644/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Kinderbetreuungsscheck (1290 d. B.) 200

17. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 658/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus (1291 d. B.) 200

Redner:

Edith Haller 200

Katharina Horngacher 202

Hannelore Buder 203

Klara Motter 204

Johann Schuster 205

Ludmilla Parfuss 205

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1289, 1290 und 1291 d. B. 206

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1186 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1299 d. B.) 206

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 553/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG) geändert wird (1300 d. B.) 206

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 207

Annemarie Reitsamer 208

Klara Motter 208

Ridi Steibl 209

Theresia Haidlmayr 209

Mag. Walter Guggenberger 211

Mag. Herbert Haupt 212

Winfried Seidinger 213

Bundesministerin Eleonora Hostasch 213

Annahme des Gesetzentwurfes in 1299 d. B. 214

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1300 d. B. 214

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1192 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird (1301 d. B.) 215

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1233 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden (1302 d. B.) 215

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 804/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird (1303 d. B.) 215

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 819/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmartservicegesetz geändert werden (1304 d. B.) 215

Redner:

Mag. Herbert Haupt 215

Heidrun Silhavy 216

Mag. Helmut Peter 216

Dr. Gottfried Feurstein 218

Theresia Haidlmayr 218

Sophie Bauer 219

Sigisbert Dolinschek 219

Georg Schwarzenberger 220

Mag. Dr. Josef Trinkl 220

Bundesministerin Eleonora Hostasch 221

Annahme der Gesetzentwürfe in 1301, 1302, 1303 und 1304 d. B. 221

Eingebracht wurden

Petition 37

Petition betreffend "Free Biking: Freigabe der Forstwege für Mountainbiker" (Ordnungsnummer 49) (überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner)

Bürgerinitiative 37

Bürgerinitiative betreffend "Aufhebung der Immunität" (Ordnungsnummer 15)

Regierungsvorlagen 37

1190: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

1218: Amateurfunkgesetz 1998 – AFG

1220: Zusatzprotokoll vom 26. März 1998 zum Übereinkommen über die Regelung der Schiffahrt auf der Donau vom 18. August 1948; Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzprotokoll vom 26. März 1998 zum Übereinkommen über die Regelung der Schiffahrt auf der Donau vom 18. August 1948

1250: Funker-Zeugnisgesetz 1998 – FZG


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133. Sitzung / Seite 11

Berichte 38

III-139: Österreichischer Waldbericht 1996

III-140: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1997; BM f. wirtschaftliche Angelegenheiten

III-141: Bericht über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung) 1997; BM f. Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

III-143: Bericht betreffend Untersuchung der Verkehrsauswirkungen auf besonders sensiblen Strecken im Zusammenhang mit der Einführung der Vignette für das hochrangige Straßennetz; BM f. wirtschaftliche Angelegenheiten

Anträge der Abgeordneten

Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie (824/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die unentgeltliche Übereignung von beweglichem Bundesvermögen (825/A)

Karl Smolle, Andreas Wabl und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger geändert wird (826/A)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung einer einheitlichen bundesgesetzlichen Regelung für den Bezug von Arzthonoraren der Bundesärzte (827/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend gleiche Höhe der Vergütung der Zivildiensteinrichtungen an den Bund (828/A) (E)

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Zivildienstantrittstermine (829/A) (E)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird (830/A)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Rechnungshof (Rechnungshofgesetz 1948) geändert wird (831/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Klara Motter, Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Studie über den Vollzug der österreichischen Tierschutzgesetze (832/A) (E)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Zier-, Gemüse- und Obstarten (Pfanzgutgesetz 1997), BGBl. Nr. 73/1997 (I), geändert wird (833/A)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997), BGBl. Nr. 72/1997 (I), geändert wird (834/A)


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133. Sitzung / Seite 12

Zurückgezogen wurden die Anträge der Abgeordneten

Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Aufhebung der neuen Einstufungskriterien für die Pflegegeldstufen 5, 6 und 7 in der Novelle zum Bundespflegegesetz (730/A) (E) (Zu 730/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die unentgeltliche Übereignung von unbeweglichem Bundesvermögen (823/A) (Zu 823/A)

Anfragen der Abgeordneten

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vergebührung von Meldezetteln (4586/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend das Wehrpflichtigen- und Grundwehrdieneraufkommen (4587/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Laserpointer (4588/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Rückgang der Mutter-Kind-Paß (MKP) Untersuchungen (4589/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend das in der "Secession" ausgestellte Bildwerk von Otto Mühl (4590/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend das in der "Secession" ausgestellte Bildwerk von Otto Mühl (4591/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Förderung der Beratung von bi-kulturellen Paaren (4592/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Einrichtung einer universitären Ausbildung für GebärdensprachdolmetscherInnen in Österreich an der Karl-Franzens-Universität Graz (4593/J)

Anton Blünegger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Stand des Verfahrens zum Ausbau der B 169 "Zillertaler Bundesstraße" (4594/J)


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133. Sitzung / Seite 13

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4595/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4596/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4597/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4598/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4599/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4600/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4601/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4602/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4603/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4604/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4605/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend österreichische EU-Präsidentschaft (4606/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend systematische archäologische Raubgrabungen in der Steiermark und damit zusammenhängende Verstöße gegen das Denkmalschutzgesetz (4607/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Atomtransporte aus Slowenien (4608/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schieß- und Sprengmittelgesetz (4609/J)

Anton Blünegger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Säumigkeit bei der Errichtung eines Ausbildungszentrums – Verdacht der Immobilienspekulation durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol (4610/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend mangelhafte Kontrolle der Abfall- und Schrottmengen auf radioaktive Kontamination (4611/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanz-Erlaß für Betriebspensionen (4612/J)

Mag. Helmut Peter und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Finanzprokuratur (4613/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Schikanen und Benachteiligungen von österreichischen Firmen durch bayerische Behörden (4614/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Familienbericht (4615/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend systematische archäologische Raubgrabungen in der Steiermark und damit zusammenhängende Verstöße gegen das Denkmalschutzgesetz (4616/J)


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133. Sitzung / Seite 14

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Abfallkontrollen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (4617/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend mit Unterstützung vom Sozialministerium veröffentlichte Umsatzzahlen ärztlicher Hausapotheken (4618/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verhalten der Untersuchungskommission für den GP Leobersdorf (4619/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend den Verkauf von Kunstwerken in Österreich (4620/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an dem Bundesminister für innere Angelegenheiten betreffend behördliche Auflösung des Vereins Dichterstein Offenhausen (4621/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einreiseverbot für Hooligans nach Österreich (4622/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Wirkung von Gewalt in Medien auf Kinder und Jugendliche (4623/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ausbildung von Lehrlingen in Justizanstalten (4624/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Neuausstellungen von Führerscheinen im Rahmen der Verlängerung der Lenkberechtigung der Klasse C (4625/J)

Rosemarie Bauer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vorgangsweise aufgrund der Sachverhaltsdarstellung der niederösterreichischen Landesregierung gegen "Freies Wohnen Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH" (4626/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Entwicklung der Kooperation zwischen EU und Rußland (4627/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Österreichische Bundesforste AG: Aushöhlung des Forstgesetzes (4628/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einhaltung des Kriegsmaterialgesetzes im Falle eines bewaffneten internationalen Einsatzes im Kosovo (4629/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Einhaltung des Kriegsmaterialgesetzes im Falle eines bewaffneten internationalen Einsatzes im Kosovo (4630/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einhaltung des Kriegsmaterialgesetzes im Falle eines bewaffneten internationalen Einsatzes im Kosovo (4631/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend das Verbot der Prostitution in Schweden (4632/J)


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133. Sitzung / Seite 15

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend ÖPUL 2000 (4633/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend schwerste Menschenrechtsverletzungen in Chiapas, Mexiko (4634/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Bleikontamination im Wiener Trinkwasser und Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie (4635/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend mechanische Ein- beziehungsweise Ausstiegshilfen der ÖBB für behinderte Menschen (4636/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Behindertenbeauftragte an den Universitäten (4637/J)

Anton Heinzl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gewalt in der Familie durch einen FP-Mandatar (4638/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend MVA Flötzersteig/ArbeitnehmerInnenschutz (4639/J)

Ernst Fink und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nachbesetzung eines vierten Betriebsprüfers beim Finanzamt Radkersburg (4640/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Übernahme von Bundeshaftungen für Ostgeschäfte (4641/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend in Österreich vermarktetes Gemüsesaatgut – gentechnisch verändert? (4642/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend in Österreich vermarktetes Gemüse – gentechnisch verändert? (4643/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (4034/AB zu 4346/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (4035/AB zu 4438/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (4036/AB zu 4336/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (4037/AB zu 4371/J)


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133. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4038/AB zu 4350/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4039/AB zu 4402/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4040/AB zu 4403/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4041/AB zu 4404/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4042/AB zu 4421/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4043/AB zu 4422/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (4044/AB zu 4340/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (4045/AB zu 4342/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4046/AB zu 4347/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Meisinger und Genossen (4047/AB zu 4386/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (4048/AB zu 4384/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (4049/AB zu 4343/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (4050/AB zu 4338/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (4051/AB zu 4447/J)


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133. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (4052/AB zu 4388/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Matthias Ellmauer und Genossen (4053/AB zu 4399/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4054/AB zu 4480/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (4055/AB zu 4354/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen (4056/AB zu 4387/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (4057/AB zu 4504/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Freund und Genossen (4058/AB zu 4348/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen (4059/AB zu 4277/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (4060/AB zu 4389/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (4061/AB zu 4406/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (4062/AB zu 4382/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (4063/AB zu 4425/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (4064/AB zu 4423/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (4065/AB zu 4380/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossene (4066/AB zu 4364/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (4067/AB zu 4501/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Johann Schuster und Genossen (4068/AB zu 4400/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (4069/AB zu 4361/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (4070/AB zu 4414/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen (4071/AB zu 4366/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (4072/AB zu 4446/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (4073/AB zu 4426/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (4074/AB zu 4432/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (4075/AB zu 4493/J)


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133. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 11.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich erkläre die 133. Sitzung des Nationalrates für eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 128. Sitzung vom 16. und 17. Juni, der 129. Sitzung vom 17. Juni sowie der 130., 131. und 132. Sitzung vom 18. Juni sind geschäftsordnungsgemäß aufgelegen und ohne Einspruch geblieben. Sie gelten daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ing. Kaipel, Kröll, Wenitsch und Öllinger.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Herr Bundesminister Dr. Werner Fasslabend wird durch Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein vertreten.

Herr Vizekanzler Dr. Schüssel wird ab 15 Uhr von Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner vertreten.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Gleiche Chancen den Frauen in Europa"

Als erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Hlavac. Sie hat als Einbringerin des Themas der Aktuellen Stunde eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.03

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Frauenministerin! Sehr geehrte Frau Unterrichtsministerin! Meine Damen und Herren! (Höherer Geräuschpegel im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Bei der Tagung des Europäischen Rats in Cardiff wurde ein Schlußdokument verabschiedet, in dem Fragen der Beschäftigung ein zentraler Stellenwert zukommt. Insbesondere wird angeführt, daß durch die Nationalen Aktionspläne die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, um die Beschäftigungsfähigkeit der aktiven Bevölkerung, insbesondere der Jungen, der Langzeitarbeitslosen, aber auch der Frauen zu verbessern.

Die zukünftige Arbeit sollte sich dahin orientieren, die Chancengleichheit zu verbessern, damit Gleichheit zwischen Mann und Frau in allen Bereichen der Beschäftigungspolitik durch Mainstreaming erreicht wird. Besonders betont wird, daß es notwendig ist, familienfreundliche Arbeitszeiten und -formen zu fördern und geeignete Kinderbetreuungseinrichtungen und Karenzurlaubsregelungen zu schaffen.


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133. Sitzung / Seite 19

Die Staaten haben nunmehr ihre Aktionspläne für Beschäftigung vorgelegt, und es gilt, jetzt zu prüfen, wieweit sie diesen Vorhaben entsprechen, welche Bedeutung der Schaffung von Arbeitsplätzen für Frauen tatsächlich eingeräumt wird.

Diese Woche findet ein informeller Ministerrat in Innsbruck statt, bei dem erstmals die Arbeits- und SozialministerInnen gemeinsam mit den GleichbehandlungsministerInnen tagen. Das zentrale Thema sind auch da die Nationalen Aktionspläne. Ich halte das für sehr notwendig und wichtig, denn es zeigt sich, daß bei einer ganzen Reihe von Aktionsplänen ein deutliches Defizit im Bereich der vierten Säule, der Chancengleichheit für Frauen, vorliegt, die ein sehr wichtiger Schwerpunkt sein soll. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Bedauerlicherweise räumen aber manche Mitgliedstaaten der Beschäftigung von Frauen und der Verbesserung ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht die gebührende Aufmerksamkeit ein. Vor allem bedarf es gezielter Maßnahmen für Frauen. Chancengleichheit wird nur bei partnerschaftlicher Teilung der Versorgungsarbeit, durch Änderungen bei der Arbeitsorganisation und durch eine entsprechende Arbeitsmarktpolitik erreichbar sein. Es wird auch notwendig sein, im Bereich der Lohnpolitik darauf zu achten, daß tatsächlich gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit bezahlt wird, und der Ausbildung der Mädchen besonders verstärktes Augenmerk zu schenken. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird aber auch notwendig sein, sich mit der Frage zu befassen, wieweit beziehungsweise ob in ausreichendem Ausmaß Frauen in die Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Als Ergebnis soll es Empfehlungen an den Europäischen Rat geben.

Ich hoffe sehr, daß diese Ratstagung in Innsbruck zu substantiellen Ergebnissen führen wird, denn Frauenförderung – das soll man nicht vergessen – ist ein Auftrag in der Europäischen Union, festgeschrieben zuletzt im Vertrag von Amsterdam im Artikel 119, der unter anderem besagt, daß im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung beziehungsweise zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.

Durch diese Formulierung wird festgehalten, daß Maßnahmen zur Frauenförderung notwendig und wünschenswert sind. Damit ist auch endgültig die Diskussion beendet, die wir hier geführt haben, ob die Maßnahmen, die im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zur Förderung von Frauen vorgesehen sind, die aber auch in einigen Landesgesetzen vorgesehen sind, tatsächlich verfassungs- und gleichheitskonform sind. Diese Diskussion kann man abhaken. Sie sind verfassungskonform, und zwar sowohl dank der Formulierung des Artikels 119 EU-Vertrag als auch dank der Bestimmung, die wir erst kürzlich dem Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes angefügt haben.

Was nunmehr unseren eigenen, unseren österreichischen Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung betrifft, so wird derzeit an einem Maßnahmenkatalog gearbeitet. In diesem Zusammenhang wird es erforderlich sein, Frauen in allen Bereichen die ihnen zustehende und notwendige Förderung angedeihen zu lassen. Wir wissen, daß die Entwicklung für Frauen auf dem Arbeitsmarkt besorgniserregend ist. Wir wissen zugleich, daß die Frauen von uns erwarten, daß wir ihnen die Möglichkeit geben, berufstätig zu sein, ihr eigenes Geld zu verdienen, selbständig zu sein, und sich auch im Beruf zu verwirklichen.

Auch für die Erhaltung des hohen Niveaus unseres Sozialversicherungssystems ist die Frauenbeschäftigung von wachsender Bedeutung. Daher werden wir sehr darauf achten müssen, daß der Maßnahmenkatalog des Aktionsplans Frauen auch tatsächlich in ausreichendem Maße Chancen eröffnet. Frau Bundesministerin Hostasch und Frau Bundesministerin Prammer setzen sich ja sehr dafür ein, und ich hoffe, daß es einen Erfolg geben wird. Wir werden das sicher sehr genau beobachten. (Beifall bei der SPÖ.)


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133. Sitzung / Seite 20

Ganz besonders wichtig ist der Ausbildungsbereich. Mädchen sollen sowohl bei den Lehrstellen als auch bei der Weiterbildung und bei der Fortbildung möglichst gefördert werden. Sie sollen gezielt gefördert werden, und ich denke, daß sie auch überproportional gefördert werden müssen.

Große Bedeutung kommt auch der Hilfe für Wiedereinsteigerinnen zu. In Wien wird durch den Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds sehr viel getan, auch vom AMS – allerdings regional unterschiedlich –, und es ist wichtig, jenen Frauen, die Kinder haben, den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Es wäre wichtig, daß sie bereits während des Karenzurlaubs betreut werden, daß, sobald klar ist, daß sie ihren Arbeitsplatz verlieren werden beziehungsweise bereits arbeitslos sind, schon während des Karenzurlaubs versucht wird, eine Anstellung zu finden oder Schulungsmaßnahmen zu besprechen.

Langjährige Forderungen, die wir bis jetzt nicht umsetzen konnten, spielen dabei eine zentrale Rolle. Dazu gehört etwa die Verlängerung der Behaltefrist auf 26 Wochen nach dem Karenzurlaub. Wir halten das für ein zentrales Anliegen, denn wenn sich eine Frau für ein Kind entscheidet, dann muß sie die Garantie haben, daß ihr Arbeitsplatz auf sie wartet, daß sie wieder auf ihrem Arbeitsplatz anfangen kann.

Eine weitere Forderung ist die Schaffung der Möglichkeit für Eltern von Kleinkindern, auf Teilzeitjobs umzusteigen, aber mit dem Recht auf Rückkehr auf einen Vollarbeitsplatz. Auch das ist eine notwendige familienfreundliche Maßnahme, die wir bestimmt weiterverfolgen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bedaure sehr, daß es nicht gelungen ist, dies bereits im Nationalen Aktionsplan zu verankern, noch dazu, wo diese Forderungen voll und ganz dem Auftrag der EU entsprechen, Arbeitsorganisation und Arbeitszeiten familienfreundlicher zu gestalten. Wir haben Initiativanträge dazu eingebracht, und wir hoffen, daß es im Herbst eine objektive und faire Debatte darüber geben wird.

Das bedeutet also, daß es einer ganzen Reihe von Maßnahmen bedarf, um das Thema Chancengleichheit und Beschäftigung auch in die Realität umzusetzen, und zwar sowohl auf nationaler Ebene mit unserem eigenen Aktionsplan und durch gesetzliche Maßnahmen, wie ich sie erwähnt habe, als auch auf europäischer Ebene. Es muß überall das Bewußtsein verstärkt werden, daß Maßnahmen notwendig sind, um Frauenbeschäftigung zu fördern.

Der informelle Ministerrat, der in Innsbruck stattfinden wird, wird hoffentlich die notwendigen Impulse dafür setzen, und ich hoffe, Frau Bundesministerin, daß bei dieser Ratstagung substantielle Ergebnisse erzielt werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema der Aktuellen Stunde hat sich Frau Bundesministerin Mag. Prammer gemeldet. Die Redezeit soll ebenfalls 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Frau Bundesministerin.

11.13

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! "Chancengleichheit und Beschäftigung" lautet – wie schon erwähnt – das Thema des informellen Ministerrates, der morgen in Innsbruck beginnen wird und wo sich zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union die Arbeits- und Sozialminister und -ministerinnen sowie die GleichstellungsministerInnen treffen, um sich mit diesem so wesentlichen Thema ausführlich zu beschäftigen und hoffentlich auch Strategien entwickeln zu können. Ich denke, daß das ein Signal ist, das von der österreichischen Präsidentschaft ausgeht, und daß es auch entsprechend als Signal verstanden wird.

Daß der informelle Ministerrat unter diesem Motto steht, hat natürlich auch eine Vorgeschichte, und ich möchte zunächst kurz auf diese Vorgeschichte eingehen.


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Zum einen: Bereits unter der britischen Präsidentschaft hat es ein informelles Treffen der GleichstellungsministerInnen gegeben, bei dem es uns in erster Linie auch darum gegangen ist, auf die Beschäftigungspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Auge zu werfen und darüber zu diskutieren, welche Strategien es braucht, um die Situation der Frauen in der Beschäftigung, auf dem Arbeitsplatz zu verbessern.

Lassen Sie mich dazu folgendes ganz klar und deutlich sagen: Es gibt in der Europäischen Union kein Musterland. Von Skandinavien bis in den Süden finden wir zwar durchaus gute, erwähnenswerte Beispiele, die andere Länder sinnvollerweise vielleicht auch übernehmen sollten, gleichzeitig gibt es aber auch sehr viele Hemmnisse, sehr viele Hürden in all diesen Staaten. Diese gilt es zu beseitigen, da gilt es, den Hebel anzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin auch sehr froh darüber, daß beim Treffen der Staats- und Regierungschefs in Cardiff noch einmal klar gesagt und erwähnt wurde, daß in Richtung Chancengleichheit und Beschäftigung verstärkte Maßnahmen zu setzen sind und daß dafür Sorge zu tragen ist, daß die Gleichstellung von Frauen und Männern in alle Beschäftigungspolitiken ihren Eingang finden muß. Das Thema des Gender-Mainstreamings – wie es auf europäischer Ebene heißt – ist etwas Wesentliches und Wichtiges. In allen Bereichen der Politik hatten wir darauf Rücksicht zu nehmen, daß es unterschiedliche Arten der Betroffenheit gibt und daß immer wieder auch die jeweilige Maßnahme auf die Auswirkung auf Frauen hinterfragt werden muß. Dieses Gender-Mainstreaming ist wesentlich, das haben auch wir voranzutreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, um es nicht zu verwirrend zu machen: Gender-Mainstreaming löst nicht die Gleichstellungspolitik, löst nicht die Frauenpolitik ab. Ein Gender-Mainstream ist nur in Vereinbarkeit und in Kooperation mit einer höchst anspruchsvollen Gleichstellungs- und Frauenpolitik möglich und machbar. Nur beides zusammen kann uns tatsächlich voranbringen, beides zusammen kann tatsächlich bessere Situationen für die Frauen schaffen.

In der Europäischen Union ist während der letzten fünf Jahre in der Gleichstellungspolitik sicher sehr viel weitergegangen. Lassen Sie mich nur in Erinnerung rufen: vom Weißbuch aus dem Jahr 1993 bis Cardiff, dazwischen liegt natürlich der Beschäftigungsgipfel in Luxemburg.

Ich bin wirklich sehr froh darüber, daß die Nationalen Aktionspläne vorliegen und daß die Europäische Kommission diese Aktionspläne sehr genau unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit durchleuchtet. Erste Ergebnisse dazu liegen ja bereits vor, erste Analysen hat die Kommission bereits gemacht.

Lassen Sie mich einige dieser Punkte der Analyse der Kommission, die mir auch aufgefallen sind, erwähnen: Die geschlechtsspezifische Differenz in der Beschäftigung hängt unmittelbar mit der Höhe der Frauenerwerbsquote zusammen. Je niedriger die Frauenerwerbsquote ist, umso größer ist klarerweise der Unterschied der Beschäftigungsquote von Frauen und Männern. Das heißt, eine Erhöhung der Erwerbsquote ist nur durch eine Steigerung der Frauenbeschäftigung zu erreichen. Das muß uns klar sein, und das ist das wesentliche. Das heißt, das Ziel auch des österreichischen Nationalen Aktionsplans ist nur dadurch zu erreichen, daß Frauenarbeitsplätze geschaffen werden und Frauen somit die Möglichkeit einer Beschäftigung bekommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei steigender geschlechtsspezifischer Differenz erhöht sich auch die Frauenarbeitslosenquote. Auch das ist genau zu sehen. Der Hebel gehört ganz speziell und spezifisch dort angesetzt, wo es darum geht, geeignete Maßnahmen zu setzen, um diese Schranken, diese Barrieren zu verringern: zum Beispiel die Rahmenbedingungen, die Kinderbetreuungsplätze, die dringend notwendig sind. Ein weiteres Beispiel hat Frau Abgeordnete Hlavac angesprochen, nämlich die Möglichkeit, vorübergehend Teilzeitarbeit zu verrichten, und das bestmöglich mit einem Rechtsanspruch und natürlich auch mit dem Recht auf Rückkehr zur Vollbeschäftigung versehen.

Zusätzlich sind noch viele andere Maßnahmen erforderlich. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Qualifikation etwas ganz Wesentliches ist. Frauen brauchen die Möglichkeit, entsprechende Qualifikationen zu erlangen. Wir wissen, daß viele, viele Frauen, die arbeitslos sind, nur den


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133. Sitzung / Seite 22

Pflichtschulabschluß haben. Aus diesem Grund muß die Perspektive des späteren, des lebenslangen Lernens im Rahmen der Erwachsenenbildung auch entsprechende Priorität eingeräumt werden.

Schließlich zeigt sich, daß in den Ländern mit der höchsten Frauenarbeitslosigkeit die niedrigsten Frauenbeschäftigungsquoten bestehen. Gerade deswegen müssen wir aus diesen Analysen die Schlüsse ziehen, so wie ich es gesagt habe.

In den traditionellen Berufsfeldern ist natürlich eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Frauen beschäftigt, und gerade in diesen Bereichen gibt es auch eine hohe Einkommensbenachteiligung. Aus diesem Grund muß auch die Strategie verfolgt werden, Frauen gewissermaßen die Türen für andere Berufe zu öffnen und sie zu motivieren, in anderen Beschäftigungsfeldern tätig zu werden. Wenn es um neue Beschäftigungsmöglichkeiten geht, werden die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien neue Felder aufbereiten. Dabei geht es darum, Frauen von Anfang an mit dabei zu haben und ihnen nicht womöglich erst später die Tür zu öffnen.

Ein ganz wesentliches und wichtiges Thema, worüber ich sehr glücklich bin, daß es ab morgen am informellen Ministerrat diskutiert wird – zum ersten Mal innerhalb der Europäischen Union in einem derartigen Gremium, wie ich anmerken möchte –, ist die Frage der Aufteilung der Versorgungsarbeit. An dieser Stelle habe ich schon so oft gesagt: Wer das Thema der unterschiedlichen Aufteilung der Versorgungsarbeit nicht ernst nimmt, darf auch nicht für sich in Anspruch nehmen, daß es ihm ein ernstes Thema ist, daß die unterschiedlichen Einkommen abgebaut werden und anderes mehr. Diese Auflösung muß uns gelingen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Rollenzuschreibung ist die Hauptursache dafür, daß Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind und auch dauerhaft von diesem verdrängt werden. Die Strategie kann nur sein, gemeinsam auf der gesellschaftlichen Ebene ebenso wie auf der privaten Ebene in einer partnerschaftlichen Zukunft zu leben.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, bin ich sehr zuversichtlich, daß es möglich sein wird, innerhalb der Europäischen Union gemeinsame Strategien zu entwickeln. Dies wird uns keinesfalls leichtgemacht werden, denn wir kennen die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und auch hinsichtlich der allgemeinen Beschäftigungssituation, und wir wissen, daß uns die Lösungen nicht schon sozusagen auf halbem Weg entgegenkommen. Daher haben wir alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen und auch alle möglichen Initiativen zu setzen.

Ich bin aber auch davon überzeugt, daß es gemeinsam besser geht und daß es Sinn macht – so wie es jetzt auch hinsichtlich der Beschäftigungspolitik allgemein Sinn macht –, auf europäischer Ebene über das Thema Frauen zu diskutieren und die bestmöglichen Lösungen zu finden. Doch kaufen wir uns damit nicht frei, ganz im Gegenteil, wir nehmen den Auftrag mit nach Hause, in Österreich für die Frauen das Bestmögliche zu tun. – Danke schön (Beifall bei der SPÖ.)

11.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nun in die Debatte ein. Die Redezeit für alle weiteren Redner und Rednerinnen beträgt 5 Minuten. Es wäre schön, wenn der Geräuschpegel während der Beiträge aller Rednerinnen und Redner etwas niedriger sein könnte.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Gisela Wurm.

11.23

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Hohes Haus! Ein Hoch auf Frankreich – nicht nur deshalb, weil es uns derzeit wunderbare Stunden und Minuten in bezug auf brillanten Fußball beschert, sondern an dieser Stelle vor allen Dingen deshalb, weil Frankreich der Staat war, dem es schon bei den Gründungsverträgen, also bei den Römischen Verträgen anläßlich der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, gelungen ist, durch eine entsprechende Verankerung im Artikel 119 die Chancengleichheit für Frauen und Männern erstmals in der Europäischen Union beziehungsweise in der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft festzulegen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! In der Umsetzung war man dann schon ein bißchen schlampig, möchte ich beinahe sagen. Es waren fünf Richtlinien und vier Aktionsprogramme notwendig – momentan befinden wir uns im vierten Aktionsprogramm, das von 1996 bis zum Jahr 2000 läuft –, um diesem Artikel 119 zu mehr – lassen Sie es mich so formulieren – Fleisch zu verhelfen.

Diesbezüglich möchte ich auch noch erwähnen, daß im Laufe der Zeit gegen alle Mitgliedstaaten Verfahren eingeleitet wurden, weil die Gleichbehandlung nicht so umgesetzt wurde, wie man sich dies vorgestellt hat.

Die österreichische Frauenministerin Barbara Prammer möchte nun gemeinsam mit Sozialministerin Lore Hostasch beim morgigen informellen MinisterInnenrat der SozialministerInnen und GleichbehandlungsministerInnen in Innsbruck – darauf bin ich als Innsbruckerin und Tirolerin natürlich sehr stolz – einen besonderen Schwerpunkt und besonderes Augenmerk auf die Politik des sogenannten – es ist heute schon einige Male gesagt worden – Gender-Mainstreaming legen sowie auf eine Politik, die die Teilung der partnerschaftlichen Versorgungsarbeit zum Ziel hat. Dies ist meiner Meinung nach auch notwendig. Es gibt nämlich sehr viel zu tun.

In Anbetracht der jüngsten Arbeitsmarktzahlen bin ich froh darüber, daß vom Wirtschaftsforschungsinstitut prognostiziert wird, daß das Wirtschaftswachstum höher ausfallen wird als vermutet. Da andererseits die Frauenarbeitslosigkeit aber dennoch steigt, gibt es meiner Meinung nach einiges zu tun, denn es ist nach wie vor Tatsache – ich möchte die Verdienste der Frauenorganisationen, Frauenlobbys und Pressure-groups aber nicht schmälern –, daß Frauen mindestens um ein Drittel weniger als Männer verdienen, daß die Frauenarbeitslosenrate in der EU höher ist als jene der Männer, daß der Anteil der Frauen, die schlechter bezahlte Tätigkeiten verrichten, je nach Mitgliedsland zwischen 49 Prozent und 82 Prozent beträgt und daß etwa 28 Prozent der Frauen auf Teilzeitbasis mit oft schlechter sozialer Absicherung arbeiten. Bei den Männern beträgt dieser Anteil – hören und staunen Sie! – allerdings nur 4 Prozent.

Zudem sind etwa ein Viertel aller Frauen in der Gemeinschaft Hausfrauen. Ich möchte anmerken, daß dies Konsequenzen hat. Ich möchte den Hausfrauen keineswegs etwas absprechen, nur hat dies im Alter Konsequenzen, denn es führt dazu, daß aus diesem Status keine eigenständige Alterssicherung resultiert.

Tatsache ist weiters, daß die Erwerbsquote der Frauen in der EU weit unter jener der Männer liegt und daß die Frauen in jedem Mitgliedstaat weniger als die Männer verdienen.

Es wird immer argumentiert, daß die Männer bei manueller Tätigkeit die schwerere Arbeit verrichten, etwa am Hochofen, weshalb der Unterschied gewissermaßen naturgegeben ist. Wenn man sich aber anschaut – das ist eine interessante Zahl –, daß zum Beispiel bei manueller Tätigkeit der Lohnunterschied zwischen 15 bis 35 Prozent beträgt, bei nichtmanueller Tätigkeit jedoch um einiges höher ist, nämlich sogar zwischen 30 und 40 Prozent liegt, und wenn man weiß, daß einerseits die Bildungsmöglichkeiten für Frauen verbessert wurden, andererseits aber die gläserne Decke nach wie vor da ist, dann erkennt man, daß in bezug auf Durchlässigkeit und Karrierechancen etwas getan werden muß.

Nun bin ich bei einem Thema angelangt, das ich erfreulich finde: Es ist uns in Österreich gelungen, im sogenannten NAP zu verankern, daß Kinderbetreuungseinrichtungen entsprechend gefördert werden müssen. Es ist wichtig, daß Kinderbetreuung, Familie und Beruf miteinander vereinbar sein müssen. Das ist der Wunsch der Familien, das ist der Wunsch der Frauen und Männer. Da nützt überhaupt kein Gesellschaftsbild, dem hat man sich zu stellen (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch sagen, daß im Vertrag von Amsterdam, den wir in den letzten Plenartagen beschlossen haben und der auch sehr kritisiert wurde, für die Frauen einiges enthalten ist, das sehr gut ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Abschluß!


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Abgeordnete Mag. Gisela Wurm
(fortsetzend): Ich erinnere zum Beispiel daran, daß positive Diskriminierung möglich ist, und mir fällt vieles dazu ein, was wir uns in Österreich dazu noch einfallen lassen könnten. Ich nenne als Beispiel nur die Frauenförderung und die Parteienförderung im Verhältnis der Geschlechter. (Beifall bei der SPÖ.)

11.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.29

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Bundesministerinnen! Hohes Haus! Zwei Punkte sind es, die uns speziell mit Hoffnung erfüllen, nämlich die morgige Tagung in Innsbruck, wo gemeinsame Strategien besprochen werden sollen, und natürlich auch der Amsterdamer Vertrag, den meine Vorrednerin als Schlußpunkt ihrer Rede erwähnt hat, mit allen Möglichkeiten, die wir haben, für Frauen etwas zu tun.

Ich glaube, die zentralen Fragen für die Zukunftssicherung der Frauen sind Berufswahl, Bildung und Ausbildung. Vor allem aber sollten wir gerade den jungen Mädchen und Frauen dazu verhelfen beziehungsweise ihnen bewußt machen, daß sie, wenn sie Chancen für ihr Leben gewinnen wollen, ihre Karriere, ihr Leben ebenso planen müssen, wie die Männer dies tun, natürlich auch mit der Hoffnung verbunden, daß es möglich ist, ihr Leben so zu leben, wie sie es möchten – das heißt, daß auch Familie, wenn sie ihnen ein zentrales Anliegen ist, ihren Platz hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ist aber bereits der zweite zentrale Punkt, denn auf nationaler Ebene müssen wir unsere Probleme selbst lösen. Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten haben wir in den letzten Jahren noch einmal verbessert. Jetzt geht vor allem um die Infrastruktur, also um Kindergärten, um die Möglichkeiten der Kinderbetreuung.

Dieser zentrale Punkt fügt sich in etwas ein, was wir dringend brauchen und was ich hier urgieren möchte, sehr geehrte Frau Bundesministerin für Frauenfragen, nämlich die Frauenförderpläne. Sie haben im Ausschuß am 27. November 1997 gemeint, dieses Jahr soll das Jahr der Frauenförderpläne werden. Ich muß diese hier urgieren, es tut mir leid, denn ich glaube, von diesen Frauenförderplänen hängt sehr viel ab. Darin ist die Frage der Kinderbetreuung ein ganz zentraler Punkt. Weitere Punkte sind das Einkommen der Frauen, der Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf – also eine breite Palette.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Frauenförderpläne paßt auch, daß das Unabhängige FrauenForum – wie ich einer heutigen Pressemeldung entnehme – eine Pressekonferenz mit dem Untertitel "Taten statt Worte" gemacht hat.

"Taten statt Worte"– das haben beherzte Frauen der Österreichischen Volkspartei gemeinsam mit Bundesminister Bartenstein im Bundeskomitee im Jahre 1990 zum Anlaß genommen, zu sagen: Was reden wir denn immer davon? Jetzt müssen wir etwas tun! – In der Zwischenzeit haben sie bereits ein "Handbuch der Chancengleichheit" herausgegeben. In diesem steht schon sehr genau, was Sie jetzt nach zweijähriger Untersuchung erstellen lassen wollen, nämlich wie diese Frauenförderpläne ausschauen sollen. Wir haben sie! Bereits seit dem Jahr 1992 gibt es jedes Jahr eine Prämierung von Betrieben in der Steiermark, inzwischen auch schon in Wien und Niederösterreich. Ich bin am 15. Juli zu einer solchen Prämierung eingeladen und sehe dieser mit großem Interesse entgegen. (Abg. Mag. Kammerlander: Warum haben Sie im Unterausschuß dagegen gestimmt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Hier steht es drinnen: Mit Hilfe eines Frauenförderplanes kann man in Betrieben auf freiwilliger Basis viele Möglichkeiten der Beschäftigung zur Zufriedenheit der Mitarbeiter und zur Zufriedenheit der Beschäftiger ausschöpfen. (Abg. Mag. Kammerlander: Hätten Sie dem Antrag im Ausschuß zugestimmt!) Dem


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Antrag haben wir natürlich zugestimmt, denn wir warten ja schon auf die Frauenförderpläne, Frau Kollegin, denn Eckpfeiler müssen vorhanden sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, daß gerade dieser Punkt Priorität hat. Es ist mir nicht bange um die Bediensteten der Ministerien, Frau Ministerin. Es ehrt sie sehr, daß sie wieder darauf aufmerksam machen, daß die Minister – und vor allem die ÖVP-Minister, wie ich lese – faktisch im Bundesgesetzblatt eine Verordnung kundmachen sollen, was das Gleichbehandlungsgesetz betrifft. Ich halte das für einen Aktionismus, denn ich glaube, im Bereich des Bundes läuft es. Aber Tausende Frauen, die im Bereich der Privatwirtschaft tätig sind, brauchen unsere Hilfe, unsere Unterstützung und auch diesbezügliche Initiativen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Wenn das neue Jahrhundert – und darin, glaube ich, sind wir absolut alle einer Meinung –, ein Jahrhundert der Frauen sein soll, dann müssen wir uns die Frage stellen, ob wir bislang national auf den richtigen Gleisen gefahren sind oder ob wir nicht tatsächlich das eine oder andere Gleis verlassen müssen und die Weichen etwas anders stellen müssen, damit es wirklich auch eine positive Zukunft für die Frauen gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

11.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Aumayr. Gleiche Redezeit.

11.34

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Rosemarie Bauer! Sie haben wieder von der Kinderbetreuung gesprochen. (Abg. Rosemarie Bauer: Wo habe ich das gesagt? Zuhören!) Ich muß ehrlich sagen, Ihre ständige Forderung nach dem Kinderbetreuungsscheck wird schon beinahe lächerlich, Frau Kollegin Rosemarie Bauer. (Abg. Dr. Höchtl: Zuhören!) Vor Wahlen fordern Sie ständig den Kinderbetreuungsscheck in Oberösterreich, in Niederösterreich, auch hier im Hohen Haus. Wenn dann die Freiheitlichen einen diesbezüglichen Antrag einbringen, dann lehnen Sie ihn ab. Das Spiel, das Sie hier spielen, ist wirklich doppelbödig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Sie müssen zuhören!)

Nun zu den Äußerungen von Frau Kollegin Hlavac von der SPÖ. Frau Kollegin, Sie haben gesagt, die Frauen müssen überproportional gefördert werden. Auch die Frau Ministerin hat sich in diese Richtung geäußert. Ich frage mich jetzt, wer in der SPÖ eigentlich die Frauenpolitik bestimmt. Denn bei der Programmdiskussion in der SPÖ hat Ihr Bundesgeschäftsführer gesagt: Nun zu den "Kleinpunkten", zu den Frauen. – Frau Kollegin Hlavac (Abg. Mag. Stadler: Hört! Hört!), Sie sind die "Kleinpunkte"! Die Frauen sind die "Kleinpunkte" in der SPÖ! Das bestätigt Ihr Bundesgeschäftsführer Rudas! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Hört!)

Wie soll denn die SPÖ-Frauenpolitik innerhalb der EU ernst genommen werden, wenn Ihr eigener Bundesgeschäftsführer sie als "Kleinpunkte" bezeichnet? (Abg. Mag. Stadler: Das ist der Herr Rudas, der den Kostelka angezeigt hat!) Die SPÖ-Frauen haben keine Stimme innerhalb ihrer Partei, denn sie waren ganz still gegenüber Bundesgeschäftsführer Rudas. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Frau Dohnal hat schon gesagt, sie sind im Vorzimmer!)

Die SPÖ-Frauen sind auch ganz still, wenn Abgeordnete im Parlament von ihren Kollegen beleidigt und diskriminiert werden. Die Vorfälle im Umweltausschuß bestätigen mir dies ganz eindeutig.

Auch ich habe damit meine Erfahrungen gemacht. Man muß sich einmal vorstellen: Alleine die Tatsache, daß ich es gewagt habe, Abgeordneten Keppelmüller auf Ehrenbeleidigung zu klagen, und den Prozeß gewonnen habe, hat genügt, daß mich die gesamte SPÖ-Fraktion im Umweltausschuß nicht zur Vorsitzenden gewählt hat. (Abg. Dr. Haider: Da schau her! Solidarität der Frauen!) Das muß man sich einmal vorstellen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Demokraten sind das! Die Guten und Toleranten sind das!)


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Ein Abgeordneter beleidigt öffentliche eine Kollegin wirklich schwer. In der Folge hat Abgeordneter Keppelmüller mein Angebot, sich zu entschuldigen, abgelehnt. Ich führe einen Prozeß und gewinne ihn. Und als Antwort hat mich die gesamte Fraktion der SPÖ, die sogenannte Gleichberechtigungspartei, aus Rache nicht zur Vorsitzenden gewählt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo waren da die Stimmen der Frauen? Wo waren da die Stimmen der Frauenrechtlerinnen? Wo war da die Stimme der Frauenministerin? Was war eigentlich der Grund für das Schweigen? – Ich kann Ihnen sagen, was der Grund war: Es ging ja nur um eine Freiheitliche. Eine freiheitliche Abgeordnete kann man beleidigen, kann man diskriminieren, kann man für vogelfrei erklären. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Zurücktreten soll er!)

Herr Abgeordneter Keppelmüller! Sie zeigen gegenüber Ihren Kolleginnen mehr als einen schlechten Stil! Das sind keine Zufälligkeiten. Sie sind ein Wiederholungstäter. Es kommt bei Ihnen heraus, was drinnen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie dürften wirklich große Probleme mit den Frauen haben. Wenn Sie schon mit gleichgestellten Kolleginnen so umgehen, frage ich mich wirklich, wie Sie mit Frauen umgehen, die Ihnen unterstellt sind.

Aber einen Hoffnungsschimmer gibt es auch für Sie, Herr Kollege. Denn mit der Entschuldigung bei Kollegin Langthaler zeigen Sie wenigstens eine gewisse Lernfähigkeit, sei es, daß Sie nicht das zweite Mal einen Prozeß gegen eine Kollegin verlieren wollen, sei es, daß Sie wirklich einsichtig geworden sind. (Abg. Mag. Stadler  in Richtung des Abg. Dr. Keppelmüller, der gerade mit Abg. Mag. Frieser spricht –: Die Frau Frieser prüft ihn gerade! Sie macht gerade den Intelligenztest!)

Auf alle Fälle ist es positiv, wenn Sie, Herr Kollege Keppelmüller, Ihr Verhalten gegenüber den Frauen und Männern im Parlament ändern, denn – und das möchte ich auch wirklich gesagt haben – die meisten Männer im Parlament pflegen einen ordentlichen Umgang mit uns Kolleginnen und verdienen es wirklich nicht, wegen einiger weniger pauschal verurteilt zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Gleiche Redezeit.

11.40

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Kolleginnen und Kollegen! Beim Zuhören habe ich mir gedacht: Kann es möglich sein, daß sich die Kolleginnen der SPÖ wirklich für ein derartiges Ablenkungsmanöver hergeben? Es ist mir unbegreiflich, daß man sich hierherstellen, an Europa appellieren und davon reden kann, was in Innsbruck herauskommen soll, ohne zu erwähnen, was es eigentlich an Wahnwitzigkeiten, an Diskriminierungen im eigenen Land gibt!

Es wird auch nicht besser, wenn Kollegin Bauer darauf hinweist. Sie tut gerade so, als wäre sie in Opposition und würde von anderen das einfordern, was ihre Partei – und wahrscheinlich auch sie selbst – torpediert hat. Es kommt mir so vor, als wäre ich hier auf der falschen Veranstaltung!

Natürlich sind wir alle dafür, daß Frauen gleiche Rechte in Europa haben. Aber daß es im vergangenen Jahr ein Frauen-Volksbegehren gegeben hat, hat seine Ursache selbstverständlich darin, daß es unerträglich geworden ist, wie diskriminiert Frauen im eigenen Land sind – und zwar konkret diskriminiert! Da geht es nicht darum, daß gesagt wird: Naja, die Frauen wollen aus ihrem alten Rollenverständnis ein bißchen ausbrechen und wollen ein bißchen mehr, als sie bisher gehabt haben. – Darum geht es nicht! Es geht darum, daß Frauen bei gleichen Bedingungen schlechtergestellt sind. Das wissen Sie, und da sagen Sie großartig: Wir müssen mehr Augenmerk richten! Wir müssen uns anstrengen! Warten wir doch, was in Innsbruck herauskommt! – Das kann doch wirklich kein Mensch ernst nehmen. Reden Sie doch darüber, was in Österreich zu tun ist! Dazu bräuchten wir keine europäischen Initiativen! Dazu wäre es notwen


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dig und würde ausreichen, wenn österreichische Initiativen gäbe! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es geht um diese tatsächliche Diskriminierung, und ich denke, daß die meisten von Ihnen alle diese Zahlen kennen. Aber es ist offensichtlich notwendig, sie wieder in Erinnerung zu rufen.

Es ist, wenn ich den Arbeitsmarkt hernehme, Realität, daß Frauen häufiger, länger und in jüngeren Jahren von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Wir alle wissen es.

Es ist eine Realität, daß die Zahl der arbeitslosen Frauen im Vergleich zum Vorjahr doppelt so stark gestiegen ist wie die der Männer; bei den Frauen um 3,7 Prozent, bei den Männern um 1,7 Prozent. Im Jahr 1997 ist die Arbeitslosenrate bei Frauen um 3,8 Prozent gestiegen. Im Vergleich dazu war die der Männer rückläufig – nämlich um 2,3 Prozent.

Wir wissen, daß die Beschäftigungsquote der Männer eine weitaus höhere ist als die der Frauen.

Wir wissen, daß sich die Erwerbsquote weiter verändert, und zwar nach unten hin. Das heißt, daß die Frauenerwerbsquote von 49,4 Prozent auf 48,8 Prozent gefallen ist – und das in einer Zeit, in der wir in anderen Ländern einen Anstieg erleben. In Dänemark zum Beispiel ist von 1995 auf 1996 die Frauenerwerbsquote von 57,5 Prozent auf 68,7 Prozent gestiegen.

Sagen Sie mir jetzt nicht, diese Situation ist so, weil die Frauen diejenigen sind, die eben immer noch die Ausfallshaftung für Kinder übernehmen. Es ist so, daß gerade jene Länder, in denen diese Zahlen eine andere Entwicklung nehmen, eine weit höhere Geburtenrate aufweisen als Österreich. Und selbstverständlich hängt das auch mit dem Kinderbetreuungsangebot zusammen.

Was redet denn die Kollegin Bauer hier, was alles geschehen sollte? Da soll sie doch einmal mit ihren konservativen Landeshauptleuten in den Ländern reden, die meinen, es sei überhaupt nicht notwendig, ein Kinderbetreuungsangebot zu installieren, da die Frau ihren Platz ohnehin viel besser zu Hause hätte, und wenn es kein entsprechendes Kinderbetreuungsangebot gibt, dann bleibt ihr ja gar nichts anderes übrig. – Das ist nämlich die Realität!

Wenn nun im Nationale Beschäftigungsplan steht, daß wir ein Defizit von 139 500 Kindergartenplätzen haben, wäre das schon schlimm genug, nur weiß jeder, daß nicht einmal diese Zahl stimmt, sondern daß andere Schätzungen von 170 000 ausgehen. Und das noch dazu vor dem Hintergrund, daß die Kindergärten, die wir haben, völlig unpraktikable Öffnungszeiten haben, und das, obwohl Frauen ein Teil der Karenzzeit gestrichen wurde, wovon insbesondere Alleinerzieherinnen betroffen sind, wie wir wissen, und das, obwohl wir einen Mangel an Teilzeitangeboten haben – immerhin noch ein Feld, auf das Frauen mehr als Männer angewiesen sind.

Und wenn ich mir die Entwicklung in Österreich anschaue – in Österreich, Kollegin Hlavac, und nicht in Europa! –, gibt es in bezug auf den Wiedereinstieg nach der Karenzzeit eine Negativentwicklung. Vor vier Jahren ist das noch jeder dritten Frau gelungen – schwierig genug –, heute gelingt es nur noch jeder fünften. Wenn das so weitergeht, dann weiß ich überhaupt nicht, wohin dies führen wird!

Wir haben diesen Backlash nicht nur bei den Wiedereinstiegsmöglichkeiten, sondern wir haben ihn auch in der Einkommensschere. Wir wissen, daß noch 1993/94 – und das ist schlimm genug – die Frauen insgesamt nur ein Einkommen von 69,2 Prozent im Vergleich zum Einkommen der Männer bezogen haben; im Jahr 1996 waren es nur noch 68,3 Prozent.

Daß die Bildung der Schlüssel ist – wir wissen es alle! Ich kann das Wort "Augenmerk richten" nicht mehr hören. Tun Sie etwas! Es haben sich natürlich die Bildungschancen für Frauen erhöht. Aber was tut denn der öffentliche Dienst? Und Sie beide, SPÖ und ÖVP, sind dafür verantwortlich, um dem auch Rechnung zu tragen! Reden wir doch nicht von der "gläsernen Decke" in der Privatwirtschaft! Im öffentlichen Dienst haben wir 84 Sektionschefs. Inzwischen


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sind wenigstens fünf davon Frauen. Früher war es keine einzige, lange Zeit war es nur eine einzige. Das wollen Sie als Erfolg verkaufen?

Es liegt an Ihnen! Appellieren Sie nicht dauernd an Europa! Wobei ich jetzt gar nicht darauf eingehen will, was sich dort alles abspielt.

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): Ich bin dabei. – Wir haben noch eine Rednerin.

Wir hatten ein Frauen-Volksbegehren. Von diesem Frauen-Volksbegehren wurde quasi nichts umgesetzt, und dafür waren Sie beide verantwortlich. Daher: Nicht schöne Worte, sondern Taten sind gefragt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.46

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Ich möchte dort fortsetzen, wo meine Vorrednerin aufgehört hat, nämlich bei der österreichischen Situation.

Ich finde es bezeichnend, daß wir eine Aktuelle Stunde haben, in der glorreich auf einen informellen MinisterInnenrat verwiesen wird, aber wohlweislich verschwiegen wird, was alles in Österreich allein im letzten halben Jahr nicht geschehen ist, obwohl es sogar gesetzliche Fristen dafür gibt.

Es ist ein Bericht zugeleitet worden über die Gleichbehandlung in der Privatwirtschaft, aber er ist nicht parlamentarisch behandelt worden – im ganzen letzten halben Jahr nicht! Was ist dieser Bericht denn wert, wenn wir ihn nicht parlamentarisch behandeln, wenn wir daraus nicht Schlußfolgerungen ziehen, was eigentlich zu tun wäre, wo die Notwendigkeiten sind, wo dringender Handlungsbedarf besteht?

Aber es ist noch ein anderer Bericht seit über einem Jahr ausständig, nämlich der Bericht über den Abbau von Benachteiligungen von Frauen. Dies ist kein unwesentlicher Bericht, denn darin geht es genau um die Evaluierung: Wo ist es gelungen, Benachteiligungen abzubauen, wo hat sich die Schere geöffnet? – Es gibt diesen Bericht überhaupt nicht. Er steht seit einem Jahr aus! Er fehlt einfach! Es wird noch an Kriterien gearbeitet, hören wir zu diesem Bericht. Reichlich spät!, kann ich nur sagen, und es schaut auch nicht so aus, als würde dieser Bericht demnächst einmal dem Parlament zugeleitet werden.

Es wurde schon vor längerem eine Gesetzesnovelle zum Gleichbehandlungsgesetz versprochen, eigentlich schon seit sehr langer Zeit. Sozusagen seit der Vorgängerin der Vorvorgängerin geht es um diese sogenannte große Gesetzesnovelle. Bis heute gibt es nicht einmal eine Vorlage auf dem Tisch, und ich frage mich: Was soll das Ganze? 

Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten! Sie haben sich aus der Innenpolitik verabschiedet, und das seit einem halben Jahr! (Beifall bei den Grünen.) Sie haben nichts von dem getan, wozu Sie an Berichtslegung eigentlich verpflichtet wären gewesen, Sie haben nichts von dem getan, was Sie versprochen haben, wie zum Beispiel diese große Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes. Aber wir machen eine Aktuelle Stunde und hören den Reden zu, in denen die Freude darüber zum Ausdruck gebracht wird, daß jetzt auch auf EU-Ebene über Gleichbehandlung diskutiert wird.

Aber selbst wenn wir auf die EU-Ebene schauen, fragen ich Sie: Warum haben wir auf EU-Ebene nicht eine Richtlinie übernommen, zu der wir verpflichtet gewesen wären? Warum haben Sie den 3. Juni 1998 verstreichen lassen, ohne diese Richtlinie umzusetzen, nämlich die Richt


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linie auf Elternkarenz, in der es um den eigenständigen Karenzanspruch für Männer geht? Warum haben Sie da nichts getan?

Wir brauchen nicht nach Innsbruck zu schauen, schauen wir hierher! Wo sind Ihre Gesetzesvorlagen, zu denen Sie, zu denen wir, zu denen die Republik Österreich verpflichtet gewesen wäre? Wo sind die?

Ich möchte noch einen Satz zu den Ausführungen der Frau Kollegin Bauer sagen: Ich finde es wirklich bezeichnend, daß Sie sich jedes Mal, wenn Sie oder andere ÖVP-Frauen hier zum Thema Frauenpolitik sprechen, mit diesen netten, schnuckeligen Aktionen – ich bezeichne sie in diesem Zusammenhang jetzt bewußt so –, die sicher wichtig sind, zufriedengeben. Immer dann, wenn es um konkrete Maßnahmen geht – wir haben konkrete Anträge gehabt, die festgehalten hätten, was frauenfördernde Maßnahmen in Betrieben sind –, stimmen Sie diesen Anträgen nicht zu. Dann wollen Sie davon nichts wissen! "Verbindlichkeiten" – dieses Wort ist Ihnen fremd in der Frauenpolitik!

Offensichtlich kann man die Situation nur so interpretieren, daß sich die ÖVP und die SPÖ in einer gegenseitigen Pattsituation befinden, in der in der Frauenpolitik absolut nichts mehr weitergeht.

Wir sind uns darüber einig, daß es in der Frauenpolitik, bei der Gleichbehandlung oder auch – wie das heute heißt – bei gleichen Chancen nicht nur um die Chancengleichheit in Bildung, in Ausbildung, im Beruf geht, sondern daß es auch um bestimmte Zugänge geht, darum, wie Frauen etwas erreichen können. Es gibt einen Antrag über Quoten, der von uns im Parlament eingebracht worden ist. Er wurde liegengelassen und nicht behandelt.

Wir sind uns aber auch darüber einig, daß es bei gleichen Chancen auch um die gleiche gesellschaftliche und soziale Anerkennung und um die gleichen Rechte geht. Wir sind uns auch darüber einig, daß dieses Hohe Haus in bezug auf gleiche Chancen so etwas wie Vorbildcharakter hat. Und ich sehe diesen Vorbildcharakter keineswegs immer eingehalten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang durchaus noch einmal auf den Vorfall im Umweltausschuß zu sprechen kommen, auch wenn ich Frau Kollegin Aumayr recht gebe: Es ist nicht die Regel, daß Männer mit uns Frauen im Hohen Haus so umgehen. Aber es scheint die Regel zu sein, daß bestimmte Kollegen sich hier alles herausnehmen dürfen, was, solange es nur irgendwie geht, still geduldet wird. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Keppelmüller! Ich denke mir manchmal: Was ist wohl schlimmer: Das, was Sie zu meiner Kollegin Langthaler gesagt haben, oder das, womit Sie diesen Ausspruch begründet und entschuldigt haben? Das Sprichwort ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz.

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (fortsetzend): Ich bin beim Schlußsatz. Das angebliche Sprichwort, das Sie zitiert haben, zeigt ganz klar auf, welchen Geist Sie da haben oder nicht haben, denn dieses angebliche Sprichwort – es ist ja nicht einmal ein Sprichwort, sondern eine Redewendung –, das von Ihnen als Entschuldigungsgrund herangezogen wurde, ist ein äußerst sexistisches. Und das bestürzt mich ganz besonders: daß diese Sensibilität in dieser Debatte offensichtlich nicht vorhanden ist. (Beifall bei den Grünen.)

11.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte, Frau Ministerin.

11.51

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Gleichstellung, Chancengerechtigkeit und Gleichberechtigung sind wichtige Ziele politischen Handelns. Dazu ist es notwendig, in Europa Rahmenbedin


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gungen zu setzen und international zusammenzuarbeiten. Es ist aber genauso notwendig, im eigenen Land die richtigen Weichen zu stellen.

Wenn wir wirklich Chancengleichheit und Beschäftigung für Frauen erreichen wollen, müssen wir bei der Bildung anfangen. Die Mädchen haben in den letzten Jahren einen Aufholprozeß im Bildungsbereich mitgemacht. Wir hatten im Jahr 1970 nur 34 Prozent Maturantinnen, 1998 waren es bereits 55 Prozent. Der Frauenanteil an den Universitäten ist von 39 Prozent auf 53 Prozent gestiegen. 45 Prozent aller Absolventen mit Uni-Abschluß sind Frauen.

Natürlich gibt es auch Defizite. Es gibt Frauen, die zuwenig Bildung haben. Um diesen Mangel zu beheben, haben wir im Nationalen Aktionsplan entsprechende Programme geschaffen: Es wird möglich sein, den Pflichtschulabschluß nachzuholen. Wir wollen die Mädchen motivieren, in nichtfrauenspezifische Berufe einzusteigen.

Alle Bildungsmaßnahmen dienen dazu, daß Frauen eine echte Chance auf einen qualifizierten Arbeitsplatz haben. Darüber hinaus muß es Anliegen der Politik, Anliegen der Bildungspolitik sein, Einstellungen zu verändern – und zwar vor allem Einstellungen in den Köpfen der Männer zu verändern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Deshalb halte ich es für notwendig, in allen Bereichen – sowohl im Verwaltungsbereich als auch im Bildungsbereich – die Gleichberechtigung, die Förderung der Mädchen besonders ernst zu nehmen.

Im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wurden bereits am 1.1.1994 Frauenförderpläne verabschiedet. Wir haben den Aktionsplan 2000, durch den ganz gezielte Maßnahmen im Bildungsbereich gesetzt werden, um Einstellungen zu verändern.

Ich meine, wir setzen auch Signale. Es gibt nicht nur fünf Frauen, die Sektionschefinnen sind, es gibt inzwischen sieben Frauen, die Sektionschefinnen sind. (Abg. Dr. Schmidt: Von 84!) Es ist auch erstmals gelungen, eine Frau als HTL-Landesschulinspektorin in Tirol zu installieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Es wird erstmals eine Frau Direktorin einer HTL in Salzburg werden. Wir haben auch erstmals eine Frau zur Direktorin eines Museums ernannt, nämlich des Theatermuseums.

Es ist mir persönlich ein wichtiges Anliegen, diese Gleichbehandlung, die Gleichberechtigung, die Chancengerechtigkeit in allen Bereichen des Ministeriums und in allen Bereichen des Bildungssektors zu erfüllen. Frauenförderung ist ein echtes Anliegen. Frauengleichberechtigung muß in den Köpfen der Jugend bereits fest verankert sein.

Noch etwas, meine Damen und Herren: 52 Prozent der Wahlberechtigten sind Wählerinnen, und ich meine, wir dürfen erst zufrieden sein, wenn 52 Prozent der wichtigen Positionen in allen Bereichen unserer Gesellschaft auch mit Frauen besetzt sind. (Beifall bei der ÖVP.) Um das zu erreichen, gibt es für uns alle noch viel zu tun. Ich meine, daß wir versuchen sollten, diese Ziele gemeinsam zu erreichen. Die ÖVP wird jedenfalls auch in Zukunft eine starke Stimme für Chancengerechtigkeit und Gleichberechtigung der Frauen sein. (Beifall bei der ÖVP.)

11.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

11.55

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Hohes Haus! Frau Kollegin Aumayr, ich gehe gleich auf Ihre Ausführungen und jene von Frau Kollegin Kammerlander ein. Ich stimme mit Ihnen überein, daß sprachliche Frauendiskriminierung dazu beiträgt, gesellschaftspolitische Rollenbilder zu festigen. (Abg. Mag. Kammerlander: Das ist sexistisch gewesen und nicht speziell Frauendiskriminierung!) Es ist daher eine Aufgabe von uns Frauen, gegen diese sprachliche Diskriminierung aufzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Das beginnt mit Salonfrauenfeindlichkeiten, wo sich manche Männer für besonders geistreich halten, wenn sie die plattesten Frauenwitze von sich geben, und es geht auch darum, dagegen anzukämpfen, daß Meinungsverschiedenheiten zunächst die Reaktion auslösen, Frauen zu


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demütigen, um ihnen damit die Kompetenz abzusprechen und sich nicht sachlich mit ihnen auseinandersetzen zu müssen.

Ich würde mir aber in diesem Zusammenhang gerade von Ihnen, Frau Kollegin Aumayr, ein bißchen mehr Sensibilität erwarten. Vielleicht sollten Sie zuerst in Ihren eigenen Reihen einmal reagieren. Ich erinnere Sie an die ungeheuerliche Wortwahl des Abgeordneten Stadler gegenüber der Frau Abgeordneten Petrovic. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. ) Vielleicht sollten Sie dieses Thema einmal aufzeigen. Wenn Sie es ehrlich meinen, wäre dies angebracht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Aumayr: Richten Sie das an die Adresse Ihrer Kollegen!)

Ich denke, daß sprachliche Diskriminierung aber auch weitergeht, Frau Kollegin Aumayr. Die Frage geht nämlich auch in die Richtung: Wie reagieren wir auf den Fall, daß Frauen beruflich einen Aufstieg machen, der ihnen bisher nicht vergönnt war, zum Beispiel Landeshauptfrau werden? Bekennen sich diese Frauen dann dazu, daß sie "Frau Landeshauptfrau" sind? Sind sie "Herr" Landeshauptmann oder "Frau" Landeshauptmann?

Es gibt ein Buch, das ich Ihnen allen ans Herz legen möchte: "Leben heißt frei sein". Darin wird ganz deutlich festgestellt: Den Zugang für Frauen zu besonders angesehenen Berufen in der Sprache unsichtbar zu machen, bedeutet, diesen Zugang zu negieren. – Ich denke mir, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, auf den wir alle achten sollten.

Frau Kollegin Bauer! Sie fragen, ob wir die richtigen Weichen gestellt haben. Ich finde die Frage gerechtfertigt, nur meine ich, diese Weichenstellung hätten wir ermöglichen können, wenn wir mit der ÖVP in einigen Punkten des Frauen-Volksbegehrens auf einen Nenner gekommen wären. (Beifall bei der SPÖ.) Ich bedaure es zutiefst, daß das nicht der Fall war. Wir haben Initiativen gesetzt, wir haben Anträge eingebracht, und wir werden dieses Thema in diesem Haus weiterverfolgen. Darauf können Sie sich verlassen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Das ist doch ein alter Hut!)

Frau Kollegin Steibl, von Ihnen als Steirerin fehlt mir noch immer eine Aussage. Es ist ja schön, wenn Sie hier immer wieder "Taten statt Worte" verkaufen. Aber mir fehlt noch immer eine wesentliche Aussage zu den Aussagen Ihres Präsidenten Mühlbacher, der gesagt hat, daß viele Männer deswegen leistungsfähiger sind, weil sie Frauen haben, die zu Hause die Leistungen für die Männer erbringen, sodaß diese zu Hause ihren Anteil nicht leisten müssen. Er hat damit Frauendiskriminierung festgeschrieben. Ich frage Sie: Wo ist da Ihre Positionierung? Sie wissen ganz genau, daß Frauen deswegen im Berufsleben diskriminiert sind, weil sie Haus- und Reproduktionsarbeit leisten.

Vielleicht auch noch ein paar Worte zu den Ausführungen von Frau Kollegin Kammerlander und Frau Kollegin Schmidt: Es ist ja in den Einleitungsworten schon einiges über den Vertrag von Amsterdam und den neuen Möglichkeiten gesagt worden. Ich hatte vor einem Monat die Möglichkeit, an einer Frauenkonferenz zum Thema "Beschäftigung und Chancengleichheit" teilzunehmen. Bei allem Anrecht, mehr zu wollen und mit unserer Situation, die wir Frauen in Österreich haben, nicht zufrieden zu sein, denke ich doch, daß Sie alle miteinander internationale Kontakte haben und somit alle wissen, daß wir in Österreich von einem sehr hohen Niveau ausgehen. Ich bin sehr stolz auf dieses hohe Niveau, das wir in Österreich erzielen konnten.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der heute schon von einigen angeschnitten wurde, nämlich den Umgang von männlichen Abgeordneten mit weiblichen Abgeordneten, den Umgang mit der Sprache, den wir hier im Hohen Haus pflegen.

Sie alle wissen, daß sich Herr Abgeordneter Keppelmüller in einem Brief bei der Frau Abgeordneten Langthaler entschuldigt hat. Ich denke, es ist ein schönes Kompliment einer Oppositionspolitikerin, wenn sie schreibt, daß sie deshalb besonders betroffen war, weil dieses Niveau von einem Abgeordneten einer Partei kam, die in ihrer Geschichte eine große Rolle im Kampf für die Würde und die Gleichberechtigung der Frauen gespielt hat. Sie sehen, daß das erkannt wurde, und wir werden auch weiterhin eine große und führende Rolle in der Frauenpolitik spielen. Wir


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sollten uns in dieser Frage gegenseitig unterstützen! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. – Bitte.

12.01

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Daß Frauenpolitik, die erfolgreich sein soll, sich nicht nur auf das eigene Land beschränken kann, sondern auch international wirken muß, hat eine ÖVP-Politikerin, nämlich Lola Solar, schon im Jahre 1953 erkannt. (Beifall bei der ÖVP.) Sie gründete die Europäische Frauenunion. Ihr war bewußt, daß Netzwerke für Frauen genauso wichtig sind wie effiziente Politik für Frauen im eigenen Land. Sie hat ihr vordringlichstes Ziel erreicht, nämlich Frieden für Europa, und wir sind die erste Frauengeneration, die nicht Söhne in den Krieg verabschieden muß.

Es ist viel geschehen, aber es gibt noch viel zu tun, und wir Frauen wissen wirklich, wovon wir reden. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Österreichische Frauenunion will grenzüberschreitend Probleme aufzeigen, Lösungen suchen und Lösungen finden. Ich freue mich auch darüber, daß die heurige Sitzung der Europäischen Frauenunion in Österreich, in Velden, stattfinden wird, und wir hoffen, dort neue Lösungen zu finden und Vorschläge einbringen zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema, das die sozialdemokratische Fraktion heute vorgegeben hat, ist sehr weitläufig. Es ist nicht einfach gewesen, zu hinterfragen und zu sehen, was eigentlich Sinn und Zweck dieser Aktuellen Stunde ist. "Gleiche Chancen für Frauen in Europa" – heißt das auch für die Frauen in Osteuropa, heißt das für die Frauen in der EU? – Tatsache ist, daß die wirtschaftlichen Eckdaten zeigen, daß Frauen in vielen Bereichen, in wirtschaftlichen und in sozialen, nach wie vor benachteiligt sind, daß sie nach wie vor wesentlich weniger verdienen als die Männer, daß sie die ersten sind, die auf dem Arbeitsmarkt Probleme bekommen, wenn es weniger Arbeitsplätze gibt.

Es ist daher notwendig, daß Frauenpolitik gerade auch unter der österreichischen Präsidentschaft ein fixer Tagesordnungspunkt ist, und zwar in allen Bereichen und nicht nur bei der morgigen Konferenz in Innsbruck, wo sich – und das finde ich sehr positiv – erstmals die Frauen- und SozialministerInnen treffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir brauchen effiziente Maßnahmen und Aktionen. Die EU hat in diesem Zusammenhang, glaube ich, einiges vorgelebt, aber es gibt noch Handlungsbedarf. Ich persönlich würde mir wünschen, daß wir in diesem Bereich noch aktiver werden, daß die EU noch aktiver wird. Das kann aber für mich nicht bedeuten, daß es unter der EU-Präsidentschaft in Österreich einen absoluten Stillstand in der Frauenpolitik gibt. Hier sind Sie, Frau Ministerin, in diesem halben Jahr doppelt und mehrfach gefordert!

Die EU ist für die Frauen Chance und Herausforderung zugleich. Ich bin sehr froh darüber, daß im Amsterdamer Vertrag die Chancengleichstellung der Frauen abermals festgeschrieben und eingefordert ist und daß erstmals auch eine positive Diskriminierung der Frauen möglich ist, um ihnen aus ihrer erschwerten Situation zu helfen.

Ich bin auch – das Thema heißt ja: Gleiche Chancen für Frauen in Europa – sehr glücklich darüber, daß es seit heuer einen Gleichbehandlungsausschuß auch im Europarat gibt. Das heißt, daß wir die Fragen der Frauen im Osten und im Westen zusammenschauend und auch eingehender diskutieren können.

Wunsch und Wirklichkeit in der Frauenpolitik liegen weit auseinander. Die Probleme der Frauen und die Wünsche der Frauen an die Politik gleichen sich über die Landesgrenzen hinweg. Das Nord-Süd-Gefälle gibt es, es gibt auch ein West-Ost-Gefälle, aber der Wunsch, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gut ausgebildet zu sein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sozial


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rechtliche Absicherung für Frauen, ein gutes Gesundheitssystem, aber auch die Mitbestimmung bewegen alle Frauen und sind Motor für Frauen in der Politik.

Es kann wirklich nicht so sein – wie das einige Vorrednerinnen, auch von der Opposition, bereits gesagt haben –, daß die Frauenpolitik in Österreich durch die Präsidentschaft eingefroren wird. Ich sehe zwar Ansätze im Nationalen Beschäftigungsplan, der die Chancengleichheit für Frauen erhöht – es ist darin etwa festgeschrieben, was ich sehr positiv finde, daß mit aktiver Arbeitsmarktpolitik den Frauen noch besser geholfen wird –, aber wir wollen auch Maßnahmen und Taten statt Worten sehen – das bringt Kollegin Steibl in der Steiermark immer wieder.

Die ÖVP-Frauen werden nicht müde werden, ihre Forderungen hier immer wieder zu deponieren und zu versuchen, eine Lösung zu finden. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit wird nur bei einer Neubewertung der Arbeit erreichbar sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (fortsetzend): Ich glaube, daß das Thema nicht "Gleiche Chancen für Frauen in Europa", sondern "Chancen für Frauen in Europa" heißen müßte. Der Kontinent Europa ist schließlich der einzige, der nach einer Frau benannt wird – Grund genug für uns Frauen und auch Männer, für diesen Kontinent zu kämpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

12.07

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen Ministerinnen! Hohes Haus! So wie für meine Kollegin Gatterer stellt sich auch für mich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Aktuellen Stunde. Eine Aktuelle Stunde bietet normalerweise den Oppositionsparteien die Gelegenheit, auf aktuelle Mißstände hinzuweisen, und den Regierungsparteien die Gelegenheit, aktuelle Erfolge publikumswirksam zu verkaufen.

Jetzt muß ich mich fragen: Wo sind die aktuellen Erfolge der SPÖ-PolitikerInnen, die Sie heute hier verkaufen wollen? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wo sind denn überhaupt die Erfolge der Frauenpolitik, die in den letzten 20 Jahren SPÖ-dominiert war? Darüber besteht ja gar kein Zweifel. Wo haben Sie in diesen "Kleinbereichen" Erfolge erzielt, wie zum Beispiel hinsichtlich der Forderung "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!" oder der Gleichberechtigung im Bereich der sozialen Absicherung, der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Chancengleichheit für die beruflichen Karrieremöglichkeiten oder auch der gleichberechtigten Teilnahme von Frauen am öffentlichen Leben und in der Politik?

Die oberösterreichische Frauenbeauftragte Lohnegger hat ja gesagt, daß es gerade auf kommunaler Ebene diesbezüglich sehr schlecht bestellt ist. Der Frauenanteil in der Politik beträgt in den oberösterreichischen Gemeinden 12 Prozent, in den Gemeindevorständen 7 Prozent und nur 3 Bürgermeisterinnen. Da muß ich mich fragen, warum das so ist. Hat da die Quotenregelung auch den SPÖ-Damen nichts genützt? Haben 20 Jahre SPÖ-Frauenpolitik nichts genützt – eine Frauenpolitik, die unter einer Frauenministerin Dohnal noch als "richtungsweisend in Europa" verkauft wurde?

Auch Sie, Frau Bundesministerin Prammer, verweisen immer gerne darauf, daß Frauenpolitik eine Domäne der Sozialdemokraten ist. Da frage ich: Wo sind jetzt wirklich die Erfolge, die diese Aktuelle Stunde rechtfertigen? Oder ist das, was Sie hier machen, nur eine Alibihandlung, daß Sie diese "Kleinpunkte", deren Umsetzung Sie in Österreich nicht geschafft haben, jetzt an die EU delegieren wollen? – So scheint es doch zu sein, und nicht nur im Bereich der Frauenpolitik!

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nicht nur an den Kollegen Keppelmüller. Sie haben es ja in den eigenen Bereichen sicher sehr schwer, wie man gemerkt hat. (Abg. Silhavy: Sie auch!)  – Nein, wir haben keinen Kollegen, der uns mit körperlicher Gewalt zur Abstimmung bringen muß


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(Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Silhavy: Wir auch nicht!), wo man dann heulend auf den Gang hinauslaufen muß und dann auch noch dazu gezwungen wird, über die Presse alles zu widerrufen, etwas zu widerrufen, was ein Großteil der Abgeordneten hier im Plenum gesehen hat. Der Name ist Parnigoni – ich will ihn nicht verschweigen. Das sind zwei Vertreter Ihrer Partei, mit denen Sie anscheinend nicht umzugehen verstehen. Wenn Sie solche Dinge in den eigenen Reihen nicht abstellen können – und da gab es keine Schützenhilfe der SPÖ-Frauen, da gab es auch keine Schützenhilfe der Frauenministerin –, wie wollen Sie dann Frauenpolitik machen, die glaubwürdig ist? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Was ist nach diesem Frauen-Volksbegehren, das so viele Punkte umfaßt hat, geschehen? – Lediglich einen einzigen haben Sie versucht in Ansätzen umzusetzen. In der Verfassung wurde die Gleichberechtigung der Frauen verankert, was nichts kostet. Alle anderen Punkte hätten etwas gekostet – entweder die Männer oder die Wirtschaft oder innerhalb der Partei. Davor haben Sie sich gescheut. Ich glaube, daß Sie mit dieser Frauenpolitik nicht erfolgreich sein werden.

Frau Kollegin Hlavac! Ich schätze Sie sonst sehr, aber Sie haben heute nur Schlagworte gebraucht, Phrasen, die wir in der Frauenpolitik seit 20 Jahren hören. Das gleiche gilt für Frauenministerin Prammer. Wenn sie sagt, sie habe die Hoffnung, daß sich das Ganze jetzt auf EU-Ebene bessert, dann gesteht sie damit ja ein, daß die österreichische Frauenpolitik gescheitert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Clou ist ja, daß der EU-Beitritt uns Frauen in Österreich gravierende Nachteile gebracht hat, Nachteile auf dem Arbeitsmarkt, aber auch Nachteile durch die beiden Sparpakete. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wie wollen Sie wirklich glaubwürdig vertreten, meine Damen Bundesministerinnen, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Edith Haller (fortsetzend): ... – ich bin gerade dabei –, daß uns der EU-Beitritt im Bereich Frauenpolitik helfen könnte? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte.

12.12

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frauenministerin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß allein der Titel dieser Aktuellen Stunde, nämlich "Gleiche Chancen für Frauen in Europa", ein ganz deutliches Zeichen dafür ist, daß es sich dabei um eine Alibiaktion handelt, daß Sie heute hier versuchen wollen, vom Reformstau in Österreich abzulenken. Sie können sich in der Präsidentschaft sonnen, Sie können versuchen, von Österreich aus Chancengleichheit für alle Frauen zu erreichen, aber Tatsache ist, daß Sie mit den Problemen vor der eigenen Haustüre noch immer nicht fertig sind, daß das hier ein Ablenkungsmanöver ist. Sie alle hätten im Rahmen des Frauen-Volksbegehrens wahrlich Gelegenheit genug gehabt, in diesem Bereich etwas zu tun. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Kein einziger Punkt des Frauen-Volksbegehrens ist tatsächlich umgesetzt worden. Wir haben nur eine schwammige Formulierung im Artikel 7 der Bundesverfassung, wo Sie alle sich einmal mehr zur Gleichstellung von Männern und Frauen bekennen. Über Lippenbekenntnisse sind Sie aber noch nicht sehr weit hinausgekommen. Wir haben im Unterausschuß 35 Stunden lang diskutiert, aber wir haben kein Ergebnis vorzuweisen. Das Ergebnis des Frauen-Volksbegehrens kommt eigentlich einer Verhöhnung der Initiatoren und Initiatorinnen und vor allem auch aller Unterzeichner und Unterzeichnerinnen gleich.

Weil die SPÖ in Frauenfragen immer so starke Worte spricht, muß ich Ihnen und auch der Frauenministerin folgendes sagen: Sie müssen sich eingestehen, daß Sie Ihrem Koalitionspartner ohnmächtig gegenübergestanden sind, einem Frauensprecher Khol ohnmächtig gegenübergestanden sind, der sein Sprachrohr, möchte ich sagen, die Kollegin Fekter, in den Ausschuß ge


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schickt hat, weil sich die Frauensprecherin vielleicht doch ein bißchen zu weit vorgewagt hatte. Die Frauensprecherin wurde für ihren Rückzug ja immerhin mit einem Blumenstrauß belohnt. Das paßt genau in das Frauenbild der ÖVP. (Abg. Dr. Fekter: Sind Sie gegen Blumensträuße?)

Frau Kollegin Fekter! Die Art, wie Sie agiert haben, war ja eindeutig. Ich war ja geradezu überrascht, daß Sie nicht einen Schwindelzettel Ihres Klubobmanns mitgebracht hatten. Also darüber brauchen wir wirklich nicht mehr zu diskutieren. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Fekter: Glauben Sie nicht, daß ich selber denken kann?)

Die Liberalen jedenfalls waren wirklich tätig. Wir haben einen Beschäftigungsgipfel für Frauen ... (Abg. Dr. Khol: Die Blumen waren für die Rosemarie Bauer! So genau sind Ihre Wortmeldungen! Ihre Rede ist voll auf Irrtümer aufgebaut!)  – Ja, für Wohlverhalten, Herr Kollege Khol.

Die Liberalen haben jedenfalls – das sollte Sie jetzt interessieren, denn da haben Sie Handlungsbedarf – einen Beschäftigungsgipfel für Frauen, die Frauenprojekte betreiben, in Brüssel initiiert. Durch diesen wurde jedenfalls eines klar ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) – Frau Kollegin Fekter, Sie haben in der Frauenpolitik Handlungsbedarf, dem Sie nicht gerecht werden können, weil Ihr Frauenbild so konservativ ist, daß Sie nicht weiterkommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Durch diesen Beschäftigungsgipfel für Frauen, die Frauenprojekte betreiben, wurde folgendes ganz klar: Mittel werden zwar von der EU bereitgestellt, aber die privaten Frauenprojektbetreiber und -betreiberinnen in Österreich ersticken in der österreichischen Bürokratie. Da haben wir Handlungsbedarf. Wir brauchen eine bessere Informationspolitik, wir brauchen die Einrichtung von zentralen Koordinierungsstellen, und wir brauchen vor allem einen Kofinanzierungsfonds, weil die Frauen diese Mittel nicht im vorhinein aufbringen können. Finanzierungskosten werden nicht refundiert, und außerdem erfolgt von seiten des AMS die Anweisung der Beträge sehr, sehr zögerlich, weil der Fonds des AMS bereits mehr oder weniger ausgebeutet ist.

Auf eines möchte ich schon noch ganz kurz zu sprechen kommen – Frau Kollegin Bauer, das betrifft auch Sie –: Wir haben einen Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung, und wenn in diesem die Einführung eines Audits für eine familienfreundliche Arbeitswelt und die Abhaltung eines Bundeswettbewerbs zur Prämierung des familienfreundlichsten Betriebes angeführt werden, dann ist das blamabel, dann ist das peinlich, denn dafür brauchen wir keinen Nationalen Aktionsplan. Über Maßnahmen des Aktionsplans könnten wir diskutieren, noch ist es nur beschriebenes Papier, und die Finanzierung steht nach wie vor in den Sternen. Es gibt nur einen einzigen konkreten Posten, nämlich die 600 Millionen Schilling für die Kinderbetreuung, und das ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein angesichts von 170 000 fehlenden Plätzen.

Frau Unterrichtsministerin! Ihnen muß ich noch einmal folgendes sagen: Sie haben hier die formalen Abschlüsse gelobt. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wir haben nach wie vor in unserem Bildungssystem nichts getan – entgegen Ihren Ankündigungen! –, das dieser geschlechtsspezifischen Segmentierung in der Arbeitswelt entgegenwirkt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Maria Schaffenrath (fortsetzend): Ich komme zum Schlußsatz: Und mit einem Budget von nicht einmal 2 Millionen Schilling werden Sie Ihre guten 99 Punkte auch in Zukunft nicht umsetzen können, und zwar entgegen Ihren laufenden Ankündigungen, daß das bereits der Fall wäre. Mein Schlußsatz, Herr Präsident ...

12.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist beendet! (Abg. Schaffenrath: Dann bedanke ich mich! – Beifall beim Liberalen Forum.)

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Petrovic.

12.18

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Frauenpolitik in Österreich, Frauenpolitik in Europa – ich


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denke, wenn eine Bundesregierung im eigenen Land weit hinter den eigenen Versprechungen zurückbleibt, wird sie nur wenig glaubwürdig sein, wenn sie sagt, Europa im Sinne von höherer Chancengleichheit für Frauen verändern zu wollen. Es sind die in den Koalitionsübereinkommen 1994 und 1996 angeführten Punkte unerfüllt geblieben, Sie wissen das: von der Einrichtung von Frauenberatungsstellen über den Ausbau der Teilzeitarbeit, der Kindergartenplätze. All das wurde angekündigt. Es fehlt dem Nationalen Aktionsplan jede Dotierung und damit jede Chance auf Durchsetzung. Das alles sind nur fromme Worte, denen bisher keine Taten gefolgt sind – und auch keine folgen können.

Aber ich will mich in meinen Ausführungen vor allem noch einmal dem Klima in diesem Land widmen. Ich glaube, Sie, Frau Bundesministerin, und wir hier im Hohen Haus werden es schwer haben, in Sachen der realen Gleichstellung von Frauen etwas zu bewegen, wenn auch von Ihrer Fraktion, von der sozialdemokratischen Fraktion, und von diesem Haus insgesamt ein Klima geduldet wird, das nur als sexistisch bezeichnet werden kann.

Ich finde es eigentlich traurig, daß etliche Rednerinnen hier eingewendet haben: Ja es sind nicht alle Männer, es ist nicht die Mehrzahl der Männer! Ich meine, daß die Vorfälle, die bekannt wurden, schon schlimm genug sind: angefangen mit dem Vorfall, der meiner Kollegin Terezija Stoisits im Zusammenhang mit einer Aussage des Abgeordneten Burgstaller widerfahren ist, über den Vorfall betreffend die Frau Abgeordnete Aumayr bis hin zu den Vorfällen betreffend die ehemalige Frau Abgeordnete Schütz und auch die Frau Abgeordnete Dr. Schmidt – es gab gewisse mediale Äußerungen – sowie meine Kollegin Monika Langthaler, und auch mir sind schon derlei Dinge widerfahren. Das sind wirklich schlimme Vorfälle.

Also: Wenn wir mittlerweile aus unser aller Erinnerung etliche Fälle aufzählen können und wir hier als Frauen sicher noch in einer insgesamt privilegierten Situation sind – wir können uns wehren, wir können uns auch an die Medien wenden, wir könnten auch etwas mehr an Solidarität herstellen –, dann frage ich mich, wie es mit dem Klima in Sachen Frauengleichstellung in unserem Land bestellt ist.

Etwas ganz Wesentliches sage ich jetzt an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion: Ich glaube, es wäre den Kolleginnen aus der sozialdemokratischen Fraktion heute kein Stein aus der Krone gefallen, wenn sie im Zusammenhang mit den Äußerungen des Abgeordneten Keppelmüller und auch der fast noch schlimmeren Art der Entschuldigung gesagt hätten: Es tut uns leid; wir werden in Zukunft verstärkt zusammenarbeiten, damit dieses Klima in Österreich nicht mehr salonfähig ist! Aber von einer derartigen Solidarität ist leider wenig zu spüren gewesen. Ich frage mich wirklich, warum gerade die Sozialdemokratische Partei – und zwar hier und heute, hier und in der Gegenwart und nicht, was ihre Rolle in der Vergangenheit betrifft – so ausläßt.

Es herrscht ein frauenfeindliches Klima in unserem Lande. Im Zuge des Sozialabbaus, im Zuge auch der Einschränkung von Frauenprojekten und Frauenrechten ist auch der Alltagssexismus wieder salonfähig geworden. Das wissen wir aus den Betrieben, das wissen wir von der Gleichbehandlungsanwältin. Mittlerweile ist das auch in manchen Teilen der Werbewirtschaft offenbar salonfähig.

Wir von den Grünen haben uns sehr bemüht, eine eindeutige Reaktion der Frauen dieses Hauses auf diese eindeutig sexistische Werbung zu erwirken (die Rednerin hält ein Blatt mit Werbung in die Höhe), wo sich ein Stachelhalsband durch eine Barbiepuppe bohrt und dann noch steht: "pure Intelligenz", und zwar in einer ziemlich verballhornten Rechtschreibung. Wir haben uns an alle Fraktionen dieses Hohen Hauses gewandt, und es haben uns postwendend die Kolleginnen des Liberalen Forums und auch die Kolleginnen der ÖVP unterstützt. (Abg. Dr. Mertel: Ich habe das nie gesehen!) Wir haben uns auch an die sozialdemokratische Fraktion gewandt, haben aber von dieser keine Unterstützung bekommen. (Abg. Schieder: An wen denn?) Das werde ich Ihnen im Detail auflisten. (Abg. Schieder: Aha!)

Warum können Sie nicht einmal die Bereitschaft aufbringen, zu sagen: Wir wollen das in Zukunft anders machen, wir wollen endlich gemeinsam gegen Sexismen auftreten!, statt daß Sie immer wieder – auch jetzt wieder – versuchen, buchstäblich den Spieß umzudrehen? (Präsident


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Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich glaube, daß Sie da der Stellung der Frauen und auch den politischen Rechten der Frauen keinen guten Dienst erweisen. (Beifall bei den Grünen. – Die Rednerin übergibt Bundesministerin Mag. Prammer das Blatt mit der genannten Werbung.)

12.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Aktuelle Stunde ist mit dieser Wortmeldung beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 4586/J bis 4612/J.

2. Anfragebeantwortungen : 4034/AB bis 4075/AB.

3. Initiativanträge:

Zurückziehungen: 730/A (E) und 823/A.

4. Regierungsvorlagen:

Amateurfunkgesetz 1998 – AFG (1218 der Beilagen),

Funker-Zeugnisgesetz 1998 – FZG (1250 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 49 betreffend "Free Biking: Freigabe der Forstwege für Mountainbiker", überreicht vom Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner,

Bürgerinitiative Nr. 15 betreffend Aufhebung der Immunität.

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Petition Nr. 29 betreffend "Dem Staat sein Geld – Dem Arbeitnehmer seine Rechte", überreicht von dem Abgeordneten Mag. Johann Maier;

Gesundheitsausschuß:

Petition Nr. 30 betreffend "Der Gesetzgeber soll handeln, bevor es zu spät ist!", überreicht von der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat,

Bürgerinitiative Nr. 13 betreffend Klonierungsverbot von Tieren;

Justizausschuß:

Petition Nr. 31 betreffend "eine Novellierung des Adoptionsrechts", überreicht von den Abgeordneten Brigitte Tegischer und Dr. Elisabeth Hlavac,


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Petition Nr. 48 betreffend 3 Forderungen zur rechtlichen Verankerung von PartnerInnenschaften, überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Volker Kier und Dr. Irmtraut Karlsson.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1190 der Beilagen);

Verkehrsausschuß:

Zusatzprotokoll vom 26. März 1998 zum Übereinkommen über die Regelung der Schiffahrt auf der Donau vom 18. August 1948;

Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzprotokoll vom 26. März 1998 zum Übereinkommen über die Regelung der Schiffahrt auf der Donau vom 18. August 1948 (1220 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Bautenausschuß:

Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Untersuchung der Verkehrsauswirkungen auf besonders sensiblen Strecken im Zusammenhang mit der Einführung der Vignette für das hochrangige Straßennetz (III-143 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Österreichischer Waldbericht 1996 (III-139 der Beilagen);

Unterrichtsausschuß:

Bericht der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung), 1997 (III-141 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuß:

Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1997 (III-140 der Beilagen).

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen haben vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 824/A (E) der Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr zur Verhandlung aufgerufen werden.


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Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich mitteilen, daß Frau Abgeordnete Schaffenrath beantragt hat, dem Unterrichtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 438/A (E) betreffend die Einführung eines Ethikunterrichtes als Wahlpflichtfach eine Frist bis zum 20. November 1998 zu setzen.

Es ist von der erforderlichen Zahl von Abgeordneten das Verlangen gestellt worden, eine kurze Debatte darüber abzuhalten. Diese Debatte wird im Anschluß an die Behandlung des Dringlichen Antrages stattfinden. Nach Ende der Debatte wird auch die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Schüssel hat schriftlich den Wunsch geäußert, zu Fragen der österreichischen Außenpolitik eine Erklärung abzugeben.

Zu dieser Erklärung, die ich nach Beratung in der Präsidialkonferenz als ersten Punkt auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt habe, liegt auch der Wunsch auf Durchführung einer Debatte vor.

Es wird daher vorgeschlagen, die Debatte über die Erklärung des Herrn Außenministers gemeinsam mit der Debatte über den Punkt 2 der heutigen Tagesordnung durchzuführen.

Darüber hinaus liegen die Vorschläge vor, die Debatten über die Punkte 4 bis 6, 11 und 12, 13 und 14, 15 bis 17, 18 und 19 sowie 20 bis 23 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Dies ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Gestaltung und Dauer der Debatten des heutigen Tages wie folgt erzielt: Es wurde eine Tagesblockredezeit von 8 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann hat das Haus einhellig diesem Vorschlag zugestimmt.

1. Punkt

Erklärung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten zu Fragen der österreichischen Außenpolitik

2. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend den Außenpolitischen Bericht 1997 der Bundesregierung (III-133/1332 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich darf nun dem Herrn Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten zur Abgabe seiner Erklärung das Wort erteilen. – Bitte, Herr Vizekanzler.


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12.28

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Eine Woche nach der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch Österreich – das Land Österreich hat ja die EU-Ratspräsidentschaft inne – liegt es natürlich nahe, als das wichtigste Thema dieser außenpolitischen Erklärung die europäische Dimension anzusprechen. Dabei muß offen ausgesprochen werden, daß Europa ein unvollkommenes und noch unvollständiges Projekt ist, aber eines, das sich auf gutem Wege befindet. Von Jean Monnet und Robert Schuman stammt der Ausspruch, daß Europa nicht mit einem Schlag oder durch einen einheitlichen Bauvorgang geschaffen werden kann, sondern nur durch konkrete Errungenschaften, die mit der Zeit eine faktische Solidarität entstehen lassen. Anders gesagt ist dieses gemeinsame Europa eine Art Baustelle, ein Großbauvorhaben, auf der schon über vierzig Jahre gearbeitet wird und auf der es noch sehr viel zu tun gibt.

Allerdings ist das, was bisher geschaffen wurde, beachtlich genug. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Sechser-Gemeinschaft des Jahres 1958, hat mit 6 Mitgliedern begonnen, hat heute 18 und verhandelt mit weiteren 11 Ländern. Sie hat mit einer Bevölkerungszahl von 160 Millionen Menschen begonnen, ist heute auf eine solche von über 370 Millionen Menschen angewachsen und nähert sich mit den Erweiterungskandidaten der Grenze von 500 Millionen Menschen.

Die heutige Europäische Union weist eine Wirtschaftskraft, ein Bruttoinlandsprodukt auf, das real sechsmal so groß ist wie jenes der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 1958.

Meine Damen und Herren! Dieses Projekt ist ein sehr erfolgreiches Projekt, wie man anhand der wirtschaftlichen Erfolgszahlen feststellen kann. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Smolle. )

Die Europäische Union ist heute tatsächlich ein global player, ein weltweit Agierender auf der Weltbühne: Die EU hat den größten Binnenmarkt der Welt zustande gebracht. Mit Beginn 1999 steht die gemeinsame Währungsunion. Die Europäische Union von heute zeichnet für ein Drittel des Welthandels verantwortlich; das ist mehr als der Anteil der Amerikaner und auch mehr als der Anteil der Japaner.

Interessant ist auch die Gestaltungskraft innerhalb der Union. Immerhin werden innerhalb der Union über 60 Prozent der Gesamtexporte der EU-Staaten ausgewiesen, was bedeutet, daß wir selbst eigentlich auch die Konjunktur bereits gestalten können.

Man sieht, daß die Europäische Union auch im humanitären Bereich sehr viel macht: 60 Prozent der weltweiten Entwicklungshilfe und 80 Prozent der internationalen Hilfe für die Länder der ehemaligen Sowjetunion kommen von der Europäischen Union.

Aber eine andere Zahl, so wichtig Geld, Wirtschaft und Erfolgszahlen sein mögen, beziehungsweise eine andere Vergleichsbilanz ist viel eindrucksvoller: Nach Schätzungen von Sicherheitsexperten haben seit dem Jahr 1945 weltweit über 200 Kriege und größere bewaffnete Konflikte stattgefunden. Aber auf dem Gebiet der heutigen Europäischen Union gab es in diesen fast fünf Jahrzehnten seit der Gründung der Montanunion keinen einzigen Schuß, keinen einzigen Waffengang.

Für diese Region ist damit die längste ununterbrochene Friedensperiode seit der römischen Antike Wirklichkeit geworden. Manche zitieren immer wieder den Wiener Kongreß. Vom engsten Berater des Fürsten Metternich, sozusagen seinem Kabinettchef, einem gewissen Freiherr Friedrich von Gentz – genannt: graue Eminenz –, der die Protokolle geschrieben hat et cetera, stammt der Satz: "Jedes politische System, das Europa die Hoffnung geben könnte, sich auch nur drei oder vier Kriege in jedem Jahrhundert zu ersparen, verdient die höchste Anerkennung."

Heute gibt es dieses Friedenswerk, und Österreich trägt seit dem 1. Juli als Vorsitzland der Europäischen Union besondere Verantwortung für diese Union, für dieses Friedensprojekt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Gerade Österreich, das ein relativ junges Mitgliedsland der Europäischen Union ist, muß sich dessen bewußt sein, daß die EU-Präsidentschaft eine Chance ist, an ein größeres, weiteres Europa zu denken. Das heutige Europa ist größer als die Zahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Mich hat es sehr berührt, daß sich Alois Mock, als wir im Jahre 1994 nach den legendären Verhandlungsrunden unseren Vertrag unter Dach und Fach hatten, nicht einfach wie ein Schneekönig darüber freute, daß wir es geschafft haben, was er ja auch tun hätte können – es ist nämlich ein hohes Verdienst, die Beharrlichkeit aufzubringen, um zu diesem Erfolg zu kommen –, sondern in jener Stunde an die Länder Mittel- und Osteuropas dachte, die ein Recht darauf haben, zu einem erweiterten Europa einmal dazuzugehören. Wir Österreicher sehen dieses Vermächtnis auch als eine Verpflichtung, im Rahmen unserer EU-Vorsitzführung dieses Großbauvorhaben, dieses Großprojekt Europa zu einem gemeinsamen europäischen Haus aufzubauen, das allen, die zur vollen Partnerschaft bereit und fähig sind, auch wirklich ein behagliches Wohnrecht bietet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Natürlich bietet diese EU-Präsidentschaft eine ganze Reihe von sehr unangenehmen Befassungen, aber notwendigen Auseinandersetzungen mit der großen Weltpolitik, auch mit sehr vielen Konfliktherden, und zwar neben der Vorbereitung der letzten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, neben dem transatlantischen Dialog die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Amerikanern, die Wiederaufnahme eines tragfähigen Dialogs mit der Türkei, die historische, erstmals in der EU stattfindende Konferenz mit den Ländern der südlichen Zone Afrikas, die sogenannte SADC-Konferenz, die bilateralen EU-Schweiz-Verhandlungen, die Industrieministerkonferenz mit dem Mittelmeerraum, die Rolle der Europäischen Union im Friedensprozeß in Nahost, die Frage der Menschenrechte – weltweit, aber insbesondere auch im Mittelmeerraum, in China, in Tibet –, die Frage des Asean Regional Forum, die Frage Osttimor, die gerade in diesen Tagen brennend aktuell geworden ist, die Frage der Beziehungen mit Weißrußland, die Neuanknüpfung einer vernünftigen Dialogschiene der Europäischen Union mit dem Iran und natürlich – ich komme später noch darauf zu sprechen – die Frage des Balkan.

Es kommen dazu die eigentlich internen großen Brocken wie die Beschäftigungspolitik, die Erweiterung, die "Agenda 2000", wobei wir wissen, daß vieles vor unserer Präsidentschaft begonnen wurde und manches auch erst danach zum Abschluß kommen wird. Aber es muß unser Bestreben sein, Europa sichtbar weiterzubringen, wenigstens aber Zwischenergebnisse zu erzielen, auf denen weiter aufgebaut werden kann.

Daß die Beschäftigungspolitik für Österreich eine klare Priorität haben wird, ist schon deshalb selbstverständlich, weil das im Amsterdamer Vertrag enthaltene Beschäftigungskapitel im wesentlichen auf eine österreichische Initiative, und zwar von Vranitzky und mir, im Rahmen der Regierungskonferenz zurückgeht.

Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft wird dafür verantwortlich sein, daß erstmals Beschäftigungsleitlinien für 1999 beschlossen werden, die nicht mehr nur Rhetorik sind, sondern auf 15 konkreten verpflichtenden Beschäftigungsplänen der einzelnen EU-Mitgliedsländer und erstmals auch auf dem Beschluß, daß 11 EU-Mitgliedstaaten die europäische Währung gemeinsam starten wollen, basieren.

Das heißt, wir können beweisen, daß eine starke Währung und sanierte Budgets nicht nur kein Gegensatz zu einer engagierten Beschäftigungspolitik sind, sondern – im Gegenteil – sogar zur Belebung der Jobcreation, der Schaffung neuer und der Sicherung alter Arbeitsplätze sehr viel beitragen können.

Was die Erweiterung der Europäischen Union betrifft, habe ich schon anklingen lassen, daß sie nach gemeinsamer Auffassung der Bundesregierung eine europapolitische Notwendigkeit ist. Die EU-Erweiterung, vor allem jene um unsere Nachbarstaaten, die vermutlich in der allerersten Runde dabeisein werden, stellt das weitaus beste Mittel dar, um genau jene Themen, die den österreichischen Bürgern zu Recht wichtig sind, auch auf europäischer Ebene zum Durchbruch zu verhelfen. Wer es mit mehr Umweltschutzstandards in ganz Europa und nicht nur etwa in


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Österreich ernst meint, wer es mit dem Kampf gegen das organisierte Verbrechertum ernst meint, wer wirtschaftliche Stabilität einer Großregion im Auge hat, der muß sich für die EU-Erweiterung, wenn sie richtig gemacht wird, einsetzen, um so zu verhindern, daß wir von Osteuropa Unsicherheit, Instabilität oder auch Emissionen importieren müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe bei meiner Tour des Capitales, also bei der Tour durch die vierzehn anderen EU-Hauptstädte – Griechenland steht durch eine Terminverschiebung erst übermorgen auf der Tagesordnung –, und in den mittel- und osteuropäischen Ländern große Zustimmung für das Konzept beziehungsweise für das Programm der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft gefunden.

Mir ist klar, daß diese EU-Erweiterungsrunde schwierig sein wird, weil es große Unterschiede im Einkommensniveau gibt, weil ganz neue institutionelle Herausforderungen an die Europäische Union selbst gestellt werden. Wir müssen aber natürlich auch die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen; das ist klar.

Das Interessante bei meinen Besuchen war – ich war in Polen, in Estland, gestern in Slowenien und fahre jetzt dann nach Prag –, daß haargenau, eins zu eins, spiegelgleich, auch in den Ländern der Beitrittskandidaten Sorgen und Ängste der Bevölkerung spürbar sind. Es sind haargenau die gleichen Sorgen, die auch uns bewegen, wie zum Beispiel: Wie ist das mit den Arbeitsplätzen? Kann nicht und wird nicht die überragende wettbewerbsstarke, konkurrenzstarke Westwirtschaft aus der EU unsere Industrie kaputtmachen? Haben wir überhaupt eine Chance in diesem Wettbewerb? Die Frage nach der Identität und die Frage nach der Souveränität werden beispielsweise in Estland sehr klar gestellt mit der Bemerkung: Jetzt sind wir gerade der einen Union – Sowjetunion – entkommen, aber wie wird das mit der anderen Union sein?

Natürlich wissen diese Länder, daß das ein völlig anderes Konzept einer Union, ein partnerschaftliches Zusammenwirken einer Union und nicht die Abhängigkeit von Moskau ist, aber Sorgen und Ängste gibt es trotzdem.

Auch die Frage nach der Sicherheit, die Frage nach dem Ausverkauf von Grund und Boden sind hörbar, und wir werden gut daran tun, sehr sensibel auf die Stimmungslage in den Ländern der Beitrittskandidaten zu hören und ihnen vor allem auch die richtigen Signale zu senden, sie zu ermutigen, auf dem Reformweg weiterzugehen, weil gerade das "Work in Progress", der Prozeß der Annäherung sehr wichtig ist.

Man kann da, wenn man es falsch macht, sehr viel Schlimmes anrichten, indem man einerseits die Erwartungen zu hoch schraubt, andererseits – was noch schlimmer ist – die Menschen in diesen Ländern entmutigt, und zwar Menschen, die ein Recht darauf haben, Kraft und Stärkung von der Europäischen Union zu erfahren.

Deshalb beabsichtigen wir vom Außenministerium und von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, mit den sechs prioritären EU-Beitrittskandidaten bis November dieses Jahres zumindest über einige jener Kapitel, über die die Kommission schon ihr Gutachten abgegeben hat, formelle Beitrittsverhandlungen auf Ministerebene aufzunehmen. Wir werden dann in Wien den Fortschrittsbericht über die elf EU-Beitrittskandidaten verhandeln, in dem Wissen, daß wir ganz gut unterwegs sind.

Natürlich wissen wir, daß die Erweiterung auch Reformen innerhalb der Union bedeutet. Die Erweiterung ist nicht gratis. Es wäre lächerlich, das zu sagen. Das ist ja auch der Grund dafür, daß wir mit den EU-Budgets schon jetzt so sparsam umgehen, daß wir nicht die maximal möglichen 1,27 Prozent ausschöpfen, sondern – im Gegenteil! – deutlich darunter bleiben, nämlich um die Erweiterung auch finanzierbar zu machen. Daher glaube ich, daß wir gut gerüstet sind für die internen Reformen, die neue gemeinsame Agrarpolitik, eine neue Strukturpolitik und eine neue Finanzverfassung, die letztlich bis zum Jahr 2006 gelten wird. Das ist ein Programm, das eigentlich über zwei Legislaturperioden hinausreicht.

Ich als Vorsitzender des Allgemeinen Rats strebe eine enge Kooperation mit dem ECOFIN und mit dem Landwirtschaftsministerrat an – also mit unseren Vorsitzenden Rudi Edlinger und Willi


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Molterer –, weil wir da gemeinsam vorgehen wollen und weil wir Österreicher auch vorexerzieren müssen, daß es möglich ist, so unterschiedliche Positionen, wie sie eben manchmal von den Finanz-, Agrar- oder Außenministern eingenommen werden, zu vereinen, zu harmonisieren, um so weit wie möglich zu kommen.

Ich bin außerdem davon überzeugt, daß wir gerade in der neuen Union nicht auf Koordination verzichten können. Das ist auch der Grund, warum der Allgemeine Rat in seiner Koordinationsfunktion so bedeutend ist. Sie können sicher sein, daß ich auch meine Kollegen drängen werde, sich bei jeder einzelnen Sitzung des Allgemeinen Rats bis zum Frühjahr des kommenden Jahres der "Agenda 2000" anzunehmen, damit das notwendige Gesamtpaket noch während der laufenden Funktionsperiode des Europäischen Parlaments, also im Frühjahr des kommenden Jahres, unter deutschem Vorsitz fertiggestellt werden kann.

Einen hohen Stellenwert werden darüber hinaus folgende themenübergreifende Fragen haben: zunächst einmal die vorzeitige Umsetzung des Vertrags von Amsterdam. Wir werden den europäischen Vertreter für die Gemeinsame Außenpolitik in Wien beschließen, das wird ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sein.

Wir wollen die Menschenrechte und vor allem den Kampf um Kinderrechte zu einem zentralen Schwerpunkt der österreichischen Präsidentschaft machen. Ich weiß schon, daß nicht alles davon EU-Recht betrifft, sondern daß wir uns gemeinsam mit den 15 Mitgliedsländern der Union – ich spreche es auch bei den Erweiterungskandidaten immer an – auf allen Ebenen, ob im Rahmen der Vereinten Nationen, der Internationalen Arbeitsorganisation oder in sonstigen Bereichen, dafür einsetzen müssen, damit wir den Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern, den Kampf gegen die Kinderpornographie etwa im Internet, den Kampf gegen das Kindersoldatentum – ein besonders unappetitliches Kapitel, verbunden mit schwersten seelischen Schädigungen für die heranwachsenden Jugendlichen –, den Kampf gegen den Drogenhandel, den Kampf gegen die Ausbeutung der Kinder gewinnen können.

Immerhin werden pro Jahr etwa 250 Millionen Kinder in entwürdigender Art und Weise im Rahmen von Kinderarbeit eingesetzt. Wahrscheinlich werden 80 Prozent der WM-Fußbälle, die weltweit verkauft werden, in Kinderarbeit hergestellt. Wenn Sie darauf wetten, dann werden Sie, so bitter das auch ist, diese Wette wahrscheinlich gewinnen.

Diese Themen gehören angesprochen, und sie werden mir gerade auch in der Rede in der UN-Generalversammlung ein ganz besonderes Anliegen sein. Es freut mich, daß das Europäische Parlament vor wenigen Tagen, am 2. Juli, ein Aktionsprogramm, das mit immerhin 400 Millionen Schilling für die nächsten vier Jahre dotiert ist und genau diesen Themen gewidmet ist, angenommen hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Briten haben in der Zeit ihres EU-Vorsitzes zu Recht verlangt, daß Europa und die Themen Europas näher zum Bürger gebracht werden und auch mehr Unterstützung auf breiter Basis stattfindet. Ich hoffe, daß im Rahmen unseres EU-Vorsitzes Bürgernähe, Effizienz und demokratische Legitimität besondere Schwerpunkte sein werden. Diesen Themen ist ja auch das wichtige informelle Treffen der Staats- und Regierungschefs und des Präsidenten der Europäischen Kommission gewidmet. Auch dieser Punkt wird natürlich gemeinsam vorbereitet, und wir sind sicher, daß wir eine Diskussion starten können, die aber sicher auch noch zwei, drei Präsidentschaften nach uns beschäftigen wird.

Aus Gründen der Aktualität komme ich natürlich auch auf das wohl drängendste und schwierigste Thema in der Außenpolitik zu sprechen, auf den Kosovo. Die letzten Entwicklungen vor Ort: Derzeit gibt es zirka 80 000 Flüchtlinge, die aus ihren Dörfern, aus ihren Häusern vertrieben wurden. Es sind 15 000 in Nordalbanien und etwa 10 000 in Mazedonien untergekommen. Es gibt über 300 offiziell registrierte Tote, Hunderte Vermißte, Tausende Verletzte. Die Situation ist in Wirklichkeit schlimmer als noch vor einigen Wochen, die UCK kontrolliert vermutlich 30 – nach ihren eigenen Angaben 40 – Prozent des gesamten Territoriums.

Gott sei Dank ist in den letzten drei Wochen so etwas wie eine internationale Kraftanstrengung zur Befriedung, zur Minderung von Spannungen zustande gekommen – ich selbst war als erster


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EU-Außenminister in Belgrad und in Pristina. Es hat mit der Einschaltung Rußlands begonnen, das in der Kontaktgruppe sehr darauf gedrängt hat, vor einer militärischen Aktion noch einmal alle Möglichkeiten des diplomatischen, des politischen Handelns auszuloten. Ich werte dieses Treffen von Jelzin und Miloševic am 16. Juni durchaus kritisch, weil es nicht zu 100 Prozent dem entspricht, was wir von der internationalen Staatengemeinschaft gewollt haben: voller Rückzug der Spezialpolizei, die ja dort das Schlimmste überhaupt ist, Rückzug der Armee an die normalen, vorgesehenen Standorte, um ein Klima, eine Atmosphäre zu schaffen, in dem überhaupt ein friedliches Gespräch möglich ist. – Das ist nicht erfüllt worden.

Dinge, die ich ebenso wie Holbrooke, Afanasjewski und andere verlangt habe, sind jetzt langsam im Werden. Nach Auskunft des Internationalen Roten Kreuzes haben das IKRK sowie der Hohe Vertreter des UNHCR, also des Flüchtlingshilfswerks, jetzt Zugang zur Region. Es gibt Zugang für die Diplomaten. Sie wissen, daß wir eine eigene Beobachtermission, eine Kosovo-Observer-Mission, in Gang gesetzt haben, die nicht unter einem eigenen Spezialbegriff läuft, sondern über die Aufstockung unserer Botschaftsangehörigen funktioniert. Gestern hat der erste Besuch – ein dreistündiger Besuch – in einer ganz bestimmten Region stattgefunden. Es ist dies der erste sichtbare Beginn einer ständigen internationalen Präsenz im Kosovo.

Es ist gelungen, alle drei wichtigen Partner, die Europäische Union, die Amerikaner und die Russen, in die gemeinsamen Friedensbemühungen zu integrieren. Wir unterstützen daher natürlich das Engagement der Russen und selbstverständlich – im vollen Wissen, was die Amerikaner machen, Sonderbotschafter Holbrooke – das Vorgehen. Wir sind als EU-Ratsvorsitzende voll in die Kontaktgruppe integriert, die ja die Gesamtsteuerung für alle Dinge über hat. Sie ist de facto das zentrale euroatlantische Koordinationsforum geworden.

Wichtig erscheint mir – das ist gestern über die Bühne gegangen –, daß Jugoslawien eine eigene Delegation zur OSZE nach Wien geschickt hat. Ich habe das vorige Woche auch mit Außenminister Geremek, dem amtierenden Vorsitzenden der OSZE, besprechen können. Die OSZE könnte tatsächlich eine Schlüsselrolle in der Konfliktbefriedung spielen. Die Jugoslawen haben gestern ohne Vorbedingung – ich habe den Bericht hier – eine Beobachtermission für die OSZE auch schon vor der offiziellen Aufnahme Jugoslawiens als Mitglied in die OSZE angeboten. Ich würde darauf vorsichtig positiv reagieren, weil ich meine, daß gerade die Einbindung Jugoslawiens in den OSZE-Kontext die Chance gibt, eine länger dauernde Mission in der Region tatsächlich zu ermöglichen.

Der Druck auf Belgrad muß, dies ist eindeutig, aufrechterhalten bleiben. Daher absolut ein Ja zu den Sanktionen, die gerade im Zusammenspiel USA und Europäische Union möglich waren. Vergessen Sie nicht, daß diese Sanktionen natürlich Wirkung erzielt haben. Es fließt aufgrund des Investitionsstops derzeit kein internationales Geld nach Serbien oder nach Jugoslawien, was den ökonomischen Spielraum natürlich einengt und mittelfristig auch Druckmöglichkeiten in Richtung einer friedlichen Lösung ergeben könnte.

Weiters meine ich, daß wir außerhalb des Kosovos eine internationale Präsenz in Mazedonien – UNPREDEP – und eine neue Mission in Albanien brauchen. Ich glaube, daß wir in der Region unmittelbar präsent sein müssen. Die OSZE-Idee könnte da eine tragfähige Balance zustande bringen.

Nach meiner Überzeugung zeigt gerade dieses Beispiel des Konflikts im Kosovo, daß von allen Europäern plus Amerikanern und Russen eine ganz neue Qualität an Solidarität gefordert wird. Die Sicherheit Europas und aller Europäer kann heute eben nicht mehr im Alleingang, sondern nur im europäischen Verbund, im Zusammenspiel UNO, Europäische Union, OSZE und natürlich – nicht zu vergessen – NATO wirksam gewährleistet werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Man sieht gerade an diesem Beispiel, daß natürlich auch die transatlantischen Strukturen besondere Bedeutung haben. Sie werden meiner Ansicht nach noch sehr lange Zeit unverzichtbar sein.


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Wenn wir an eine Europäische Union glauben, die diesen Namen wirklich verdient, dann sind wir auch aufgerufen, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union im Geist europäischer Solidarität aktiv weiterzuentwickeln, bis hin zu jenen Perspektiven einer gemeinsamen Verteidigung, die im Vertrag von Amsterdam ausdrücklich angesprochen sind und von Österreich geteilt werden. Das ist nur der erste Schritt, aber für unsere Glaubwürdigkeit als den Vorsitz führendes Land der Union war es meiner Überzeugung nach sehr wichtig – und dafür möchte ich mich wirklich bedanken –, daß wir die in diesem Vertragswerk enthaltenen sicherheitspolitischen Neuentwicklungen schon vor der Übernahme des Vorsitzes vorbehaltlos mit, glaube ich, über 70prozentiger Zustimmung des Hohen Hauses mitgetragen haben. Ich möchte dem Hohen Haus für die Bereitschaft, schon vor dem 1. Juli den Vertrag von Amsterdam zu genehmigen und die notwendigen verfassungsrechtlichen Begleitmaßnahmen zu beschließen, ausdrücklich danken.

Ich möchte betonen, daß dem europapolitischen Dialog der kommenden sechs Monate mit dem Hohen Haus, dem Europäischen Parlament, aber auch dem österreichischen National- und Bundesrat eine ganz zentrale Rolle zukommt. Wie wir mit den Herausforderungen der Präsidentschaft fertig werden, kann für den Stellenwert, den unser Land in der Union und bei den Nachbarn in Mittel- und Osteuropa genießt, auf lange Sicht sehr entscheidend sein. Mit gutem Grund bekommt das Parlament daher eine möglichst umfassende Information über unsere Arbeit im Vorsitz. Gleichzeitig sollte uns aber auch bewußt sein, daß es sich um eine Aufgabenstellung von überragender nationaler Bedeutung handelt, deren Erfolg allen Österreicherinnen und Österreichern ganz unabhängig von der jeweiligen Parteizugehörigkeit am Herzen liegen sollte.

Betrachten wir daher diese erste EU-Präsidentschaft eines neuen Mitgliedslandes, die erste Präsidentschaft Österreichs als gemeinsames österreichisches Anliegen, für das wir uns in unserem jeweiligen Wirkungsbereich und im Rahmen der internationalen Kontakte auf allen Seiten dieses Hauses einsetzen wollen. Ich bin für meinen Teil zu einer solchen Kooperation gerne bereit. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für die Erklärung.

Wir gehen jetzt in die Debatte darüber ein, die gemeinsam mit der Debatte zum Tagesordnungspunkt 2 abgeführt wird.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.54

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Frau Staatssekretärin! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Österreich hat den Vorsitz in der EU übernommen. Der Herr Vizekanzler hat in seiner Funktion als EU-Ratsvorsitzender gesprochen, und wir wünschen ihm auch aus der Sicht der freiheitlichen Opposition für die Aufgabe, die ihm zugeteilt wurde, viel Erfolg. Wir merken aber an, daß die Freiheitlichen selbstverständlich erwarten, daß ein Außenminister und Vizekanzler, der vor dem österreichischen Parlament spricht, auch zu den österreichischen Positionen und zu den österreichischen Interessen klar Stellung bezieht und uns hier nicht nur sozusagen ein aufgewärmtes Programm seiner Arbeit innerhalb der Europäischen Union vorlegt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es muß deutlich gemacht werden, daß die Interessen Österreichs mit dem EU-Vorsitz zu verbinden sind. Denn wenn Sie schon davon sprechen, daß Sie ein gemeinsames Haus Europa bauen wollen, in dem sich alle wohlfühlen sollen, vor allem auch die osteuropäischen Nachbarländer – das mag ein schönes Bild sein, das Helmut Kohl auch gerne gebraucht; so originell ist es ja nicht –, dann sollten sich auch die Österreicher darin wohlfühlen. (Abg. Dr. Maitz: Das ist ja selbstverständlich!) Das, was Sie hier ausgeführt haben, geht aber eher in Richtung eines Delogierungsbescheides für die Österreicher, wenn das passiert, daß man heute eine entsprechende ... (Widerspruch bei der ÖVP.) Es ist ein Delogierungsbescheid, wenn gesagt wird, die Arbeitslosigkeit sei kein Problem! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Wir erleben es ja (Abg. Mag. Kukacka: Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit von ganz Europa!): Sie haben uns vor dem EU-Beitritt 50 000 Arbeitsplätze versprochen, und heute schreiben die Zeitungen, daß das, was der Herr Vizekanzler persönlich versprochen hat, nicht eingetroffen ist. (Abg. Mag. Mühlbachler: Noch besser geworden ist!) Sie haben uns gesagt, daß wir in die EU müssen, damit wir unsere Interessen besser vertreten können. Sie können in den Tageszeitungen aber lesen, daß die Schweiz, die nicht EU-Mitglied ist, jetzt einen Vertrag abgeschlossen hat, der bedeutet, daß die Schweiz von sich aus die Freizügigkeit des Personenverkehrs ab dem Jahr 2003 oder 2004 beobachten kann, während sie die Freizügigkeit erst ab dem Jahre 2012 auf sich wirken lassen muß. Sie drängen in Richtung Osterweiterung der EU, obwohl Sie genau wissen, daß diese, wenn wir sie zu rasch und unvorbereitet durchführen, bedeutet, daß 150 000 zusätzliche Billigarbeitskräfte aus dem osteuropäischen Bereich allein auf dem österreichischen Arbeitsmarkt tätig werden wollen – und das angesichts einer steigenden Arbeitslosigkeit, angesichts der großen Probleme, die wir in Österreich haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mühlbachler: Das stimmt ja alles nicht!)

Meine Damen und Herren! Sehr erfolgreich sind Ihre Programme bisher ja nicht. Schauen Sie sich die jüngste Arbeitslosenstatistik an. Burgenland ist Ziel-1-Gebiet, enorme Förderungssummen der EU gehen ins Burgenland. Und welches Bundesland hat die höchste Steigerungsrate der Arbeitslosen in diesem Monat zu verzeichnen? – 12,8 Prozent Steigerung der Arbeitslosigkeit im Burgenland! Die neue Lyocell-Produktion, die Sie dort mit 10 Millionen Schilling pro Arbeitsplatz für 120 Arbeitskräfte errichtet haben, ist in Wirklichkeit heute schon pleite. Dafür haben Sie in Oberösterreich 500 Arbeitsplätze vernichtet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Das sind ja lauter Raubersg’schichten!)  – Wenn das die Vorbereitung auf die EU-Osterweiterung ist, dann, meine Damen und Herren, wird es gefährlich!

Aber so übereinstimmend ist der Konsens in der Regierung diesbezüglich ja nicht. Das möchte ich dem Herrn Vizekanzler mitgeben. In einem Interview einer Zeitschrift mit Herrn Bundeskanzler Klima zum Thema EU-Vorsitz unter dem Titel "Vom Manager zum Staatsmann" wird dieser auf die EU-Osterweiterung angesprochen, und da redet er ganz anders als Sie! Er sagt, er sehe in der EU-Osterweiterung eine Gefahr für die Arbeitsplätze. Er sei vor kurzem in der Ukraine gewesen, einem Land mit 50 Millionen Einwohnern, von denen viele in Armut und Hoffnungslosigkeit leben. Man solle bedenken, sagt Klima, daß von Wien aus die Ukraine näher liege als Bregenz, die Hauptstadt von Vorarlberg. So viele Hunderttausende Grenzsoldaten, eiserne Vorhänge, Stacheldraht und Tretminen würden wir nicht aufbringen können, um die Flüchtlinge aus der Ukraine und anderen osteuropäischen Staaten aufzuhalten, sagt er. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende der EU, Bundeskanzler Viktor Klima, spricht zur selben Zeit, zu der Sie, Herr Vizekanzler Schüssel, sagen, die EU-Osterweiterung sei ein Vorteil für Österreich, im Zusammenhang mit der Osterweiterung von der Notwendigkeit, Stacheldrähte zu spannen, Tretminen aufzustellen, um Flüchtlingsströme abzuwehren! Sie müssen sich einmal einig werden, welche Politik jetzt gilt: die des Herrn Klima oder die des Herrn Vizekanzlers Schüssel! – Das ist der Punkt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß es mit der Ehrlichkeit bei Ihnen nicht so weit her ist, das sieht man, wenn man die Berichterstattung betreffend die Debatten über das EU-Programm der Bundesregierung hernimmt. In einem Nachrichtenmagazin, das dem Raiffeisenverband sehr nahesteht und daher nichts gegen die Landwirtschaft schreiben wird, steht, daß Herr Agrarminister Molterer und Herr Finanzminister Edlinger erst kurzfristig vor Beschlußfassung des EU-Programms der österreichischen Bundesregierung sozusagen eine Tischvorlage gemacht haben, weil sie verhindern wollten, daß die Bevölkerung erfährt, daß Teile der EU-Gelder, die bisher in die Töpfe der Landwirtschaft gewandert sind, von den strukturschwachen Gebieten im Zuge der Osterweiterung abkassiert werden sollen. (Abg. Schwarzböck: Das ist die nächste Nummer!) Das ist die Realität!

Herr Kollege Schwarzböck findet es wahnsinnig lustig, wenn seine Bauern "vor die Hunde gehen"! Das ist eine "tolle" Sache! Die "Agenda 2000" ist eine "tolle" Sache: minus 20 bis 30 Prozent bei den Preisen und weniger Förderung! Bravo, Herr Abgeordneter, da haben Sie


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sich "gewaltig" durchgesetzt, wenn Sie glauben, damit in Österreich Erfolg haben zu können! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Wir glauben, daß es der Herr Vizekanzler als Notwendigkeit erachtet, die Osterweiterung zu propagieren. Das ist seine Aufgabe als EU-Vorsitzender. Aber wir möchten auch anmerken, daß man das nicht so undifferenziert machen sollte. Ich würde ganz gerne einmal von Ihnen hören: Welche Übergangsfristen planen Sie? Wenn die Schweiz als Nichtmitgliedsland für die Eröffnung der Freizügigkeit gegenüber der EU eine Übergangsfrist von nahezu 15 Jahren bekommt, dann frage ich mich, wie die Frau Staatssekretärin im Außenpolitischen Ausschuß sagen kann: Maximal zehn Jahre Übergangsfrist kommen in Frage! – Sie wissen ganz genau, daß wir das nicht schaffen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Jeder, der die Größenordnung der Einkommensdifferenzen zu unseren Nachbarländern, mit denen wir historisch sicher verbunden sind, kennt, weiß, daß wir innerhalb dieses kurzen Zeitraumes diese Transformation nicht schaffen werden. Das wollen wir Ihnen sagen! Die Transformation in fünf, zehn Jahren findet nicht statt. Sie wollen aber Ungarn bereits im Jahre 2006 aufgenommen haben. Das wird nicht möglich sein. Denn wenn Sie heute in Ungarn oder in Tschechien einen Facharbeiter brauchen, dann kostet er Sie etwa 4 300 S, stellen Sie hingegen in Österreich den gleichen Facharbeiter an, so kostet er Sie 20 000 S brutto. Sie müssen also schon erklären, wer dann den Arbeitsplatz behalten wird!

Das sind die Sorgen, die wir diesbezüglich äußern. Daher brauchen Sie sich nicht zu erregen, wenn wir hier an einer undifferenzierten Darlegung der Osterweiterungspolitik Kritik üben. Man kann kein gemeinsames Haus bauen, das auf der Grundlage basiert, daß die bisherigen Einwohner in Österreich delogiert werden. Das kann es doch nicht geben! Da werden die Freiheitlichen sicher nicht mit dabei sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Vizekanzler! Bei aller Wertschätzung Ihrer Aktivitäten, die Sie weltweit setzen: Das kann man nicht ausgleichen, indem man sagt: Na, wir werden schon ein Grenzlandprogramm zustande bringen. Dieses Grenzlandprogramm hat Ihnen die zuständige Kommissarin bereits zurückgeworfen. Sie hat gesagt, das finde nicht statt. Ich brauche mir nur den Brief des Herrn Kabinettsdirektors von Herrn Fischler, des Herrn Corrado Pirzio-Biroli, an den zuständigen Kommissar in der Frage Grenzlandprogramm, wie es von den Landeshauptleuten verlangt wurde, anzuschauen. In diesem Brief heißt es: I leave it to your assessment! – Das heißt: Mach, was du willst mit dem Brief, lieber Kommissar, Hauptsache, wir haben das weiter! Man kann sich daher ungefähr ausrechnen, daß all diese Erklärungen, wie: Wir werden Österreich gut vorbereiten!, Wir werden ein Grenzlandförderungsprogramm haben!, Die Landwirtschaft wird nicht leiden!, so lange nicht glaubwürdig sein werden, bis die harten Fakten dafür sprechen und das Geld auf dem Tisch liegt, das Sie uns versprochen haben. Denn beim EU-Beitritt ist es nicht dazu gekommen. Noch immer sind Sie uns das schuldig. Weder die Arbeitsplätze noch das Geld sind gekommen, wie Sie es versprochen haben!

Der Herr Vizekanzler hat in der "Kleinen Zeitung" erklärt: Nein, eine Nettobeitragssenkung brauchen wir nicht, wir zahlen nicht so viel! Herr Klima und der Herr Finanzminister sagen in der Zwischenzeit: Wir zahlen doch zuviel! Als wir Freiheitlichen 1996 gefordert haben: Verhandelt doch eine Absenkung der Nettobeiträge, weil wir zuviel nach Brüssel zahlen und das Geld in Österreich für unsere Beschäftigungspolitik, für eine Steuerreform, für die Belebung des Mittelstandes brauchen würden!, haben Sie uns geantwortet, das sei technisch undurchführbar. Jetzt, da Herr Kohl in Deutschland sozusagen das Eis bricht, werden die Österreicher auf einmal auch mutig. Sie sollten aber eigenständig sein, aus eigenem den Mut haben, die österreichischen Interessen zu vertreten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher appellieren wir an Sie, Herr Vizekanzler: Sie sollten während dieser EU-Präsidentschaft die österreichischen Interessen nicht vergessen! Es wird Ihnen ständig gesagt, Sie dürften während der Zeit dieses Vorsitzes in der EU nur EU-Interessen vertreten. Das ist überhaupt nicht wahr! Margaret Thatcher hat während der Zeit ihres Vorsitzes eine Nettobeitragssenkung verhandelt. Die Frau Staatssekretärin sagt uns aber im Ausschuß, während der Periode des EU-Vorsitzes Österreichs werde es keinen aktiven Beitrag zu einer Nettobeitragssenkung geben. Na


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bitte, was soll das? Thatcher hat 30 Prozent heruntergehandelt, sie hat gesagt: I want my money back!, und es hat funktioniert – bis zum heutigen Tag!

Und die Dänen haben ihr Opting out in verschiedenen Bereichen durchgesetzt, sie haben es exekutiert und sind nicht schlecht damit gefahren – auch während der Zeit des Vorsitzes!

Daher erwarten wir das auch von einer österreichischen Regierung – bei allem internationalem Engagement, bei allem, was Sie als Außenminister zusätzlich noch regeln müssen, bis hinein in den Kosovo. Wobei Sie sich diesbezüglich nicht zu viele Illusionen machen sollten, denn als Sie bei Herrn Miloševic waren, haben Sie ihn zwar freundlich behandelt, aber drei Stunden später hat er seine ethnischen Säuberungen im Kosovo fortgesetzt. Ich glaube nicht, daß das Leute sind, die man jetzt in die OSZE holen und zu denen man sagen sollte: Wir bedanken uns dafür, daß ihr Leute liquidiert, dafür dürft ihr Mitglieder in einer weiteren internationalen Organisation werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da kann es nur die harte Maßnahme der Sanktion geben, und das wird ohne die NATO und ohne die atlantischen Bündnispartner nicht gehen.

Aber trotz all dem, das Sie zugegebenermaßen nicht allein lösen können, wird doch eines im Vordergrund stehen müssen: Ihre Bereitschaft, während dieser Periode das Wort "Österreich", die österreichischen Interessen und die Anliegen Ihrer eigenen Bevölkerung, der Sie unmittelbar verantwortlich sind, auch hier vor dem Parlament, nicht zu vergessen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Khol. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.06

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese erste Erklärung des Präsidenten des Allgemeinen Rates der Europäischen Union in einem österreichischen Parlament erfüllt mich und meine Fraktion mit großer Freude. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es war ein langer Weg von 1918 bis 1998. 1918 war Österreich das, was übriggeblieben ist, so das berühmte Wort von Clemenceau: L’Autriche, c’est ce qui reste! Heute ist Österreich im Vorsitz der Europäischen Union und ist voll berechtigt in der Ratspräsidentschaft; ein Staat, der in Europa Verantwortung trägt, hochgeachtet und sehr erfolgreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Ratspräsidentschaft ist für uns, meine Damen und Herren, Auftrag und Verantwortung; eine Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. Die Erweiterung der Europäischen Union, wie sie der Heilige Vater in seiner Botschaft in der Hofburg so deutlich angesprochen hat, als er von den "zwei Lungen Europas" gesprochen hat, ist ein Auftrag, den wir mit großer Verantwortung wahrnehmen werden. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Die Ukraine, meine Damen und Herren, ist in diese Erweiterung nicht inbegriffen, und die Frage der Geschwindigkeit und der Übergangsfristen werden die Erweiterungskandidaten, unsere Nachbarn, mit denen wir 500 Jahre unter einem gemeinsamen Dach gelebt haben, selbst bestimmen. Sobald sie europareif sind, sind sie uns herzlich willkommen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Meine Damen und Herren! Wir werden die Vorhaben der Bundesregierung, wie sie im Programm der Ratspräsidentschaft von der Bundesregierung festgelegt wurden, vom österreichischen Nationalrat aus nach Kräften und initiativ unterstützen.

Wir sind jetzt im Begriff, die Wirtschafts- und Währungsunion zu vollenden, und wir haben mit dem Amsterdamer Vertrag den nächsten Schritt in Angriff genommen, den Schritt zur politischen Union. Und das ist gut so. Ich bin froh darüber, daß wir, das heißt National- und Bundesrat, das Verfassungsgesetz über den Amsterdamer Vertrag beschlossen haben, womit der Weg bereitet ist, auch in die europäische Sicherheitspolitik, in die europäische Verteidigung einzutre


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ten. Denn dort ist die Verschmelzung der Europäischen Union mit der Westeuropäischen Union vorgesehen und damit eine klare Perspektive gegeben, der dieses Hohe Haus in absehbarer Zeit, früher oder später, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen wird.

Diese europäische Friedensordnung ist eine weitere Aufgabe. Nach der Wirtschafts- und Währungsunion für die politische Union ist die europäische Friedensordnung die Hauptaufgabe, an der wir jetzt zu arbeiten haben. Und wir sollten uns vor Illusionen und Irrtümern hüten und eine ehrliche Politik machen.

Es ist eine Illusion, zu glauben, daß es die Neutralität, wie wir sie 1955 beschlossen haben, die klassische Neutralität, noch gibt. 1954 wurde die klassische Neutralität – nachzulesen in jedem Lehrbuch des Völkerrechtes – so verstanden, daß der UNO-Beitritt eines Neutralen ausgeschlossen war. – Wir sind beigetreten.

1957 hat das gleiche klassische Völkerrechtslehrbuch gesagt: Ein Neutraler kann nicht an Zwangsmaßnahmen der Vereinten Nationen mitmachen. – Wir haben an solchen Zwangsmaßnahmen mitgearbeitet, die klassische Neutralität war beendet.

Noch 1990 wäre es nicht möglich gewesen, Wirtschaftssanktionen gegen einen Rechtsbrecher, wenn diese von der UNO verhängt werden, mitzutragen, denn die klassische Neutralität hat das damals ausgeschlossen. – Wir haben natürlich Überflugsrechte gegeben, wir haben Waffentransporte, Panzertransporte durch Österreich ermöglicht, und wir haben natürlich voll an Wirtschaftssanktionen teilgenommen. (Abg. Scheibner: Und jetzt?)

All das zeigt doch ganz deutlich, daß die Neutralität des Jahres 1955 heute eine völlig andere ist als damals, eine differenzierte Neutralität. Und wir haben im Rahmen der Vereinten Nationen schon lange das Abseitsstehen in der Neutralität durch das Mitmachen in der Solidarität ersetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es verlangt die Ehrlichkeit, daß wir das unseren Mitbürgern sagen. Der Amsterdamer Vertrag ist ja nur die Anwendung des gleichen Prinzips im europäischen Maßstab, was wir weltweit machen: Solidarität üben gegen Rechtsbrecher, Frauenvergewaltiger, Kindertöter. Amsterdam macht es möglich, wenn die zuständigen Gremien, die zuständigen Organe der Republik es beschließen, daß wir auch da Solidarität üben. Und wir von der Volkspartei glauben, daß man diese differenzierte Neutralität unseren Mitbürgern klar vor Augen führen muß. Die alte, klassische Neutralität steht in der Tat im Tabernakel, sie steht in der Schatzkammer der Republik; wir können sie dort bewundern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Cap.  – Abg. Scheibner: Also steht sie doch im Tabernakel!)

Meine Damen und Herren! Wir müssen auch ehrlich gegenüber der NATO sein. Hier wird von manchen ein Popanz vorgestellt, ein Bündnis, eine Militärallianz, ein Kriegsorgan. In Wirklichkeit – davon haben sich ja die Abgeordneten, die letzte Woche dort waren, überzeugen können – ist sie eine Organisation des Krisenmanagements, eine Organisation der Krisenverhütung. Und ich halte es immer noch mit Prinz Eugen: Si vis pacem, para bellum. – Wenn du den Frieden willst, mußt du eine Politik der Stärke führen; so möchte ich sinn- und zeitgemäß übersetzen.

Daher konnte der Vizekanzler sagen: In 50 Jahren hat es in der Welt 200 Kriege gegeben, aber keinen einzigen auf unserem Kontinent. Ich glaube, das ist eine Friedensbilanz, die wir unterstützen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wäre auch eine Illusion, es wäre unehrlich, zu sagen: Warten wir doch auf eine europäische Organisation! Ja, meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, daß angesichts all dessen, was an Volksvermögen der Vereinigten Staaten, Kanadas, der anderen NATO-Mitglieder in den Aufbau der stärksten Infrastruktur überhaupt zum Zwecke des Krisenmanagements investiert wurde, Europa jetzt auch Billionen Dollarbeträge verwenden sollte, um eine Parallelaktion zu machen? Solche Parallelaktionen – wer den "Mann ohne Eigenschaften" von Musil gelesen hat, weiß das – waren nie erfolgreich.


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Wir sollten auch ehrlich im Zusammenhang mit unserem Weg in der Sicherheitspolitik sein, meine Damen und Herren. Es wird nicht so sein, daß die NATO Österreich beitritt. (Abg. Jung: Sagen Sie das dem Herrn Bundeskanzler, Ihrem Koalitionspartner, nicht uns!) Denn was heißt es denn anderes, wenn maßgebende Politiker sagen, die NATO solle das tun, was Österreich bisher beachtet hat, nämlich keine Beistandsverpflichtung haben, und die NATO solle auf die wirksamen Mittel verzichten? Das ist unehrlich. Wenn wir bei der europäischen Friedensordnung, wie sie rund um die Europäische Union, die UNO, die NATO, die OSZE entwickelt wird, mitmachen wollen, dann sollten wir nicht durch Unkenntnis, sondern durch Sachkunde brillieren. Nicht die NATO wird Österreich beitreten, sondern wir werden – darüber müssen wir reden und diesbezüglich müssen wir Konsens innerhalb der großen Regierungsparteien erzielen – die entsprechenden Beschlüsse fassen müssen.

Meine Damen und Herren! Ehrlichkeit ist verlangt, auch Ehrlichkeit gegenüber der Landesverteidigung. Wenn wir allein bleiben wollen, dann müssen wir unser Heer entsprechend ausrüsten. (Abg Scheibner: Wir sind jetzt auch allein! Was haben Sie gemacht in den letzten 40 Jahren?) Und wenn wir der NATO beitreten wollen oder bei der "Partnerschaft für den Frieden"-Plus mitmachen wollen, dann müssen wir unser Heer entsprechend umorganisieren und Minister Fasslabend nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch unterstützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Aber Sie auch in der ÖVP!)

Meine Damen und Herren! Mit dem EU-Vorsitz und der Wirtschafts- und Währungsunion befinden wir uns auf einem sehr guten Weg. Österreich hat seinen Platz in Europa und in der Welt gefunden. Wir sind ein demokratisches, wohlhabendes, friedensliebendes, solidarisches Land geworden. Eine Hausaufgabe haben wir allerdings noch zu lösen: Über die Frage der europäischen Friedensordnung und über unser Verhältnis zur NATO werden wir ständig weiterdiskutieren müssen. Das werden wir denjenigen, denen es unangenehm ist, daß man ihre Politik mit der Realität konfrontiert, nicht ersparen können. Über die NATO werden wir weiterreden müssen, denn wer Frieden will, kann sich dieser Diskussion nicht entziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Sie möchte mit einer 10minütigen Redezeitbeschränkung auskommen. – Bitte.

13.17

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es freut mich, Herr Bundesminister, daß Sie zumindest bei der jetzigen Diskussion über den Außenpolitischen Bericht, den Ihr Haus herausgegeben hat, anwesend sind. Es war Ihnen leider nicht möglich, im Ausschuß dabeizusein. Ich hoffe aber für die Zukunft, daß Sie sehr wohl Interesse an einer parlamentarischen Diskussion über Ihre eigene Tätigkeit nicht nur im Plenum, sondern auch im Ausschuß haben und daher Ihre Anwesenheit im gegenständlichen Fall als notwendig erachten.

Herr Bundesminister! Offensichtlich brauchen Sie die EU-Präsidentschaft, um zu verstehen, welche Aufgaben ein Außenminister wahrzunehmen hat. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist kindisch! Lächerlich!) Ich erinnere mich sehr gut daran, daß letztes Jahr Reaktionen von seiten des Herrn Außenministers immer erst kamen, nachdem es eine Stellungnahme entweder vom Rat oder von Außenminister Kinkel gegeben hat. Ich weiß, daß sich die Situation geringfügig verbessert hat, weil Sie jetzt selbst Mitglied im Europäischen Rat sind und Ratsvorsitzender geworden sind. Es wäre aber schön gewesen, wenn Sie die historische Entwicklung der österreichischen Außenpolitik, nämlich die Außenpolitik als eine eigenständige Aufgabe, weitergeführt beziehungsweise belebt hätten. Sie haben sie aber einschlafen lassen zugunsten einer hoffentlich positiven Entwicklung in Europa, einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik. Wir haben zurzeit weder eine gemeinsame Außenpolitik noch eine gemeinsame Sicherheitspolitik in Europa. Das ist eine Zielvorgabe, die wir hoffentlich bald erreichen werden, sodaß der Vorwurf, den ich jetzt an Sie richte, nämlich daß Sie eigentlich kein Außenpolitiker sind, sondern nur ein Politiker, der sich ab und zu mit Außenpolitik beschäftigt, nicht mehr aufrechterhalten werden muß.


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133. Sitzung / Seite 51

Damit komme ich gleich zum Vorwort dieses Außenpolitischen Berichtes. Ihre Stellvertreterin, die Frau Staatssekretärin, hat im Außenpolitischen Ausschuß erklärt, daß das Vorwort immer die persönliche Meinung darstelle. Nur: Eine persönliche Meinung, die im großen und ganzen schon die Position der Bundesregierung reflektieren sollte, ist in diesem Vorwort sicher nicht zu finden. Sie führen nämlich in bezug auf die NATO aus: Die Europäische Union und die NATO sind einander ergänzende Ausdrucksformen ein und derselben Solidar- und Wertegemeinschaft.

Herr Bundesminister! Glauben Sie wirklich, daß wir im Zusammenhang mit Jugoslawien so lange gewartet hätten, wenn es dieselbe Solidar- und Wertegemeinschaft gegeben hätte? – Daß die Entwicklung damals noch nicht so weit fortgeschritten war, war doch ein Grund für die Verzögerung!

In einem weiteren Punkt wird festgestellt, daß die Heimkehr der neuen Demokratien in das gemeinsame Europa erst dann abgeschlossen sei, wenn diese Staaten beiden Organisationen vollberechtigt angehörten. – Herr Außenminister! Ich frage Sie: Ist diese Darstellung wirklich die Meinung der Bundesregierung oder nur die der ÖVP und des ÖVP-Vorsitzenden? (Vizekanzler Dr. Schüssel: Das ist mein Vorwort!)

Mir ist klar, daß das Ihre Meinung ist. Aber dieses Buch, Herr Bundesminister, bleibt nicht in Österreich. Es beinhaltet jene Position, die der österreichische Außenminister in der Welt vertritt, und ist in sämtlichen amerikanischen Forschungseinrichtungen und in allen Universitäten der Welt zu finden! (Abg. Tichy-Schreder: Das ist auch gut so!) Jeder, der dieses Vorwort liest, ist der Überzeugung, daß Sie die akkordierte Meinung Österreichs repräsentieren.

Ich habe nichts dagegen, wenn Sie einmal punktuelle Differenzen aufzeigen, aber nicht in solch gravierenden Fragen wie der österreichischen Sicherheitspolitik, die noch dazu nicht einmal ansatzweise debattiert wurde, da sich die SPÖ weigert, eine offene Diskussion zu führen.

Wir sollten darüber diskutieren! Wir sollten über die NATO diskutieren, aber wir sollten auch über andere Sicherheitssysteme, die es erst aufzubauen gilt, diskutieren, namentlich die WEU! Man braucht Phantasie, Courage und Mut, um mit anderen Partnern in Europa darüber zu debattieren! (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Diesen Mut und diese Courage haben Sie offensichtlich nicht. Sie fühlen sich wohler, wenn Sie sich in bereits vorhandene Strukturen einbetten können, und sehen darin sozusagen Ihre Sicherheit. Das ist schade! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die abschließende Begründung, wonach sich die NATO in der Bewältigung dieser sicherheitspolitischen Herausforderung als unverzichtbares Rückgrat einer funktionierenden Sicherheitsstruktur erwiesen habe, heißt eigentlich, daß Österreich weder ein Rückgrat noch eine Sicherheitsstruktur hat. Wenn das die grundlegende Analyse ist, dann verstehe ich nicht, warum Sie, Herr Kollege Schieder, sich einfach der Diskussion entziehen. (Abg. Schieder: Ich entziehe mich nicht! Ich bin als nächster zu Wort gemeldet!) Oder Kollege Schüssel auf der Regierungsbank hat nicht recht. Der derzeitige Zustand ist jedenfalls unerträglich, und ich bitte Sie, dieses Thema zum Wohle der notwendigen sicherheitspolitischen Diskussion offensiv anzugehen.

Sie lassen jedoch in vielen Bereichen eigenständige Initiativen vermissen. Ich hoffe, daß wir bei den derzeit stattfindenden Verhandlungen über den internationalen Strafgerichtshof in Rom zu einem positiven Ergebnis kommen und nicht von Frankreich oder China, die selbstverständlich keine Eigenständigkeit und eine möglichst große Kontrolle haben wollen, blockiert werden.

Herr Khol! Sie haben gesagt: L’Autriche, c’est ce qui reste! Ich sage Ihnen: L’Autriche, ça m’interesse. – Das wäre vielleicht die richtigere Äußerung in puncto Außenpolitik. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Ich habe Clemenceau zitiert!) Sie zitieren Clemenceau, ich zitiere Gredler. (Abg. Dr. Khol: Ich habe nicht das Selbstbewußtsein, das Sie haben!)

Ich habe nicht den Eindruck, Herr Kollege, daß Ihre Fraktion bestrebt ist, in puncto Außenpolitik eine gemeinsame Basis zu finden, wie sie früher einmal im Hause Usus war. (Zwischenruf des Abg. Jung.  – Abg. Dr. Khol: Das war mit Ihrem Vater möglich!)


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Der Herr Bundeskanzler hat via Medien erklärt, er sei gerne bereit, sich während der Präsidentschaft mit den Oppositionsparteien über Themen der Präsidentschaft zu akkordieren. Bis jetzt habe ich nichts davon gehört! Soll ich dem Herrn Bundeskanzler nachrennen? Ich war der Meinung, Sie wollten das mit uns debattieren! Wann tun Sie das? (Abg. Dr. Khol: Im Hauptausschuß! Schon mehrere Male im Hauptausschuß!) Die letzte Sitzung des Hauptausschusses ist gerade abgesagt worden! Kommen Sie mir nicht mit etwas, das nicht stattfindet! (Abg. Dr. Khol: Schon mehrere Male! Mehrere Male!)

Zum Angriff des Kollegen Haider bezüglich der "Agenda 2000" möchte ich anmerken, daß die "Agenda 2000" unsere Probleme nicht erst im Jahre 2000 löst, denn die Probleme in puncto Landwirtschaft – und das ist der Punkt, der angeschnitten worden ist – werden im Rahmen der WTO-Verhandlungen, die bis zum nächsten Jahr abgeschlossen werden sollten, zu lösen sein, also noch vor der Akkordierung der "Agenda 2000"! Das ist der eigentliche Schlüssel zu einer weltweit gemeinsamen Plattform für die Landwirtschaft, und daher bin ich der Ansicht, daß es im Moment nicht um die Agenda geht, sondern daß wir uns mehr in die WTO-Verhandlungen einbringen und die Positionen Österreichs dort überprüfen sollten.

Herr Kollege Haider hat auch behauptet, die Erweiterung – mein Kollege Smolle wird ausführlich über die Erweiterung sprechen – führe zu einer Katastrophe, da soundso viele Arbeitswillige in Österreich einen Arbeitsplatz suchen werden und so weiter und so fort. Ich kann nur sagen, daß der zur Diskussion stehende Finanzrahmen, vom Jahr 2000 bis 2006, auch beinhaltet, daß wir über die 1,27 Prozent des BIP diskutieren. Ich halte diesen Wert nicht für sakrosankt, denn ich bin der Überzeugung, daß die Erweiterung kostet, aber auch nützt, und zwar beiden Seiten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sind in einer Mühle-auf-Mühle-zu-Position. Beide Seiten werden gewinnen. Das wird viel zuwenig deutlich gemacht. Die Freiheitliche Partei schürt immer nur die Angst davor. Es ist nicht so, daß wir ein Heer von Arbeitslosen haben werden, wenn die Länder der ersten Erweiterungsrunde bereit sind, in die Europäische Union integriert zu werden. Denn diese Länder werden dann die Kraft haben, sehr viele Probleme zu lösen, da ihre wirtschaftliche Entwicklung in eine sehr positive Richtung geht.

Daher sollten wir meiner Meinung nach die Bundesregierung nicht attackieren, weil sie bei einem bestehenden Vertrag im letzten Jahr nicht über den von uns zu leistenden Finanzbeitrag neu verhandelt hat. Es ist klar, daß jetzt – und Herr Kohl hat das damit gemeint – über das Finanz-Rahmenprogramm des nächsten Jahrtausends gesprochen wird, und daher jetzt die Verhandlungen neu beginnen. Offensichtlich ist das den Kolleginnen und Kollegen der FPÖ entgangen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Damit es nicht so oft passiert, daß jemandem etwas entgeht, möchte ich aus dem Programm der EU-Präsidentschaft einige Punkte herausgreifen, indem ich den Entwurf vom 5. Mai mit dem nun vorliegenden Programm vergleiche.

So war etwa im Entwurf noch von der "Sicherung" höherer ökologischer Standards die Rede, im jetzigen Papier steht nur noch etwas von "Aufbau". Statt "Vorreiterrolle im globalen Umweltschutz weiterführen" wird nur noch von "verstärken" gesprochen.

Weiters wird man sich nun "um einen reibungslosen Übergang vom Vertrag von Maastricht zum Vertrag von Amsterdam bemühen", anstatt daß die "Vorbereitungsarbeiten für das Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam abgeschlossen werden" sollen.

Im Bereich der Datenschutzregelungen sind die Arbeiten im neuen Papier "voranzubringen" anstatt "abzuschließen". – In diesem Zusammenhang muß man natürlich erwähnen, daß es im Abkommen über Rechtshilfe auch Bestimmungen für die Telefonüberwachung geben sollte. Dieser Umstand wird von den Bürgerinnen und Bürgern nicht gerade positiv aufgenommen.

Besonders eigenartig ist, daß im Kapitel "Wirtschaft und Finanzen" das Ziel einer Harmonisierung der Steuerpolitik einfach nicht mehr vorkommt. – Das ist schade, da eine Harmonisierung der Steuerpolitik ein sinnvolles Ziel wäre.


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Auch im Bereich der Migration kommt einiges auf uns zu! So will man beispielsweise Asylwerbern vorbeugend Fingerabdrücke abnehmen! – Sind etwa alle, die in unser Land kommen, Kriminelle? Warum muß man denen vorbeugend Fingerabdrücke abnehmen? (Abg. Jung: Das machen die Amerikaner auch! Auch andere Länder!) Ich wünsche Ihnen, daß Sie niemals in die Situation kommen, Ihre Heimat verlassen zu müssen, weil Sie sich Ihres Lebens nicht mehr sicher sind, und das erste, was Ihnen im Aufnahmeland passiert, ist, daß Sie wie ein Krimineller behandelt werden. (Abg. Jung: Sie können meine Fingerabdrücke gerne haben!) Das ist beschämend, und wir sollten uns das nicht gefallen lassen! (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Mag. Posch. )

Ein Punkt, der nicht im Vordergrund der Diskussionen steht, der mir aber sehr am Herzen liegt, ist, daß Beschneidung innerhalb der Europäischen Union ein Asylgrund werden soll. In einem Land, nämlich in Kanada, wird das bereits akzeptiert. In Amerika sind offensichtlich auch Gespräche im Gange, das zu akzeptieren.

Ich wünsche mir, daß es bei dieser Art von Frauenfolterung zu einem Konsens kommt und jene Frauen, die für die Integration von Frauen und deren fruchtbare Entwicklung verantwortlich sind, nämlich die Frauenministerinnen oder die Gleichbehandlungsministerinnen, vielleicht schon in Innsbruck dazu angeregt werden, diese Initiative zu setzen und den Innenministern vorzulegen.

Zu guter Letzt möchte ich noch einen Antrag vorlesen, der sich daraus ergibt, daß es im Hohen Haus keine Berichterstattung über den Gipfel von Cardiff gegeben hat; ein Umstand, den ich für sehr bedauerlich halte. (Beifall beim Liberalen Forum.) Es ist erst nach bitten und betteln möglich gewesen, im Außenpolitischen Rat vor einer winzigen Gruppe von Leuten eine Äußerung des Herrn Bundeskanzlers über Cardiff zu erheischen. Es kann doch nicht parlamentarische Usance werden, daß man keinen anständigen Bericht bekommt und keine Möglichkeit hat, mit der Regierung darüber zu debattieren. Deshalb lese ich vor:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Partnerinnen und Partner betreffend Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat über die Ergebnisse des Europäischen Rates

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, wird aufgefordert, im Anschluß an den jeweils zweimal jährlich stattfindenden Europäischen Rat dem Nationalrat bei dessen darauffolgender Sitzung mündlich über die Ergebnisse Bericht zu erstatten."

*****

Wissen Sie, woher meine Informationen darüber stammen? – Von den Deutschen! Denn Herr Kohl und Herr Kinkel waren bereit, im deutschen Parlament über die Ergebnisse zu debattieren. Das ist ein schlechtes Zeugnis für Österreich! Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, könnten wir ab dem nächsten Gipfel eine gute Diskussion über Europa führen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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133. Sitzung / Seite 54

13.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Gredler soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt. Er wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Schieder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.32

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Abgeordneter Khol hat eine Debatte über die NATO und über die Sicherheitspolitik urgiert und uns ein bißchen unterstellt, daß wir diese Debatte nicht führen wollten beziehungsweise in stärkerem Ausmaß führen sollten.

Herr Abgeordneter Khol! Das Problem ist, daß eine Debatte nur dann ehrlich geführt wird, wenn sie von beiden mit einem gewissen Wollen geführt wird. Weiters sollte eine Debatte über etwas, was auch die Verfassung betrifft, nicht dazu führen, daß die Debatte an sich schon dazu verwendet wird, ein bißchen Radiergummi, Korrekturlack und Tipp-Ex für die Verfassung selbst oder Gesetze zu sein.

Selbstverständlich sind wir zu jeder Debatte bereit. Aber eine Debatte zu führen kann nicht automatisch heißen, daß dadurch ein Gesetz in seiner Gültigkeit schon in Frage gestellt ist. (Abg. Jung: Ausgehöhlt haben Sie es eh schon früher!) Darüber müßte Einigkeit bestehen.

Das Bild von der NATO, die nicht Österreich beitreten kann, stimmt zwar, aber ebenso stimmt auch das umgekehrte Bild, das sogar mit einer Person als Karikatur in einer Zeitung zu sehen war, nämlich daß der Außenminister, der Verteidigungsminister oder der Klubobmann persönlich nicht der NATO beitreten kann. Ein solcher Schritt muß von der Mehrheit in Österreich getragen sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das ist nie bestritten worden, Herr Kollege!)

Auch ich bekenne mich zu der in den letzten Wochen und Monaten so oft erwähnten einheitlichen Linie. Aber: eine einheitliche Linie muß heißen, daß, solange es eine Debatte über eine neue Linie gibt, natürlich noch die bestehende und verfassungsrechtlich fundierte Linie gilt. Je mehr es darüber Klarheit und je weniger Zweideutigkeiten es gibt – wie manchmal beim Herrn Verteidigungsminister –, umso leichter wird uns eine offene und inhaltsvolle Debatte fallen.

Ich möchte noch anmerken, daß es vielleicht ganz gut wäre, wenn Herr Klubobmann Khol bei den Bildern bliebe, denn mit den Zitaten hat er seine Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, ob Prinz Eugen Latein gesprochen hat. Das Zitat "si vis pacem, ..." ist sicher nicht von ihm, denn es ist von Vegetius, 4. Jahrhundert nach Christus, wie in jedem Büchmann festzustellen ist, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Aber es wurde vom Prinzen Eugen der Maria Theresia gesagt!)  – Natürlich! Jeder darf einen Ausspruch zitieren, aber auch wenn er es gesagt hat, stammt es dann nicht von ihm, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Ich bin froh, daß du es besser weißt! – Abg. Jung: Im Lateinunterricht aufgepaßt!)

Bezüglich der Frage der Neutralität haben mir manche Formulierungen nicht gefallen, inhaltlich sind wir nicht so weit auseinander. Es ist selbstverständlich: Je mehr Systeme der Sicherheit und des Eingreifens in der Welt und in Europa gebildet werden, desto geringer wird der Anwendungsbereich der Neutralität. Es gibt bereits die UNO und die OSZE, und wenn sich nun in der EU etwas Ähnliches entwickelt, dann ist der Rest die Neutralität. Es ist zwar ein wichtiger, ein bestehender Rest, das Anwendungsgebiet jedoch ist geringer geworden. An sich ist sie dadurch nicht unnötig geworden, da es noch immer Fälle gibt, in denen sie notwendig sein kann. Aber es ist ein wünschenswerter Prozeß, daß sich die Staatengemeinschaft tendenziell wie ein Neutraler verhält und die Neutralität dadurch Anwendungsbereiche verliert. Denn das bedeutet, daß von der Staatengemeinschaft Grundsätze in der Politik angewendet werden – und das ist wünschenswert! Gerade für Neutrale ist das wünschenswert.

Zum Amsterdamer Vertrag möchte ich nur anmerken, daß uns die Verschmelzung der WEU mit der EU kein Kopfzerbrechen bereitet. Delors hat schon 1992 klargestellt, worin der Unterschied besteht: In der WEU wie in der NATO besteht die Verpflichtung eines Staates, einem anderen Staat im Falle eines Angriffes zu helfen. Bei der Verschmelzung wird die Hilfe eines Staates für einen anderen Staat im Falle eines Angriffes in die Hilfe eines Staates für das Ganze umgewandelt. Ein Angriff auf Belgien wird also nicht als Angriff auf Belgien gesehen, dem Österreich helfen muß, sondern ein Angriff auf jeden Staat der EU ist ein Angriff auf die EU als Ganzes und damit auch auf die anderen Staaten. Alle gemeinsam machen daher vom Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch.


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133. Sitzung / Seite 55

Tendenziell entwickelt sich die EU so dicht, daß wir Sozialdemokraten damit selbstverständlich keine Probleme haben werden. Im Beistandspakt, im Vertrag für Zwischenstaaten sehen wir das Problem. Es gibt jedoch keines, wenn sich die Gemeinschaft so weiterentwickelt.

Wir wollen auch, daß die Einsätze von den zuständigen Organen gedeckt sind. Die EU kann Einsätze machen, die NATO kann sie machen, jeder kann sie machen, aber im Weltmaßstab soll das durch UNO-Beschlüsse gedeckt sein, im großen europäischen Maßstab durch die OSZE oder ebenfalls durch UNO-Beschlüsse, und je mehr es den Bereich der EU selbst betrifft, natürlich auch durch EU-Beschlüsse.

Wir wollen nicht, daß aufgrund von EU-Beschlüssen in Afrika gekämpft wird. Das ist kein Mandat, das für uns ausreicht. Für diesen Fall wollen wir, daß die Weltgemeinschaft, die UNO selbst, einen Beschluß zur Durchführung eines diesbezüglichen Einsatzes faßt.

Weiters möchte ich noch anmerken, daß der Vorsitz natürlich auch die Frage der Bürgernähe, der Demokratisierung und der Chancen für die Menschen, an der EU mitzuwirken, stellen wird. Es stimmt, daß wir uns zu diesen Punkten noch sehr viel überlegen müssen.

Man sollte meiner Meinung nach nicht dazu übergehen, die Bürokratie und die Kommission zu entmachten und alles zu renationalisieren. Ich halte das nicht für die Lösung. Die Lösung ist meiner Überzeugung nach, daß die demokratische Legitimation dieser Einrichtungen verstärkt wird, daß Arbeiten durchschaubarer und kontrollierbarer sowie den Bürgern in den Staaten besser vermittelt werden und daß ihre Chancen, es zu beeinflussen, stärker werden.

Alles, was in diese Richtung vorgeschlagen wird, soll offen diskutiert werden, so etwa auch der Vorschlag von Delors, den Kommissionspräsidenten – so wie im nationalen Bereich den Bundespräsidenten – in ganz Europa in einer Volkswahl zu wählen. Ob das im Detail durchführbar ist oder nicht, das ist eine Überlegung, die in die richtige Richtung geht.

Wie stärke ich die Legitimation, wie stärke ich die Teilnahme der Bürger? – Das ist auch eine Frage, die man sich zu Recht in jedem Land überlegen muß. Wie ist die Mitbestimmung des Parlaments stärker? Wie können die nationalen Parlamente insgesamt stärker mitwirken? Also die Frage: Wie können wir die COSAC weiterentwickeln? Welches Instrument wird geschaffen werden für jene osteuropäischen Länder, die länger draußen stehen werden, die nicht in dem ersten Aufnahmeschub dabei sein werden, die 10, 15, 20 Jahre warten werden müssen? Wie werden deren Gesellschaften, deren Parlamente die Kontakte pflegen können? Soll das wirklich, 20 Jahre hindurch, auf eine bilaterale Kommission des Europäischen Parlaments mit diesem Land beschränkt bleiben?

Man muß sich Gedanken darüber machen, wie man bessere Instrumente schafft, von Übertragungsmöglichkeiten über Satelliten bis zu Möglichkeiten, von nationalen Parlamenten Dinge zum Europäischen Parlament zu bringen. Da gilt es, eine Reihe von Dingen zu entwickeln, die EU mit Leben zu erfüllen, bürgernah zu gestalten. Dazu sollte auch Österreich einen Beitrag leisten, denn das wird die Herausforderung sein: nicht, die Integration rückgängig zu machen, sondern sie so zu gestalten, so zu verändern, daß die Bürger, die Betroffenen, die Menschen stärker mitwirken können und sich dadurch stärker in ihr wiederfinden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. Soll ich auch bei Ihnen 10 Minuten einstellen? – Bitte.

13.41

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, Sie nützen die Gelegenheit und halten im Rahmen der Debatte über den außenpolitischen Bericht eine Rede über die Präsidentschaft. Das finde ich legitim, richtig und auch interessant. Es bedeutet allerdings für mich nicht – und das möchte ich auch klarstellen –, daß Sie damit eine besondere Nähe entwickeln zu den Abgeordneten oder zur Debatte mit den Abgeordneten oder zur Einbeziehung der Meinungen der Abgeordneten, zu welchen Fragen der Außenpolitik auch immer.


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133. Sitzung / Seite 56

Ich möchte in Erinnerung rufen: Als es um den Vertrag von Amsterdam ging, waren Sie nicht im Parlament. Es war auch der Kanzler nicht im Parlament, damals hat er den Kunst-Staatssekretär geschickt.

Es gibt auch noch andere Gelegenheiten, die wir aufzählen könnten, bei denen wir uns gewünscht hätten, mit Ihnen – vor allem mit Ihnen als Ratsvorsitzendem – zu diskutieren, auch in Vorbereitung dieses halben Jahres, das auf uns zukommt. Das war uns nicht möglich, und das möchte ich vorweg hier noch einmal festhalten. Warum? – Weil mir einiges wichtig erscheint, so zum Beispiel, daß nicht nur Sie als Ratsvorsitzender, sondern die Bundesregierung insgesamt es zuwege gebracht hat, mit der Vorbereitung auf die Ratspräsidentschaft Unsicherheit statt Sicherheit zu verbreiten. Mit völlig unterschiedlichen Meldungen zur Tagespolitik, mit völlig unterschiedlichen Meldungen zu großen Vorhaben der EU, mit unterschiedlichen Meinungen – Meinungen, nicht nur Nuancierungen – haben Sie in der österreichischen Öffentlichkeit ein Bild geboten, das jede Klarheit vermissen läßt.

Wir können gerne bei der EU-Osterweiterung beginnen. Sie ist ja einer Ihrer Schwerpunkte, und ich begrüße das. Sie ist auch einer Ihrer Schwerpunkte in diesem Außenpolitischen Bericht. Mit dieser Unsicherheit, die die österreichische Bundesregierung ständig nach außen signalisiert, öffnen Sie den populistischen Kritikern – wir haben ja heute hier den Klubobmann der FPÖ gehört (Abg. Dr. Haider: Richtige Argumente!)  –, den Drüberhauern, den oberflächlichen, gefährlichen Sagern Tür und Tor, und Sie lassen keinerlei Raum für eine fundierte Auseinandersetzung.

Warum? – Es wundert mich nicht. Sie sind für eine Osterweiterung. Das ist das größte Projekt, das größte Vorhaben der österreichischen Bundesregierung. Manche sagen dazu: schnell; manche sagen dazu: langsam; manche sagen dazu: bedächtig – auch das habe ich gehört. Das allein signalisiert schon eine Bandbreite, unter der sich der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin eigentlich nichts vorstellen kann.

Aber nicht genug damit. Sie eröffnen eine Diskussion über die Bedingungen dieser Osterweiterung, die von den Mitgliedern dieser Bundesregierung völlig unterschiedlich gesehen werden. Einer beginnt mit einer Debatte über die Nettozahler, der andere beginnt mit einer Debatte darüber, ob Mitgliedsländer der Währungsunion auch noch Mittel aus dem Kohäsionsfonds bekommen sollen, und der dritte beginnt eine Debatte über Schengen und darüber, daß alle beitrittswerbenden Länder überhaupt einmal bei Schengen dabei sein sollten, bevor sie überhaupt nur in Erwägung ziehen, der Union beizutreten.

Das ist noch nicht alles, das wissen wir, es geht noch weiter so. Ich könnte Ihnen nahezu von jedem Minister, von jeder Ministerin irgendeinen Kommentar zur Osterweiterung zitieren, der etwas anderes signalisiert. Das alles ergibt in der Öffentlichkeit ein Bild, bei dem sich niemand auskennt, und Sie ernten eigentlich nur eines: Unglaubwürdigkeit, absolute Unglaubwürdigkeit, wenn es um die Osterweiterung geht!

Österreich hat versprochen, mit dem Beitritt zur Union die Anwaltschaft für die Nachbarländer zu übernehmen. Und was signalisieren Sie nach außen? Was signalisieren Sie nach Europa? – Eine völlig unentschlossene Haltung. Einmal sagen Sie, die Nachbarländer sollten möglichst rasch beitreten können. Heute lese ich in der Zeitung, daß Slowenien bevorzugt werden soll. – Das sehe ich ein. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Ich habe nicht von "bevorzugt" geredet!) Es sprechen alle wirtschaftlichen Daten dafür, es spricht die gesellschaftliche Entwicklung dafür. Mit der Normensetzung hapert es noch etwas. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Differenzieren!) Ich finde es richtig, daß wir differenzieren nach den Ländern, auch wenn Sie jetzt nicht "bevorzugt" gesagt haben. Das würde eine sinnvolle Debatte ermöglichen, aber Sie lassen sie im Vorfeld gar nicht zu, weil Sie als Bundesregierung und als einzelne Minister und Ministerinnen sich ständig mit Schlagworten begnügen und diese aussenden.

Dann kommt noch die Gewerkschaft, die vor den arbeitsuchenden, arbeitswilligen Menschen, vor der Arbeitsmigration warnt und Bilder an die Wand malt, ohne zu differenzieren, ohne zu konkretisieren, ohne zu sagen, um welche Länder es sich dabei handeln könnte, auch ohne darauf hinzuweisen, daß wir ein gut Teil davon heute schon haben.


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Die Crux und der Knackpunkt ist nämlich, daß wir ein gut Teil der Probleme und einen Großteil der Gewinne haben. Aber es ist nicht möglich, eine Diskussion darüber zu führen, weil Sie – und da spreche ich Sie durchaus an – offensichtlich den Parlamentarismus nicht so ernst nehmen, daß wir, sei es jetzt im Außenpolitischen Ausschuß oder im Hauptausschuß oder in welchem auch immer, wirklich einmal in Ruhe darüber diskutieren können, und weil Sie vor allem nach außen ständig ein Bild der Uneinigkeit liefern.

Hinzu kommt – und das finde ich schon einigermaßen bemerkenswert –, daß wir eine Einrichtung haben in diesem Parlament, die eigentlich dazu gedacht ist, daß sich die Abgeordneten sehr wohl damit befassen können, was auf der Ebene der Europäischen Union vor sich geht, ihre Meinungen abgeben können, eine Einrichtung, die zu einem Ritual "entleert" wurde, nämlich den Hauptausschuß, eine Einrichtung, die ihresgleichen sucht und die Sie – auch die Regierungsparteien in diesem Hause – in keiner Weise ernst nehmen. Hier wird ein Ritual abgewickelt, weil es sein muß, weil man das irgendwann einmal beschlossen hat, ohne jeglichen Sinn und Inhalt.

Gehen wir weiter in dieser Frage der Unsicherheit, die Sie ausstrahlen. Der nächste Schwerpunkt in Ihrem Außenpolitischen Bericht: die europäische Sicherheitsarchitektur. Wir kennen die Diskussion ja seit langem. Wir kennen die unterschiedlichen Meinungen Ihrer Minister dazu, die vielleicht ein bißchen auch den Widerstreit zwischen ÖVP und SPÖ widerspiegeln. Aber ich hätte mir doch gedacht, daß es möglich sein müßte, angesichts einer Ratspräsidentschaft – wenn es auch mühsam wäre, aber doch – ein einheitliches Bild zu präsentieren. In den Ausführungen des Klubobmanns fand sich heute jedoch genau das wieder, was uns die ganze Zeit begleitet hat, nämlich eine Vielfalt von Möglichkeiten der Interpretation.

Sie, Herr Klubobmann, als Verfassungsjurist (Abg. Dr. Khol: Und Völkerrechtler!) kreieren da neue Begriffe von "klassischer Neutralität" und "differenzierter Neutralität" und vergessen offensichtlich, daß im Gesetz von der immerwährenden Neutralität die Rede ist. (Abg. Dr. Khol: Frau Kammerlander! Das ist ein Begriff aus dem Neutralitätsrecht! Die Schweiz hatte eine differenzierte Neutralität!) Das ist ein Unterschied zu dem, was Sie sagen. Wir können darüber diskutieren, daß sich die Anforderungen in Europa geändert haben, wir können auch darüber diskutieren, wie die Sicherheitsarchitektur ausschauen soll, aber bleiben wir am Boden des Gesetzes! Sie, der Sie immer den Verfassungsbogen predigen, aber offensichtlich Wasser trinken und nicht das, was Sie predigen ... (Heiterkeit und Zwischenrufe.) Wein trinkt, ist ja egal. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Khol. ) Es ist egal, wie das Sprichwort lautet.

Aber offensichtlich bleiben Sie nicht innerhalb des "Verfassungsbogens", den Sie predigen, denn sonst würden Sie von diesem ausgehend diskutieren. (Abg. Dr. Khol: Frau Kammerlander, ich bleibe ernst!)

Was ist denn seither geschehen? – Es gab eine Verfassungsänderung, es gibt nun einen Artikel 23f. Wir haben de facto bereits jetzt sozusagen eine Mitwirkung auch in kriegsvorbereitenden Fällen. – Ich nenne das so. (Abg. Schieder schüttelt den Kopf.) Ich nenne das so! Ja, schütteln Sie nur den Kopf. Das ist Ihnen unangenehm, Herr Kollege Schieder, weil Sie mitgemacht haben. (Abg. Schieder: Nein, ich schüttle ihn nicht, weil es mir unangenehm ist, sondern es ist falsch!) Es ist nicht falsch. Man kann es so interpretieren. (Abg. Schieder: Nein! Man kann es schon so interpretieren, aber es ist falsch!)

Sie bringen heute einen Antrag ein zum Kosovo – nur als Beispiel. Sie bringen, wie ich sehe, mit der ÖVP und den Liberalen einen Antrag zum Kosovo ein. Ich wundere mich, weil da als eine der Forderungen zur kurzfristigen Beendigung der Krise steht: Abschluß der Vorbereitungen zu friedenssichernden und humanitären Maßnahmen und Bereitschaft zu friedenschaffenden Maßnahmen der europäischen oder internationalen Staatengemeinschaft. (Abg. Hans Helmut Moser: Alle Optionen sind offen, Frau Kammerlander!) Ich vermisse die Konkretisierung, über die wir im Ausschuß gesprochen haben, die Konkretisierung, von der sogar die Staatssekretärin ausgegangen ist. Die Staatssekretärin hat im Ausschuß gesagt: Ohne Sicherheitsratsbeschluß der UNO werden wir nicht eingreifen und werden wir uns nicht beteiligen, das ist die österreichische Position.


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Schreiben Sie es auch mit der erforderlichen Klarheit hinein! (Abg. Schieder: Das ist nicht der Weltpostverein!) Das ist genau mein Vorwurf an die Bundesregierung und an die Koalitionsparteien: Ich vermisse die Klarheit der Worte! Das, was Sie bewirken, und das, was Sie bereits bewirkt haben, ist, daß Sie unglaubwürdig sind auf europäischer Ebene, unglaubwürdig, wenn es um Ihre Position im Zusammenhang mit der Osterweiterung geht, unglaubwürdig, wenn es um Ihre Position in der europäischen Sicherheitspolitik geht, unglaubwürdig gerade in einer Zeit, in der Sie die Ratspräsidentschaft ausüben sollen.

Herr Außenminister! Ich kenne ja schon seit längerem die Debatte über die Vorworte in den Außenpolitischen Berichten. Natürlich sind diese Vorworte Ihre Meinung, das weiß ich schon, nur, Herr Außenminister, Sie sind nicht irgendwer. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist ja nicht die Meinung von irgend jemandem, sondern das ist die Meinung des Außenministers, noch dazu des derzeitigen Ratspräsidenten. (Abg. Dr. Khol: Ja!) Das gibt Politik, und das ist nicht irgend etwas, sondern das ist Außenpolitik, niedergeschriebene Außenpolitik. Aber dann distanzieren Sie sich nicht immer davon (Abg. Dr. Khol: Es distanziert sich niemand!), wenn wir darauf Bezug nehmen, wenn wir sagen, das spiegelt die österreichische Haltung wider. Wenn wir sagen, das spiegelt die österreichische Haltung wider, sagen Sie immer: Nein, das ist nur das Vorwort, das ist meine ganz persönliche Meinung! (Vizekanzler Dr. Schüssel: Ich stehe zu jedem Wort!)

Als Außenminister (Abg. Dr. Khol: Vizekanzler, ÖVP-Parteiobmann!), noch dazu als Vizekanzler, als Ratspräsident – was wollen Sie noch alles aufzählen? – haben Sie keine persönliche Meinung, die wir als solche differenziert wahrnehmen könnten, weil vor allem das Vorwort eines außenpolitischen Berichtes die Meinung der Bundesregierung, die Meinung Österreichs in einem internationalen Kontext widerspiegelt.

Dem kann ich mich nur anschließen, ich finde es interessant, was da drinsteht. Wir haben darüber auch im Außenpolitischen Ausschuß diskutiert. Ich finde das interessant, nämlich die Schwerpunktsetzung nicht nur ausschließlich auf die NATO, sondern die Gleichsetzung der EU-Osterweiterung mit der NATO-Osterweiterung bis hin zu dem Satz von der "Heimkehr" der neuen Demokratien, daß diese erst abgeschlossen sein wird, wenn Staaten in beiden Organisationen vollberechtigt sind. Das halte ich für einen interessanten Aspekt in der österreichischen Außenpolitik, und diese Sätze sind es wert, diskutiert zu werden, und die Konsequenzen, die da oder dort angedeutet werden, sind es meiner Meinung nach wert, auch einmal in einem Rahmen diskutiert zu werden, der sie zum Beispiel dem österreichischen Volk näherbringt.

Aber das können Sie offensichtlich nicht, dafür retten Sie sich zuletzt in einen Gipfel der Bürgernähe – als ob es hier um Bürgernähe ginge! Es geht natürlich um demokratische Strukturen, die nicht vorhanden sind. Es geht um Mitbestimmungsrechte des Europäischen Parlaments, aber es geht nicht um Bürgernähe. Verwischen Sie nicht die Begriffe, und versuchen Sie nicht, ein Manko zu verdrängen, nämlich jenes, daß es in Europa natürlich darum geht, auch dem Europäischen Parlament – und vor allem dem Europäischen Parlament! – die entsprechenden Mitbestimmungsrechte einzuräumen.

Lassen Sie mich zum Schluß noch folgendes sagen: Was mich im Zusammenhang mit der Übernahme dieser Ratspräsidentschaft bestürzt, ist, daß Sie kein klares Bild von Europa haben, egal, um welchen Bereich es sich handelt, und daß Sie unglaubwürdig, mit einem unglaubwürdigen Status diese Ratspräsidentschaft beginnen, mit den verschiedensten Äußerungen und Meldungen, die von Ihnen als Bundesregierung ausgehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurmitzer: Wo haben Sie denn das her?)

13.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser : Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Mock. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten gewünscht. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.56

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Meine Damen und Herren! Vorige Woche haben wir in Wien viele Gäste aus Brüssel empfangen – mit Musik, mit Speis und Trank, als Zeichen einer guten Gastfreundschaft –, und am nächsten Tag haben wir uns nüchtern der Arbeit zugewandt –


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das war richtig so –: mit dem Besuch des Außenministers in Slowenien, fortgesetzt in Prag, in Warschau und in den baltischen Ländern. Man hat ganz nüchtern gewußt: Das, was in unserer Umgebung passiert, wird immer das wichtigste sein.

Nachbarschaftspolitik war schon in der Zeit des kalten Krieges ein gutes Instrument der Außenpolitik – nicht, weil wir uns geliebt haben, im Gegenteil. Wir waren Demokratien, und auf der anderen Seite des Eisernen Vorhanges war ein verbrecherisches System. Aber es ging um Lebens- und Überlebensfragen. Wir sollten auch jetzt eine europäische Außenpolitik in Form einer Nachbarschaftspolitik praktizieren. Ich glaube, es ist ein Verdienst, wenn die österreichische Erfahrung auch in die europäischen Erfahrungen und Interessen eingebracht wird.

Ob dort die Belastungen des kommunistischen Systems bald überwunden werden oder nicht, wird die Stabilität dieser Länder bestimmen, wird teilweise auch unsere Stabilität bestimmen. Daher, glaube ich, ist die Erweiterungsfrage nicht nur eine zentrale Frage, sondern auch eine positiv zu lösende Frage bei all den Schwierigkeiten, die es natürlich gibt. – Nennen Sie mir eine Frage, die keine Schwierigkeiten aufgeworfen hätte! Wir neigen aber dazu, zu übertreiben und pessimistisch zu sein.

Wenn wir daran denken, daß sich heute die Europäische Union, die weiter hinausgreift, über nationale Grenzen, über die Grenzen der Europäischen Union, als ein Land wie Österreich dies macht, mit der Situation im Nahen Osten beschäftigt, einem ständigen Krisenherd, mit der Situation der im Mittelmeer angesiedelten südlichen EU-Länder und der Situation der an der südlichen Küste angesiedelten arabischen Länder, sich beschäftigt mit dem Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, mit Kanada im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft, mit Rußland und natürlich auch mit den Ländern, die Mitglieder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sind, erkennen wir, daß all das Nachbarschaftsregionen der EU sind. Das ist das Korrespondierende zur seinerzeitigen österreichischen Nachbarschaftspolitik: die heutige europäische Nachbarschaftspolitik.

Hiezu hat Außenminister Schüssel einiges eingebracht. Kinkel und der französische Außenminister durften nicht nach Pristina fahren. Seine Autorität aber hat man akzeptiert. Als er bei Miloševic war, hat man noch gesagt: Kommt nicht in Frage, daß internationale Instanzen eingeschaltet werden! Heute ist es selbstverständlich, daß eine Reihe von internationalen Instanzen, auch die Troika eingeschaltet wird, um sich Pristina und seine Umgebung anzusehen, um sich anzusehen, was dort an Menschenrechtsverletzungen stattfindet.

Ich gratuliere, denn das ist auch Ihr Erfolg, Herr Minister, und ich gratuliere wirklich zu diesem Schritt-für-Schritt-Approach. Das ist genau das, was Sie von Jean Monnet zitiert haben: Die Europäische Union läßt sich nur in kleinen Schritten, gelegentlich mühselig, erarbeiten, nicht in einem großen Entwurf. Eine neue Verfassung, eine verfassungsgebende Versammlung werden beschlossen, und dann gibt es ein neues Europa – so sicher nicht! Wir müssen uns dieser Mühe unterziehen, und ich glaube, das Ziel ist es wert, daß wir uns dieser Mühe unterziehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das steht in keinster Weise in Widerspruch zur Globalisierung, mit der ich mich wiederholt beschäftigt habe. Auch ich habe nach dem Beitritt zur Europäischen Union gesagt: Jetzt geht es vor allem darum, aus den Beziehungen zum pazifischen Raum, zu Asien einen Schwerpunkt zu machen. Trotz der Wachstumskrise, die es derzeit dort gibt, bleibt dieser Raum ein wichtiger Sektor. Wir müßten das mittels Schwerpunktsetzung und Engagement lösen können.

Meine Damen und Herren! Ein Land wie Österreich war vor 50 Jahren eines der schwächsten Länder, ein Land wie Österreich galt in den Jahren 1945 bis 1947 als nicht lebensfähig. Bei der vorbereitenden Konferenz für die Marshallplan-Erstellung – ich habe es erwähnt – hat es geheißen: Es gibt keinen Endzeitpunkt, an dem sich Österreich selbst erhalten könnte. Das war in einer offiziellen Statistik enthalten. Österreich wurde dann unabhängig und ist heute ein Land, das über den Nettobeitrag diskutiert, also darüber, ob wir zuviel oder zuwenig zahlen. Ich glaube, das kann uns doch optimistisch stimmen.


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Natürlich wird die Opposition die Regierung auffordern, die Dinge genauer zu machen, besser zu informieren. Sie wird genauso manches zu schwarz malen, wie natürlich mancher Regierungssprecher auch etwas zu schön malen wird. Aber zeigen wir jene historische Erfahrung, die wir bei wichtigen Fragen, bei denen es im Detail Unterschiede gab, schon so oft gezeigt haben. Zeigen wir, daß es dann, wenn es im Grunde genommen um das Land, um seine Interessen und um Europa geht, Gemeinsamkeiten gibt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Morgen wird der Bundespräsident angelobt. Ich bin überzeugt davon, daß er angesichts der breiten Nominierung aus der österreichischen Bevölkerung und angesichts seiner großen Erfahrungen und seiner klaren Positionen vor allem hinsichtlich der Integration und auch der Sicherheitspolitik einen wichtigen Beitrag dazu leisten wird, daß wir einen richtigen Weg in der Außenpolitik nehmen. Ich bin trotz aller Schwierigkeiten optimistisch. (Beifall bei der ÖVP.)

14.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.02

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Khol hat in seiner Rede sehr oft das Wort "ehrlich" in den Mund genommen. Ich halte das für eine gefährliche Drohung, wenn gerade Kollege Khol in der Sicherheitspolitik von Ehrlichkeit spricht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Herr Abgeordneter Kukacka! Wenn Abgeordneter Khol vom Rednerpult wie ein guter Oppositionsredner fordert, daß man endlich mehr für die Landesverteidigung machen sollte, dann frage ich Abgeordneten Khol, wer denn die letzten elf Jahre die Verantwortung für dieses Ressort und auch für die Budgetverhandlungen gehabt hat. (Abg. Mag. Kukacka: Wissen Sie denn nicht, daß wir nicht allein regieren?) Er verlangt eine offene Diskussion und auch Entscheidungen in der Frage der Sicherheitspolitik und in der Frage der Mitgliedschaft bei der NATO. Daher frage ich mich, Herr Kollege Kukacka: Wer hat denn die letzten elf Jahre die Verantwortung im Außenamt gehabt? War das nicht Ihre Fraktion? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Differenzieren Sie einmal ein bißchen!)

Ihre Fraktion trägt die Verantwortung für diese beiden wichtigen Sicherheitsressorts, und Sie haben elf Jahre nichts weitergebracht, im Gegenteil: Das Bundesheer geht vor die Hunde. Es ist in einem Zustand, der noch nie dagewesen ist in der Zweiten Republik. Und in der Sicherheitspolitik schlittert Österreich von einer Blamage in die andere.

Herr Außenminister! Sie bringen uns schon fast weinerlich in Ihrem Vorwort Ihre persönliche Meinung zur Kenntnis. Das ist ganz schön, Herr Außenminister (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler ), aber eine persönliche Meinung hat in einem Außenpolitischen Bericht nichts verloren. Da würden wir uns wünschen, zu erfahren, wo Ihre klaren Perspektiven in der Sicherheitspolitik sind. Wie wenig Sie diesbezüglich anzubieten haben, zeigt der Bericht mit viereinhalb Seiten zur Sicherheitspolitik. Das ist sehr dürftig.

Nach wie vor machen Sie sich überall wichtig, bei allen internationalen Einsätzen sind wir dabei. Jetzt planen Sie sogar, mit acht Mann – das muß man sich vorstellen! – bei einem Albanien-Manöver mitzutun (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler ), und diese acht Mann bekommen dann noch acht Adjutanten dazu, die für ihre Versorgung zuständig sind. Mir diesen acht Mann leisten Sie dann einen netten Beitrag zur internationalen Sicherheit im Kosovo. Aber auf der anderen Seite verweigert Ihr Ministerium Überflugsgenehmigungen für Manöver in diesem Bereich, obwohl Sie immer fordern, daß die NATO endlich handlungsfähig sein soll.

Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Eine Blamage jagt die andere in der Sicherheitspolitik. Da brauchen wir über diese merkwürdigen Aussagen des Herrn Bundeskanzlers gar kein Wort mehr zu verlieren, der Bedingungen stellt, die sowieso schon erfüllt sind. All das ist lächerlich. Auf der einen Seite machen Sie das Land lächerlich, auf der anderen Seite wollen Sie sich groß als Europapräsident feiern lassen. Schaffen Sie endlich die Voraussetzungen für klare


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Entscheidungen, für eine offene Diskussion und letztlich auch für einen intensiven Dialog mit der Bevölkerung! Lassen Sie auch die Bevölkerung über diese wichtige Frage der Sicherheitspolitik abstimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner und Kollegen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der NATO über einen Beitritt Österreichs zur NATO

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend in Verhandlungen mit den Staaten des Nordatlantikvertrages einzutreten, damit ein Beitritt zur NATO gemäß Artikel 10 des Nordatlantikvertrages zum frühestmöglichen Zeitpunkt stattfinden und in der Folge nach Abschluß der Verhandlungen über den Beitrittsvertrag eine Volksabstimmung erfolgen kann."

*****

Meine Damen und Herren! Das Parlament kann entscheiden. Ich hoffe, Sie tun es auch.

Herr Außenminister! Nun komme ich noch zu einem Punkt, der mir überhaupt abgegangen ist in diesem Außenpolitischen Bericht, und zwar im Gegensatz zu den Außenpolitischen Berichten, für die der ehemalige Außenminister Mock verantwortlich gezeichnet hat. Wir finden darin keine Aktivitäten gegenüber der Tschechischen Republik oder Slowenien, die die Abschaffung der Unrechtsbestimmungen, über die wir schon so oft diskutiert haben, fordern. Nach wie vor sind in der tschechischen Rechtsordnung die Beneš-Dekrete und das Amnestiegesetz in Kraft, welche die Rechtsgrundlage für die Vertreibung von über 3 Millionen Menschen, die Rechtsgrundlage für 241 000 Ziviltote und die Rechtsgrundlage für 250 000 ermordete Kriegsgefangene gewesen sind.

Herr Außenminister! Wir würden uns von Ihnen erwarten – und das erwarten sich auch so viele Angehörige der sudetendeutschen Bevölkerungsgruppe und ihre Nachkommen –, daß Sie endlich dafür sorgen, daß dieser Bevölkerungsgruppe 50 Jahre nach Ende des Krieges endlich Gerechtigkeit widerfährt. Machen Sie das zu einer Bedingung und einem Prinzip Ihrer Verhandlungen mit diesen Staaten! Schweigen Sie nicht zu diesem Unrecht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kann nicht sein, daß im ausgehenden 20. Jahrhundert Staaten in die demokratische Gemeinschaft aufgenommen werden wollen, die noch solche Unrechtstatbestände in ihrer Rechtsordnung verankert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Scheibner vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.07

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Hohes Haus! Ich denke, daß die Debatte über unsere Rolle und unser Selbstverständnis in Europa ein wenig darunter leidet, daß wir permanent das Vertreten österreichischer Interessen mit einer fast pathologischen Selbstfixierung vermischen. Wir denken immer nur über uns selbst und über die paar Problemchen, die wir haben, nach. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Das hat noch lange nichts damit zu tun, nicht auch die österreichischen Interessen in Europa zu vertreten und zu definieren, welche die österreichische Rolle im Endeffekt ist.


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Daher mein Plädoyer: Man müßte über die bloße Frage hinaus, daß man eine Erweiterung will – und dazu gibt es dann differenzierte Auffassungen, unter welchen Bedingungen das alles stattfinden soll –, das Ganze in ein Projekt einordnen, in ein europäisches Projekt, für das Österreich steht, das Österreich vorschlägt, und zwar so, daß dann über den österreichischen Vorschlag auch diskutiert wird. Wir sollten offensiv sein. Es sollte nicht bloß eine Gruppe über Lohndumping nachdenken und eine andere damit drohen, daß Zigtausende im Anmarsch sind und schon längst die Grenze überschreiten wollen, sodaß das immer zu einer Nabelbeschau, immer nur zu einem innenpolitischen Thema wird und letztlich nicht darüber hinausgeht. Noch einmal: Das wäre ein Vertreten österreichischer Interessen.

Bei der Institutionenreform muß man auch über die Position, ich will den Kommissar nicht verlieren, ich möchte eine entsprechende Gewichtung bei den Abstimmungen haben, damit Österreich seine Stimme erheben kann, hinausgehen. Ich muß ein Konzept entwickeln, das sichert, daß man – gesetzt den Fall, es kommt wirklich zu dieser Erweiterung, und es werden immer mehr und mehr – handlungs- und funktionsfähig bleibt. Dazu muß ich an einem Modell arbeiten (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf ), das weit über Ihren Schrebergarten hinausgeht, Herr Abgeordneter von der FPÖ, ein Modell, wonach wir uns als einen Teil Europas begreifen, in dem wir eine spezifische Rolle zu erfüllen haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... Ausländer soll man dunsten lassen an der Grenze!)

Bei der Frage der Sicherheitspolitik teile ich einmal ausnahmsweise nicht ganz die Meinung von Kollegen Khol, der hier gesagt hat: "Si vis pacem, para bellum". Das ist eigentlich das Prinzip der alten NATO gewesen. Wenn Sie mich als jemand, der in der Schule auch Griechisch konsumieren durfte, gefragt hätten, hätte ich Ihnen "panta rhei" empfohlen. Das ist in Wirklichkeit der Slogan (Abg. Dr. Khol: Beides!), der sich in bezug auf NATO und die sicherheitspolitische Architektur und in bezug auf die Neutralität als das adäquate, auch mehrheitsfähigere Zitat aus der Schatzkiste unserer gymnasialen Ausbildung zu zitieren lohnt.

Mein Appell an den Außenminister ist daher, daß man Initiativen startet, daß Österreich zu einem Element wird, über dessen Vorschläge nachgedacht wird.

Nun zur Auslandskulturpolitik: Ich würde meinen, es wäre höchst an der Zeit, daß man sich einmal im parlamentarischen Rahmen überlegt, eine Enquete durchzuführen – auch Sie kommen herum, Sie werden sich wahrscheinlich genauso informieren wie wir –, in der man über die Frage der Koordinierung, über die operativen Jahresbudgets, überhaupt über den Dialog und die Zielsetzungen der Tätigkeit der Kulturinstitute diskutiert. Viele meinen, es wäre eine Rechtsfähigkeit ähnlich wie bei den Museen anzustreben. Man müßte prüfen, ob das möglich ist. Sie jammern, daß Sie zuwenig Geld haben, um Initiativen setzen zu können.

Da gäbe es einen breiten Bereich, der über das bloße Abhalten von Sprachkursen, Durchführen von Vorlesungen und das Vermitteln vielleicht der einen oder anderen Ausstellung hinausgeht. Man könnte da auch viel mehr von seiner eigenen kulturellen Identität einbringen. Das wäre eigentlich auch ein Teil der Erfüllung unserer Rolle in Europa, die doch weit darüber hinausgehen muß, bloß dafür zu sorgen, daß wir an attraktiven Orten mehr oder weniger attraktive Institute haben, die das Österreichische – was immer das dann sein mag – hochhalten.

Herr Außenminister! Ich würde dafür plädieren, im parlamentarischen Rahmen eine Enquete über die Auslandskulturpolitik durchzuführen, darüber zu diskutieren, eine Art politische Nullbudgetierung vorzunehmen und über neue Wege und neue Zielsetzungen nachzudenken und vielleicht auch darüber nachzudenken, wie man Geldquellen mobilisieren kann, damit man mehr machen kann. Das wäre auch ein Beitrag, um Österreich und Österreichs Interessen im Ausland stärker zum Durchbruch zu verhelfen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )


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133. Sitzung / Seite 63

14.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie wollen keine Redezeitbeschränkung, außer der geschäftsordnungsmäßigen? (Abg. Smolle: 8 bis 9 Minuten!) – 8 bis 9 Minuten kann ich nicht einstellen, Zwischengrößen haben wir nicht. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich stelle Ihnen 9 Minuten ein, Herr Abgeordneter. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Das ist sehr freundlich, Herr Präsident! – Spoštovani gospod predsednik! Visoki Dom! Gospod minister! Hohes Haus! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie versteht man ja schon sonst nicht! – Heiterkeit.) Die Uneinigkeit der Regierungsparteien haben wir heute wieder demonstriert bekommen. Die einzige Einigkeit, die hier besteht, ist, daß man die Mittelschulbildung ein bißchen auffrischt und sich gegenseitig bei Zitaten Übereinstimmung attestiert.

Meine Damen und Herren! Aber wir sind bei einem zu ernsten Thema, als daß wir über Zitate miteinander konferieren sollten. Jahrelang war die EU-Osterweiterung ein Steckenpferd der österreichischen Außenpolitik, sie war eine politische Orientierung der beiden Regierungsparteien, doch seit dem Zeitpunkt, da dieses Thema ernst geworden ist, gibt es eine vehemente Zurücknahme des Tempos.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht verständlich, da wir wissen, daß die Osterweiterung ein ganz zentrales Thema sein muß, ein ganz zentrales politisches, aber auch sicherheitspolitisches Thema. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe in diesem Zusammenhang die äußerst konservative Haltung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes nicht. Es werden Horrorszenarien von Hunderttausenden Arbeitssuchenden aus diesen Ländern heraufbeschworen, so nach dem Motto: Malen wir die Angst an die Wand, und dann fürchten wir uns! Das sind Methoden, die keine ernsthafte Politik darstellen. Wenn Sie sich die Situation in den Ländern der EU-Beitrittswerber ansehen, dann werden Sie feststellen, daß die dortigen Regierungen selbst darum bemüht sind, ihre wichtigen und hochqualifizierten Arbeitskräfte im Land zu behalten. Das heißt, es ist keineswegs von einem Einsetzen der Migration zu sprechen.

Das beweist nicht zuletzt der Beitritt Irlands, aber auch Portugal und Spanien sind Beispiele dafür. Dort wurden in bezug auf die Erweiterung zwölfjährige Fristen gesetzt, und nach sechs Jahren ist man draufgekommen, daß diese keinen Sinn haben, und hat sie abgeschafft.

Auch der polnische Außenminister Geremek hat in Wien erklärt, daß sie ihre guten Arbeitskräfte selbst brauchen und man nicht davon ausgeht, daß Massen herüberwandern werden. – Das ist eine unernste Politik, sozusagen eine Zweihand-Politik. Einerseits versuchen wir, möglichst viel Geld aus der EU herauszuschinden – vielleicht ist das eine Methode, malen wir ein großes Horrorszenario –, und andererseits setzen wir uns für die Osterweiterung ein. Diesbezüglich müssen Sie sich einmal zusammenstreiten und eine klare Meinung haben.

Ich bin auch der Auffassung, daß es zu keiner blockweisen Aufnahme der Länder kommen sollte. Es ist ganz klar, es gibt Länder, die es rascher schaffen werden, und es gibt Länder, die länger brauchen werden. Wir sollten uns aber bewußt sein, daß wir, wenn wir den Ländern die Möglichkeit des Beitritts eröffnen, auch die Reformvorhaben in diesen Ländern beschleunigen. Das heißt, das geht nur Hand in Hand und nicht so, daß eine Hand nicht weiß, was die andere macht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich spreche mich aber klar gegen jede Art aus, Bedingungen zu stellen. Das sind populistische Ansätze, die wir vor allem immer bei der FPÖ finden. Überhaupt bin ich der Meinung, daß sich die FPÖ von der Politik insgesamt verabschiedet hat, aber ganz speziell von der Europapolitik. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt sind Sie endlich bei ihrem Lieblingsthema! Endlich!) Da wird der Populismus fortgesetzt, den Sie auch bei allen anderen Fragen betreiben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe schon darauf gewartet!) Ernste politische Vorhaben bringen Sie nicht vor, es geht um irgendwelche schlampigen Gründe, vielleicht finden wir ein paar Wähler, die auf diese Kleinigkeiten hereinfallen, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dreckkübel schleudern!)

Herr Bundesminister! Es geht auch – das will ich ganz klar sagen – um eine ehrliche Information der Beitrittswerber. Diese muß sich von der österreichischen EU-Information wesentlich unterscheiden. Man muß dabei sowohl auf die Probleme und die Schwierigkeiten als auch auf


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die Bedingungen aufmerksam machen. Man darf nicht nur EU-Europa so quasi als Paradies versprechen. Diesbezüglich haben Sie noch sehr viel zu tun.

Ich bin aber auch der Auffassung, daß wir im Zusammenhang mit der gesamten europäischen Frage die vielen kleinen und größeren Konflikte nicht vergessen dürfen. Zu einem sehr großen wird Kollege Moser noch Stellung nehmen, aber ich denke hier speziell an die Frage Griechenland-Türkei-Zypern.

Herr Bundesminister! Aus Ihrem Munde möchte ich die klare Aussage hören, daß Sie sich dagegen aussprechen, daß Griechenland irgendwelche Bedingungen setzen kann, Bedingungen dahin gehend, daß alle Beitrittswerber zur Aufnahme gesperrt werden, wenn man die griechisch-zypriotische Delegation nicht als einzige Vertretung anerkennt. Dazu müssen Sie ein klares Nein sagen. Es geht nicht an, daß ein Land Europa erpreßt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon bei diesem Thema sind, so erlauben Sie mir auch einige Bemerkungen zum ganz großen schwelenden Konflikt in der Türkei zu machen. Wir können als Europäer vor den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, die auch Mitglied werden will, die Augen nicht verschließen. Wir haben es da mit ganz eklatanten Menschenrechtsverletzungen zu tun. Wir haben es damit zu tun, daß Personen, die sich für Menschenrechte einsetzen, wie zum Beispiel Akin Birdal, ein Vertreter einer Menschenrechtsorganisation in der Türkei, der sich vor allem für die Rechte der Kurden einsetzt und der bei einem Schußattentat verletzt wurde, Pressionen und Gewalt ausgesetzt sind. Davor können wir die Augen nicht verschließen.

Wenn Europa sagt, daß die Menschenrechte unteilbar sind, dann sind sie auch für die Türkei unteilbar, unteilbar für die Türken in Zypern, unteilbar für die Türken in Griechenland, unteilbar aber auch für die Kurden in der Türkei. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Erlauben Sie mir abschließend noch zu einem speziellen Problem Stellung zu nehmen, und zwar betrifft das das europäische Volksgruppenrecht. Wie Sie wissen, wird heute gemeinsam mit den Grünen – ich hoffe, auch mit Unterstützung der anderen Fraktionen – ein Antrag auf Novellierung des Artikels 19 des Staatsgrundgesetzes eingebracht. Ich bitte Sie, sich diesen Antrag genau anzusehen, und ich fordere auf und bitte vor allem die beiden Regierungsparteien, aber auch die FPÖ, mit uns mitzugehen, damit wir ein gutes, neues österreichisches Volksgruppenrecht schaffen können. Dieses soll eine gute Basis darstellen. Denn wenn wir selbst das Haus bestellt haben, sind wir in der Lage, für Europa Vorbild zu sein, aber zuerst müssen wir die Hausaufgaben machen, müssen wir das eigene Haus bestellen, so wie es sich gehört.

Herr Bundesminister! Ich bin überzeugt davon, daß Sie meiner Meinung sind, daß es notwendig sein wird, ein klares europäisches Konfliktlösungsinstrumentarium zu schaffen und nicht immer nur eine Ad-hoc-Methode zu finden. Wir sind derzeit weder in der Kosovo-Frage noch in der Zypern-Frage, noch in anderen Fragen in der Lage, diese Konflikte durch ein klares Konfliktlösungscurriculum zu entschärfen, und zwar noch bevor sie militärisch relevant werden. Das ist doch ein unerlaubtes Versäumnis, ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte und gegen die Volksgruppenrechte, wenn wir als Europäer nicht in der Lage sind, parallel zu den Menschenrechten auch Volksgruppenrechte zu entwickeln.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Erwarten Sie in Zukunft zumindest von mir und der Fraktion des Liberalen Forums eine ganz klare Vorstellung darüber, wie wir in Europa in dieser Frage vorgehen können.

In kaum einem Land in Europa haben wir keine Volksgruppenprobleme. Deshalb wäre es an der Zeit, auch diesbezüglich Maßnahmen zu setzen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es wäre schön, wenn Sie in der Lage wären, einmal einen Außenpolitischen Bericht vorzulegen – gerade Ihre Fraktion hat schon jahrelang den außenpolitischen Bereich inne und somit die Aufgabe, einen Bericht über Außenpolitik vorzulegen –, bei dem alle Fraktionen einvernehmlich durch Applaus zeigen könnten, daß wir alle eine gemeinsame Außenpolitik betreiben. (Abg. Zweytick: Das liegt an Ihnen!)


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Ich bitte Sie dringend, in diese Fragen vor allem die Opposition mit einzubeziehen. Ich glaube, es sind sehr vernünftige und klare Vorschläge. Es wäre schön, wenn wir einen gemeinsamen Standpunkt zur österreichischen Außenpolitik und auch einen gemeinsamen Standpunkt zur europäischen Sicherheitspolitik hätten. Der Beitrag der Opposition ist da, er liegt auf dem Tisch. Es ist nur Ihre Sache, diese Beiträge endlich ernst zu nehmen und die Vorhaben gemeinsam zu erarbeiten. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Bundesminister Dr. Schüssel. – Bitte.

14.21

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich nehme gerne zu einigen Punkten der Diskussion Stellung, das ist auch der Sinn einer solchen Aussprache. Ich habe sehr genau zugehört. Ich greife gleich den letzten Punkt auf.

Wir wären glücklich, wenn wir mit einer – so glaube ich – guten und ambitiös formulierten und auch umgesetzten Außenpolitik den Beifall des gesamten Hauses finden würden. Ich sage auch ohne weiteres, ich habe überhaupt kein Problem damit, daß jeder Beitrag, natürlich auch von seiten der Opposition, höchst willkommen ist.

Ich bitte, daß wir überhaupt zu einer etwas gelasseneren Beurteilung füreinander finden – wir von der Regierungsbank und Sie von den Fraktionen. Ich habe auch das Gefühl, daß die heutige Debatte sehr sachlich und konstruktiv gewesen ist und solche Gemeinsamkeiten ohne weiteres erkennen ließ.

Ich darf nur eines zu dem leidigen Thema Vorwort sagen, das offensichtlich jedes Mal ein unglaublicher Punkt ist. Sie kennen die Spielregeln: Vom Berichtsteil selbst ist jedes Wort mit allen Ministern abgestimmt. Das Vorwort der Staatssekretärin oder des Bundesministers wird persönlich formuliert. Ich habe aber überhaupt kein Problem mit mir – weder jetzt als Ratsvorsitzender noch als Außenminister, Vizekanzler, einzelne Person oder in sonstigen politischen Mandaten. Ich habe überhaupt keine schizophrene Distanz zu mir selbst, aber das ist ein persönlich gestaltetes Vorwort des Ressortchefs. (Abg. Mag. Peter: Sie schaffen das alles gemeinsam? – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Es ist für Sie auch ohneweiters ein Punkt, über den man diskutieren kann, in dem man auch anderer Meinung sein kann. Ich habe aber auch überhaupt kein Problem damit, in Hinkunft ein Vorwort entweder überhaupt wegzulassen oder auch das noch Wort für Wort abzustimmen. Ich sehe nur nicht ein, warum diese fast kasuistische Wortklauberei, die manche probiert haben, jetzt ein solch unheimlich wichtiges Thema ist. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Zum Beispiel hat Frau Abgeordnete Gredler einen Satz zitiert, daß diese beiden Erweiterungsprozesse zur Stabilität Europas beitragen und Ausdrucksformen einer sich ergänzenden Wertegemeinschaft sind. Das ist ausdrücklich zitiert: Gerade jene Länder, die eine kommunistische Herrschaft durchlitten haben, sind davon überzeugt ... und so weiter. Das sind wörtliche Zitate aus Reden von Geremek, von Mazowiecki, von Bartoszewski, von László Kovács und anderen. Diese sagen das wirklich. Ich habe angenommen, daß das gerade den Profis in der Außenpolitik selbstverständlich geläufig sein muß. Das ist keine eigensinnige Darstellung des Außenministers, der darauf beharrt, daß das seine persönliche Meinung ist. Ich zitiere die Kandidaten, und diese sehen das genau so, daß sozusagen die EU-Erweiterung und die sicherheitspolitische Dimension zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.) Dieser erste Punkt ist haargenau so erwähnt. (Abg. Kiss: Über das Vorwort hinaus sind sie nicht gekommen! Ich wette um 1 000 S, daß sie nicht weiter gekommen sind!)

Ein Zweites wollte ich sagen, weil mir das auch wichtig ist, nämlich was eine europäische Präsidentschaft ist und was sie leisten kann. – Lieber Freund Kiss! Ich will jetzt nicht auf deine


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Zwischenrufe eingehen, ich wollte nur zur Frage der Ratspräsidentschaft eine sehr persönliche Aussage machen.

Es ist dort nicht unsere Aufgabe, daß wir jetzt alles "verösterreichern" und daß wir jetzt alles rot-weiß-rot anstreichen, aber eines sei – auch in Richtung kritischer Abgeordneter der Freiheitlichen – gesagt: Die Themen, die gerade in diesen sechs Monaten auf der Tagesordnung stehen, sind genau jene – auch abgetestet durch Umfragen, und wahrscheinlich weiß das jeder Abgeordnete, der im Wahlkreis ist, sowieso –, die die Österreicher sehr interessieren. Die Frage der Beschäftigungspolitik ist eines der wichtigsten Themen beim Gipfel in Wien, das jetzt neu auch durch die nationalen Beschäftigungsprogramme abgestützt ist.

Wir werden ein Aktionsprogramm gegen die organisierte Kriminalität initiieren. Wir schließen übrigens jetzt schon mit den Erweiterungskandidaten einen "pact against organized crime". Jeder dieser Kandidaten bringt bereits seinen Beitrag dazu ein, wie man in einer gemeinsamen Anstrengung effizienter gegen die Mafia und so weiter vorgehen kann.

Die Frage des Umweltschutzes ist ein ganz wichtiges Thema. Wenn man tatsächlich das 6-Liter-Auto unter der österreichischen Präsidentschaft zusammenbrächte, dann brauche ich mich doch nicht dafür zu genieren, daß ich in unserer sechsmonatigen Präsidentschaft Österreich hintangereiht habe, wie es Klubobmann Haider, der leider nicht mehr der Debatte beiwohnt, offensichtlich von mir annimmt. Aber gerade weil ich leidenschaftlich für Europa und für Österreich bin, weiß ich, daß in dieser Zeit gemeinsam sehr viel zu erreichen ist, ohne jetzt ständig zu sagen: Bitte, das ist österreichisch, das ist nicht Europa! – Für mich ist das eine untrennbare Einheit, und das ist das Spannende daran! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ein zweites sehr wichtiges Thema: Frau Abgeordnete Kammerlander hat einige Male – ich habe es nicht genau verstanden, aber ich habe mich betroffen gefühlt, daher sage ich das gleich – kritisiert, wir schaffen oder ich schaffe Unsicherheit. Ich möchte da gerne hinhören. Wenn Sie also das Gefühl haben, gerade in der Frage Erweiterung, daß der Außenminister dieser Republik Unsicherheiten erkennen läßt, dann sagen Sie es mir, aber bitte präzise! Ich glaube, daß ich mit meiner Linie einen ganz klaren Kurs fahre, den ich nicht nur in Österreich erläutern kann. Es sitzt auf der Galerie der frühere Staatssekretär aus Slowenien, heutiger Botschafter Sloweniens in Österreich – willkommen! –, der gestern zum Beispiel mit mir die Verhandlungen von Präsidenten, Ministerpräsidenten, Außenministern geführt hat. Ich sage dort nichts anderes, als ich hier vor Ihnen, vor den österreichischen Abgeordneten, sage. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage, es ist historisch unumkehrbar: Wir brauchen diese Erweiterung, weil sie für die Kandidaten gut ist, die ein Recht darauf haben, dieser europäischen Vision, die immer auf mehr als sechs Mitglieder und mehr als heute 15 Mitglieder angelegt war, anzugehören, weil wir aber auch diesen Beitrag der Kandidaten brauchen. Wenn wir nicht Jobs in diesen Ländern schaffen, dann wird der wirtschaftliche Druck immer größer.

Daher ist es richtig, daß ein Teil des Agenda-2000-Pakets, eines dieser vier Module, eine sehr ehrgeizige Beitrittsstrategie und Vorbereitungsstrategie ist, wonach vom Volumen her immerhin der doppelte Marshallplan angeboten wird. Was die Amerikaner in den vierziger, fünfziger Jahren geboten haben, war für vier Jahre etwa 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu damaligen Preisen für die Empfängerländer. Wir bieten für sieben Jahre fast 3 Prozent. Das ist fast der doppelte Zeitraum und mehr als damals – daher mehr als doppelt soviel.

Das ist ehrlich, und das ist gut angelegtes Geld. Ich verheimliche nicht, daß die Erweiterung, so gesehen, etwas kostet. Aber finden Sie heute in Amerika einen Bürger, der meint: Das war damals falsch angelegtes Geld, das war zu teuer, das hätten wir uns nicht leisten sollen!? – Die Amerikaner haben damit für Jahrzehnte einen treuen strategischen Partner in Europa gewonnen – sicherheitspolitisch, aber auch als Markt für ihre Produkte. Genauso wird es sein, wenn wir die Erweiterung gemeinsam mit den Kandidaten zu einem Erfolg führen, wobei wir hinhören, wo sie sensible Zonen haben, und wobei sie hinhören, wo uns der Schuh drückt.


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Ich schwöre Ihnen: Gemeinsam können wir das neben der Währungsunion zum größten strategischen Erfolg für die nächsten Jahrzehnte für Europa gestalten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und des Liberalen Forums.)

Da Peter Schieder jetzt hereingekommen ist, sage ich ganz bewußt: Ich finde die heutige sicherheitspolitische Diskussion hochinteressant, und zwar deswegen, weil sie ehrlich war. Andreas Khol hat leidenschaftlich gesagt, daß an der NATO kein Weg vorbeiführt. Der Fraktionsführer der Sozialdemokraten hat eigentlich in einer sehr bemerkenswerten Weise – wenn ich richtig zugehört und interpretiert habe – gemeint, im Prinzip sind wir hier nicht unüberbrückbar auseinander. Und das gleiche gilt auch für die meisten der Oppositionsredner, denn klarerweise ... (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) – Moment! Es ist wichtig, daß man das auch noch herausarbeitet – als Chance für eine solche Debatte, ohne Polemik.

Daß es keinen Europa-Einsatzbefehl geben wird in Afrika, Peter, ist selbstverständlich. Aber daß sich natürlich eine europäische Aktion logischerweise nicht nur auf den engsten Bereich der 15 beschränken kann, wurde dankenswerterweise auch in der Rede sehr klargemacht. Es wird daher ein abgestuftes Verfahren geben: UNO, wo es um den Weltmaßstab, um den größeren Zusammenhang geht, OSZE, wo die OSZE auch etwas leisten kann. Gerade betreffend Kosovo bin ich sehr davon überzeugt, daß vielleicht noch Möglichkeiten der Friedensschaffung ohne militärische Mittel gegeben sind. In Europa brauchen wir die Europäische Union als militärischen Arm irgendwann einmal mit der WEU verschmolzen. Jeder weiß, was das bedeutet. Wir brauchen daher logischerweise auf allen Ebenen in Europa die Russen in einer Dialogposition – nicht gegen uns gerichtet. Das halte ich eigentlich für einen hochinteressanten Bereich.

Es war sehr wichtig, das herauszuarbeiten, und für mich sehr positiv. Dann kann man tatsächlich diskutieren, wie die Beistandsverpflichtungen des Artikels 5 bei der WEU und bei der NATO sind. Wenn wir so weit sind, daß wir etwa die Beistandsverpflichtung in der WEU als eine außer Streit stehende Frage ansehen könnten – ich bin einmal so vorsichtig –, dann sage ich ganz offen, daß sie in vielen Punkten sogar härter und eindeutiger formuliert ist als bei der NATO. (Abg. Jung: Das lehnt doch der Kanzler ab, die Beistandsverpflichtung!) Dann sind wir, so glaube ich, in der sicherheitspolitischen Diskussion heute vielleicht sogar einen großen Schritt, intellektuell gesehen, weitergekommen. (Abg. Scheibner: Davon müssen Sie halt einmal Ihren Kanzler überzeugen!)

Noch einmal: Lassen wir jetzt die polemischen Zwischenrufe! Ich finde – dafür gehören die Debattenbeiträge gelobt –, das war eine am Beginn der österreichischen Präsidentschaft höchst erfreuliche und vernünftige, weiterführende Debatte, wozu, so glaube ich, auch die Meinungsbildung der letzten Tage und Wochen sicherlich einen positiven Aspekt beigetragen hat. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Ich möchte dem Hohen Haus ausdrücklich für die Resolution in Richtung Kosovo danken. Das ist eine kluge Resolution. In Richtung der Frau Abgeordneten Kammerlander: Ich finde es gut, daß nicht explizit auf eine UNO-Resolution abgestellt wurde. Ich sage Ihnen auch ganz offen, warum. Sie können mir ruhig glauben, ich bin in dieser Frage absolut kein Fetischist von irgendwelchen Militärschlägen. Das ist, wenn überhaupt, das allerallerletzte Mittel.

Es gibt heute schon UNO-Resolutionen, die sehr interessante UNO-Resolution 1160, eine ganze Reihe von aktuellen, rezenten UNO-Sicherheitsratsbeschlüssen. Wir sind noch lange nicht so weit, daß wir alles auf eine einzige Frage reduzieren können. Ich danke auch sehr für die Unterstützung in Richtung Flüchtlingsbetreuung. Ich danke auch für den wichtigen Hinweis, daß wir etwa gerade während der österreichischen Präsidentschaft der Frage einer faireren Aufteilung der Lasten, die natürlich durch Flüchtlingsströme entstehen können, der Kosten, aber auch der Übernahmemöglichkeiten das Augenmerk zuwenden. Ich finde das wichtig und positiv. Ich danke auch für die Bereitschaft, daß wir in diesem Bereich als österreichische Regierung gemeinsam weitergehen können.

Zuletzt kleine fachliche Feststellungen und Korrekturen gegenüber Jörg Haider. Er hat behauptet, es wurde unter britischem Vorsitz ein Rabatt herausverhandelt. Wie so viele Teilinfor


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mationen von Jörg Haider ist das einfach falsch. Man braucht sich nur die diversen Memoiren von Lady Thatcher selbst oder die Memoiren von Mitterrand anzuschauen. Tatsächlich ist im Jahr 1984 im Sommer in Fontainebleau – das gehört nun wirklich nicht zu Großbritannien –, also unter französischem Vorsitz, der Rabatt ausverhandelt worden. (Abg. Scheibner: Aber einen Rabatt haben sie bekommen?!) Es ist auch falsch, daß die Dänen unter dänischem Vorsitz ... (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Sie müssen nur recherchieren.

Es wurde hier behauptet und natürlich mir vorgeworfen: Aha, der österreichische Ratsvorsitzende will gar nicht, er traut sich nicht. – Die Wahrheit ist völlig anders. Auch die Dänen haben ihr Opting-out nicht unter dänischem Vorsitz, sondern in Edinburgh im Sommer 1992 herausverhandelt. Das war auch nicht unter dänischem Vorsitz.

Die dritte Behauptung betraf meine Erwartung, daß wir durch den EU-Beitritt einige Arbeitsplätze dazubekommen. Ich bin auf gutem, gesichertem Boden. Wenn Sie sich etwa die Prognosen der Wirtschaftsforscher, die in diesen Tagen vorgelegt wurden, ansehen, dann werden Sie erkennen, daß wir allein heuer ungefähr plus 30 000 und nächstes Jahr noch einmal plus 30 000 Arbeitsplätze haben werden. Schlecht für ein junges EU-Mitglied ist das nicht. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

14.35

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den sehr klaren Worten des Vizekanzlers und Außenministers möchte ich auch zu dem Scheinargument der angeblichen Vernachlässigung österreichischer Interessen beim Vorsitz kurz Stellung nehmen.

Was liegt denn im österreichischen Interesse? – Das österreichische Interesse ist, daß dieses Projekt Europa funktioniert. Das österreichische Interesse ist, daß die Europäische Union in der Beschäftigungspolitik erfolgreich ist. Das österreichische Interesse ist, daß die Europäische Union in der Bekämpfung der Kriminalität erfolgreich ist. Das österreichische Interesse ist, daß der Euro eine harte Währung werden wird, daß die Währungsunion ein erfolgreiches Projekt ist. – Wenn wir dafür arbeiten, dann arbeiten wir im österreichischen Interesse und nichts anderes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben heute wieder ein paar Schauermärchen gehört. Nach der vergessen geglaubten Schildlaus und der Wasserleitung nach Brüssel kam heute das Schauermärchen vom Delogierungsbescheid. Wie schaut denn, um das Wort des Außenministers aufzugreifen, diese "Baustelle Europa" – noch ist sie nicht fertig – für die Österreicher tatsächlich aus? – Die Österreicher wohnen in einem der schönsten Räume dieser Baustelle, in einem weitgehend fertiggestellten Raum dieser Baustelle Europa. Kein Mensch delogiert uns von dort.

Es ist aber, wenn Sie schon einmal bei einer Baustelle gewohnt haben, auch für Sie von Vorteil, wenn die Baustelle einmal fertig wird, wenn die Belästigungen von außen aufhören und es den anderen ähnlich gut geht wie Ihnen. Das ist in unserem Interesse, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Sie können nicht, wie Haider das wollte, die Geographie ausradieren und sagen: Es stimmt nicht, daß die ukrainische Grenze näher zu Wien liegt als Bregenz, die Landeshauptstadt von Vorarlberg. – Es stimmt! Und Sie können auch nicht wegdiskutieren, daß, sollte es dort zu Verzweiflungsreaktionen der Bevölkerung kommen, kein Stacheldraht, kein Wall oder irgend etwas anderes angesichts der Menschenmassen etwas nützen könnte.

Also es gibt ein Interesse weit über die EU hinaus, an dieser Baustelle Europa weiterzubauen und alle Möglichkeiten zu nützen. Darum gibt es auch neben der Union die OSZE, darum gibt es den Europarat als Gemeinschaft der Menschenrechte und der Demokratie, wo das geschehen kann. Diese sind natürlich auch eingeschaltet in Aktionen, um bestehende Krisenherde in


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Europa zu beseitigen. Die Krisen werden wir alleine nicht bewältigen können, sondern da werden wir sehr wohl eine gemeinsame Handlung setzen müssen.

Sie haben kritisiert, daß man überlegt, ob Jugoslawien in die OSZE zurück soll oder nicht. Was ist die OSZE? – Krisenmanagement. Wenn es bei Mitbewohnern in einem Haus welche gibt, die mit feuergefährlichem Material sehr leichtfertig umgehen, ist es gescheit, sie von Beratungen auszuschließen, wie man einen Brand vermeidet? – Wohl nicht. Dort gehören sie mit dazu.

Ich wäre absolut dagegen, Jugoslawien angesichts seiner derzeitigen Vorgangsweise in den Europarat aufzunehmen. Da muß sich vorher noch vieles ändern in Jugoslawien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.) Aber dort, wo man darüber nachdenkt, wie man Krisen bewältigt, wie etwa jene im Kosovo – darauf möchte ich noch kurz eingehen –, soll es so rasch wie möglich gehen, damit die Situation im Interesse der Menschen dort friedlich bewältigt werden kann. Und da braucht man auch Jugoslawien mit am Tisch, da muß man mit Jugoslawien reden, um einen Sonderstatus für den Kosovo mit einer weitgehenden Autonomie innerhalb Jugoslawiens durchzusetzen, um die Einhaltung der Menschenrechte durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scheibner. )

Kollege Scheibner! Das werden Sie letzten Endes auch und vor allem durch Dialog machen müssen. (Abg. Scheibner: Wie viele Leute sollen noch sterben, bis Sie kapieren, daß Verhandlungen nichts nützen!?) Drohungen alleine nützen leider nichts, das hat die Vergangenheit bereits gezeigt.

Hohes Haus! Abgeordnete Kammerlander hat nach dem klaren Bild von Europa gefragt, und damit möchte ich abschließen. Das klare Bild von Europa gibt es. Das klare Bild von Europa ist eine Gemeinschaft der Demokratien und der Menschenrechte, eine Gemeinschaft, in der man auch den Wohlstand gemeinsam erarbeitet, um gemeinsam sicher zu sein, um gemeinsam Krisen zu vermeiden.

Mein ganz persönliches Bild dazu: Als Jahrgang 1942 bin ich in der Nachkriegszeit aufgewachsen und habe miterlebt, wie die Menschen sich nach der Souveränität Österreichs gesehnt haben. Meine Eltern haben gezittert, wenn sie die Enns-Demarkationslinie im eigenen Land überquert haben. Wenn wir heute in dem neuen Europa eine führende Rolle spielen, ist das das klare Bild von Europa, das ich habe: nicht im eigenen Land zittern zu müssen, sondern in diesem Europa von morgen eine führende Rolle spielen zu können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.42

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie haben unseren Obmann gerade in bezug auf Wahrheit angegriffen, und dann haben Sie selbst von der großen Leistung auf dem Arbeitsmarkt gesprochen. Ich zitiere den heutigen "Standard"; das ist eine "typische" freiheitliche Zeitung: "Neuer Arbeitslosenrekord in Wien". – Das ist die Realität, Herr Bundesminister, und nicht das, was Sie uns immer wieder sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zu Ihrem Außenpolitischen Bericht. "Wien ist anders", kann man dazu nur sagen. Normalerweise arbeitet man, und wenn man erfolgreich gearbeitet hat, wird gefeiert. Wir haben einmal mit dem Feiern begonnen und nicht mit dem Arbeiten, Herr Bundesminister. Bei uns tanzt der Kongreß oder der Vorsitz und weiß noch nicht, ob er nicht auf dem Eis tanzt. Und für Sie, Herr Bundesminister, kann man in diesem Zusammenhang sagen: Vom Metternich zum "Millimetternich" kann man schnell abrutschen. Seien Sie vorsichtig! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun noch zu einem Punkt – denn die Zeit ist leider sehr knapp –, der Sie in nächster Zeit wahrscheinlich zentral beschäftigen wird, das ist die Frage Albanien und Kosovo. Hier wird von der Europäischen Union der gleiche Fehler begangen, wie er am Anfang des Jugoslawien-Krieges gemacht wurde. Man ignoriert die Fakten. Man sagt der Bevölkerung im Kosovo: Ja, wir werden


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euch helfen!, aber von Selbstbestimmung ist keine Rede. Den gleichen Fehler hat man begangen gegenüber Kroatien, gegenüber Slowenien. Man mußte sich nach langem Blutvergießen der Realität beugen. Es wird auch hier, fürchte ich, zu langem Blutvergießen kommen, bevor man die Realität in diesem Gremium, dem Sie jetzt vorstehen, anerkennt. Und das ist tragisch für die Bevölkerung.

Es gibt hier nur einen Weg, den Leute wie der Herr Miloševic verstehen, und das ist nicht einmal das Embargo allein, denn das tut dem Herrn Miloševic nicht weh, das trifft die Bevölkerung, sondern das ist, wenn er merkt: Hier geht es nicht weiter, sonst kracht es. Das hat man in der ersten Phase des Jugoslawien-Krieges begriffen, und das wird auch in diesem Fall erst dann begriffen werden.

Und noch etwas müssen Sie begreifen: Sie müssen mit der UCK wirklich verhandeln. Denn wer hätte den Irlandkonflikt lösen können, er ist ja noch nicht gelöst, aber auch nur in Ansätzen lösen können, ohne mit der IRA zu sprechen? Sie müssen mit den Leuten sprechen, die von der Bevölkerung getragen sind, und nicht mit Leuten wie dem Herrn Rugova, der jeglichen Kontakt zur Realität verloren hat. Das ist eine wesentliche Aufgabe, die Sie treffen wird.

Und dann ist da noch etwas, Herr Bundesminister – das würde mich wirklich interessieren –: Was machen Sie als Vorsitzender im EU-Bereich, wenn die NATO beschließt, weil es eben nicht anders weitergeht und weil es die Russen blockieren, einen Einsatz dort unten auch ohne UNO- oder KSZE-Mandat zu machen? Was werden Sie dann tun? Wenn die Mehrheit der europäischen Staaten will, daß Sie dort aktiv werden, dann werden Sie sagen: Ja, aber als Österreicher nicht!, oder Sie werden die EU dort vertreten, jedoch sagen: Aber über Österreich dürfen Sie nicht drüberfliegen!, wie Sie es ja schon bei der Übung gemacht haben. Dabei haben doch gerade Sie gesagt, im Kosovo gibt es keine Neutralität. – Herr Minister! Wer soll Sie in Wirklichkeit draußen noch ernst nehmen? Diese Frage stellt man sich wirklich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wir haben es ja soeben in der Debatte gesehen: Sie sollen eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik koordinieren, dabei sind Sie ja nicht einmal in der Lage, in dieser Regierungskoalition eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu machen. Wie wollen Sie dann Europa vorstehen? Das ist doch alles unglaubwürdig. Sie haben keinen Optionenbericht geschafft. Sie schaffen in diesem Bericht nichts als flehende Appelle an die SPÖ. Sie gehen gar nicht darauf ein, wenn man Sie fragt, was der Bundeskanzler dazu sagt. Zählt der nicht mehr aus Ihrer Sicht? Ich weiß es nicht. In diesem Zusammenhang kann man wirklich nichts Gutes erwarten.

Auf den Albanien-Bereich zurückkommend, möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jung und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Beendigung des Konflikts im Kosovo

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, wird ersucht, sich im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft und vor allem als Vorsitzender des Rates der Europäischen Union zur Lösung der Kosovo-Krise für folgende Maßnahmen einzusetzen und diese in jeder Form zu unterstützen:

umfassendes und effizientes Wirtschafts- und Handelsembargo,

sofortiger Waffenstillstand und Ende gewalttätiger Operationen,

unverzüglicher Rückzug der jugoslawischen Armee und Spezialpolizei,

Aufnahme von Gesprächen mit allen involvierten politischen Gruppierungen zur Wiederherstellung des Autonomiestatus,


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Zulassung internationaler Beobachter,

uneingeschränkter Zugang aller humanitären Organisationen zum Kosovo,

humanitäre Hilfestellung durch die internationale Staatengemeinschaft und

Abschluß der Vorbereitungen zu friedenssichernden, friedensschaffenden und humanitären Maßnahmen der Staatengemeinschaft im Kosovo jeder Art.

*****

Und dazu gehört, daß Sie endlich auch da einmal klar Position beziehen, Herr Minister. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, Sie haben einen Entschließungsantrag vorgetragen. Ich möchte Sie nur daran erinnern, man muß an sich jedes Wort hier vorlesen. Gut. Aber er ist jetzt schriftlich überreicht worden, er ist vorgetragen worden, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Gusenbauer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.46

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß neben den aktuell zu lösenden Fragen während des nächsten Halbjahres die österreichische Präsidentschaft in der Europäischen Union auch zum Anlaß genommen werden sollte, die innerösterreichische Debatte über die Zukunft der Europäischen Union zu schärfen. Dies vor allem deswegen, weil es gerade in letzter Zeit einige Dinge gegeben hat, die einen nachdenklich stimmen müssen.

Die "Inthronisierung" des Präsidenten der Europäischen Zentralbank und all das, was damit verbunden war, hat nicht sehr hoffnungsfroh gestimmt. Es gibt unerhörte Widerstände in einzelnen Ländern, was die Erweiterung der Europäischen Union betrifft, und es gibt auch eine Debatte in Europa, die ich als eine sogenannte Renationalisierungsdebatte bezeichnen würde, wobei unter dem Titel der Bürgernähe wieder einige Kompetenzen, die die Europäische Union bereits gehabt hat, auf nationalstaatliche Ebene zurückgebracht werden sollen.

Diese Tendenzen erachte ich für bedenklich, weil sich damit meiner Auffassung nach in dieser Zeit die Frage stellt, ob wir uns für mehr oder weniger Europa entscheiden werden. Und ich glaube, es ist wichtig, daß Österreich in diesem Zusammenhang eine klare Position vertritt.

Wenn ich mit der klaren Positionierung beginnen darf, beginne ich gleich mit der Frage der Erweiterung der Europäischen Union. Ich bin der Auffassung, daß das westeuropäische Zivilisationsmodell, basierend auf Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechten und sozialem Ausgleich, daß dieses Modell, das dazu beigetragen hat, über fünf Jahrzehnte Frieden im Westen Europas zu schaffen, auch das entscheidende Mittel ist, um die Wunden zu heilen, die der kalte Krieg in Europa verursacht hat.

Ich bin daher der Auffassung, daß, wenn es eine zentrale Funktion Österreichs in Europa gibt, sie darin besteht, daß wir im Herzen dieses Kontinents liegen und eine entscheidende Funktion als Türöffner für die zentral- und osteuropäischen Demokratien haben. Ich befürchte wirklich, daß, wenn sich eine Art von Debatte niederschlägt, die nicht die politische Vision einer erweiterten Europäischen Union im Zentrum hat, sondern bei der nur ausschließlich die Probleme, die ich sehr wohl sehe, im Vordergrund stehen, dann besteht die Gefahr, daß die manchmal auftretende Engstirnigkeit und Engherzigkeit, die hier in Österreich an den Tag gelegt wird, uns in Zukunft in Österreich und in Europa noch leid tun wird. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum sowie des Abg Dr. Khol. )


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin natürlich der Auffassung, daß die berechtigten sozial- und wirtschaftspolitischen Anliegen im Kontext der Osterweiterung gelöst werden müssen, aber all diese Anliegen sind Fragen konkreter Verhandlungen und nicht einer Strategie der Verschiebung der Osterweiterung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zweite Punkt, was die Frage der Bürgernähe betrifft, die jetzt auch in Europa diskutiert wird. Ich bin der Auffassung, daß sich Bürgernähe nicht dadurch entscheidet, wo eine Entscheidungskompetenz angesiedelt ist – ob es im Bundesland, im Nationalstaat oder auf europäischer Ebene ist –, ich bin der Meinung, daß Bürgernähe sich in erster Linie dadurch manifestiert, wie engagiert die Politik imstande ist, für gewisse Zielsetzungen einzutreten und diese in der Öffentlichkeit auch zu kommunizieren.

Man kann zum Thema Euro unterschiedlicher Auffassung sein, man hat auch zum Thema Beitritt Österreichs zur Europäischen Union unterschiedlicher Auffassung sein können, aber die beiden Beispiele haben sehr deutlich gezeigt, daß die Mehrheit der Bevölkerung zu überzeugen ist, wenn es auch die entsprechende politische Überzeugung dahinter gibt.

Was für die Bürgernähe viel wichtiger ist, ist meiner Auffassung nach, daß es, wenn es auf europäischer Ebene mehr Kompetenzen gibt – und das halte ich für richtig –, auch eine demokratische Organisierung dieser Kompetenzen gibt. Und das hat natürlich zu tun mit dem Vorschlag des ehemaligen Kommissionspräsidenten Delors der Direktwahl des Kommissionspräsidenten, das hat zu tun mit einer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments, auch im Sinne eines Initiativrechtes des Europäischen Parlaments, und das hat auch damit zu tun, daß bei dem Stand der Integration, bei dem wir angelangt sind, wir uns in Europa auch auf einen Prozeß der Verfassungsgebung einlassen sollten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr Europa, mehr Integration bedeutet einen stärkeren Drang in Richtung Demokratisierung der europäischen Strukturen. Damit führen wir Europa wieder näher an die Bürger heran, und das, glaube ich, ist eine entscheidende Herausforderung für die Zukunft des Integrationsprozesses. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.52

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Außenminister! Wir diskutieren heute den Außenpolitischen Bericht der Bundesregierung. Ich glaube, daß es eine sehr wichtige Debatte ist, weil es immer wieder die Möglichkeit ... (Abg. Dr. Haider – auf den auf der Regierungsbank sitzenden Vizekanzler und Außenminister Dr. Schüssel weisend –: Nicht nur! Auch seinen Bericht diskutieren wir!) Ich gehe davon aus, daß, wie der Herr Außenminister es gesagt hat, der Bericht als solcher mit den anderen Ministern abgestimmt ist und es daher ein Bericht auch der Bundesregierung ist. Und ich glaube, das ist eine sehr wichtige und interessante Bestandsaufnahme über den Zustand der österreichischen Außenpolitik.

Herr Vizekanzler und Außenminister! Bitte erhalten Sie uns Ihr Vorwort, denn damit wissen wir, wo Ihre persönlichen Schwerpunkte als Außenminister sind, damit haben wir auch entsprechenden zusätzlichen Diskussionsstoff.

Zu dem, was Sie als Replik auf die Kritik meiner Kollegin Gredler gesagt haben, möchte ich schon eines richtigstellen: Die Kritik, die hier angebracht worden ist, war berechtigt. Ohne jetzt weiter auf das Vorwort eingehen zu wollen, muß ich doch anmerken, daß Ihre Darstellung über die Rückkehr der neuen Demokratien in das gemeinsame Europa nicht in Form eines Zitates dargestellt ist, wie Sie es als Rechtfertigung in Ihrer Antwort vorhin gesagt haben, sondern das ist dargestellt als Ihre persönliche Meinung und als Ihre persönliche Position.

Ich habe nichts dagegen. Ich bin sehr froh, daß es diese Demokratisierung in Osteuropa gegeben hat. Ich bin sehr froh, daß es zu einer Erweiterung der Europäischen Union kommt, weil


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damit das Friedenswerk, das zentraler Inhalt der Europäischen Union ist, ausgeweitet und vertieft werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Der Außenminister hat von der Herausforderung der EU-Präsidentschaft gesprochen. Ich glaube, daß wir tatsächlich die Chance und die Möglichkeit haben, während der EU-Präsidentschaft die europäische Dimension unserer Außenpolitik entsprechend darzustellen, und daß wir die Chance auch wahrnehmen sollten und müssen, uns auf europäischer Ebene einzubringen.

Herr Bundesminister! Wenn Sie vorhin gesagt haben, daß es jetzt darauf ankommt, zu zeigen, daß wir in der Lage sind, Politik zu koordinieren, dann stimme ich Ihnen schon zu, aber ich würde mir wünschen, daß wir dieses Bemühen auch innerösterreichisch an den Tag legen, daß wir hier tatsächlich zu einer breiteren politischen Basis im Bereich der Außenpolitik, im Bereich der Sicherheitspolitik kommen und daß diese Kooperationsbereitschaft und diese Koordinierungsbemühungen Ihrerseits in einer, wie ich meine, so wichtigen Frage wie der Sicherheitspolitik auch tatsächlich gegeben sind.

Die Ausführungen, die Kollege Khol heute zur Frage der Neutralität getätigt hat – wir kennen sie; hier stimmen wir voll und ganz überein –, und auch jene des Herrn Kollegen Schieder zeigen, daß wir, wie ich meine, schon ein Stückchen weiterkommen können, wenn gerade diese Debatte über die künftige Sicherheitspolitik geführt wird, und wir sollten sie auch während der Präsidentschaft führen. Ich halte es nicht für günstig und gut, wenn diese Debatte jetzt für beendet erklärt wird, sondern wir sollten diese Debatte mit Nachdruck weiterführen, und zwar muß es eine ehrliche Debatte sein, bei der wir auch einmal auf die Argumente der anderen eingehen sollten.

Wenn im Rahmen dieser Debatte beispielsweise die Neutralität in Frage gestellt wird, dann heißt das nicht, daß damit quasi ein verfassungswidriges Verhalten an den Tag gelegt wird, sondern gerade dem Gesetzgeber und uns im Hohen Hause muß es möglich sein, auch über Änderungen der österreichischen Bundesverfassung zu reden. Daher ist auch die Frage der Neutralität als eine sicherheitspolitische Konzeption zu diskutieren, meine Damen und Herren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, wir sollten eine ehrliche Debatte über die europäische Dimension der österreichischen Sicherheitspolitik, über die Frage der Integration der Westeuropäischen Union in die Europäische Union führen. Wir sollten auch ganz ehrlich über einen Beitritt zur NATO diskutieren: Wann, in welchem Ausmaß, in welchem Umfang? Da gibt es die verschiedensten Möglichkeiten, und hier gibt es auch eine Bandbreite, innerhalb der es dann letztendlich zu einem Konsens kommen kann – im Interesse der Sicherheit unseres Landes.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der heute auch angesprochen worden ist. Es ist ein ganz wesentlicher Punkt und die eigentliche Herausforderung Österreichs im Rahmen der EU-Präsidentschaft: Das ist das Krisenmanagement im Kosovo. Meine Damen und Herren! Kosovo wird für die Europäische Union zur Nagelprobe werden. Damit hat auch Österreich eine sehr wesentliche Aufgabe und eine sehr große Verantwortung, und es wird ganz entscheidend von der österreichischen Vorsitzführung abhängig sein, inwieweit die Europäische Union ihrer Verpflichtung auf dem Kontinent entsprechend nachkommt.

Mit Bedauern müssen wir feststellen, daß es in den letzten Jahren, nämlich seit der Aufhebung des Autonomiestatus durch Jugoslawien im Kosovo, nicht gelungen ist, eine Internationalisierung dieses Konflikts herbeizuführen, daß es nicht gelungen ist, jene Kräfte zu stärken, die für eine gewaltfreie Lösung im Kosovo eintreten, daß es bedauerlicherweise auch nicht gelungen ist, die eklatanten Menschenrechtsverletzungen in dieser Region zu beenden.

Ich meine daher, daß es notwendig ist, daß hier mit allem Nachdruck seitens der Europäischen Union Maßnahmen zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts im Kosovo gesetzt werden, und daß es notwendig ist, daß die Bundesregierung im Rahmen dieser Präsidentschaft auch eine entsprechende Unterstützung durch das österreichische Parlament erhält.


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Ich möchte daher einen Entschließungsantrag einbringen, weil ich glaube, daß dieser Entschließungsantrag eine ganz wesentliche Unterstützung für unseren Vorsitz in der Europäischen Union darstellen würde:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hans Helmut Moser, Peter Schieder, Dr. Walter Schwimmer und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Beendigung des Konflikts und zur Durchsetzung der Menschenrechte im Kosovo

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, wird ersucht, sich im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft und insbesondere im Rahmen der EU zur Lösung der Kosovo-Krise für folgende Maßnahmen einzusetzen:

Zur kurzfristigen Beendigung der Krise: Bekräftigung der Forderung nach sofortigem Waffenstillstand und Gewaltverzicht von allen Seiten, Rückzug der jugoslawischen Armee und Spezialpolizei aus den Krisengebieten, freie Fahrt für und Zusammenarbeit mit Hilfskonvois und dem Roten Kreuz sowie der Zulassung permanenter internationaler Beobachter; sofortige Aufnahme von Gesprächen mit allen involvierten politischen Gruppierungen zur Herstellung eines Sonderstatus für den Kosovo einschließlich einer weitgehenden Autonomie im Rahmen der bestehenden internationalen Grenzen; Abschluß der Vorbereitungen zu friedenssichernden und humanitären Maßnahmen und Bereitschaft zu friedensschaffenden Maßnahmen der europäischen oder internationalen Staatengemeinschaft im Kosovo.

Zum langfristigen Schutz und zur Durchsetzung der Menschenrechte: Zurverfügungstellung personeller und finanzieller Ressourcen und politischer Unterstützung für ein umfassendes Monitoring-Programm des Büros der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte; Unterstützung vertrauensbildender Maßnahmen zwischen den Volksgruppen sowie Umsetzung des Hochschulabkommens für den Kosovo; Bekämpfung der Forderung nach Einrichtung eines EU-Büros in Priština; verstärkte politische und finanzielle Unterstützung des Ad-hoc-Tribunals in Den Haag bei Durchführung eines Mandats zur Untersuchung von Vorstößen gegen das Völkerrecht, Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Anhaltung der jugoslawischen Behörden zur Kooperation.

In Wahrnehmung unserer humanitären Verpflichtung: Gewährung von international überwachten vorübergehendem Schutz für Vertriebene aus dem Kosovo, die vor Kriegshandlungen flüchten; keine Abschiebung von Asylsuchenden oder abgewiesenen jugoslawischen Asylwerbern in die Krisenregion, soferne sie nachweislich aus dem Kosovo stammen, bis zu dem Zeitpunkt, wo Rückkehrende nicht mehr von massiven Menschenrechtsverletzungen bedroht sind; Initiierung eines Verteilungsschlüssels für die Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Kosovo zwischen den EU-Staaten, um einen ,Lastenausgleich‘ zu erreichen."

*****

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß wir in Wahrnehmung unserer Verantwortung auf dem Kontinent (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) und in Wahrnehmung unserer Verpflichtung eine derartige Entschließung fassen sollten, und ich ersuche Sie, dem Entschließungsantrag die notwendige Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser soeben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt, wurde geschäftsordnungsgemäß überreicht und wird in die Verhandlung einbezogen.

Meine Damen und Herren! Da es jetzt 15 Uhr ist, unterbreche ich die Debatte zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, weil, wie bereits angekündigt wurde, ein


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Dringlicher Antrag zu diskutieren ist.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Schutz unserer Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie (824/A) (E)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es handelt sich um die dringliche Behandlung des Selbständigen Antrages 824/A (E). Er ist in der Zwischenzeit allen Abgeordneten zugegangen, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

"Die Zahl der bekanntgewordenen Sexualverbrechen gegen Kinder hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Es mußte vor allem anhand einiger entsetzlicher Fälle und einer deutlich steigenden Zahl angezeigter Delikte zur Kenntnis genommen werden, daß die gegen Kinder gerichtete Gewalt mit den derzeit eingesetzten Mitteln offensichtlich nicht wirksam bekämpft werden kann. Nicht nur die körperliche Gewalt im familiären Nahbereich tritt erschreckend häufig und mit steigender Intensität auf, sexueller Mißbrauch ist mittlerweile sogar in gewerbsmäßigem Umfang und mit internationaler Vernetzung anzutreffen. Es wäre daher dringend erforderlich gewesen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die frühzeitige Aufdeckung der Taten zu erleichtern, adäquate Reaktionen des Rechtsstaates auf schwere Verbrechen an Kindern sicherzustellen, das Rückfallrisiko auch durch jahrelange Kontrolle der Täter – so der Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Professor Max Friedrich – zu verringern, die Opfer bestmöglich zu schützen und zu betreuen und eine wirksame Prävention zu ermöglichen.

Die FPÖ hat daher bereits vor längerer Zeit von der Bundesregierung folgendes eingemahnt:

Einrichtung einer zentralen Meldestelle pro Bundesland, an die Ärzte alle Fälle zu melden haben, in denen ein Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht, und die entsprechende Auskünfte an Sicherheitsbehörden, Jugendwohlfahrtseinrichtungen und Ärzte erteilt;

Meldepflicht an den Amtsarzt für alle Personen, die beruflich die Betreuung von Kindern übernommen haben (zum Beispiel Kinderbetreuer, Lehrer, Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Schulärzte), wenn ein begründeter Verdacht physischen, sexuellen oder psychischen Kindesmißbrauchs besteht;

absolute Anzeigepflicht für Behörden, die primär zum Schutz der Kinder eingerichtet sind (Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Kinder- und Jugendanwälte et cetera) für alle an Unmündigen begangenen Straftaten;

Schaffung eines neuen Straftatbestandes der unterlassenen Anzeige für alle Personen, die der Anzeigepflicht unterliegen;

Einrichtung von Sonderabteilungen der Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung der Kinderpornographie, die auch Schein- und Vertrauenskäufe durchführen dürfen;

Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks bei jedem Täter zur leichteren Aufklärung künftiger Delikte;

Strafdrohung von lebenslanger Freiheitsstrafe für schweren Straftaten im Bereich des Kindesmißbrauchs und der Kinderpornographie;

Einführung erhöhter Strafdrohungen für alle Sittlichkeitsdelikte, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen wie etwa zur Herstellung von Kinderpornographie begangen werden;

Einführung eines besonderen Erschwerungsgrundes für die vorsätzliche Begehung von strafbaren Handlungen an Kindern;


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Klarstellung, daß für Vergewaltigungen oder geschlechtliche Nötigungen an Unmündigen dieselben höheren Strafrahmen gelten wie wenn diese Delikte an Erwachsenen in besonders qualvoller Weise begangen werden;

Gleichstellung der Strafdrohung für Vergewaltigung mit Todesfolge mit der für schweren Raub mit Todesfolge (lebenslang);

Erhöhung der Strafobergrenze für geschlechtliche Nötigung von drei auf fünf Jahre (wie bei schwerer Nötigung);

Ausdehnung des Straftatbestandes der Schändung auch auf Opfer männlichen Geschlechts;

Ausdehnung des Tatbestandes des Beischlafs mit Unmündigen auch auf beischlafsähnliche Handlungen (wie bei Vergewaltigung);

Ende der Verjährungsfrist für Delikte an Minderjährigen frühestens zwei Jahre nach der Mündigkeit des Opfers, wenn die Anzeige durch das Opfer erfolgt;

Verschärfung der Strafdrohungen im Bereich des Pornographiegesetzes für alle Formen von Kinderpornographie;

Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Pornographiegesetz für das öffentliche Anpreisen von Sittlichkeitsdelikten an Unmündigen (auch über das Internet);

gesetzliches Verbot vorzeitiger Haftentlassung und bedingter Strafen für Sexualstraftäter an Unmündigen;

bei psychischer Auffälligkeit des Täters, Tatbegehung mit besonderer Grausamkeit, bei Sittlichkeitsdelikten und im Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs. 1 oder 2 StGB): Verbot aller Hafterleichterungen, die mit einem unbeaufsichtigten Entfernen aus der Haftanstalt beziehungsweise dem unbeaufsichtigten Kontakt mit anstaltsfremden Personen verbunden sind und Bindung der Einleitung des Entlassungsvollzuges an eine vorhergehende gründliche Begutachtung durch anstaltsfremde Sachverständige und an eine darauffolgende gerichtliche Entscheidung, für die auch die anstaltsinternen Erfahrungen mit dem Häftling heranzuziehen sind; wenn das Risiko der Begehung weiterer Straftaten gegeben zu sein scheint oder wenn eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt und die Tat mit besonderer Grausamkeit begangen wurde, hat die Entscheidung sich am Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu orientieren;

lebenslange Führungsaufsicht nach der Haftentlassung für alle Personen, die wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt wurden (regelmäßige Meldungen bei den Sicherheitsbehörden; dauernde Überwachung und Kontrolle der Therapie; Verbot aller Tätigkeiten, die den Täter mit Kindern in Kontakt bringen würden; nötigenfalls elektronische Kontrolle des Aufenthalts und Bekanntgabe der Vorstrafe bei Nachbarn);

erweiterte Rechte des Opfers im Strafverfahren (Einbindung des Opfers als Prozeßpartei neben dem Staatsanwalt unabhängig von zivilrechtlichen Ansprüchen; Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren als Regelfall; umfangreichere und präzisierte Informationsverpflichtung des Gerichtes gegenüber dem Opfer; Berechtigung zum Einbringen von Beweisanträgen; volle Akteneinsicht; Beigebung eines kostenlosen Verfahrenshilfeanwalts bei schwieriger Sach- und Rechtslage ohne Bezugnahme auf die finanziellen Verhältnisse des Opfers; volles Berufungsrecht; Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche auch in freisprechenden Urteilen; vorläufige Entschädigung durch eine vor den Zivilgerichten bekämpfbare Festlegung des Strafgerichtes nach billigem Ermessen; bevorzugte Wiedergutmachung aus der Arbeitsvergütung des Täters in Strafhaft);

Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson bei jedem Behördenkontakt des Opfers;

Klarstellung, daß minderjährige Opfer in der Regel nicht direkt im Gerichtssaal vernommen werden sollen;


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weitestgehende Einschränkung der Zahl der Einvernahmen minderjähriger Opfer; Vernehmung nur durch erfahrene und psychologische geschulte Personen;

bevorzugte rasche Abwicklung der Strafverfahren, um das Opfer zu schonen;

prinzipielle Wegweisung des Täters aus dem Familienverband zum Schutz des unmündigen Opfers;

Soforthilfe für das Opfer durch unmittelbar nach der Anzeige einsetzende Therapie und Betreuung auf Kosten des Täters (staatliche Vorfinanzierung);

Ausweitung der Leistungen des Verbrechensopfergesetzes zur Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen über das Versorgungsniveau der Krankenversicherung hinaus, zur Gewährleistung einer fairen Berechnung des künftigen Verdienstentganges und zur Übernahme der Schmerzensgeldansprüche;

verstärkte Anonymisierung des Opfers und seiner Lebensumstände in der medialen Berichterstattung;

verpflichtende Aufklärung und Warnung der Bevölkerung durch die Medien zu den bestmöglichen Sendezeiten analog zur AIDS-Aufklärung und

verstärkte Warnung der Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kindergärten.

Die Bundesregierung hat jedoch bisher keine einzige wirksame Maßnahme zum Schutz der Kinder getroffen: So wurde bisher weder die versprochene Ausdehnung der Verjährungsfrist für Kindesmißbrauch noch die Änderung der Strafdrohung für beischlafähnliche Handlungen oder die erweiterte Anwendung der schonenden Vernehmung verwirklicht. Die Koalitionsparteien konnten sich in zahlreichen Fragen offenbar nicht einmal auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Erste einschlägige Maßnahmen, die im Entwurf zum Strafrechtsänderungsgesetz 1998 enthalten waren, wurden im Justizausschuß erst kürzlich weiter aufgeschoben. Der Verdacht liegt nahe, daß sie die Bedrohung der Kinder nicht ernst nehmen.

Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, wieviel von den Ankündigungen des Bundeskanzlers Mag. Klima zu halten ist, wenn er etwa in der Debatte zur Dringlichen Anfrage vom 26. Feber 1998 zum Thema Otto Mühl, in der aus gegebenem Anlaß die Bekämpfung des Kindesmißbrauchs im Vordergrund stand, folgendes ausführte:

,Ich glaube, daß es wichtig ist, hier zu erwähnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß erfreulicherweise ein starker Anstieg der Zahl von Anzeigen in diesem Deliktsbereich, im Deliktsbereich gegen die Sittlichkeit zu verzeichnen ist. Das bedeutet, daß es dafür in der Gesellschaft größere Sensibilität und auch eine höhere Bereitschaft gibt, Anzeige zu erstatten, wodurch die Dunkelziffer verringert wird. Dies versetzt uns in die Lage, vermehrt Maßnahmen im Sinne der Opfer durchzuführen.‘

Der Bundeskanzler hat in dieser Debatte aber auch folgendes versprochen:

,Das Innenministerium hat bereits vor einem Jahr konkrete Maßnahmen für ein sauberes Internet ergriffen. Es wurde eine Meldestelle eingerichtet, die selbst nach bedenklichen Inhalten sucht, aber bei der auch ganz bewußt die Information über kinderpornographische Darstellungen oder extremistische Inhalte von jenen, die das selbst finden, die draufkommen, angezeigt werden kann. Diese Inhalte werden dann den Strafverfolgungsbehörden oder über die Interpol den örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden weitergemeldet. Die Anbieter, die Provider können beziehungsweise müssen entsprechende Schritte zur Selbstkontrolle ergreifen ...‘

Nach der bereits erfolgten Erhöhung der Strafdrohung sind im Strafgesetzbuch derzeit keine weiteren Schritte geplant, aber die Bundesregierung wird konsequent gegen jede Form der Verherrlichung von Gewalt und Pornographie in den Medien auftreten.‘

All diese Versprechen sind unglaubwürdig:


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Nicht nur, daß die Bundesregierung, wie bereits dargestellt, keinerlei Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch getroffen hat, es liegt offenbar auf der Linie dieser
Bundesregierung, Pornographie sogar noch zu fördern.

So hat diese Bundesregierung die bekannte Fäkalkunst des Cornelius Kolig finanziell gefördert,

sie hat pornographische und kinderfeindliche Darstellungen im Biennale-Katalog finanziell gefördert,

sie hat es zugelassen, daß das Burgtheater und das Museum für angewandte Kunst dem rechtskräftig verurteilten Kinderschänder Otto Mühl als Bühne für seine Selbstdarstellung dienen konnten,

sie hat es zugelassen, daß in der Wiener Secession pornographische Darstellungen des Otto Mühl gezeigt wurden,

und sie unterstützt Vereine, die im Internet harte pornographische Inhalte verbreiten.

Diese ungeheuerlichen Tatsachen können nur mit der jahrelangen staatlichen Förderung des ,TATblattes‘ verglichen werden, jener Zeitschrift, in der offen zur Gewalt aufgerufen wurde und zu deren finanzkräftigen Gönnern auch Bundesminister Dr. Einem zählte.

Vor diesem Hintergrund kann auch die im Hauptausschuß des Nationalrates getroffene Ankündigung von Vizekanzler Dr. Schüssel, Österreich werde im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft die Frage der Kinder als Spezialthema in den Vordergrund rücken, es gelte auf internationaler Ebene den Kampf gegen die Ausbeutung von Kindern durch Kinderarbeit und sexuellen Mißbrauch zu führen, nicht als ernsthaftes Arbeitsprogramm gesehen werden, sondern lediglich als Abschieben lästiger Probleme auf die europäische Ebene. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten jedoch gerade in diesem Bereich – durch zahlreiche Fälle sensibilisiert – ein energisches Vorgehen der Verantwortlichen.

Hiebei übersieht die Bundesregierung: Wer nichts macht, wer schweigt, wer duldet, stimmt zu! Wann reagieren Sie endlich, Herr Bundeskanzler?!

Da sich der Bundeskanzler auch in der Frage härterer Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie wieder einmal mehr als bloßer Ankündigungskanzler erweist, dessen wortreichen Ankündigungen keine Taten folgen (zum langen Ankündigungsreigen des Bundeskanzlers siehe Kurier vom 7. Juli 1998) stellen die unterfertigten Abgeordneten gemäß § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR folgenden

Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich

alle erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Kindesmißbrauch und Kinderpornographie zu treffen,

alle geeigneten Schritte zu ergreifen, um jede Form der Verherrlichung von Gewalt und Pornographie in den Medien zu unterbinden und

darüber hinaus sicherzustellen, daß Personen, Organisationen und Medien, die Pornographie und pornographische Darstellungen aller Art herstellen, zeigen, anpreisen, verherrlichen oder auf andere Art und Weise zugänglich machen oder unterstützen, von jeder Förderung aus öffentlichen Mitteln ausgeschlossen sind."

*****


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Ich erteile jetzt Frau Abgeordneter Dr. Povysil als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Die Redezeit darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.01

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Noch immer haben Kinder bei uns absolut keinen Vorrang. Die Zahl der angezeigten und der bekanntgewordenen Sexualverbrechen hat in den letzten drei Jahren um 100 Prozent zugenommen. (Abg. Dr. Fekter: Gott sei Dank hat sie zugenommen! Früher sind sie vertuscht worden!)

Meine Damen und Herren! Wir alle gehen bald in die Ferien. Alle unsere Kinder gehen möglicherweise bald in Ferienlager. Ich weiß nicht, Frau Abgeordnete Fekter – Sie sind vielleicht auch am Weiterkommen Ihres Kindes in einem Ferienlager interessiert –, ob Sie eine der letzten Pressemeldungen gehört haben: Da hat wiederum der Leiter eines Kinderlagers zugegeben, daß er 20 Buben im Alter von neun bis zwölf Jahren sexuell mißbraucht hat.

Das heißt, die Anzahl der sexuellen Straftaten erhöht sich und nimmt massiv zu. Was aber bleibt absolut gleich? – Absolut gleich bleibt die Zahl der Verurteilungen!

Meine Damen und Herren! Die Kindheit, sagt Professor Friedrich, ist bedroht wie niemals zuvor. Das Kind ist ganz einfach Verfügungsobjekt geworden: Kinder werden vermarktet, Kinder werden erotisiert, ihre Körper werden zum Konsum freigegeben.

Meine Damen und Herren! Sexueller Mißbrauch ist mittlerweile ein lukrativer Geschäftszweig geworden. Na klar: Die Kinder lassen ja alles mit sich machen und wissen gar nicht, was wirklich von ihnen verlangt wird! Sie werden vor den Produktionen entsprechend präpariert, sie werden als Lolitas hergerichtet. Sie werden mit Drogen vollgepumpt, damit sie nicht wirklich eine Wahrnehmung davon haben, was mit ihnen passiert. Sie dulden zum Beispiel, daß ein älterer Mann mit ihnen Oralverkehr hat. Sie onanieren vor einer Kamera und wissen gar nicht, was da wirklich passiert. Sie werden in ihrem Sexualverhalten so verunsichert, daß sie alles mit sich machen lassen. – So ist das heutzutage mit Kindern. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was tatsächlich die verschiedenen Stadien der Kinderpornographie sind: Es gibt Kinderpornographie, da werden einfach Filme und Aufnahmen am Strand gemacht. Es gibt sogenannte Vater-Mutter-Kind-Videos, in denen die familiäre Situation so nachgespielt wird, wie es den Produzenten gefällt. Es gibt aber auch etwas, von dem ich nicht weiß, ob Ihnen das wirklich bewußt ist: Es gibt die sogenannten "Snuff-Videos". Meine Damen und Herren! "Snuff-Videos" sind Videos, für die Kinder zuerst mißbraucht, gequält und schließlich getötet werden. Auch diese sind am Markt erhältlich.

Kinder werden getötet! Sie werden aber nicht nur bei diesen Videos getötet, nein, sie werden auch beim sexuellen Mißbrauch getötet. Ich kann nicht aufhören, immer von neuem zu wiederholen: Sexueller Mißbrauch ist Mord, meine Damen und Herren! Es ist Mord an der kindlichen Seele. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie alle das nicht endlich erkennen, wenn weiterhin den Kindern keine Bedeutung zugemessen wird und wenn sie weiterhin keinen Vorrang haben, dann haben auch wir keine Zukunft, dann haben auch Sie keine Zukunft!

Wir sind daher mit einem Maßnahmenkatalog an die Regierung herangetreten. Wir haben mit einem solchen Katalog bereits einige Male versucht, die Regierung zu Maßnahmen zu bewegen. Dieser Maßnahmenkatalog enthält viele Regelungen, zum Beispiel das Einrichten von Meldestellen – es wird die Melde- und die Anzeigepflicht besser geregelt –, zum Beispiel das Strafausmaß – das Strafausmaß wird verstärkt und exakter definiert –, vor allem aber – das ist für uns ein besonders wichtiger Punkt – ist die lebenslange Führungsaufsicht für Täter vorzusehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wir wissen, daß diese Täter Wiederholungstäter sind – diese Täter werden zu 80 Prozent rückfällig! Eine solche Maßnahme der lebenslangen Führungsaufsicht – die Täter müssen beaufsichtigt werden, sodaß man weiß, was sie in weiterer Folge tun und wo sie künftig leben – ist bereits Gesetz in England.

Wir haben aber auch etwas gefordert, was in der letzten Regierungsvorlage wieder zum Scheitern verurteilt wurde: Wir haben die Rechte des Opfers eingefordert. Wir haben die Rechte des Opfers im Strafverfahren eingefordert, wir haben die Rechte des Kindes bei der Einvernahme eingefordert und zu stärken versucht, meine Damen und Herren, wir haben versucht, zu erreichen, daß das Kind bei der Einvernahme noch einigermaßen intakt für sein späteres Leben wegkommen kann. Wir haben Soforthilfe gefordert. Wir haben eine rasche Abwicklung des Strafverfahrens gefordert. Wir haben eine Ausweitung des Verbrechensopfergesetzes gefordert. – Aber nichts ist geschehen. Keine von unseren Forderungen ist bis jetzt erfüllt worden!

Wo bitte liegt am ehesten unsere direkte Chance? – Diese liegt am ehesten wohl nur in den Kindern selbst! Es war uns daher besonders wichtig, in unserem Maßnahmenkatalog verpflichtende Aufklärung für die Kinder zu fordern. Denn die Kinder müssen wir lehren, wie sie eigenverantwortlich und kritisch nicht nur nein sagen, sondern nein und ja zu den Dingen sagen können, die für sie in Frage kommen. Sie müssen wirkliche Eigenverantwortlichkeit haben, sie müssen der Raffinesse des Täters entkommen, sie müssen wissen, was auf sie zukommt, damit sie entscheiden können, wie sie ihr Leben weiter verbringen oder wie sie den Tätern entgegnen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was, bitte, ist bis jetzt von seiten der Regierungsparteien in dieser Sache geschehen? – Es ist geradezu unglaublich! Im Justizausschuß wurde die Regierungsvorlage zur Novellierung des Sexualstrafrechts einfach abgesetzt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ungeheuerlich!) Meine Damen und Herren! Kinder haben keinen Vorrang bei uns! (Abg. Dr. Haider: In Europa spielen wir uns groß auf und die Kinder schützen wir nicht! – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. ) Hier herunten am Rednerpult reden Sie groß, in der EU reden Sie groß über Kinderrechte. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber kaum ist eine Regierungsvorlage – die ohnehin nur Minimalforderungen erfüllt, Frau Abgeordnete! – im Ausschuß, wird sie abgesetzt. (Abg. Dr. Haider  – in Richtung der Abg. Dr. Fekter –: Sie sind die Vorsitzende!)

Sie – die Abgeordneten von der Sozialdemokratie und von der ÖVP – konnten sich nicht einmal auf zwei Dinge einigen: nicht einmal auf die Verjährungsfrist und nicht einmal auf die schonende Vernehmung von Kindern. Worin liegt bitte eine Schwierigkeit für die Einigung darüber, daß Kinder in einem Sexualstrafrechtsprozeß schonend einvernommen werden? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da fehlt es am letzten Rest von Zivilcourage! Da wundert es mich überhaupt nicht mehr, daß ein Kind auf dem Flur eines Gemeindebaus geprügelt wird und keine einzige der Türen aufgeht, wenn nicht einmal eine Regierungsvorlage mit zwei solchen Minimalforderungen im Ausschuß durchgeht. Da arbeitet man mit einer Scheinheiligkeit sondergleichen, und hier herunten wird dann groß von Kinderrechten geredet. Überhaupt kein Recht haben sie, abgesetzt werden sie, vergessen werden sie!

Aber ein Cornelius Kolig mit seiner Fäkalkunst wird subventioniert und gefördert! Aber ein Biennale-Katalog mit Kindesmißbrauchsszenen ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Fäkalkunst, das lieben die Sozialisten!) Ja, der wird gefördert, es ist unglaublich!

Otto Mühl bekommt die Bühne für die Verhöhnung seiner Opfer, und in der Wiener Secession bekommt er eine Ausstellung. Meine Damen und Herren! Ich habe nur zwei Worte für diese Ausstellung: ekelerregend und lächerlich. Mehr kann man dazu nicht sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum wird das subventioniert? Warum – so frage ich Sie – wird das subventioniert und die Regierungsvorlage abgesetzt? – Herr Minister (in Richtung des Bundesministers Dr. Bartenstein), Sie haben Familie, Sie können mir das erklären. Herr Staatssekretär! Sie sind in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers da, ich hoffe, Sie können mir das erklären. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Des


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halb wird die Kunst Chefsache!)

Das kann wirklich nur mit der Tatsache verglichen werden, daß auch von Bundesminister Einem das "TATblatt" als Aufforderung zu Gewalt für lange Zeit subventioniert wurde. Das ist offensichtlich die Subventionspolitik der Regierungsparteien. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was ist es, was mich in meinen Ausführungen wirklich am meisten bewegt? – Wir haben über Cornelius Kolig, über den Biennale-Katalog, über den Mühl, über alle diese Dinge bereits mehrmals debattiert. Ich habe von vielen Abgeordneten aus allen Fraktionen die Meinung gehört, daß diese Subventionen wirklich unsinnig und unglaublich sind. Ich habe auch von vielen Abgeordneten aus vielen Reihen immer wieder gehört, daß ihnen Kinder wirklich wertvoll und wichtig sind. Wie gesagt, niemand versteht das.

Auch der Bundeskanzler hat in einer seiner Reden Maßnahmen zugunsten der Opfer versprochen. Er hat sogar ganz konkrete Maßnahmen zugesagt, nämlich Maßnahmen für ein sauberes Internet. Wir werden eine Meldestelle einrichten, hat er gesagt. Wir werden die Informationen, die an diese Meldestelle weitergegeben werden, strafrechtlich verfolgen, hat er gesagt.

Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sie sind mit mir doch sicherlich einer Meinung, daß man Kinder nur dann schützen kann, wenn man ihnen wirklich eine selbstbewußte, kritische Erziehung gibt und ein normales Sexualverhalten zeigt. Sie sind da meiner Meinung, nehme ich an. Warum aber, so frage ich, unterstützt dann die Regierung Vereine, die härteste pornographische Inhalte im Internet anbieten? – Es ist geradezu unglaublich! Wie sollen sich unsere Kinder da orientieren? (Abg. Dr. Haider: Das ist subventioniert?)

Regierungsvorlagen werden abgesetzt, und dann werden pornographische Inhalte, härteste Hardcore-Pornographie von der Regierung unterstützt? (Abg. Dr. Haider: Ungeheuerlich! – Abg. Scheibner: Skandalös!) Wissen Sie das, Herr Minister? Wissen Sie, daß im Jahr 1996 für diese Vereine 900 000 S an Subventionen geflossen sind? Können Sie mir das im gesamten Konnex des Kindesmißbrauchs, der uns alle betrifft, in irgendeiner Weise erklären? – Es ist mir geradezu unvorstellbar.

Herr Staatssekretär! Jetzt sagen Sie mir bei dieser Politik: Kann da aus unseren Kindern jemals das werden, was wir uns alle wünschen, nämlich fröhliche, selbstbewußte, eigenverantwortliche Kinder? – Erklären Sie mir das bitte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich nun – in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers – Herr Staatssekretär Dr. Wittmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt verlassen Sie den Sitzungssaal, von SPÖ und ÖVP! Das ist Ihnen fad!)

15.13

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht einmal Ihnen hören sie zu!) Es steht ein Dringlicher Antrag der FPÖ zum Thema "Schutz der Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie" zur Debatte. Erlauben Sie mir einige Anmerkungen zur Antragsbegründung und zu diesem sehr ernsten Thema an sich, bevor ich auf den Antrag selbst eingehe.

Meine Damen und Herren! Das Thema des Kindesmißbrauchs ist für die Bundesregierung viel zu wichtig, als daß ich hier auf die Parteipolitik oder Polemik Ihrer Seite eingehen möchte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Sie reden jedesmal das gleiche! – Abg. Scheibner: Eine Frechheit ist das!) Der Mißbrauch von Kindern ist eine schreckliche Erfahrung für das Opfer und für die Angehörigen, er ist ein schwerwiegendes Problem für die gesamte Gesellschaft. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: Das steht Ihnen nicht zu! Ungeheuerlich!)

Die Bundesregierung hat ein 25-Punkte-Programm beschlossen, um den Mißbrauch von Kindern mit aller Kraft zu bekämpfen. Die Bundesregierung arbeitet an der Umsetzung dieses Maßnahmenkataloges. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wo ist der Bundeskanzler?) Einige wichtige Punkte


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sind bereits umgesetzt worden: Ich nenne nur das Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson und die Errichtung von weiteren Interventionsstellen. Dabei handelt es sich letztlich aber um eine Aufgabe, die die gesamte Gesellschaft betrifft.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Es handelt sich dabei mit Sicherheit nicht um eine Angelegenheit, die man parteipolitisch ausschlachten sollte. (Abg. Jung: Dann tun Sie doch was!) In diesem Sinne hat der Justizminister ein Strafrechtsänderungsgesetz vorgelegt, in dem unter anderem eine Verlängerung der Verjährungsfrist, eine schärfere Bestrafung und eine Ausdehnung der schonenden Vernehmung vorgesehen sind. (Abg. Jung: Das ist ein alter Beschluß! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich bin davon überzeugt, daß die notwendigen Maßnahmen auch beschlossen werden.

Aber die Regierung ist in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen. Die kostenlose Verbrechensopferberatung wurde eingerichtet, und besondere Vorkehrungen zur schonenden Vernehmung von Verbrechensopfern wurden getroffen. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Prävention derartiger Verbrechen. Darin liegt bereits derzeit der Schwerpunkt der Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden einerseits und privaten Opferschutzeinrichtungen andererseits. In Österreich bestehen Beratungseinrichtungen und Frauenhäuser, die immer stärker zu natürlichen Verbündeten der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Gewalt in der Familie werden.

In diesem Zusammenhang wurden auch spezielle Interventionsstellen eingerichtet, um die Zusammenarbeit zu institutionalisieren. Ein Präventionsbeirat wurde gegründet, um weitere Vorschläge zur besseren Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und anderen Einrichtungen zu erstatten. Darüber hinaus wurde eine Notrufnummer eingerichtet, um Kindern in Not schnell und formlos helfen zu können.

Darüber hinaus wurden Maßnahmen für ein sauberes Internet ergriffen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Eine eigene Meldestelle beim Innenministerium für kinderpornographische Inhalte wurde bereits im Februar 1997 eingerichtet. Diese Inhalte werden auch konsequent zur Anzeige gebracht. (Abg. Mag. Stadler: Das werden wir Ihnen heute noch zeigen! Gefördert habt ihr es!)

Meine Damen und Herren! Kindesmißbrauch und Kinderpornographie sind ein internationales Problem, das die Bundesregierung daher auch auf dieser Ebene bekämpft. Die österreichischen Maßnahmen gegen Gewalt in der Gesellschaft sind bereits Vorbild für die Europäische Union und die Vereinten Nationen. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ein Witz!) So wird zum Beispiel das österreichische Modell der Präventionsarbeit in der Exekutive, konkret die speziellen Schulungen der Exekutivbeamten, von anderen Ländern übernommen. Darüber hinaus engagiert sich Österreich auch im Rahmen spezieller EU-Initiativen zur Bekämpfung von Gewalt an Kindern.

Konkrete Beispiele: Im Rahmen von STOP, dem EU-Programm gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, werden österreichische Projekte zur Bekämpfung sexueller Ausbeutung finanziert. Im Jänner dieses Jahres hat eine Konferenz des europäischen Netzwerks zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Kindern in Wien stattgefunden, von der weitere Impulse zur europaweiten Bekämpfung und Prävention von Gewalt ausgehen werden. Auch im Rahmen der DAPHNE-Initiative der EU, einem Programm zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Kindern, werden konkrete Maßnahmen von NGOs zum Schutz vor Gewalt und vor allem vor sexuellem Mißbrauch von Kindern unterstützt.

Was die Medien betrifft, darf ich zunächst an die geltende Rechtslage erinnern. Im Rundfunkgesetz ist normiert, daß alle Sendungen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten müssen, auch dürfen die Sendungen nicht zu Haß aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion und Nationalität aufreizen. (Abg. Jung: Aber in Ausstellungen dürfen sie!)

Des weiteren wird in Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" geregelt, daß im Fernsehen keine Programme enthalten sein dürfen, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können, insbesondere nicht solche, die Pornographie oder grundlose Gewalttätigkeiten zeigen. Weiters ist bei Fernseh


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sendungen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, durch die Wahl der Sendezeit dafür zu sorgen, daß diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden. Die neue Fernsehrichtlinie, die bis Ende dieses Jahres in das nationale Recht umgesetzt wird, sieht außerdem eine besondere Kennzeichnungspflicht derartiger Sendungen vor.

Die gleichen Regelungen gelten auch für private Fernsehveranstalter. (Abg. Dr. Krüger: Gibt es seit ’89!) Aus der ständigen Spruchpraxis der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes zeigt sich, daß gerade diese Bestimmungen von der zuständigen Aufsichtsbehörde mit großer Sorgfalt überwacht werden. (Abg. Dr. Krüger: Sie haben alles verschlafen!)

Das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz sieht neben der Überwachung durch die entsprechende Aufsichtsbehörde Verwaltungsstrafen für Rundfunkveranstalter vor, die gegen diese Gebote verstoßen. (Abg. Dr. Povysil: Sie erzählen Märchen!)

Zum Bereich des Internets erinnere ich daran, daß die Problematik um die Nutzung der neuen Dienste nur international geregelt werden kann. Dort, wo ein Tatbestand auf österreichischem Boden gesetzt wird, weiß ich, daß die österreichischen Sicherheits- und Justizbehörden alles tun, um diesen Vorgängen Einhalt zu gebieten. (Abg. Dr. Salzl: Sie haben derartige Vereine gefördert!)

Meine Damen und Herren! Repressive beziehungsweise strafrechtliche Maßnahmen sind ein wesentlicher Bestandteil der Bekämpfung des Kindesmißbrauchs, und wir müssen hier die notwendigen Änderungen herbeiführen. (Abg. Dr. Krüger: Frau Fekter bringt leider nichts weiter!) Ich warne jedoch davor, in derartigen Maßnahmen das einzige und ausreichende Mittel zur effektiven Mißbrauchsbekämpfung zu sehen. Wir müssen als verantwortungsbewußte Bürger in dieser Gesellschaft darauf achten, daß insbesondere das Dunkelfeld des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in der Familie, im sozialen Nahraum und in bestimmten Autoritätsverhältnissen aufgehellt wird. Dazu bedarf es weiterer Aufklärungsmaßnahmen. Es bedarf neben strengen Strafen der Unterstützung und Betreuung der Opfer.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe gerade ausgeführt, aus welchen Gründen sich dieses Thema sicherlich nicht für parteipolitische Polemik und schon gar nicht für verleumderische Unterstellungen eignet. (Abg. Dr. Krüger: Ein Diskussionsverbot ist erlassen worden!)

Zur angeblichen Förderung von Pornographie durch die Kunstförderung lassen Sie mich folgendes sagen: Grundsätzlich ist die Unterstellung, daß durch die Bundesregierung Pornographie oder Gewalttätiges besonders gefördert wird, aufs äußerste zurückzuweisen. Ich verwahre mich gegen derartige Unterstellungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Krüger: Die Förderung ist zurückzuweisen!)

Meine Damen und Herren! Es ist nahezu lächerlich, der Bundesregierung zu unterstellen, daß eine Förderung der Pornographie stattfindet. (Abg. Dr. Salzl: Das ist nicht lächerlich, sondern das ist ein Faktum!) Ich verwahre mich aufs ausdrücklichste dagegen! Ich habe auch Familie und würde mich keinem anderen Abgeordneten gegenüber für derartige Unterstellungen hergeben. Sie sollten Ihre Ausdrucksmittel wirklich gezielter wählen, denn ich glaube, daß mit Unterstellungen diesem Thema sicherlich nicht gedient ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Es ist nicht Ihre Aufgabe, Zensuren zu verteilen! Sie haben zu antworten!)

Ich möchte aber auch ausdrücklich festhalten, daß die Zeiten zum Glück vorbei sind, in denen der Staat festgelegt hat, was Kunst ist und was nicht Kunst ist. (Abg. Mag. Stadler: Sie werden heute noch staunen! Das ist noch harmlos! Ziehen Sie sich warm an! Sie werden heute noch einiges erleben!) Ich darf nur an einige Fälle in der Kunstgeschichte erinnern. Der Ihnen wohl bekannteste und auch in unmittelbarer Nähe mit einer Ausstellung bedachte ist Egon Schiele. (Abg. Dr. Krüger: Das hat sich Schiele nicht verdient!) Ich glaube, daß wir sehr gut beraten sind, wenn wir uns bei der Beurteilung von Kunst auf das Urteil von Fachleuten verlassen und nicht hier auf Zuruf den staatlichen Eingriff erwarten.


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Ich kann Ihnen aber versichern, daß wir derartige Inhalte, deren Förderung uns zur Last gelegt worden ist, nicht fördern. Ich verwahre mich nochmals ausdrücklich dagegen, insbesondere auch als Familienvater, der einem anderen Familienvater niemals unterstellen würde, daß er so etwas fördert. (Abg. Scheibner: Aber Sie tun es ja!) Ich erachte diese Art von Politik als zu tief für dieses Haus! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ungeheuerlich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich festhalten: Wir sollten uns davor schützen (Abg. Aumayr: Kinder sollten wir schützen!) beziehungsweise davon Abstand nehmen, Kunst und Gewalt gegen Kinder in einen Topf zu werfen und darauf parteipolitische Polemik aufzubauen. (Abg. Mag. Stadler: Sie sind noch jämmerlicher, wenn Sie frei reden! Lesen Sie wieder!) Ich finde es beschämend, Kindesmißbrauch im Zusammenhang mit Kunst zu erwähnen, um hier irgendwelche parteipolitischen Propagandasprüche anzubringen. (Abg. Mag. Stadler: Noch jämmerlicher! Lesen Sie weiter!)

Kindesmißbrauch ist und bleibt eine Form der Menschenrechtsverletzung, die zutiefst zu verurteilen ist, die in keiner Gesellschaftsform einen Platz zu finden hat und die auf das strengste bestraft gehört! Unter diesen Prämissen handelt die Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Setzen Sie sich nieder, das ist gescheiter! – Abg. Mag. Stadler: Setzen! Nicht genügend! Da applaudieren nicht einmal alle von der SPÖ!)

15.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als erster Debattenredner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Kein Debattenbeitrag darf 10 Minuten überschreiten. – Bitte.

15.23

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Unsere Fraktionskollegin Povysil hat nachgewiesen, daß es der Bundesregierung trotz zahlreicher Ankündigungen bis heute nicht gelungen ist, wirksame Maßnahmen zum Schutze unserer Kinder zu treffen. Das ist ein Faktum.

Dafür ist es aber offenkundig, daß Sie bis heute – und Sie haben es am heutigen Tag wieder versucht – verteidigende Worte finden, wenn es um die nachweislich von Ihnen geförderten Künstler wie etwa Cornelius Kolig oder Otto Mühl – mit all dem, was wir in dessen Wirkungsbereich erlebt haben – oder wenn es um die Förderung des österreichischen Beitrags zur Biennale 1997 geht.

Offenbar sind Sie – Sie besonders, Herr Staatssekretär! – immer noch der Meinung, daß sich "mutige" Literatur durch obszöne Wörter und daß sich "mutige" Malerei durch Perversion und Aktionismus durch Ferkeleien definiert. Ich glaube, das ist Ihre Meinung! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diesen Eindruck muß man angesichts all dessen, was Sie im Zusammenhang mit diesen Vorfällen in den letzten Jahren gesagt haben, immer mehr gewinnen. (Abg. Müller: Nicht so laut!)

Deshalb waren wir überrascht und erfreut, als Bundeskanzler Klima am 26. Februar 1998 – ich kann mich erinnern: wild entschlossen, jetzt endlich Taten zu setzen – sich wie folgt geäußert hat – ich zitiere –: "Das Innenministerium hat bereits vor einem Jahr konkrete Maßnahmen für ein sauberes Internet ergriffen. Es wurde eine Meldestelle eingerichtet, die selbst nach bedenklichen Inhalten sucht, aber bei der auch ganz bewußt die Information über kinderpornographische Darstellungen oder extremistische Inhalte von jenen, die das selbst finden, die draufkommen, angezeigt werden kann. Diese Inhalte werden dann den Strafverfolgungsbehörden oder über die Interpol den örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden weitergemeldet." – Merken Sie sich gut, Herr Staatssekretär, was ich Ihnen da vorgelesen habe. Bitte merken Sie sich das gut!

Es gibt nämlich auch Staatsbürger, die sich nach dem Motto "Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser" ins Internet eingeklinkt und geprüft haben, ob das Innenministerium seinen Aufgaben – wie vom Bundeskanzler angekündigt – tatsächlich nachkommt. Ich sage Ihnen, Herr Staatssekretär: Einer dieser Staatsbürger ist fündig geworden.


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Gefunden hat er – hören Sie gut zu! – unter "Public Netbase t0 Media~Space!", übrigens zu Hause im Museumsquartier, Museumplatz 1, 1070 Wien, diesen Veranstaltungskalender, Herr Staatssekretär! (Der Redner hält einige zusammengeheftete Blätter in die Höhe und liest daraus vor.) "sex.net – sex, lies, and the internet", Sex-Festival im Internet. Da wird eine Reihe von Veranstaltungen angekündigt, unter anderem mit Vorbehalten wie: "Einige Videos enthalten extreme Szenen. Nur für Menschen mit guten Nerven und ab 18 Jahre" geeignet.

Es folgen Hinweise auf eine Unzahl von Veranstaltungen: am 7., 14., 15. und 16. Mai – ich werde sie Ihnen dann geben –, in denen es tatsächlich nur um harte Pornographie geht, Herr Staatssekretär! "A fun web-sex workshop" zum Beispiel; ich kann Ihnen dann einiges daraus zitieren.

Es wurde uns einiges an Kostproben aus diesem "sex.net" übermittelt: "These hardcore streaming video feeds are enough to blow your socks off!" – Herr Bundesminister! Schauen Sie sich das an! Es wird Sie aus den Socken hauen, wenn Sie sich einmal anschauen, was da alles über das Internet, das Sie so sauber gemacht haben, zugänglich ist! Frei zugänglich für alle, für alle User, auch für die Kinder, Herr Staatssekretär!

Einige Kostproben: "Do order your membership now!" (Abg. Dr. Brinek: Entschuldigen Sie! Wie wollen Sie das Internet überprüfen?)  – Einen Moment, wir kommen darauf zurück, Frau Kollegin Brinek! – Die "Fetish-Diva" kann man in allen möglichen Situationen über Internet abrufen und allerhand lernen.

Weiters gibt es einen bemerkenswerten Hinweis, Herr Staatssekretär, und jetzt wird es spannend! "Support of and Cooperation with Cultural Institutions and Initiatives: ... KUNSTHALLE wien, Museumsquartier Errichtungs- und Betriebs GmbH. ... Museum für Angewandte Kunst MAK, Wiener Secession" (Abg. Mag. Stadler: Die Gehrer! Ihre Gehrer, Frau Brinek!), "Werkstätten- und Kulturhaus WUK, Österreichisches Kultur Service ÖKS, Global 2000" finden sich darunter, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schämen Sie sich!)

Aber was dann kommt, Herr Staatssekretär, das schlägt dem Faß den Boden aus: "... supported by: Bundeskanzleramt – KUNST Bundeskurator Wolfgang Zinggl"! Sind das Ihre Maßnahmen für ein sauberes Internet, Herr Staatssekretär? Indem Sie das subventionieren, was ich Ihnen gerade gezeigt habe? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Das ist subventioniert? – "Pfui!"-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Sind das Ihre Maßnahmen für ein sauberes Internet? Sind das Ihre Maßnahmen, Herr Staatssekretär? (Abg. Dr. Haider: Das ist eine Schweinerei, sonst gar nichts! Mit Steuergeldern subventionieren und dann groß reden, daß man die Kinder schützt!) Ich zitiere aus dem Kunstbericht 1996, Kuratorenbericht Stella Rollig: "t0 – Public Netbase" – das ist dieses hier (der Redner hält die zuvor zitierten Blätter in die Höhe)  –, "Verein t0 – Institut für neue Kulturtechnologien, Wien", Gesamtförderungen 900 000 S, 1996 320 000 S und 100 000 S. Herr Staatssekretär! Sie haben das gefördert! Ist das Ihre Vorstellung vom sauberen Internet, Herr Staatssekretär? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sind das Ihre Maßnahmen für ein sauberes Internet?

Ich glaube, das, was Sie von wegen "polemisch", "untergriffig" und "unterste Schublade" gesagt haben, richtet sich von selbst! Wissen Sie nicht, was Sie tun? Weiß bei Ihnen die Linke nicht, was die Rechte in Ihrer Institution tut? Sie fördern doch diese Ferkeleien, Herr Staatssekretär! Wir haben es Ihnen nachgewiesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben es Ihnen bei Kolig und seinen Exkrementkünstlereien nachgewiesen! Wir haben Ihnen bei Mühl Wohnbauförderung nachgewiesen! Und Sie haben es ja selbst auf der Bühne des Burgtheaters und schlußendlich in der Sezession miterlebt! Sie haben das gefördert: Gehrer, Wittmann, Klima und so weiter heißen die Förderer dieser Kunst!

Herr Staatssekretär! Wir haben Sie jetzt auch dessen überführt, daß Sie das, was Sie tatsächlich nicht wollen, über Ihr Staatssekretariat, in welchem jetzt Klima die Kunst zur Chefsache gemacht hat, fördern! Sie bringen es nicht weg, sondern Sie verbreiten es, und somit haben Sie


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ein gut Teil Mitschuld an dem, was Kollegin Povysil hier zu Recht angeklagt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Was ist mit den Kindern?)

Ich bin schon neugierig, wie Sie sich aus der Affäre ziehen werden! Ich bin schon sehr neugierig, wie Sie sich aus der Affäre ziehen werden, wenn Sie jetzt einmal erklären müssen, wie es zu solchen Förderungen kommt! Es ist nachgewiesen, daß die Förderungen aus Ihrem Bereich stammen, und zwar nicht zu knapp. Dafür werden wir uns noch interessieren! Die Berichte darüber, wie hoch die Förderungen im Jahr 1997 waren, wie hoch die Förderungen im Jahr 1998 sind und was Sie an Förderungen für das Jahr 1999 vorgesehen haben, liegen uns von der Opposition nicht vor. Das würde uns noch brennend interessieren, und ich bin neugierig, ob Sie uns darüber jetzt im gleichen Stil Auskunft geben werden, wie Sie vorher verurteilt haben, daß wir in die unterste Schublade greifen und der Öffentlichkeit Unwahrheiten mitteilen wollen! Dafür gibt es Belege, Herr Staatssekretär, und ich bin neugierig, wie Sie mit diesen Belegen umgehen werden, mit welchen die Finanzierungen eindeutig nachzuweisen sind. – Sie finanzieren harte Pornographie, die unsere Kinder über das Internet uneingeschränkt abrufen können! (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Meine Damen und Herren! Übrigens berichtet Public Netbase in eigener Sache, daß durch die t0-Informationsveranstaltungen, -Workshops und -Schulungen und den t0-World Wide Web Server eine aktive Internetszene entwickelt werden konnte. 35 Millionen Besucher beweisen dies, rühmt man sich, und dadurch habe sich ein erhöhtes Bewußtsein für die neuen Kommunikations- und Infotechnologien herausgebildet. – Mit dieser Aussage dürften diese Anbieter tatsächlich recht haben.

Es gibt eine interessante Statistik, veröffentlicht im "Steirer": "Sex im Parlament". Hier findet sich der Magistrat Wien als User an der Spitze mit 4 809 Einstiegen, dann kommt die niederösterreichische Landesregierung, meine Damen und Herren von der ÖVP, ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Vor allem rühmen sich noch als beste Benutzer dieses Service das ÖVP-Parlamentsklubteam und der SPÖ-Parlamentsklub, und das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie liegt an dritter Stelle als User bei der Sex-Online-Internet-Geschichte, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

15.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 10 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.34

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Inhalt dieses Dringlichen Antrages, dieses Gemisch aus Forderungen nach bereits umgesetzten Maßnahmen einerseits und nach Maßnahmen, die derzeit in Diskussion stehen, andererseits, vermengt mit Auseinandersetzungen, die wir bereits im Zusammenhang mit der Causa Mühl kennen, zeigt einmal mehr – das muß ich Ihnen hier vorwerfen – , daß mit dieser Art Panoptikum unterschiedlichster Zusammenfassungen nicht wirklich dem Rechnung getragen wird, was wir hier diskutieren. Meine Damen und Herren! Ich meine, daß das Thema zu ernst ist, um hier auf Kosten der Kinder eine parteipolitische Diskussion abzuführen. (Abg. Dr. Haider: Haben Sie Kinder? Warum unterstützen Sie solche Ferkeleien? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Unter anderem ist auch die Art und Weise, wie Sie eine Auseinandersetzung führen, nämlich indem Sie hier gehässig herunterschreien, bezeichnend für Sie, meine Damen und Herren! Das kann ich Ihnen sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Sie reden immer von Kindern, und dann unterstützen Sie solche Schweinereien!)


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Herr Kollege Haider! Lassen Sie mich bitte ausreden! Seien Sie nicht so nervös, Herr Kollege Haider! Ich glaube, daß Sie wirklich nicht wissen, wovon Sie sprechen. Das ist der springende Punkt! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Povysil! Ich möchte eine Anmerkung machen, weil ich das heute hier bemerkenswert gefunden habe: Ich habe Sie bis jetzt in all Ihren Redebeiträgen als sehr sachliche Diskutantin empfunden. Eigentlich möchte ich mir kein Werturteil anmaßen, aber ich bedaure, was Sie heute hier erklärt haben, zutiefst. Ich muß sagen, daß es sich hiebei auch um eine Art persönliche Enttäuschung handelt – wobei meine Erwartungshaltung bei Abgeordneten der Freiheitlichen Partei grundsätzlich nicht allzu hoch ist, das muß ich dazusagen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Frau Kollegin Povysil! Sie haben hier allen Ernstes mitgeteilt, daß es Filme gibt, in welchen Kinder ermordet oder geschändet und sexuell mißbraucht werden. – Das wissen wir alle, das fürchten wir alle, und das bekämpfen wir alle! Sie haben diese Tatsache aber nicht in der Form in den Raum gestellt, daß Sie gesagt haben, wir müssen etwas dagegen tun, sondern in die Richtung gebracht, daß dies von Parteien dieses Hauses gefördert wird! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie haben uns das unterstellt und gefragt: Erkennen Sie das nicht? Unternehmen Sie nichts dagegen? – In Anbetracht dessen möchte ich Sie bitten, in den Diskussionen dieses Hauses auf ein Niveau zurückzukommen, das dem Ruf dieses Hauses gerecht wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich kann Ihnen folgendes sagen, damit man in der Sache selbst doch vielleicht etwas klarer sieht und die Obstrusität dieses Arguments in einer extrem heiklen und extrem gefährlichen Sache offengelegt wird: Sie sagen, daß die Regierung nichts umgesetzt hat. (Zwischenruf der Abg. Dr. Povysil. ) Sie sagen, daß andere Parteien dieses Hauses nichts umgesetzt haben. – Ich möchte in Erinnerung rufen, daß der Kinderschutz ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Herr Kollege! Es wurde etwa § 64 StGB umgesetzt, womit wir ausdrücklich Vorsorge getroffen haben, daß sexuelle Ausbeutung von Kindern im Ausland auch in Österreich strafbar ist. Sagen Sie nicht, daß das nichts ist! Ferner haben wir den § 207a StGB betreffend pornographische Darstellung mit Unmündigen umgesetzt. Und das ist eine signifikante Änderung! Letztlich haben wir auch eine Änderung des § 1328 ABGB umgesetzt, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf. )

Trotzdem sagen Sie hier jedoch, daß nichts getan wurde! Das ist Ihre Argumentation! Und weil Sie überhaupt nicht differenzieren können, sind Sie auch nicht ernst zu nehmen, meine Damen und Herren. Merken Sie sich das! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die bereits umgesetzt wurden, und es gibt auch eine Reihe von Maßnahmen, bei denen wir uns gerade im Zuge der Umsetzung befinden. (Abg. Dr. Haider: Sie subventionieren Schweinereien!) Meine Damen und Herren! Vielleicht wissen es nicht alle, das mag sein, aber einige von Ihnen wissen sicherlich, daß zum Beispiel im Rahmen der Strafprozeßnovelle des Vorverfahrens eine umfangreiche weitere Verbesserung des Opferschutzes vorgesehen ist. Man kann doch nicht einfach hergehen und das, was im Vorhaben enthalten ist, aus den Entwürfen abschreiben und sich dann herstellen und sagen: Das fordern wir! – Das ist das Unlautere an Ihrem Vorgehen, das ich Ihnen vorwerfe! (Abg. Mag. Stadler: Sie fördern Schweinereien!)

Sie haben hier zum Teil Maßnahmen gefordert, die bereits umgesetzt sind. Sie trauen sich aber trotzdem, hier herauszugehen und zu sagen: Wir fordern das! Sie haben hier Maßnahmen gefordert, die derzeit in den Vorhaben diskutiert werden, meine Damen und Herren! So fordern Sie etwa die Verbesserung der Stellung der Opfer, die Verfahrenshilfe oder die schonende Einvernahme, die teilweise schon jetzt ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Herr Kollege! Das müßten Sie ja wissen! Die schonende Einvernahme gibt es schon. Sie werden es vielleicht nicht wissen, Kollege Haider, aber Mitarbeiter Ihrer Partei werden Ihnen das erläutern können! (Abg. Dr. Haider: Warum fördern Sie Schweinereien?)


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Entweder Sie reden zum Thema oder Sie reden zur Kunstdebatte, wo Sie versuchen wollen, uns Ihr eigentümliches Verständnis aufzuoktroyieren! Dagegen verwahre ich mich aber, Herr Kollege. Diese Diskussion können Sie innerhalb Ihrer Partei führen!

Herr Kollege Haider! Wenn Sie jetzt gerade so stark reden, dann möchte ich Ihnen folgendes sagen: Kollegin Povysil hat richtigerweise ausgeführt, daß es notwendig ist, daß wir für den Kinderschutz Rahmenbedingungen schaffen, und daß diese Rahmenbedingungen letztlich so ausschauen müssen, daß die Kinder selbst wehrfähig werden, daß sie Rückgrat haben, daß sie sich auch tatsächlich zur Wehr setzen können und daß es auch Stellen gibt, die derartige Probleme entgegennehmen, wie zum Beispiel die Schutztelefone, die wir bundesweit eingerichtet haben. Sie, Herr Kollege Haider, stellen mit einer Unverfrorenheit ähnliche Forderungen auf, und das unmittelbar nachdem Sie in Ihrer eigenen Partei jede Menge von Maßnahmen gesetzt haben, die gerade das verhindern sollen, was Sie jetzt fordern, nämlich Rückgrat, Selbständigkeit und Selbstverantwortung! (Zwischenruf der Abg. Dr. Povysil. )

Sie können das doch nicht wirklich hier fordern! Leben Sie das doch einmal vor, Herr Kollege Haider! Ich erinnere Sie an Ihre Stellungnahmen, in denen Sie sagen, daß es Menschen erster und zweiter Klasse und einen Führer gibt! Und genau das ist es, Herr Kollege Haider! (Abg. Dr. Haider: Sie subventionieren Schweinereien!) Sie können das jetzt ruhig noch 20mal heruntersagen, weil Sie genau wissen, daß Sie in der Argumentation schwächer sind. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sie sind derjenige, der von Menschen erster und zweiter Klasse und von Menschen, die auf andere heruntertreten, gesprochen hat! Haben Sie das nicht gesagt, Herr Kollege Haider? Soll ich es Ihnen vorlesen? Soll ich es Ihnen in Erinnerung bringen? (Abg. Dr. Haider: Sie fördern die Gewalt an Kindern!) Herr Kollege Haider! Mit welcher Unverfrorenheit fordern Sie das, wenn Sie dann genau das Gegenteil tun? (Abg. Mag. Stadler: Sie reden einen solchen Schmarren daher, daß sich die SPÖ bereits geniert!) Herr Kollege Stadler! Sie zu schockieren ist, glaube ich, eher eine Ehre als eine Last! (Abg. Mag. Stadler: Nicht einmal Fuhrmann hat solchen Topfen verzapft! Einen solchen Schmarren hat noch kein Justizsprecher der SPÖ verzapft!)

Schreien Sie nur und bringen Sie das Bild Ihrer Partei in signifikanter Form zum Ausdruck, damit auch die Ernsthaftigkeit, wie Sie mit diesem Thema umgehen, Herr Kollege Stadler, hier offenkundig wird! Diese Ernsthaftigkeit haben Sie uns heute wirklich eindeutig bewiesen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Höchste Zeit, daß Sie sich setzen! Sie haben die Opfer lange genug verhöhnt!)

Von Verhöhnung dürfen Sie nichts sagen, Herr Kollege Stadler! Denn Sie verhöhnen nicht nur die Mitglieder Ihres Klubs und Ihrer Partei, sondern Sie verhöhnen neben den Kindern auch die gesamte Bevölkerung dieses Landes, indem Sie glauben, daß es noch irgend jemanden gibt, der Sie ernst nimmt! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme zum Schluß: Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die umgesetzt wurden. Das möchte ich noch einmal erwähnen. Weiters gibt es einen Entschließungsantrag vom 26.2.1998, den Sie, Kollege Haider, weil Sie ja des öfteren nicht hier sind, vermutlich nicht kennen werden. In diesem sind zahlreiche Maßnahmen aufgezählt: Symptomkatalog, täterbezogene Maßnahmen, intensive Zusammenarbeit. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Herr Kollege Stadler! Sie tun mir wirklich leid! Sie werden uns durch diese Art und Weise der Debatte nicht daran hindern, daß wir die Diskussion sachbezogen weiterführen und letztlich das, was auch Sie fordern, ohne Sie und ohne Ihr Zutun zum Wohle unserer Kinder umsetzen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)


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15.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. 10 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.44

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die ÖVP lehnt eine Vereinsförderung für zwielichtige Zwecke natürlich ab! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ob jene Vereinsförderung oder Kulturförderung, die hier von Kollegen Schweitzer angeprangert wurde, tatsächlich zwielichtig ist, möchte ich einmal in Frage stellen, und zwar deshalb, weil die weitere Darstellung des Kollegen Schweitzer, in welcher es um das Internet und das Abfragen von Pornographie durch den ÖVP-Klub gegangen ist, auch mit Fragezeichen zu versehen ist.

Es war mir in der kurzen Zeit nicht möglich, alle Behauptungen zu überprüfen, aber es war mir in dieser kurzen Zeit sehr wohl möglich festzustellen, daß Kollege Schweitzer die Tatsachenwirklichkeit unrichtig dargestellt hat. Entweder kennt er sich im Internet nicht aus, oder er hat Dinge verschwiegen, die in diesem Zusammenhang sehr wohl zu erwähnen sind. – Ich möchte das kurz erläutern: Die Zugriffe im Internet durch den ÖVP-Klub und die Feststellung der Häufigkeit der Zugriffe über den ÖVP-Klub erfolgen durch Links. Das sind jene Menüs, über die man beim Surfen weiterkommt. Herr Kollege Schweitzer! Sie kennen sich wahrscheinlich nicht aus, denn sonst hätten Sie das vorhin erwähnt! Wenn nämlich im Internet beim ÖVP-Klub Links vorhanden sind und jemand vorbeisurft, dann weitersurft und irgendwann bei der Pornographie landet, so wird er dem ÖVP-Klub zugeordnet. Es ist auch in dem betreffenden Zeitungsartikel erwähnt, daß man über diese Links Zugang hat.

Und man muß noch hinzufügen: Das Internet der ÖVP verfügt über diese Links, während andere Stellen diese Links nicht haben, weil sie die entsprechenden internetmäßigen Dienstleistungen nicht anbieten; daher scheinen sie in den Statistiken nicht in diesem Ausmaß auf! (Abg. Dr. Graf: Sie haben überhaupt keine Ahnung vom Internet!)

Es ist weiters zu sagen, daß nicht jeder, der in der Statistik als Nutzer registriert wird, als Voyeur unterwegs war, denn es ist beispielsweise sehr wohl Aufgabe des Familienministeriums – dazu wird sich der Herr Familienminister noch äußern – , derartige pornographische Dinge im Internet aufzuspüren zu versuchen, um sie an die Dienststelle im Innenministerium zu melden, denn es wurde dort eigens eine zentrale Meldestelle zur Bekämpfung kinderpornographischer Inhalte im Internet eingerichtet! (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Ich weiß, Herr Abgeordneter Schweitzer, daß es Ihnen leid tut, daß das Ganze ein Luftballon war. Daher auch diese Aufregung! Ich bitte Sie, sich zuerst zu erkundigen, wie man im Internet surft und wem dann was als User zuzurechnen ist, wenn solche Statistiken erscheinen und Sie diese zitieren! (Beifall bei der ÖVP.)

Als Justizausschußvorsitzende möchte ich außerdem darauf aufmerksam machen, daß es datenschutzrechtlich ausgesprochen bedenklich ist, wenn solche persönlichen Dinge, wie zum Beispiel Daten über das Surfen im Internet, veröffentlicht werden. In diesem Zusammenhang besteht aus meiner Sicht datenschutzrechtlich Handlungsbedarf, um einen gewissen Privatsphärenschutz zu garantieren. Ich kann mir gut vorstellen, daß wir einen neuen Straftatbestand einführen, nämlich eine Art Datenhehlerei mit illegal verwendeten Daten und Veröffentlichungen in diesem Zusammenhang.

Nun zur eigentlichen Dringlichen Anfrage. (Abg. Dr. Haider: Gibt es das Wort "Kinder" für Sie?) Herr Kollege Haider! Ich komme jetzt, nachdem ich auf die Vorredner eingegangen bin, zur Sache. Allerdings möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie das Thema in Richtung Internet gelenkt haben! Nun komme ich aber zum Dringlichen Antrag. Die ÖVP hat den Schutz der Kinder immer in den Vordergrund gestellt und den Opferschutz immer thematisiert! (Beifall bei der ÖVP.)

Konsequenterweise haben wir auf diesem Gebiet schrittweise Verbesserungen erreicht. Es wurde die österreichische Gerichtsbarkeit bei Sexualdelikten im Ausland, nämlich dem sogenannten Sextourismus, eingeführt. Es wurde die Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornographie wesentlich verschärft, bei gewerbsmäßigem Handeln wurden die Strafen zum Beispiel verdreifacht. Es wurde ein immaterielles Schadenersatzrecht für Opfer sexueller Handlungen geschaffen,


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nach welchem Opfern allein für die erlittene Kränkung Schadenersatz zugestanden wird. Es wurde durch das Bundesgesetz gegen Gewalt in der Familie ein Wegweiserecht gegenüber gewalttätigen Familienmitgliedern geschaffen. Übrigens wurde dieses Wegweiserecht von den Freiheitlichen damals nicht akzeptiert, und sie haben nicht mitgestimmt. Die Einrichtung einer zentralen Meldestelle zur Bekämpfung kinderpornographischer Inhalte im Internet durch das Bundesministerium für Inneres habe ich schon erwähnt.

Weiters wurde in der EU unter der jetzigen Präsidentschaft Österreichs zur weiteren Bekämpfung von Kinderpornographie und Extremismus im Internet eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Zudem haben wir, gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer, Informationsfolder bei den Gerichten zur Information von Opfern sexueller Gewalt, wenn sie in ein Gerichtsverfahren involviert sind, aufgelegt.

Neu ist die Regierungsvorlage, die bedauerlicherweise – das gebe ich zu – nicht verabschiedet werden konnte, weil es keine echte Einigung vor dem Ausschuß gab. Diese Regierungsvorlage wird eine Verlängerung der Verjährung von Sexualdelikten bis über die Volljährigkeit des Opfers hinaus vorsehen. Sie wird weiters eine strafrechtliche Gleichstellung der Beischlafdelikte mit den beischlafähnlichen Delikten vorsehen, und sie wird auch eine Verbesserung der prozessualen Stellung des Opfers von Sexualdelikten vorsehen. (Abg. Jung: In der nächsten Legislaturperiode?) Nein! Wir haben noch den ganzen Herbst Zeit, und ich bin sicher, daß wir im Herbst zu einer Einigung kommen werden!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht finden wir hier breitere Zustimmung, als es vor dem Ausschuß den Anschein hatte. Kritisch war nämlich von der ÖVP gesehen worden, daß in diesem Gesetz Beischlaf und beischlafähnliche Handlungen mit Jugendlichen bis zu einem Alter von zwölf Jahren erlaubt werden, und zwar bei einer Toleranzgrenze von drei Jahren, das heißt in etwa unter Gleichaltrigen. Wir von der ÖVP sagen: Eine Senkung des Schutzalters von derzeit 14 Jahren auf 12 Jahre ist für uns nicht akzeptabel! (Beifall bei der ÖVP.) Wir wollen in diesem Zusammenhang die Altersgrenze mit 13 Jahren mit einer Toleranzgrenze von drei Jahren festlegen, und wir hoffen, daß sich der Koalitionspartner oder eventuell auch die Freiheitlichen dem anschließen können.

Liebe Kollegen von den Freiheitlichen! Ich finde, daß dieser Dringlichen Antrag sehr wohl ein bißchen scheinheilig ist. Denn Sie haben damals, als wir das Wegweiserecht beschlossen haben, nicht zugestimmt. Kollege Ofner hat damals dieses Gesetz folgendermaßen kommentiert – ich zitiere – : "Denn die Möglichkeiten, die diese Vorlage bietet, sind so abenteuerlich, daß sie zur Bekämpfung der Gewalt in der Familie einfach nicht passen, sondern weit über dieses Vorhaben hinausgehen." Kollege Ofner hat gefordert: "Wir glauben, daß ein gewisses Mindestmaß an Gewalt in diesem Zusammenhang erforderlich sein soll, bevor man wegweisen kann."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist kein Schutz der Kinder, wenn man zuerst Gewalt einfordert, bevor man etwas unternimmt! (Beifall bei der ÖVP.) Sie hätten damals zustimmen können!

Sie brauchen auch jetzt nicht zu bedauern, daß die Strafrechtsreform nicht vor dem Sommer über die Bühne gegangen ist, denn Sie haben signalisiert, daß Sie nicht zustimmen werden. Ihnen gingen die Verjährungsbestimmungen viel zu weit. Kollege Ofner hat sich auf die Seite der Täter gestellt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) In Ihrem Antrag wird unter Punkt 15 gefordert: Ende der Verjährungsfrist für Delikte zwei Jahre nach der Mündigkeit des Opfers. – Wir wollen aber mehr als diese zwei Jahre. Herr Kollege Ofner hingegen hat argumentiert, daß das ein Damoklesschwert sei, das über dem Täter hänge, daß das unzumutbar sei und daß er den Täter nach zwei Jahren aus der Pflicht nehmen wolle.


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Bitte den Schlußsatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (fortsetzend): Wir wollen das Opfer schützen und nicht den Täter entlasten! (Beifall bei der ÖVP.)

15.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner gemeldet. 2 Minuten maximale Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.54

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es fällt mir schwer, nicht über die tatsächliche Berichtigung hinauszugehen, ich werde mich aber an die Vorschriften halten.

Die Darstellung, daß ich mich auf die Seite der Täter gestellt hätte, ist unrichtig. Ich habe mich auf die Seite der Opfer gestellt, allerdings fachmännisch anders als die Ehegattinnen von Schottergrubenbesitzern. (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

15.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich möchte vorläufig einmal feststellen, daß der letzte Satz über eine tatsächliche Berichtigung hinausgegangen ist. (Abg. Dr. Schwimmer: Das war eines Ofner unwürdig!)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.55

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Assoziation ist falsch und die Aufregung unbegründet. Denn Herr Abgeordneter Ofner hat selbstverständlich nicht Frau Abgeordnete Fekter gemeint, als er auf die Schottergruben Bezug genommen hat. Vielmehr ist ihm eingefallen, daß man, wenn man im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen soll. Und dazu war die erste Assoziation eben die Schottergrube!

Ich habe nicht vergessen, daß die aufgeregt diskutierende freiheitliche Fraktion in ihren Reihen einen Mitarbeiter gehabt hat, der die erste Erotik-Messe in Wien über die Infrastruktur des freiheitlichen Parlamentsklubs organisiert hat. Es waren der Fax-Anschluß der Freiheitlichen, das Telefon der Freiheitlichen, die Computer der Freiheitlichen, mit welchen ein Mitarbeiter des freiheitlichen Parlamentsklubs die erste Erotik-Messe in Wien organisiert hat. Wenn man halt im Glashaus sitzt, dann soll man nicht mit Steinen schmeißen! Das ist Herrn Abgeordneten Ofner eingefallen, als er auf Ihre Vorhaltungen geantwortet hat! Daran hat er sich jetzt erinnert. Das wollte ich konkretisieren! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der ÖVP.)

Fraglos ist das Problem, das angesprochen wurde, ein wichtiges, das wir oft beredet haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch nicht verschweigen, daß es doch eigentümlich ist, wenn gerade eine Fraktion, die in ihren Reihen frühpensionierte Gemeinderäte hat, die zu krank sind, um zu arbeiten – wie die Freiheitlichen sagen würden – , aber immer noch gesund genug sind, um in einem Pornomagazin als Pornopärchen aufzutreten, hier mit einer solchen Doppelmoral reüssieren will!

Es ist insbesondere interessant, daß Abgeordneter Krüger – den ich jetzt leider nicht mehr sehe – , als es hier um die Unterscheidung zwischen "KZ" und "Straflager" gegangen ist, derjenige war, der, angesprochen auf eineinhalb Millionen Kinder, die in Konzentrationslagern umgekommen sind, nichts anders zu assoziieren wußte, als zu sagen: Das ist eine semantische Masturbation. – In Anbetracht dessen hat diese Fraktion null moralische Kompetenz, irgend etwas in dieser Richtung zu sagen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie hat aber nicht nur keine moralische Kompetenz, sondern offenbar auch keine fachliche Kompetenz. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Herr Abgeordneter Jung! Jetzt komme ich zu Ihnen! Herr Staatssekretär Wittmann hat, nachdem Frau Abgeordnete Povysil gemeint hat, daß Mühl und diese Fäkalienkunst ein Problem sind, klar gesagt: Der Staat bestimmt nicht, was Kunst ist. – Dem stimmen wir zu. Herr Abgeordneter Jung fühlte sich jedoch provoziert, als Herr Staatssekretär Wittman dann noch sagte: Sie haben ein Beispiel in Ihrer Nähe, nämlich Egon Schiele. Darauf meinte Abgeordneter Jung: Der gehört auch eingesperrt! (Allgemeine Heiterkeit.)


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Herr Abgeordneter Jung! Es verhält sich aber so, daß dieser Egon Schiele, den Sie vom Hörensagen sicherlich kennen werden, ein ganz unmöglicher Mensch war: Er hat sich nämlich dem Zugriff der Freiheitlichen durch frühzeitiges Versterben entzogen! (Heiterkeit und Beifall beim Liberalen Forum, bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! So etwas wie das, was wir heute hier von dieser Fraktion erlebt haben, kommt heraus, wenn man sich Dringliche Anträge von Leuten wie dem Abgeordneten Stadler, vielleicht mit Beratung des Pornojägers Humer und seinem Freund Krenn, schreiben läßt! Das ist nämlich die Mentalität des Pornojägers Humer, den wir alle kennen – Sie kennen ihn auch sehr gut, Herr Abgeordneter Stadler –, mit der Sie völlig an der eigentlichen Problematik vorbeigehen und aufgrund welcher Sie nicht in der Lage sind, in diesem Haus, Frau Abgeordnete Haller, auch nur irgendwann einmal einen konstruktiven Beitrag zur Lösung dieser Problematik zu leisten!

Es sind einige Beispiele genannt worden, meine Damen und Herren, die zeigen, daß es nicht wahr ist, daß in diesem Haus nicht viel gemacht worden wäre. Wahr ist vielmehr, daß Sie sich diesen Maßnahmen immer verweigert haben. Das war beim Wegweiserecht so, das heute schon angesprochen wurde, das war so, als es um die eigenen Vernehmungszimmer für minderjährige Opfer gegangen ist, und das war auch so, als es um die Beiziehung von Vertrauenspersonen gegangen ist. All diese Maßnahmen haben Sie nicht mitgetragen! Sie haben sich immer verweigert! Und daher haben Sie auch nicht das Recht, hier so zu tun, als wären Sie diejenigen, die das Problem erkannt haben. Das Gegenteil ist nämlich der Fall: Sie vertreten hier eine Linie, die von diesem Haus nicht mitgetragen wird, und zwar deshalb nicht, weil sie Inkompetenz beweist und nicht zutreffend ist.

Ich sage Ihnen das auch aufgrund Ihres konkreten Dringlichen Antrages. (Abg. Dr. Krüger: Gut, daß solche Figuren nicht in der Liste der Anwälte eingetragen sind!) Herr Abgeordneter! Wenn ich mir recht anhöre, was Sie hier sagen, müßten Sie dort längst ausgetragen sein! (Beifall beim Liberalen Forum, bei SPÖ und ÖVP.) Es ist nur der Großzügigkeit der Kammer zu verdanken, daß Sie noch immer auf der Liste sind. Wie ist das jetzt? (Abg. Dr. Krüger: Da haben Sie nichts verloren!)

Ich frage Sie als Jurist: Welche Verbrechen haben denn jene 1,5 Millionen Kinder begangen, die in den – nach Ihrer Diktion – Straflagern – üblicherweise "KZs" genannt – zu Tode gekommen sind? (Ruf bei den Freiheitlichen: Das hat mir noch gefehlt!)  – Sie haben gesagt, das sind "Straflager". Wenn dort Kinder eingesperrt waren und umgebracht wurden, Herr Abgeordneter Krüger, Herr Rechtsanwalt, dann werden Sie wohl wissen, welche "Verbrechen" diese angeblich begangen haben. Dieses Erklärung sind Sie uns jedoch am Rednerpult schuldig geblieben. (Abg. Mag. Stadler: Wir haben geglaubt, Sie sind nur primitiv! Sie sind noch primitiver!)

Meine Damen und Herren! Ich lese in Ihrem Dringlichen Antrag, daß Sie eine frühzeitige Aufdeckung der Taten erleichtern und adäquate Reaktionen des Rechtsstaates auf schwere Verbrechen an Kindern sicherstellen wollen. – In diesem Haus hat nie Zweifel daran bestanden, daß nicht nur adäquate Reaktionen auf schwere Verbrechen an Kindern zu setzen sind, sondern auf alle Verbrechen und alle Vergehen an Kindern. Das steht aber, offenbar von Juristen mit formuliert, so in Ihrem Antrag. Ich wundere mich daher, daß Sie diese Unterscheidung treffen.

Ich wundere mich weiters, daß Sie eine absolute Anzeigepflicht verlangen. In diesem Zusammenhang – da, Frau Abgeordnete Fekter (Abg. Mag. Stadler: Sie muß ihren Schützling schützen! Die politische Ziehmutter!) , muß ich Sie korrigierend ansprechen – ist es so, daß die Freiheitlichen das für alle an Unmündigen begangenen Straftaten verlangen. (Abg. Dr. Graf: Sie müssen die Regierung kontrollieren, nicht die Abgeordneten!) Wir alle wissen – und Sie, Herr Abgeordneter Graf, dürften das auch wissen –, daß man an die Straftaten nicht anknüpfen kann, und zwar deshalb nicht, meine Damen und Herren, weil die Straftaten immerhin noch eines abgeschlossenen Verfahrens bedürfen, bis sie tatsächlich festgestellt worden sind.

Wir Liberalen sind auch nicht der Meinung, daß die Frist nur zwei Jahre über das Alter der Unmündigkeit hinausgehen soll – also bis 16 –, sondern selbstverständlich – wie Sie auch richtig


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gesagt haben, Frau Abgeordnete Fekter – über die Volljährigkeit hinaus. Die Freiheitlichen wollen aber die Anzeigemöglichkeit nur bis zwei Jahre über die Unmündigkeit hinaus gewähren, das heißt, bis zum 16. Lebensjahr. Das ist aber ein Zeitraum, der viel zu kurz ist und dem Problem überhaupt nicht gerecht wird.

Aber hier heißt es: Die FPÖ hat daher bereits vor längerer Zeit von der Bundesregierung zum Beispiel diese ganz kurze Frist eingemahnt – die ich schon genannt habe. – Dazu werden Sie von seiten der Liberalen keine Zustimmung erhalten, und zwar deshalb nicht, weil diese kurze Frist dem Problem einfach nicht angemessen ist.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Aber daß Sie in diesem Antrag noch verlangen, daß es zur Einrichtung von Sonderabteilungen der Sicherheitsbehörden kommen soll, die auch Schein- und Vertrauenskäufe durchführen sollen, daß Sie also haben wollen, daß die Polizei in Österreich diese Verbrechen anstachelt und jene Leute, die sie eigentlich bekämpfen soll, dazu verführen soll, daß das Ihr Vorschlag ist, beweist doch in Wirklichkeit nur Ihre Inkompetenz auf diesem Gebiet. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Meine Damen und Herren! Ich darf noch auf einen weiteren Aspekt zu sprechen kommen, einen, den ich schon im Zuge der Debatte einer Dringlichen Anfrage betreffend Otto Mühl hier im Hause angesprochen habe. Sie fordern eine Verbesserung im Bereich des Verbrechensopfergesetzes, weil Sie die Sicherstellung einer unentgeltlichen Betreuung der psychischen Schäden von Unmündigen – Sie wollen das offenbar nur auf die Unmündigen beschränken – haben wollen. Sie sagen darüber hinaus, daß es Ihnen um eine "faire Berechnung" des künftigen Verdienstentganges und der Übernahme an Schmerzengeldansprüchen gehe.

Von dieser Stelle aus sage ich Ihnen: Wenn Sie das ernst meinen, haben Sie nicht verstanden, was das eigentliche Problem ist und warum es einer psychischen Betreuung für mißbrauchte Kinder bedarf.

Sie sagen: "Wer nichts macht, wer schweigt, wer duldet, stimmt zu!" – Das steht auch in Ihrem Antrag. – Diesbezüglich ist mir natürlich Rosenstingl eingefallen und all das, was Sie in diesem Zusammenhang schon im November vergangenen Jahres gewußt, aber trotzdem nicht verhindert haben. Ich will deshalb, ohne vom Thema abzuschweifen, noch zu einem letzten Punkt kommen:

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie verlangen, daß all jene Organisationen und Medien, die auf irgendeine Art und Weise pornographische Darstellungen oder Pornographie unterstützen, von jeder Förderung aus öffentlichen Mitteln ausgeschlossen werden. (Der Redner schlägt ein Exemplar der "Kronen Zeitung" auf.) Ich habe hier die "Kronen Zeitung" und finde im hinteren Teil Inserate und Annoncen von eindeutig einschlägigem Inhalt. Wenn Sie also Ihren Antrag ernst meinen – so wie es hier steht – und fordern, ein Medium, das so etwas auf irgendeine Art und Weise unterstützt, darf keine Förderung aus öffentlichen Mitteln bekommen, dann sagen Sie im Einklang mit Humer, daß man der "Kronen Zeitung" die Presseförderung streichen soll.

Mit Ihrer Art der Politik möchte ich nichts zu tun haben! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich möchte für den weiteren Verlauf der Debatte zweierlei feststellen. Erstens: Ich bitte, mit gewissen Bezeichnungen, die an der Grenze der Beleidigung von Abgeordneten sein könnten, vorsichtig umzugehen.

Zweitens möchte ich auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung hinsichtlich der tatsächlichen Berichtigungen mit Nachdruck aufmerksam machen, und ich möchte darum bitten (Abg. Dr. Krüger: Da lasse ich mich klagen! – Abg. Mag. Peter: Setzen!)  – Herr Abgeordneter Krüger, das Präsidium ist jetzt am Wort! (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen)  –, nicht mit dem Vorsatz an das Rednerpult zu treten, eine tatsächliche Berichtigung vielleicht nicht als solche zu gebrauchen.


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In diesem Sinne gibt es jetzt zwei tatsächliche Berichtigungen, zuerst jene des Herrn Abgeordneten Dr. Ofner und dann jene des Herrn Abgeordneten Jung. – Bitte. (Abg. Dr. Krüger: Außerhalb des Parlaments lasse ich mich klagen!)

16.05

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Ich korrigiere beziehungsweise berichtige meinen unmittelbaren Vorredner insoweit, als er behauptet hat, die Freiheitlichen hätten einen Mitarbeiter beschäftigt, der eine Porno-Messe organisiert hätte. – Das ist nicht richtig.

Die Freiheitlichen haben sich von diesem Mitarbeiter sofort getrennt, als er sich anschickte, eine Porno-Messe zu organisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. Maximal 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.06

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Barmüller hat festgestellt, ich hätte mich von Herrn Staatssekretär Wittmann provoziert gefühlt. – Soweit ist das richtig.

Er hat aber auch gesagt, Schiele gehöre eingesperrt. – Herr Kollege! Ich muß Ihnen zu Ihrem Bedauern mitteilen: Schiele lebt nicht mehr. Fahren Sie nach Tulln!

Ich habe folgendes gesagt: Schiele war allerdings auch wegen Unzuchthandlungen – wie wir alle wissen – eingesperrt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Schmidt: Das ist nicht wahr, was Sie sagen!)

16.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Fuchs: Sie korrigieren sogar die Geschichte! – Abg. Scheibner: Über das regt ihr euch auf, über die Kinderschänder nicht! – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

16.07

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Als wir am 26. Februar dieses Jahres – dieses Datum ist schon angesprochen worden – ein ähnliches Thema ähnlich emotional diskutiert haben, habe ich unter anderem gesagt, daß mich – und nicht nur mich, sondern wahrscheinlich alle Abgeordneten dieses Hauses – die Besprechung dieses Themas von vornherein betroffen macht, ebenso wie Familienväter, Familienmütter und andere.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Ofner – er ist jetzt nicht mehr im Saal –, lassen Sie mich als jemand, der mehrere Jahre lang auf den Abgeordnetenbänken dieses Hauses gesessen ist, sagen, daß mich Ihre Aussage in Richtung der Justizsprecherin der VP-Fraktion und Vorsitzenden des Justizausschusses betroffen gemacht hat. Diesen Untergriff habe ich weder von Ihnen erwartet noch bisher erlebt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )  – Ich erlaube mir, das jetzt trotzdem zu tun. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Ich sage es Ihnen nur!) Solch einen Untergriff habe ich noch von niemandem in diesem Hohen Haus gehört (Abg. Mag. Stadler: Sie wissen, daß Khol Präsident werden will!) , wobei es ja insbesondere für sich selbst spricht, wenn man das Berufsbild des Ehemannes der Vorsitzenden des Justizausschusses verächtlich machen will. Das ist ja das Lächerlichste, was ich je gehört habe. Was soll das?! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Sache: Die Antragstellerin dieses Dringlichen Antrages, Frau Abgeordnete Povysil, hat ihre Ausführungen mit Kritik an der Regierungskoalition dahin gehend eingeleitet, daß die Zahl der Anzeigen sprunghaft gestiegen sei. – Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich gebe Ihnen völlig recht: Die Zahl der Anzeigen betreffend Kindesmißbrauch, zu den §§ 206 und 207 StGB, ist sprunghaft angestiegen und hat sich im Jahre 1997 gegenüber dem Jahre 1996 fast mehr als verdoppelt.


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Aber Sie liegen völlig falsch damit, das in den Mittelpunkt Ihrer Kritik zu stellen. – Ganz im Gegenteil: Das, was – nicht nur, aber auch – diese Regierungskoalition in den letzten zwei bis drei Jahren erreicht hat, nämlich das Bewußtmachen der Schändlichkeit von Kindesmißbrauch, ist letztlich auch eine Voraussetzung dafür, daß die Zahl der Anzeigen sprunghaft gestiegen ist. Wenn das bei der Zahl der Verurteilungen noch nicht der Fall ist, so müssen wir gemeinsam daran arbeiten, daß die Zahl der Verurteilungen eben auch in einem ähnlichen Ausmaß steigt wie jene der Anzeigen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fuchs. )

Frau Abgeordnete! Zur "Scheinheiligkeit", die Sie der Regierungskoalition vorgeworfen haben: Das gebe ich Ihnen telquel zurück und möchte einiges – aber nicht explizit, weil das zu lange dauern würde – von dem, was Herr Abgeordneter Barmüller hier referiert hat, zitieren. Von "Scheinheiligkeit" oder "Doppelmoral" in diesem Zusammenhang zu sprechen, ist wohl ein Verfolgen des Prinzips "Haltet den Dieb!". – Schauen Sie einmal bei sich selbst nach, schauen Sie einmal nach, wann Sie seriös an der Aufarbeitung des Themas "Kampf dem sexuellen Mißbrauch an Kindern und Kampf den Kinderschändern" mitgearbeitet haben, und stellen Sie das der parlamentarischen Aktivität gegenüber, wann Sie, so wie heute, lediglich versucht haben, politische Stimmungsmache zu betreiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Ein Wort zu den Förderungen! Bitte, nur ein Wort zu den Förderungen! – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Sie haben hinsichtlich der von Ihnen geäußerten Ziele, nämlich den Opferschutz zu stärken, etwas für die Tätertherapie zu tun (Abg. Mag. Schweitzer: Was tun wir gegen solche Förderungen?), Mitarbeiter und Sympathisanten in allen Rängen dieses Hohen Hauses und auch auf der Regierungsbank auf Ihrer Seite. Es ist richtig und wichtig, daß schon einiges geschehen ist, daß aber noch manches geschehen muß. Frau Abgeordnete Fekter hat in beeindruckender Weise darauf hingewiesen, welche konkreten Maßnahmen bereits ergriffen wurden. (Abg. Mag. Schweitzer: Was tun wir gemeinsam?) Herr Abgeordneter Jarolim hat darauf verwiesen, daß die Regierung ein 25-Punkte-Programm zum Thema "Kampf gegen die Gewalt an Kindern und gegen die Gewalt in der Familie" verabschiedet hat, das wir nun Punkt für Punkt umsetzen werden.

Ich darf beispielsweise darauf verweisen, daß wir zum Thema Tätertherapie im Oktober dieses Jahres gemeinsam mit den international anerkannten Kapazitäten auf diesem Gebiet, nämlich Professor Berner aus Hamburg und Professor Friedrich aus Wien, eine Enquete veranstalten werden. Es ist die Forderung vieler Experten, daß Tätertherapie lebenslang notwendig und zweckmäßig ist, weil jemand, der aus der Haft entlassen wurde, keinesfalls als geheilt angesehen werden kann und weil die Rückfallquoten gerade bei Sexualstraftätern erschreckend hoch sind. Leider Gottes ist es so, daß, je schwerer das Sexualdelikt war, desto höher die Rückfallquote ist. Das muß uns zu denken geben, und wir stehen diesbezüglich in Österreich noch am Anfang. Wir müssen auf strafrechtlicher Ebene die Voraussetzungen dafür schaffen, um diese Sexualstraftäter im Interesse der Opfer, aber letztlich auch in ihrem eigenen Interesse lebenslang unter Kontrolle oder unter Führungsaufsicht – wie immer man diese Therapie nennen will – zu halten.

In dieser Hinsicht werden Sie Partner in der Debatte finden, aber Sie werden bei uns sicherlich niemanden finden, der Ihrer politischen Polemik folgt. Sie sagen zuerst leichtfertig: Sexueller Mißbrauch ist Mord an der Kinderseele. – Das würde ich ja noch unterschreiben. Aber Sie sprechen zuerst einmal von "Mord" und in Ihrem heutigen Forderungskatalog wiederum von der "lebenslangen Haftstrafe für besonders schwere Formen des Kindesmißbrauchs". – Wer das tut, meine sehr verehrten Damen und Herren, der sagt damit indirekt, daß er für Mord an und für sich die Todesstrafe fordert, denn die Todesstrafe ist die einzige Steigerung zur lebenslangen Haftstrafe. – Das lehne ich ganz dezidiert ab, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion! (Beifall bei ÖVP und SPÖ, beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Kein Wort zu den Förderungen!)

Frau Abgeordnete Povysil hat kritisiert, daß es sogenannte Snuff-Videos gäbe. Wenn es solche gibt, ist das schrecklich und entsetzlich. Ich kann nur sagen, daß meine Vorvorgängerin, nämlich Frau Ministerin Feldgrill-Zankel, bereits im Jahre 1992 Under-cover-Journalisten im Rahmen


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eines Projektes, das als "Knospe-Projekt" bekannt geworden ist, beauftragt hat, solche Videos in Österreich zu suchen. (Abg. Mag. Stadler: Das, was uns der Jarolim vorwirft! Ihr Koalitionspartner hat uns das vorgeworfen!) Sie sind nicht gefunden worden. Es sind aber kinderpornographische Videos gefunden worden, und das hat dann dazu geführt, daß man Kinderpornographie an und für sich, den Besitz von Videos, den Handel erst recht und dann in weiterer Folge den Sextourismus unter Strafe gestellt hat.

In einem stimme ich den Aussagen mancher Abgeordneter, auch der Aussage von Frau Abgeordneter Fekter völlig zu: Es wäre zweifellos zweckmäßig, wenn das Hohe Haus so bald wie möglich jene Regierungsvorlage verabschieden könnte, die eine weitere Verschärfung des Sexualstrafrechtes in Sachen Verjährung, in Sachen härterer Bestrafung von beischlafähnlichen Handlungen vorsieht. Die Regierungsvorlage liegt dem Parlament vor. Ich appelliere an diejenigen, die in den letzten Wochen andere Punkte mit hineinreklamiert haben, das nicht zu tun, sondern eine rasche Verabschiedung dieser Vorlage zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluß und sage in Richtung des Herrn Abgeordneten Schweitzer, daß diese Userzugriffe – nicht publiziert, Herr Abgeordneter Stadler, in einer Tageszeitschrift, aber in einer Wochenzeitschrift; gerade Sie irren des öfteren –, daß also diese Userzugriffe von verschiedensten Institutionen, unter anderem auch seitens des Familienministeriums in einer internen Untersuchung verfolgt werden. – Erstes Ergebnis dieser Untersuchung: Selbstverständlich handelt es sich prinzipiell einmal um die routinemäßige Verfolgung dessen, was sich in diesem Bereich tut. Das ist ja eine der Aufgaben des Familienressorts und meiner Beamten in diesem Bereich, weil es ja darum geht, das Internet von Kinderpornographie zu säubern. Da muß und soll man aktiv sein! (Abg. Mag. Stadler: Sie haben alle nichts getan! – Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie auch was gefunden?)

Sollte sich herausstellen, Herr Abgeordneter Schweitzer, daß über dienstliche Verpflichtungen hinaus gesurft oder "geust" wurde oder wird, so wird das Konsequenzen haben! Entsprechenden Handlungen werden dann von mir unverzüglich gesetzt werden! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Dann müssen Sie darüber Bescheid wissen, was Wittmann gefördert hat!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, daß die freiheitliche Fraktion immer wieder versucht, zu sagen, die Regierung fördere Mißhandlung von Kindern (Abg. Mag. Schweitzer: Pornographie im Internet!), der Bundeskanzler unterstütze Kindesmißbrauch. – So geschehen am 26. Februar dieses Jahres.

Das geht entschieden zu weit, sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich konzediere aber, daß es diejenigen, die dem eben erst haftentlassenen Otto Mühl einen Auftritt im Burgtheater und Medienpräsenz ermöglicht haben, die er gehabt hat, natürlich einer Fraktion wie der Ihrigen relativ leicht machen, Kunstförderung und ähnliches mehr mit Kindesmißbrauch auf eine Ebene zu stellen. – Das ist in dieser Einfachheit sicherlich nicht so, aber eine schärfere Trennung und eine bessere Kontrolle dessen, was Fördermittel und letztlich auch einen gewissen Trennstrich anlangt zwischen dem, was man an absoluter Freiheit der Kunst zuzubilligen hat, und letztlich Beschränkungen, die man bei der Vergabe von Steuermitteln auch zu machen hat, sind angesichts des Falles Otto Mühl sicherlich auch zu bedenken.

Das macht die Argumentation eines Familienministers, der sich dem Kampf gegen Kindesmißbrauch in hohem Maße verschrieben hat, nicht eben einfacher. Die Vereinfacher sind aber unter uns, und die Bagatellisierer sitzen heute vor allem in den Reihen der freiheitlichen Fraktion und nicht in denen der Regierungsfraktionen. (Abg. Scheibner: Was tun wir bagatellisieren?)

Herr Präsident! Ich bedanke mich für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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133. Sitzung / Seite 97

16.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Nichts zu den Förderungen gesagt! Er sagt nichts dazu, der "junge" Mann!)

16.18

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Intentionen dieses Dringlichen Antrages sind klar. Es ist das eine bereits oftmals wiederholte Vorgangsweise. Ich finde es auch bedauerlich, daß ausgerechnet Frau Primaria Povysil diesen Antrag eingebracht hat.

Die Intentionen sind klar. Sie wollen der Öffentlichkeit vortäuschen, es gäbe irgendeine politische Kraft in diesem Hohen Hause, die mit Kinderschändern sympathisiere, die den Schutz der Opfer geringschätze und sich auf die Seite der Täter schlage. – Ich teile Ihnen unmißverständlich mit: Das ist nicht der Fall. Alle Fraktionen dieses Hauses – davon gehe ich aus – sind an einem besseren Schutz der Opfer interessiert.

Ich finde es auch bedauerlich, daß offenbar zwischen den Regierungsparteien keine Übereinstimmung – in teilweise oft kleinen Bereichen – herrscht, was auch immer wieder dazu führt, daß eben solche Debatten möglich sind.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Sie werden sich auch überlegen müssen, ob es nicht möglich ist, in einem Ausschuß vielleicht in einem kleinen Punkt, da oder dort, die Bereitschaft zu zeigen, Kompromisse zu schließen, statt andauernd einer solchen Polemik, einem solchen Sammelsurium von undifferenzierten und nicht zusammenhängenden Vorwürfen ausgesetzt zu sein.

Meine Damen und Herren! Niemand hier ergreift Partei für Kinderschänder. Diese Debatte über einen besseren Schutz der Opfer vor allem während eines Prozesses, den wir, glaube ich, in Österreich verwirklichen sollten, hat sehr wenig mit einer allgemeinen Pornographiedebatte oder mit der Frage zu tun, wo die Grenzen zum Kommerz und wo andere, sicher weitere Grenzen für die Kunst zu ziehen sind. Und sie hat schon gar nichts mit einer Publizistikförderung oder anderen Mitgliedern der Bundesregierung zu tun, einer Publizistikförderung, der Sie dann bei den hier immer wieder angeprangerten Blättern zugestimmt haben. Auch das soll man wiederholen.

Zum anderen ist der Antrag auch traurig, Frau Dr. Povysil, denn er bleibt hinter den Ankündigungen zurück. Wenn es Ihnen ernsthaft um Verbesserungen im Prozeßrecht gegangen wäre, so vermisse ich das in Ihrem Antrag. Denn die Frage der Verjährung, die Frage des Schutzes der Opfer bei der Aussage und während des Prozesses wird in Ihrem Antrag überhaupt nicht thematisiert, sondern es werden alle erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Kindesmißbrauchs verlangt. (Abg. Dr. Haider: Sie haben wohl vergessen, daß schon ein Antrag dem Parlament vorliegt! – Abg. Mag. Stadler: Sie brauchen nur diesem Antrag zuzustimmen! Der liegt im Justizausschuß!) In dieser Form ist das eine derartige Gummiformulierung, daß sich daraus überhaupt keine konkreten Maßnahmen ableiten lassen. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß nicht, warum Sie sich immer so aufregen, wenn man versucht, sich ernsthaft mit Ihren Äußerungen auseinanderzusetzen. (Abg. Mag. Stadler: Sie sollten sich besser informieren! Im Justizausschuß liegt ein Antrag von uns!) Ich komme noch auf Details zu sprechen, wenn Sie nur ein bißchen warten.

Zum anderen – und das fand ich wirklich schlimm –, nämlich zu den Äußerungen des Herrn Bundesministers über die Ausführungen des Abgeordneten Ofner in Richtung der Frau Abgeordneten Dr. Fekter. (Abg. Mag. Stadler: Die Viererbande gegen Kinder!)  – Herr Präsident! Ich verwahre mich auch gegen Ausdrücke wie "Viererbande" und dergleichen! (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein politischer Ausdruck aus dem "real existierenden Sozialismus"!) Sie verwenden eine derartige Diktion wirklich nur zur Diffamierung des Hauses in seiner Gesamtheit! (Beifall bei den Grünen, bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Um auf die Äußerungen des Herrn Abgeordneten Ofner zurückzukommen, der den Saal verlassen hat, nachdem er offenbar die Contenance verloren hat. Es ist nicht nur so, daß er versucht hat, eine Berufsgruppe verächtlich zu machen, sondern seine Äußerungen stellten – das ist gerade am heutigen Tag bedauerlich – auch wieder einen dreisten sexistischen Übergriff dar. Denn die Frage, ob eine weibliche Abgeordnete verheiratet ist oder nicht, welcher beruflichen


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133. Sitzung / Seite 98

Tätigkeit ihr Ehemann nachgeht oder nicht, erlaubt nicht, ihr die Legitimität abzusprechen, im Hohen Hause zu Themen Stellung zu nehmen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol begibt sich zum Präsidium.)

Stellen Sie diese sexistischen Übergriffe ein – und dann werden Sie auch nicht mehr mit solchen Vorwürfen konfrontiert sein! (Abg. Mag. Stadler: Mit erhobenem Zeigefinger gehen Sie dort hinauf, um dem Präsidenten zu drohen!)

Ich nehme Ihren Antrag, der hinter allen Ankündigungen zurückbleibt, auch deswegen nicht ernst, ... (Abg. Mag. Stadler: Mit erhobenem Zeigefinger gegen den "bösen Schüler Haider" muß Khol einen Ordnungsruf verlangen! – Abg. Dr. Haider: Bitte, Herr Lehrer, der Haider hat etwas Böses gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie scheinen offenbar sehr erregt zu sein. Ich weiß gar nicht, warum. Der Antrag scheint jedenfalls nicht sehr gut überlegt zu sein.

Sie nehmen offenbar Ihre eigenen Anträge nicht sehr ernst. Sie beantragen in den Punkten 1 und 2 der Begründung Ihres Antrages zentrale Meldestellen schon für Personen, die "verdächtigt werden", Minderjährige sexuell belästigt zu haben. Dabei nehmen Sie auf Kinderbetreuer, Lehrer und Ärzte Bezug. Und dann entnehme ich der APA folgende Meldung – Originaltext Stadler –: "Es gibt keine stichhaltigen Beweise gegen diesen ehrwürdigen alten Mann"; gemeint ist Kardinal Groer. Es sei nicht bewiesen, und es sei beschämend ... (Abg. Mag. Stadler: Jetzt ist der Kardinal wieder dran! Reden Sie doch einmal über die Regierung! Die freut sich sicherlich!)

Was wollen Sie denn? Wenn es schon beim bloßen Verdacht eine Meldestelle geben sollte, dann müßte dies wohl für jede Person gelten, gerade wenn Sie Personen nennen, die Abhängigkeitsverhältnisse auch ausnützen könnten. Oder nehmen Sie Ihre Anträge nicht sehr ernst? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Seit wann ist der Kardinal im Internet? – Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. )

Herr Stadler, bitte lesen Sie die Anträge, bevor Sie sie offenbar mitunterstützen! (Abg. Mag. Stadler: Reden Sie einmal mit der Regierung! Die fördert die Pornographie! – Abg. Dr. Haider: Sie glaubt, wenn sie eine Brille hat, hat sie schon einen weiteren Horizont!) Sie scheinen sich sehr aufzuregen, und das wird schon seinen guten Grund haben. 

Sie verlangen die Ausweitung des Schutzes der Opfer, insbesondere im Zusammenhang mit dem strafbaren Tatbestand der Schändung auch auf männliche Opfer.

Ich entnehme ebenfalls der APA, daß im Mai dieses Jahres ein gewisser Herr Rumpold einen Juristen in dessen Weichteile gezwickt haben soll. Daraufhin kam es zu einer Verurteilung in erster Instanz. – Ich weiß nicht, wie das mit dem besseren Schutz männlicher Opfer aussieht. (Abg. Dr. Haider: In dubio pro reo!) Sicherlich gilt der Grundsatz "in dubio pro reo", aber Sie verlangen dies alles ja schon bei Verdachtsmomenten. Und ein solches wird bei einer Verurteilung in erster Instanz doch sicherlich gegeben sein. Also ich weiß nicht, wer da in die Weichteile zwickt und wer dann die Opfer schützt. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

Ein weiterer Punkt: Sie verlangen – darauf hat ja bereits Kollege Barmüller Bezug genommen – in Ihrem Dringlichen Antrag, daß alle Personen, Organisationen oder Medien, die Pornographie in irgendeiner Weise verniedlichen oder zugänglich machen, von jeder Art von Förderung ausgeschlossen werden sollen. – Zum einen betrifft das wohl den Großteil der Tagesmedien – das sollten Sie diesen dann auch mitteilen –, zum anderen aber frage ich mich, ob es nicht auch die FPÖ selbst betrifft.

Ich entnehme da wiederum der APA folgenden Vorfall: Es handelt sich dabei um amtierende Funktionäre der FPÖ, die erst danach die Partei verlassen haben. Diese haben sich für das "Österreichische Kontaktmagazin", "ÖKM", auf fünf Seiten in ganz einschlägiger Art und Weise photographieren lassen; auch Filme wurden davon verbreitet. Ich rede jetzt von den damaligen freiheitlichen Funktionären Jörg Genser und dessen Ehefrau Gabriele, Mitglieder der nieder


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österreichischen FPÖ. In dieser hat sich offenbar allerhand angesammelt. (Heiterkeit. – Abg. Mag. Barmüller: Das war ein Wahlversprechen: "Wir bringen Bewegung in die Politik!") Offenbar hätte man Sie von der niederösterreichischen FPÖ damals schon von Förderungen ausschließen sollen, aber das ist ganz offenbar nicht wirklich passiert.

Ich bitte Sie von der FPÖ jedenfalls, diese sommerliche Politagitation zu beenden, richte aber noch einmal den Appell an die Regierungsparteien: Setzen Sie sich noch einmal zusammen –auch mit seriösen Oppositionspolitikerinnen und -politikern, und versuchen wir, rasch einen tatsächlich besseren Schutz der Opfer vor allem im Prozeß sicherzustellen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum.)

16.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.27

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde von einem Abgeordneten – ich glaube, es war Kollege Jarolim – eine "niveauvolle Debatte" verlangt. (Abg. Rosemarie Bauer: Da hat er nicht mit euch gerechnet!) Herr Staatssekretär! Wahrscheinlich, weil er nach Ihnen drangekommen ist, hat er Sie gemeint, denn was Sie in Ihrer Replik auf unseren Dringlichen Antrag vorgebracht haben, ist ein so tiefes Niveau, daß man in den tiefsten Keller dieses Hauses gehen müßte, wollte man sich diesem Niveau angleichen – und selbst dann würde man es noch nicht erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Fuchs: Das ist unerhört!) Es ist ungeheuerlich, was sich hier abspielt, meine Damen und Herren.

Das gilt auch für Sie von dieser ehrenwerten Gesellschaft, denn auch du, Kollege Barmüller, hast dich mit deinem Beitrag diesem Niveau angepaßt! (Abg. Mag. Barmüller: Herbert, das mußt du deinen Kollegen sagen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Worum geht es in diesem Antrag? – Es geht darum ... (Abg. Fuchs: Das ist unerhört! ) Ja, das ist wirklich unerhört, daß man es ins Lächerliche zieht, wenn es darum geht, Kinder zu schützen und dafür zu sorgen, daß man nicht via Kunstsubvention in diesem Land ein Klima schafft, in dem solche Dinge begünstigt und unterstützt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Frau Kollegin, wenn Sie das als unerhört empfinden, dann stimme ich Ihnen zu. Solche Debattenbeiträge, wie Sie sie hier abgeführt haben, sind wirklich unerhört, sind ein Skandal! Und wenn Sie dann gar nichts mehr wissen, kommen Sie wieder mit der "Faschismuskeule". (Abg. Mag. Barmüller: Man kann nicht die Augen vor der Realität verschließen!) Und wenn man dann auch nichts mehr weiß, regt man sich darüber auf, daß irgendwelche Internet-Berichte bekanntgeworden seien. (Abg. Mag. Barmüller: Herbert, warum hast du dagegen gestimmt, als ...? – Gegenruf bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär und auch Herr Minister Bartenstein! Kein Wort zu diesen Dingen, die hier auf den Tisch gelegt worden sind, kein Wort auch von Ihnen, Herr Staatssekretär! Ihre Verantwortung und die Verantwortung des Bundeskanzlers, bei der es darum geht, daß mit Steuermitteln wirkliche Schweinereien – das ist keine Kunst! – gefördert werden! Sie haben nichts dazu gesagt. Es geht jetzt gar nicht darum, daß man den angeblichen Künstler Mühl, einen verurteilten Kinderschänder, irgendwo auftreten läßt, Herr Staatssekretär, da geht es um ganz andere Dinge, die Sie in Ihrem Ressort zu verantworten haben.

Sie haben gesagt, Gewalt und Kunst solle man nicht in einen Topf werfen. – Herr Staatssekretär, was sagen Sie den Eltern, die ein behindertes Kind zur Welt gebracht haben, das vielleicht gestorben ist, wenn dann mit Ihrer Subvention solche Bilder in einem Katalog publiziert werden?! (Der Redner hält kurz ein Schriftstück in die Höhe.) Und das soll Kunst sein: Bilder von verunstalteten und behinderten Kindern?! Das wird im Biennale-Katalog noch als "internationales Aushängeschild" für Österreich gebracht. Was sagen Sie denn da bitte Eltern mit behinderten Kindern?


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Und was sagen Sie Eltern, deren Kinder sexuell mißbraucht werden, wenn im selben Katalog solche Bilder mit Ihrer Subvention als "Kunst" verkauft werden?! (Der Redner hält eine Abbildung in die Höhe, auf der ein gegen ein Baby gerichteter erigierter Penis dargestellt ist.) Da wird ein Baby, auf das ein Penis gerichtet ist, gezeigt, wo zum Kindesmißbrauch und zur Kinderschändung geradezu aufgefordert wird! Was sagen Sie bitte den Eltern? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was sagen Sie Kindern und Erwachsenen, die in ihrer Jugend mißbraucht wurden, Menschen, die lebenslang mit den Folgen dieser Verbrechen zu kämpfen haben? Was sagen Sie diesen Leuten, Herr Staatssekretär?

Und was sagen Sie dazu, wenn solche Publikationen großartige Preise bekommen und mit öffentlicher Förderung in Theatern aufgeführt werden, etwa unter dem damaligen Kulturreferenten Pühringer im Phönix-Theater in Oberösterreich, Publikationen, in denen es heißt:

Ich ficke Babys. "Mit geschlossenen Augen. Greif ich ins Gewimmel. Fisch mir eins. Ficks. Werfs zu den anderen zurück. Alle nackt. Alle da." Und weiters: "Mal erwisch ich ein Männchen. Mal ein Weibchen. O es kommt nicht drauf an. Ringfinger und kleiner Finger decken die Kerbe im Fleisch. Der Hautzipfel läßt sich zwischen Daumen und Zeigefinger verstecken. Es geht keusch zu in meiner Mansarde. Schaben. Reiben. Ich habe Lust eine keusche Geschichte zu schreiben. Der Mittelfinger. Das Poloch. Die Fontanelle. Der zahnlos speichelnde Mund. Wo dring ich ein. Wo rutsch ich rein. Die mir entgegen aufgerissenen Poren. Mein keuscher Ehrgeiz. Mit geschlossenen Augen. Ertasten. Erobern. Jede Babypore ein Loch fürs Leben. Ich habe Lust eine Geschichte über Löcher fürs Leben zu schreiben." – Zitatende.

Herr Staatssekretär! Was sagen Sie Eltern, deren Kinder sexuell mißbraucht werden, warum solcher Unrat und Schmutz gefördert wird, bedeutende Preise bekommt und in Theatern aufgeführt wird?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Darum geht es! Es geht nicht darum, die Freiheit der Kunst anzugreifen. Es gibt die Freiheit der Kunst, und sie muß hochgehalten werden. Es gibt aber auch Menschenrechte und Rechte der Kinder. Diese haben keine Freiheit, wenn sie geschändet werden. Welche "Freiheit" haben die Kinder gegenüber solchen Publikationen, in denen zu derartigen Handlungen ermutigt, ja geradezu aufgefordert wird?

Meine Damen und Herren! Wir haben alles gegen eine Kunst, bei der unter dem Deckmantel "Freiheit der Kunst" in Wirklichkeit Perversitäten ausgelebt werden, die strafrechtlich zu ahnden sind.

Herr Staatssekretär! Wir wollen mit diesem Dringlichen Antrag erreichen, daß endlich bei Ihnen und in diesem Land ein Umdenkprozeß stattfindet, daß solche Publikationen (Abg. Mag. Barmüller: Warum habt ihr das immer abgelehnt?), daß solche Bilder (Abg. Mag. Barmüller: Herbert, warum hast du das immer abgelehnt?), Kollege Barmüller, auf denen Mutter Teresa, die sich nicht mehr wehren kann, in derart übler Art und Weise verunglimpft wird, daß solche Dinge eben nicht mehr möglich sind – und wenn, dann im Verborgenen, aber nicht mit staatlicher Subvention! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Kollegin Povysil hat gesagt: Der Mißbrauch an Kindern ist Mord. – Ich meine, wir sollten uns an derartigen Dingen nicht beteiligen. (Abg. Mag. Barmüller: Dann würde ich an deiner Stelle im Justizausschuß anfangen!)

Herr Staatssekretär Wittmann! Ich zitiere jetzt noch einmal aus dem Buch "Babyficker". Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen; Sie haben gesagt, Sie haben Kinder. Nehmen Sie diesen Text, lassen Sie sich Ihre Rede vorspielen, wie Sie sie heute formuliert haben, und wenn Sie nach Hause kommen, schauen Sie Ihr Kind an. Und überlegen Sie sich, ob Sie mit Ihrer Wortmeldung anläßlich unseres Dringlichen Antrages richtig gehandelt haben.

Zitat: "Die Babies schlafen. Nicht nur nachts. Auch tagsüber. Wenn ich sie ficke. Früher einmal haben sie immer gebrüllt." (Rufe bei der ÖVP: Hör auf! Scheinheilig! – Weitere Zwischenrufe bei


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SPÖ und ÖVP.) "Jetzt schlafen sie immer." (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Und das wird von der ÖVP gefördert! – Weitere Zwischenrufe.)

16.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (das Glockenzeichen gebend): Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Povysil gemeldet. Maximale Redezeit: 2 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Frau Abgeordnete Povysil hat das Wort. Ich bitte, dies anzuerkennen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.34

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Herr Präsident! Minister Bartenstein hat behauptet, es gäbe keine Snuff-Videos.

Ich zitiere aus einer Studie, die von seiner Vorvorgängerin, Frau Ministerin Feldgrill-Zankel, in Auftrag gegeben wurde, und zwar aus der sogenannten Knospe-Studie, folgendes:

"Der Kleine liegt auf dem Rücken. Seine Beine sind vertikal angebunden an ein Heizungsrohr. Der Bub zeigt keine Reaktionen mehr." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tegischer. 10 Minuten Maximalredezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.35

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich habe eigentlich geglaubt, daß es unumstritten und eine Selbstverständlichkeit ist, daß sich jeder/jede in diesem Hohen Hause gegen jegliche Art von Gewalt gegen Kinder aufs schärfste verwahrt und dies verurteilt. Jeder, der sich mit dieser Materie ernsthaft befaßt – Sie können mir glauben, dies tue ich schon seit Jahren als Sozialarbeiterin und jetzt auch als Politikerin –, versucht, das Möglichste zu tun, um unsere Kinder zu schützen. Es tut mir leid, daß die Debatte jetzt in diese Richtung geht.

Trotz der großen Aufregung möchte ich nun wieder zum Kern der Antrages kommen und dieses sensible Thema vor allem aus sozialpädagogischer Sicht betrachten.

In Ihrem Antrag verweisen Sie, und zwar gleich auf Seite 1, auf die Wichtigkeit der Einrichtung einer zentralen Meldestelle pro Bundesland, an die alle Fälle zu melden sind, bei denen der bloße Verdacht auf psychischen, physischen und sexuellen Kindesmißbrauch besteht.

Dazu möchte ich folgendes anmerken: Schon seit längerer Zeit gibt es einen vom Familienministerium verfaßten Gesetzentwurf bezüglich der Einrichtung solcher zentralen Meldestellen. Allerdings werden in den meisten Stellungnahmen große Bedenken gegenüber der Sinnhaftigkeit und Effizienz einer solchen Meldestelle geäußert. Ich bin froh darüber, daß wir noch oft Gelegenheit haben werden, über dieses Thema und über diese zentrale Meldestelle zu diskutieren, um dadurch nicht der Gefahr einer Alibihandlung zu erliegen.

Einige Bedenken möchte ich hervorheben. Die alleinige Meldeverpflichtung ohne Ausweitung des entsprechenden Hilfsangebotes kann nicht veränderungswirksam sein. Die Tätigkeit des Jugendamtes wird dadurch im Bewußtsein der Bevölkerung zu einer sozialpolizeilichen Aufgabenstellung degradiert. Es ist zu befürchten, daß bei Bekanntwerden der zentralen Meldestruktur gerade Eltern, die zu innerfamiliärer Gewaltanwendung neigen, ärztliche Hilfe künftig seltener in Anspruch nehmen – oder aus Angst vor einer Strafverfolgung ihre Kinder überhaupt nicht mehr in ärztliche Pflege geben, sie zu einem Arzt bringen beziehungsweise die Versorgung überhaupt verweigern.


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Analysen belegen – darauf hinzuweisen ist mir besonders wichtig –, daß auch in den schwersten, sogar in Fällen mit tödlichem Ausgang, Mißhandlungen in beinahe allen Fällen den Behörden vorher bekannt waren. Es fehlt also nicht an Information, vielmehr gibt es für solche Krisenfälle ein unzureichendes personelles Angebot, und die materielle Ausstattung der Hilfseinrichtungen fehlt.

Außerdem würden zentrale Meldestellen die Dynamik verschärfen, denn einer Gruppe, die für Hilfe qualifiziert ist, würden noch zusätzlich Kontrollaufgaben aufgelastet werden.

Folgende mögliche Alternativen zur Verbesserung des Schutzes unserer Kinder gegenüber Gewalt sehe ich darin – lassen Sie mich einige davon aufzählen –: Die in gravierenden Fällen von Ärzten erstattete Verletzungsanzeige muß gleichzeitig auch an die Jugendwohlfahrtsträger übermittelt werden, um neben der polizeilichen Ermittlung auch umgehend sozialarbeiterische Schritte einleiten zu können, denn ansonsten erfolgt die Information zwar früh genug, ergeht aber an die Jugendämter oft mit mehrwöchiger Verspätung.

Meiner Meinung nach ist es auch wichtig, gezielte Fortbildung jener Berufsgruppen zu forcieren, die in ihrer Berufsausübung die Möglichkeit haben, Verdachtsmomente wahrzunehmen und eine Förderung der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Jugendämtern im Sinne des Ausbaus kooperativer Vernetzungsstrukturen zu initiieren.

Außerdem ist eine verbesserte praxisbezogene Aus- und Weiterbildung des Krankenhauspersonals, der Lehrer und der KindergärtnerInnen wichtig, wodurch ein Erkennen von Gewalthandlungen an Minderjährigen und Kindern leichter ermöglicht wird. Ebenso bedeutsam ist die Erstellung eines Sozialarbeiterplanes zur Qualitätssicherung, und zwar in Form eines Forschungsprojektes, damit wirklich alle Institutionen, die mit der Verhinderung von Gewalt und Prävention von Gewalt betraut sind, miteinbezogen werden.

Ich habe schon erwähnt, daß meiner Ansicht nach Präventionsprogramme besonders wichtig sind. Und ich möchte hier eines besonders hervorheben, von dem ich glaube, daß damit ein richtiger Weg beschritten wird, um unsere Kinder zu schützen. Es gibt in Tirol ein Präventionsmodell – es heißt "Sag nein!" –, in dem Anregungen für LehrerInnen, KindergärtnerInnen, Erziehungs- und Betreuungspersonal gegeben werden. Es vermittelt folgende Botschaften an die Kinder: Über deinen Körper bestimmst du allein; deine Gefühle sind wichtig; es gibt angenehme und unangenehme Berührungen; du hast das Recht, nein zu sagen; es gibt gute und schlechte Geheimnisse; sprich darüber und suche Hilfe; du bist nicht schuld.

Kinder müssen als eigenständige Menschen mit Bedürfnissen, Wünschen und dem Recht auf Achtung und nicht als Besitz oder als notwendiges Übel angesehen werden, das sich mitunter auch den sexuellen Wünschen der Erwachsenen zu fügen hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Wir müssen für unsere Kinder ein vernetztes Hilfsangebot mit qualifiziertem Personal schaffen. Durch Repressionen erreichen wir nur das Gegenteil der Zielsetzung.

Der Dringliche Antrag von Frau Abgeordneter Povysil ist auf reine Symptombekämpfung ausgerichtet; damit können keine Probleme gelöst werden. Und vor allem: Das Benehmen und auch Ihre Aufmerksamkeit während dieser Debatte – speziell bei wirklich konkreten Vorschlägen – stimmt mich angesichts der Ernsthaftigkeit dieses Themas traurig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Mühlbachler hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Die Geschäftsordnung ist bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.42

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der vorangegangenen Debatte wurde behauptet, daß Herr


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Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer am Phönix-Theater das Turrini-Stück "Der Babyficker" gefördert hätte.

Ich stelle richtig: Das Phönix-Theater bekommt vom Bund, vom Land und von der Stadt Linz eine Basisförderung. Diese Basisförderung wird im voraus gewährt, und es wird auf die Programmgestaltung weder im Positiven noch im Negativen Einfluß genommen, weil es sich ansonsten dabei um Kunstzensur handeln würde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Jung: Das ist ja noch verantwortungsloser!)

16.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser-Starrach. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.43

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es darf kein Pardon für Kinderschänder geben! Kinderschänder sind das letzte, was wir in diesem Land wollen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber der uns jetzt vorliegende Dringliche Antrag ist bereits mindestens zweimal wortidentisch eingebracht worden; das letzte Mal am 26. Feber 1998. Wir, die Abgeordneten der ÖVP, arbeiten bereits in diese Richtung. Kollegin Fekter hat bereits aufgezählt, welche Gesetze und Novellen hier bereits ein- und durchgebracht wurden. Wir werden morgen 60 000 Unterschriften zum Schutz der Kinder vor Mißbrauch an den Herrn Präsidenten übergeben. (Abg. Jung: Wer regiert dieses Land?) Die Regierungsvorlage betreffend Sexualdelikte und Penetration wird ebenfalls zügig und gewissenhaft im Herbst verhandelt werden.

Die Scheinheiligkeit ist schon deshalb sehr interessant ... (Abg. Jung: Wer regiert eigentlich in diesem Land?) Lassen Sie mich aus dem Artikel "Haiders Porno-Pärchen muß zurücktreten!" zitieren! Es handelt sich dabei um den Skandal des Ehepaars Genser, den auch Kollegin Petrovic schon angesprochen hat. Im Interview meinte der "F"-Mandatar:

"Ich habe nicht gewußt, daß diese Fotos erscheinen würden. Die ganze Sache hatte sich nach einem Gespräch mit Bekannten ,irgendwie ergeben‘". – Bei Rosenstingl hat man es auch nicht gewußt, und es hat sich dann irgendwie ergeben.

In jedem Menschen, sagt Konrad Lorenz, gibt es latente Aggression. Er spricht es mit dem Begriff "innerer Schweinehund" an. Wir dürfen dafür niemanden in Geiselhaft nehmen – nicht die Medien, nicht die Video-Hersteller –, aber wir müssen die Rahmenbedingungen dafür dementsprechend in Ordnung bringen.

Für alle Dinge, die in der Gesellschaft nicht stimmen, ist letztendlich der einzelne Mensch zuständig und verantwortlich. – Einmal mehr einer meiner Leitsätze: Menschen kompetent machen; sie stolz sein lassen auf das, was sie leisten können. Jeder ist für sich selbst verantwortlich.

Es gibt unter uns einen breiten Konsens darüber, Gewalt abzulehnen. Trotzdem akzeptieren wir diverse Leichen im "Alten", in "Kommissar Rex" und selbst in Schnittkes "Gesualdo". Die Wissenschaft hat einen Namen dafür: "third-person-effect". Wir haben den Durchblick, die anderen sind die Gefährdeten. – Das sagen die anderen allerdings auch.

Was also in der öffentlichen Diskussion im allgemeinen im Vordergrund steht, ist der reine, pure Wirkungsansatz im Zusammenhang mit Gewalt. Welche Wirkungen haben diese Gewaltdarstellungen, Darstellungen von entsetzlichen sexuellen Übergriffen, Berichte und Darstellungen von Selbstmorden? – Sie sind Trigger-Phänomene, Auslöse-Phänomene. Die Darstellung ermöglicht den Leuten erst, einen Entschluß zu fassen und Ideen zu ventilieren.

Wenn wir sexuelle Gewalttaten näher beleuchten, müssen wir eindeutig feststellen – das kam auch ganz klar bei der Enquete am 1. Juli 1998 "Gewalt und Horror" heraus –: Monate- bis jahrelange Hilferufe hätten der Umgebung signalisieren müssen, daß da etwas schiefläuft. Die


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Umgebung, die engste Umgebung hat weggeschaut, hat nicht gehandelt. Die Gesellschaft tut sich nichts Gutes, wenn sie sich in den Sack lügt.

Mit Angst und Bedrohung umgehen zu lernen, ist ein wesentlicher Aspekt unseres Sozialisationsprozesses. Wir sollten unsere Kinder nicht in einer angst- und bedrohungsfreien Situation aufwachsen lassen. Das wäre so, als ob Kinder 20 Jahre lang vom Meer ferngehalten und dann plötzlich ans Ufer geschickt würden. – So kann es nicht gehen! Unsere Kinder gehören Angst und Bedrohung kontrolliert ausgesetzt. Das war die fundierte Meinung des Medien-Psychologen Professor Vitouch.

Professor Friedrich führte seine Gedanken mit einem Bild aus: Solange ein Märchen im magisch-animistischen Denken verhaftet ist, solange sich das Kind an die erzählende Großmutter schmiegen kann, die Oma jedesmal nahezu wortidentisch das Märchen erzählt, und solange das Kind den glücklichen Ausgang immer wieder miterlebt, darf ein Angstzustand bestehen.

Mein "Rotkäppchen" sieht ganz anders aus als das Ihre. Die eigene Phantasie muß visualisiert werden. Die eigene Phantasie! Werden Szenen mit sexuellen Grausamkeiten aufgenommen, sind sie replizierbar, und in dieser Repetition sieht Professor Friedrich auch die große Gefahr. Buchseiten können ganz gezielt überblättert werden. In meiner Jugend liebte ich zum Beispiel Auguste Lechners Bücher. Aber an der Stelle, an der der berühmte schwarze Hengst im Treibsand rettungslos versank, blätterte ich jedesmal sofort drüber. Ja, darüber hinaus suchte ich die Seiten schon vorher heraus und überblätterte sie im Ganzen, in einem Schwung. Das geht mit Büchern – nicht in einem Film!

Aus den psychologischen Wissenschaften wissen wir: Wenn sich etwas in den subkortikalen Bereich, also ins Unbewußte, verlagert hat, dann taucht es aus diesem Bereich verwandelt, markiert immer wieder auf. Die Repetition zerstört unsere Phantasie! Unser wichtigstes Sexualorgan ist der Kopf! Der Film zerstört unsere Phantasie – zumindest dann, wenn Sexualität auf Genitalität und der Inhalt auf Brutalität reduziert wird.

Zurück zum Erlernen von Angstbewältigungsstrategien und zum Starkmachen unserer Kinder: Kinder müssen abgesichert, unterstützt und gefördert werden. Wir haben dazu zwei Projekte, die viel zuwenig bekannt sind.

Das erste ist ein Projekt für Sexualerziehung: "Miteinander reden, voneinander lernen": Speziell geschulte Sexualtherapeuten bauen mit Schülern, Eltern und Lehrern ein gezieltes Stärkungsprogramm für unsere Youngsters auf. Alle sind gleichsam begeistert, gezielte Antworten auf Fragen ohne Ende zu bekommen. Die Sprachlosigkeit wird damit endgültig ausgeräumt.

Das zweite Projekt, das "Green-Potato-Jugend-Projekt", dient der Stärkung des Selbstbewußtseins, der Erweiterung und Vertiefung sozialer Kompetenzen, der spielerischen Vermittlung psychologischen Wissens und einer sanften Art der Selbsterfahrung, um Konfliktsituationen begegnen zu können – und um stark zu sein, wenn es gilt, dieses bewußte "Nein!" auszusprechen. Es sind Hilfestellungen auf dem schwierigen Weg zum Erwachsenwerden.

Ich begann mit Konrad Lorenz und möchte mit seinem Schüler Irenäus Eibl-Eibesfeldt enden: Wir Menschen sind Generalisten, hochbegabte Kulturwesen und fähig, über Zielsetzungen, zukunftsorientierte weitere Entwicklungen mitzubestimmen, also rechtzeitig aus Fehlern zu lernen und dementsprechend unseren Kurs zu korrigieren. Wir sollten uns bei der Entwicklung eines generationenübergreifenden Überlebensethos mehr von unseren prosozial fürsorglichen Beweggründen als von unserem repressiven Dominanzstreben leiten lassen.

Außenminister und Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel hat heute mittag in aller Deutlichkeit gesagt, daß es gilt, dieses Thema auch in der UNO anzusprechen.

Bei meinem Schlußwort möchte ich noch Papst Johannes Paul II. bemühen, der sagte: "Ich möchte für diejenigen meine Stimme erheben, die selbst zuwenig haben."


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Ich möchte denjenigen helfen und sie unterstützen, die all ihre Bemühungen in den Dienst unserer geschundenen Kinder stellen: die Kinderschutzgruppen, die nun österreichweit, etwa im Wiener AKH, an den Landeskliniken und in den Bezirkskrankenhäusern, zu meiner großen Freude entstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.52

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es grundsätzlich immer begrüßenswert, wenn öffentlich eine Diskussion über ein Thema geführt wird, das bedauerlicherweise ohnedies allzu lang verschwiegen und vertuscht wurde. Ich finde es nur gleichzeitig – gerade deshalb, weil ich für diese öffentliche Diskussion so eintrete und sie für so wichtig halte – bedauerlich, in welcher Form und aufgrund welchen Anlasses diese Diskussion heute geführt wird.

Ich halte diese Diskussion einerseits deshalb für notwendig – auch die vielen Jahre hindurch, seitdem es gelungen ist, das abscheuliche Thema "sexueller Kindesmißbrauch" in die Öffentlichkeit zu tragen –, weil das zu einer höheren Sensibilität in der Bevölkerung geführt hat, andererseits aber in demselben Maße – auch das ist mir wichtig –, weil es den Opfern verstärkt Mut gemacht hat, ihr Schweigen zu brechen.

Wer sind die Opfer von sexuellem Mißbrauch? – Es gibt Untersuchungen, wonach es österreichweit eine Dunkelziffer von 10 000 bis 25 000 Kindern gibt, die davon betroffen sind. Jede vierte Frau in Österreich hatte mit sexuellem Mißbrauch zu tun, wurde sexuell mißbraucht. Ich glaube, daß sich diese Opfer eine Diskussion dieser Art nicht verdient haben. (Beifall bei der SPÖ.)

In der Diskussion um die Täter wird oft so getan, als handle es sich beim sexuellen Kindesmißbrauch um einen bösen Mann im Hintergrund, den niemand kennt. – Die betroffenen Kinder kennen zum Großteil den Täter: Es sind oft die Väter, die "guten Onkel", also es ist die Familie, in der sexueller Kindesmißbrauch stattfindet. Daher bin ich auch sehr froh darüber, daß wir gerade im Bereich der Familie – dort beginnt die Gewalt – ein Maßnahmenpaket im Hohen Haus diskutiert und auch beschlossen haben.

Ich möchte einen sehr wichtigen Punkt davon herausgreifen, nämlich die Einführung eines sicherheitspolizeilichen Wegweiserechts von Gewalttätern aus dem gemeinsamen Familienverband. Es war höchst an der Zeit, daß nicht Frauen mit ihren Kindern – mißhandelte Frauen, sexuell mißbrauchte Frauen und Kinder – flüchten müssen, sondern daß ihnen die Möglichkeit geboten wird, weiter in ihrem Wohnumfeld bleiben zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Zusammenhang würde ich gerne wissen, wie die Freiheitlichen ihr Abstimmungsverhalten und ihre Diskussionsbeiträge zum Thema der Wegweisung der Gewalttäter aus dem Familienverband rechtfertigen. Sie haben dagegen gestimmt, als es darum ging, wirklichen Opferschutz zu betreiben. Sie sind dabei auf der Seite der Gewalttäter in den Familien gestanden. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte das mit zwei Zitaten aus der Diskussion um das Wegweiserecht belegen. Kollege Ofner hat bei dieser Debatte gesagt:

Wir sind aber auch dafür, die Kirche im Dorf zu lassen. Wir glauben, daß es für Sanktionen nicht genügen soll, wenn jemand einem anderen Gewalt androht, etwa in der Form, daß er sagt: Du bekommst eine Ohrfeige. Wir glauben auch, daß ein gewisses Mindestmaß an Gewalt in diesem Zusammenhang erforderlich sein soll. – Zitatende.

Das ist die Position der Freiheitlichen Partei zur Frage von Gewaltfreiheit, von Gewalt in der Familie. Das war eine der Begründungen dafür, daß sie gegen das Wegweiserecht gestimmt hat.


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Eine zweite Begründung kommt der vorher zitierten sehr nahe. Als es darum ging, wie man die Opfer in den Familien, die Schwächeren auch tatsächlich schützen könne, äußerte Kollege Lafer in der Diskussion seine Besorgnis darüber, wie man eigentlich den männlichen Gewalttäter schützen könne. Wie können wir die "armen Männer" schützen? Zitat: "Es wird wahrscheinlich soweit kommen, daß die Männer" – jene, die Frauen und Kinder prügeln – "unter der Brücke schlafen müssen, weil sie sonst nirgendwo untergebracht werden."

Das scheint Ihr tatsächlicher Zugang zu diesem Thema zu sein, und das hat sich auch bei der Beschlußfassung des Wegweiserechts gezeigt.

Ich glaube, daß es eine Reihe von Maßnahmen gibt, bei denen man an Ihrem Abstimmungsverhalten konkret Ihre Position erkennen kann. Sie bringen heute einen Antrag ein, in dem Sie teilweise Maßnahmen fordern, die ohnedies schon umgesetzt wurden oder von denen Sie andererseits genau wissen, daß sie zur Bearbeitung im Hause liegen. Wir werden Sie dann daran messen, wie Sie darüber wirklich abstimmen werden.

Ich möchte auch festhalten, daß hier im Hause der Kampf gegen sexuellen Mißbrauch nicht nur diskutiert wurde, sondern daß eine Reihe von konkreten Maßnahmen auch schon beschlossen wurde. Im Zuge der Diskussion um die UN-Konvention für die Rechte des Kindes haben wir den Tatbestand des Besitzes von pornographischen Machwerken eingeführt. Weiters haben wir den Schadenersatz für Opfer sexuellen Mißbrauchs eingeführt. Und wir werden im Bereich des Vernehmungsschutzes, zum Beispiel der "sanften Einvernahme" von Kindern – damit das so behutsam wie möglich geschieht –, weiterarbeiten.

Ich weiß schon – das an die Freiheitliche Partei –, daß man auch einzig und allein dem Ruf nach dem Strafrecht nachgehen kann. Dem Strafrecht kommt in diesem Zusammenhang natürlich auch eine große Rolle zu, aber das Strafrecht allein ist zuwenig. (Abg. Dr. Haider: Haben Sie der Frau Povysil eigentlich zugehört?)

Kollegin Tegischer ist auch auf diese Problematik eingegangen. Der große Nachteil des Strafrechtes ist nämlich, daß es zu spät zur Verfolgung kommt. Zu diesem Zeitpunkt hat nämlich der Mißbrauch schon stattgefunden. Daher ist die wichtigste Frage, wie man den Ursachen von sexuellem Kindesmißbrauch auf die Spur kommen kann, um diesem Mißbrauch Abhilfe zu schaffen. Bereiche wie die Stärkung des Selbstbewußtseins und die Rechte der Kinder können wirklich einen präventiven Beitrag dazu leisten, daß es zu dieser Form von Gewalt nicht kommt. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Sie von den Freiheitlichen haben Schwierigkeiten damit, Kinder zu Gewaltfreiheit und zu Toleranz in diesem Land zu erziehen. Das werfe ich Ihnen in diesem Zusammenhang vor. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen als eine, die, wie gesagt, größtes Interesse daran hat, diese Diskussion zu führen und alles dazu beitragen wird, um Regelungen zu finden, damit Kinder und Frauen tatsächlich geschützt werden: Sie haben mit der Diskussion, wie Sie sie hier geführt haben, den betroffenen Frauen und Kindern keinen guten Dienst erwiesen. Ich finde, Ihre Diskussionsbeiträge waren beschämend! (Beifall bei der SPÖ.)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stadler. Sein Klub hat noch eine Redezeit von 9 Minuten. – Bitte.

16.59

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Staatssekretär, Sie haben heute eine, wie üblich, wohlvorbereitete Rede verlesen. Dann haben Sie zu extemporieren versucht – und das ist verunglückt. Aber Sie hätten heute die Möglichkeit gehabt, aufzustehen – nicht zu lächeln – und zu sagen: Gut, ich habe nicht gewußt, daß wir das Internet und damit Pornovereine fördern. Mir ist das nicht recht, ich werde das abstellen. – Keine Silbe davon! Der Familienvater Wittmann!


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Dann steht der Familienminister von der ÖVP auf, schüttet eine halbe Rede lang nur die Freiheitlichen an und bringt nicht ein einziges Mal über seine Lippen, daß ihm das nicht recht ist, daß die Bundesregierung Pornovereine fördert, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Bundesminister hat ja erklärt, in seinem Ministerium werde – wie übrigens auch in seinem eigenen Parlamentsklub – permanent in den Pornokanälen des Internets herumgesurft. Mich würde interessieren, wer das bei der ÖVP ist. Die ist nämlich einer der zahlreichsten Surfer – nicht das Ministerium, sondern der ÖVP-Klub führt die Hitliste mit insgesamt 382 Zugriffen zu Beginn des Monats Juni an. 382! Forschen Sie einmal nach, Frau Kollegin Moser, wer bei Ihnen herumsurft! Das wird nicht derjenige sein, der im Familienministerium berufsmäßig für den Herrn Bartenstein herauszufinden versucht – nur findet er es nicht heraus! –, ob der Herr Wittmann Pornovereine im Internet fördert. Nein, das werden schon jene sein, die ganz gut mit den Dingen umgehen können, Frau Moser!

Da braucht mir die Frau Fekter auch nichts zu erzählen von wegen, man hätte sich im Kanal vergriffen. Dann hätten sich alle Schwarzen bei der Niederösterreichischen Landesregierung, die die Hitliste hinter dem Magistrat der Stadt Wien anführen, vergriffen. Die Beamten der Vorarlberger Landesregierung: 887 Zugriffe, die Tiroler Landesregierung, Frau Kollegin Moser, Ihre eigene Landesregierung – den Herrn Landeshauptmann kennen Sie ja gut –: 446 Zugriffe, meine Damen und Herren! Alles Anfang Juni. Nicht von mir erfunden, von einer ÖVP-Zeitung aus der Steiermark zum besten gegeben! Und daher müßten Sie wissen, was sich hier abspielt.

Keiner bringt ein Wort des Bedauerns über die Lippen. Nein, man versucht, so wie Frau Petrovic, irgendeine Ehebettgeschichte beim ÖKM mit Kindesmißbrauch zu vergleichen. Da sieht man, welche Denkart hier dahintersteckt: Es geht nicht um die Kinder. Nein! Wenn wir versuchen, Kinder zu schützen, dann werden irgendwelche ÖKM-Geschichten erzählt, meine Damen und Herren! Das zeigt, wie abgrundtief diese Menschen die Kinder in diesem Lande verachten! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Abgrundtiefe Verachtung für die Kinder dieses Landes – das ist die Politik, die heute zum besten gegeben wurde!

Dann haben Sie, Frau Kollegin Moser, noch den Papst zitiert. Das hat der Papst nicht verdient, daß Sie ihn in diesem Zusammenhang zitieren. Ihre Frau Bundesminister Gehrer ist dafür verantwortlich – das ist Ihre Parteifreundin, falls Sie das vergessen haben –, nebst den Surfern Ihres Klubs, daß derartige Dinge in den Museen dieses Landes hängen. (Der Redner hält Reproduktionen von Werken Otto Mühls in die Höhe.) Derartige Dinge hängen in den Museen dieses Landes! Glauben Sie, daß ich das erfunden habe, Frau Moser? Erkennen Sie das wieder? – Das ist Ministerverantwortlichkeit der ÖVP. Frau Gehrer trägt die Verantwortung dafür!

Meine Damen und Herren! Damit nicht genug! (Der Redner zeigt eine weitere Reproduktion eines Werks von Otto Mühl und legt sie vor sich auf das Rednerpult.) Das ist Ihre Bundesregierung, Frau Moser – wenn Sie schon den Papst zitieren –, die Mutter Teresa in der Sezession verhöhnt. Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie sich das Bild schon einmal vergegenwärtigt haben, ob Sie vielleicht hin und wieder auch eine andere Zeitung als die "Tiroler Tageszeitung" lesen, Frau Moser. Ihre Bundesminister sind das! Diese Schweinereien sind gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten. Ihr eigener Parteichef fördert das. Meine Damen und Herren! Frau Moser! Wäre es nicht an der Zeit, statt sich auf den Papst zu berufen, einmal mit Ihrem Parteivorsitzenden zu reden, damit er derartige Dinge abstellt? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Herr Kardinal dient nicht nur der Frau Petrovic zur Verhöhnung, sondern dieser dient natürlich auch dem Herrn Mühl, dem so sehr geförderten Herrn Mühl, zur Verhöhnung. Diese Bilder, meine Damen und Herren, und speziell diese Bilder (der Redner zeigt weitere Reproduktionen von Werken Otto Mühls), auf denen Kinder dargestellt werden – übrigens mit einem Mitglied Ihres Parlamentsklubs, da hinten sitzt er –, dienen dazu, der Öffentlichkeit zu suggerieren, der Herr Mühl gehöre wieder zu uns, zur guten Gesellschaft, und die Opfer, die er mißbraucht hat – lesen Sie einmal die Gerichtsakten! –, sind die Dummen dieses Landes. Da ist Ihre Politik, Ihre


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Heuchelei, Ihre bodenlose Heuchelei, die Sie heute zum besten gegeben haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Moser! Sie sollten sich dafür schämen! Ich habe immer geglaubt, daß Sie als ehemalige Familienministerin zumindest noch wissen, worum es geht. Sie sind einmal Familienministerin gewesen. Sie haben zwar nicht viel Spuren hinterlassen, aber Sie waren einmal für dieses Ressort verantwortlich. Sie hätten heute als Familienministerin außer Dienst die Pflicht gehabt, das nachzuholen, was Ihr eigener Familienminister – derzeit noch im Dienst – versäumt hat: sich bei den Kindern dafür zu entschuldigen, daß die Regierung dieses Landes zum wiederholten Male Kinderschänder fördert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann tritt Ihre eigene Parteifreundin, Frau Fekter – und ich möchte auf deren Beruf jetzt gar nicht eingehen, von der Jurisprudenz hat sie jedenfalls nicht viel Ahnung! –, hier an das Rednerpult und fordert Schutz für die Internet-Benützer des ÖVP-Klubs. Sie sagt, der Datenschutz sei verletzt worden, man müsse das Strafrecht für den Datenschutz verbessern. Die Ferkelei müsse geschützt werden, nicht die Kinder! – Das ist das Anliegen der Vorsitzenden des Justizausschusses des österreichischen Parlaments. Ja, Frau Fekter, sagen Sie es doch! Drehen Sie jetzt nicht die Finger! Das haben Sie heute hier gesagt. Ich weiß nicht, ob Sie noch ein paar Minuten Redezeit haben. Sie können herunterkommen und sagen: Ich entschuldige mich dafür! – Das würde genügen! Denn für all diese Dinge und für dieses Milieu sind Ihresgleichen verantwortlich.

Heuchelei im Internet zum besten geben, das ist Ihre Politik. Außerhalb des Parlaments reden Sie immer anders als hier herinnen, so wie Ihre Kollegin Horngacher, die derzeit in Tirol eine Aktion "Kinder brauchen uns" macht. "Schaut nicht weg!", sagt sie. Dann wird eine Unterschriftensammelaktion durchgeführt. (Abg. Dr. Fekter: 60 000 Unterschriften haben wir schon!) Ja, wunderbar! Diese 60 000 Unterschriften verhöhnen Sie gleich, Frau Fekter! Diese 60 000 Unterschriften sind bei Ihrer Partei für die Katz abgegeben worden, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine der Forderungen lautet – Frau Horngacher, korrigieren Sie mich, wenn es nicht stimmt –: Gesetzliche Regelung für Internet-Provider zum Schutz der Jugendlichen und Kinder. – Im eigenen Klub sollten Sie das einmal umsetzen! Im eigenen Klub sitzen die Leute, die im Internet auf Kinderpornographie zugreifen. Machen Sie das einmal in Ihrem eigenen Klub, und dann haben Sie mit diesen 60 000 Unterschriften auch etwas angefangen und die Unterzeichner nicht nur an der Nase herumgeführt, Frau Horngacher! (Abg. Dr. Fekter: Womöglich haben Sie sich eingeklinkt bei uns im Klub! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ach, ich habe mich eingeklinkt? Mein Gott, Frau Fekter! (Abg. Dr. Fekter: Wer weiß denn das?) Sie wollten ja Datenschutz haben, Frau Fekter. Schauen wir einmal in Ihrem Benützernetz nach, wer das war. Ich mache Ihnen ein Angebot, Frau Fekter: Gehen wir nachschauen, wer bei Ihnen die Benützer sind! Ich glaube, da würde manch einer aus Ihrem Parlamentsklub eine böse Überraschung erleben, inklusive der Frau Justizausschußvorsitzenden! Primitiver, Frau Justizausschußvorsitzende, geht es nicht mehr! Ihr eigener Klub ist der Gipfelpunkt der Heuchelei! Daß der andere Teil dessen, was man im Marxismus in China als "Vierer-Bande" bezeichnet, daß der Rest dieser "Vierer-Bande" jene Haltung vertritt, die Herr Jarolim zum besten gegeben hat, der heute gesagt hat – ich zitiere ihn wörtlich –, er bedauere, daß Frau Kollegin Povysil das Thema Kindesmißbrauch nicht sachlich abgehandelt hat ... (Abg. Dr. Jarolim: Sachlicher als Sie!)  – Aber ja, Herr Kollege Jarolim! Wie verräterisch doch Sprache sein kann! Sie sehen im Kind eine sachliche Problematik. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! So kann nur jemand reden, der das Kind abgrundtief mißachtet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Sie sind das Letzte!) So kann man nur reden, wenn man kein Gefühl dafür hat, was für ein empfindliches, verletzliches Wesen ein Kind ist, wenn man kein Gefühl dafür hat, daß man ein Kind lebenslänglich schändet, wenn man den sexuellen Mißbrauch eines Kindes begünstigt, so wie das Ihre Bundesregierung tut. (Abg. Dr. Fekter: Wieso haben Sie dann dagegen gestimmt?) Wenn man das tut, dann kann man so


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technokratisch nüchtern davon reden, daß man das Thema Kindesmißbrauch sachlich abhandeln muß.

Meine Damen und Herren! Das ist das, was ich sagen möchte: Diese Geisteshaltung Ihres Staatssekretärs, Ihres Bundeskanzlers, Ihres Familienministers, Ihrer Ausschußvorsitzenden, Ihrer Frau Exfamilienministerin ist es, die das alles begünstigt. Diese Geisteshaltung steht heute vor der Anklage! (Zwischenruf der Abg. Dr. Sonja Moser-Starrach. )  – Nein, Frau Moser, Sie haben heute hier den Papst zitiert. Sie haben sich auf den Papst berufen in einer wohlvorbereiteten und -aufgesetzten Rede, die Ihnen Ihr Sekretär geschrieben hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Sie haben es heute als ehemalige Familienministerin verabsäumt, das nachzuholen, was Ihre Regierung, die – und ich wiederhole es noch einmal – permanent beim Fördern von Pornovereinen ertappt wird, heute nicht zustande gebracht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim! Eine Sekunde. Ich habe die vorangegangene Diskussion nicht gehört, und daher habe ich mir sehr schwergetan, jetzt irgendwie einzugreifen. Ich weiß auch, daß das ein sehr schwieriges und heikles Thema ist. Aber da jetzt weitere Wortmeldungen vorliegen, möchte ich schon sagen, ich meine, man kann dieses Thema abhandeln, ohne sich gegenseitig ununterbrochen "bodenlose Heuchelei" und so weiter vorzuwerfen. Ich sage noch einmal, man muß alles sehr ernst nehmen, aber man kann, so glaube ich, eine Sprache finden, die das anders ausdrückt.

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Die Redezeit beträgt ... (Abg. Dr. Graf: Sie werden sich hoffentlich die anderen Debattenbeiträge auch durchlesen!) – Ich brauche keine Ermahnungen, Herr Abgeordneter! (Abg. Dr. Graf: Wenn Sie keine Ahnung von der Debatte haben ...! – Abg. Grabner: Aber du! – Abg. Dr. Haider: Wir waren da! – Abg. Mag. Stadler: Im Gegensatz zum Grabner waren wir da! – Abg. Dr. Haider: Immer diese Zensuren in eine Richtung!)

Herr Abgeordneter Dr. Jarolim, Sie sind am Wort.

17.10

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich nur zu einer tatsächlichen Berichtigung melden. Aber da die Erklärung des Kollegen Stadler es notwendig macht, hier doch etwas weiter auszuholen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, das geht nicht! Sie haben sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet, und daher bitte ich Sie, auch eine tatsächliche Berichtigung vorzubringen. (Abg. Haigermoser: Was ist jetzt? Was wollen wir denn? Eiertanz oder Absprung?)

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (fortsetzend): Ich berichtige tatsächlich: Herr Kollege Stadler hat in seiner Rede vorhin mitgeteilt, ich hätte gesagt, Kinder wären eine Sache. – Das ist unrichtig. Ich habe gesagt, daß dieses Haus in seiner Verantwortung dafür zu sorgen hat, daß wir für den Kinderschutz eintreten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. – Bitte.

17.11

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kindesmißbrauch und Kinderpornographie sind Dinge, über die man nicht bloß reden soll, sondern gegen die man mit Entschiedenheit auch etwas tun muß. Die ÖVP und die Koalitionsregierung tun das, um das mit aller Deutlichkeit einmal festzustellen. (Beifall bei


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ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler  – eine seiner vorher gezeigten Reproduktionen hochhaltend –: Das sieht man! – Abg. Dr. Haider: Das fördern Sie!)

Daß die FPÖ dieselbe Absicht hat, will ich nicht in Frage stellen. Die Absicht des heutigen Dringlichen Antrages war aber nicht, Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch und Kinderpornographie durchzusetzen, denn die Art der Debattenführung war leider sehr entlarvend.

Herr Kollege Mag. Stadler! Sie haben mich nicht enttäuscht. Ihre Ausführungen haben meinen Erwartungen entsprochen. Aber Ausführungen anderer Abgeordneter Ihrer Fraktion haben mich doch verwundert. Dr. Ofner etwa hat in seiner tatsächlichen Berichtigung mit einer wirklich sexistischen Bemerkung aufhorchen lassen, die man zurückweisen muß. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Daß man eine Kollegin mit dem Beruf ihres Mannes hier abqualifizieren will, das habe ich Herrn Dr. Ofner nicht zugetraut, das gebe ich ganz offen zu.

Auch den Zwischenruf des Abgeordneten Dr. Krüger, den ich für einen der ernstzunehmenden Abgeordneten der "F" halte, der sich nicht gegen einen Abgeordneten meiner Fraktion richtete, sondern gegen einen Abgeordneten des Liberalen Forums, halte ich für wirklich grauslich, muß ich sagen. (Abg. Mag. Stadler  – eine seiner vorher gezeigten Reproduktionen hochhaltend –: Was ist das? Das ist grauslich! Das hat der Minister gefördert!)

Herr Mag. Stadler! Grauslich ist es, hier zu sagen, dieser Figur gehöre ihre Berufsberechtigung aberkannt. Ich bin mit diesem Abgeordneten vielfach nicht einer Meinung. Ich bin sehr oft ganz anderer Meinung als er. Aber jeder Abgeordneter hier in diesem Haus ist für mich ein Mensch, ein Mensch und keine Figur. Sie haben "Figur" gesagt, Herr Dr. Krüger. (Beifall bei ÖVP und SPÖ, beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Sie wollten ihm gleichzeitig hier seine berufliche Ehre absprechen. Ich halte das wirklich für unzulässig, und ich bin enttäuscht darüber, daß Sie das getan haben. So kann man nicht diskutieren. (Abg. Dr. Haider: Sagen Sie zum Barmüller auch einmal etwas! – Abg. Scheibner: Sagen Sie einmal, was der Barmüller zum Krüger gesagt hat!)

Ich traue Dr. Haider viel zu. Ich traue ihm auch zu, daß er sich im Internet auskennt und daß er mit diesem modernen Medium umgehen kann. Beim Mag. Schweitzer weiß ich es nicht unbedingt, aber Sie können das sicher, Herr Dr. Haider. Auch Mag. Stadler kann das sicher. (Abg. Haigermoser: Was kann er?) In der Zeitungsmeldung, auf die er sich bezieht, die ich im übrigen in ihren Zahlen bezweifle – ich werde Ihnen gleich sagen, warum –, stand ausdrücklich, daß beim ÖVP-Server der Zugang über Links vorgenommen wurde. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)  – Moment, nicht lachen! Die Sache ist viel zu ernst. Das Thema insgesamt ist viel zu ernst, und auch ein solcher Vorwurf ist viel zu ernst.

Was heißt "Links" im Zusammenhang mit dem Internet? – Sie finden auf einer Homepage Verweise auf eine andere. Sie steigen bei der ersten Homepage ein, surfen und sehen, da gibt es einen interessanten Hinweis. (Abg. Mag. Stadler: Das ist bei der Niederösterreichischen Landesregierung so! Das ist bei der Tiroler Landesregierung so! Das ist bei der Vorarlberger Landesregierung so! Lauter Schwarze!) Also von der Homepage der Landesregierung kommt man zur Homepage der Bundesregierung, kommt man zur Homepage der Präsidentschaftskanzlei, kommt man zur Homepage der Austria Presse Agentur und so weiter. (Abg. Mag. Stadler: Das sind lauter Schwarze!)

Ich weiß schon, Herr Mag. Stadler, die FPÖ hat eine interessante Homepage, und das ist meiner Meinung nach auch sehr bezeichnend: Auf der Homepage der FPÖ gibt es ausschließlich blaue Links. (Abg. Mag. Stadler: Aber Porno finden Sie bei uns keinen!) Sie können dort sozusagen nur im eigenen Saft surfen. Sie kommen bei der FPÖ nicht mehr hinaus.

Die ÖVP hat eine Homepage mit einer eigenen Seite mit Links zu Ministerien, Landesregierungen, auch zu anderen Parteien – warum auch nicht? –, auch zu österreichischen Medien, darunter zu einem renommierten Wochenmagazin, das – das ist dessen Angelegenheit – eine Erotikpage hat. Von dieser Erotikpage kommen Sie unmittelbar zu diesem AEC. (Abg. Mag. Stadler: Wie ist das bei der Vorarlberger Landesregierung? Wie ist das bei der Nieder


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österreichischen Landesregierung, bei der Tiroler Landesregierung, beim Ministerium für Umwelt, Jugend und Familie?) Wenn sich Mag. Stadler auf der ÖVP-Seite einwählt und von dort zu AEC kommt, kann die ÖVP wirklich nichts dafür. Ganz eindeutig nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im übrigen stimmen auch die Zahlen nicht – leider Gottes. Ich würde mir wünschen, es gäbe nur so wenig Besucher auf dieser Homepage. Ich habe mir die Statistikseite angeschaut. Es sind 1,6 Millionen Besucher täglich auf dieser Seite, und der dreißigste Besucher hat etwa 8 000 Zugriffe. Also die ganzen Zahlen sind ein Holler, und Sie hätten sich das schenken können.

Ich komme zum Thema zurück. Diese Koalitionsregierung hat gemeinsam bereits erreichen können, daß die österreichische Gerichtsbarkeit auch bei Sexualdelikten im Ausland eingeführt wurde. Die Strafbarkeit, insbesondere von Kinderpornographie, wurde wesentlich verstärkt. Ein immaterielles Schadenersatzrecht für Opfer sexueller Handlungen wurde geschaffen, und gegen die Stimmen der FPÖ wurde ein Wegweiserecht für Gewalttäter in der Familie beschlossen, eine wesentliche Maßnahme im Kampf gegen die Gewalt in der Familie. Das sind die konkreten Maßnahmen, die wir brauchen – und nicht Ihre unberechtigten Vorwürfe! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Krüger gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen. – Bitte sehr.

17.18

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schwimmer hat die Behauptung aufgestellt, ich hätte über den Kollegen Barmüller gesagt, er gehöre von der Anwaltsliste gestrichen.

Ich berichtige tatsächlich, daß ich gesagt habe, daß der Herr Kollege Barmüller nicht in die Liste der österreichischen Anwälte eingetragen ist. Ich verhehle allerdings nicht, daß ich meine Genugtuung darüber ausgedrückt habe, denn die Unterstellung, die er mir heute zukommen hat lassen, daß ich ein zwiespältiges Verhältnis zu den Opfern des Nationalsozialismus hätte ... (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die tatsächliche Berichtigung!

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): ..., habe ich niemals hier hingenommen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Haben Sie gesagt "diese Figur"?)

17.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte.

17.19

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, diese Art der Politik einer Partei, die die Mitglieder der Bundesregierung, aber auch die anderen Abgeordneten hier im Haus der Förderung des Kindesmißbrauchs bezichtigt (Abg. Mag. Stadler  – wieder eine während seiner Rede gezeigte Reproduktion eines Werks von Otto Mühl in die Höhe haltend –: Das ist Ihre Politik!), wirft ein bezeichnendes Licht auf das Sittenbild dieser Partei. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Haigermoser: Keine Polemik von der Regierungsbank! – Abg. Dr. Haider: Entschuldigen Sie sich bei den Kindern für die Schweinereien, die Sie fördern!)

Wir gehen davon aus, daß Kindesmißbrauch eine Menschenrechtsverletzung darstellt, die auf allen Ebenen bekämpft gehört. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Entschuldigen Sie sich bei den Kindern für die Schweinereien, die Sie fördern! Das ist das einzige, was Sie hier zu tun haben!) Und das ist die Prämisse, unter der diese Regierung handelt, und hier versuchen wir, Lösungsansätze zu finden.


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Ich weise nochmals den Vorwurf einer Förderung von Kinderpornographie durch die Kunstförderung entschieden zurück! Es handelt sich hier um eine Unterstellung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das ist evident! Das haben Sie finanziert!)

Zu der vom Abgeordneten Schweitzer angeführten Public Netbase: Es handelt sich hier um einen Verein für Kunst und neue Technologie. Dieser Verein wird vom Bundeskanzleramt mit einer Basisförderung gefördert (Abg. Mag. Stadler: Jetzt gibt er es das erste Mal zu!) und setzt sich mit den neuen Technologien und Kunst auseinander.

Dieser Verein macht eine Veranstaltung, die sich "Sexnet" nennt, und mit dieser Veranstaltung soll der Sex im Internet und das Aufkommen der Pornographie im Internet kritisch behandelt werden. Man will sich kritisch mit diesem Thema auseinandersetzen (Abg. Dr. Haider: Macht euch nicht lächerlich! – Abg. Mag. Schweitzer hält ein Blatt mit der Aufschrift "SEX" in die Höhe), um zu verhindern, daß diese Art und Weise von Erscheinungsformen im Internet überhandnimmt. (Abg. Mag. Stadler: Genieren Sie sich nicht? Schämen Sie sich endlich!) Es handelt sich dabei um eine kritische, offensive Auseinandersetzung mit diesem Thema im Internet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Genieren Sie sich nicht für diese Rechtfertigung? – Abg. Mag. Stadler: Schämen und setzen!)

Ich möchte dezidiert festhalten, daß das Kunststaatssekretariat diese Veranstaltung nicht fördert, sondern eine grundsätzliche Förderung für die Public Netbase gibt, die als eine anerkannte Institution im Kunst- und neuen Technologiebereich gilt.

Ich möchte auch festhalten, daß es nicht genügt, sich die Bilder anzuschauen, sondern man muß auch die Texte, die das verurteilen, lesen. Es sollen nicht die Bilder konsumiert werden, sondern der intellektuelle Inhalt, der dahintersteckt, soll gelesen werden. (Abg. Meisinger: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten bei dieser Auseinandersetzung nicht eine Darstellung provozieren, bei welcher Sie Gewalt und Kinderpornographie mit Kunst gleichsetzen. Ich glaube, daß das ein Niveau ist (Abg. Mag. Stadler: Ihr Niveau! – Abg. Haigermoser: Ihre Note brauchen wir nicht!), das dieses Haus nicht verdient. Es geschieht auch nicht, und es wird durch die Bundesregierung auch nicht gefördert. (Abg. Mag. Stadler: Schämen Sie sich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen bei dieser Diskussion keine Grundsatzdiskussion über Kunst und Kunstverbot führen. Wir bedienen uns Fachleuten, die darüber entscheiden, was Kunst sein soll und was nicht Kunst sein soll. (Abg. Haigermoser: Die das Parlament benützen! Wer glauben Sie denn, wer Sie sind? – Abg. Dr. Haider: Genieren Sie sich für eine solche Rechtfertigung! – Abg. Mag. Stadler: Diese Wortmeldung werden wir uns ausheben!)

Bei dieser Diskussion geht es um Kindesmißbrauch. Ich halte fest, daß es eine billige Polemik ist, Kunst und Gewalt gegen Kinder in einen Topf zu werfen. Ich weigere mich, diese Unterstellungen unbeantwortet zu lassen, und halte nochmals fest, daß Kindesmißbrauch für uns eine Menschenrechtsverletzung darstellt, die bekämpft gehört. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Scheibner  – ein Bild in die Höhe haltend –: Welchen Hintergrund hat dieses Bild? – Abg. Haigermoser: Wissen Sie überhaupt, was Sie gesagt haben? Sind Sie noch ganz "beinander"? – Abg. Mag. Stadler  – Reproduktionen von Werken von Otto Mühl vorzeigend –: Das ist Ihre Politik! Sie sollten sich schämen!)

17.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Povysil und Genossen betreffend Schutz der Kinder vor Kindesmißbrauch und Kinderpornographie.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die für diesen Antrag Dr. Povysil stimmen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit ist die Verhandlung des Dringlichen Antrages samt Abstimmung beendet.


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Kurze Debatte über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen als nächstes zur Durchführung einer Kurzdebatte, und zwar betrifft diese den Antrag der Frau Abgeordneten Schaffenrath, dem Unterrichtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 438/A (E) betreffend die Einführung eines Ethikunterrichts als Wahlpflichtfach eine Frist bis zum 20. November zu setzen.

Wir gehen in die Debatte ein. Der Erstredner beziehungsweise die Erstrednerin verfügt über eine Redezeit von 10 Minuten; alle nachfolgenden Redner dürfen 5 Minuten sprechen.

Bitte, Frau Abgeordnete Maria Schaffenrath.

17.24

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herrn Kollegen Höchtl sehe ich jetzt leider nicht. (Abg. Dr. Höchtl  – die Hand hebend –: Hier!) Oh, Sie sind in die erste Reihe vorgerückt. – Herr Kollege Höchtl, Sie haben heute laut APA gesagt, daß Sie sich wundern, daß wir Liberale für einen Antrag, der uns vor zehn Tagen noch nicht als so dringlich erschien, eine Fristsetzung beantragen. (Abg. Dr. Höchtl: Ich habe sechsmal nachgefragt!) Da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Höchtl: Es ist wahr, wir hatten es mit diesem Antrag nicht eilig, vor allem deshalb nicht, weil wir in der Frage "Wahlpflichtgegenstand Ethik" unsere Position in Richtung Ethikunterricht für alle Schüler und Schülerinnen im österreichischen Bildungssystem weiterentwickelt haben.

Aber daß wir heute diese Fristsetzung verlangen, hat nichts mit Scheinheiligkeit zu tun, wie Sie uns das unterstellen, sondern mit der völlig veränderten politischen Diskussionsebene in diesem Lande. Ihre Unterrichtsministerin hat nämlich im Rahmen der "Pressestunde" doch recht vehement für den Wahlpflichtgegenstand Ethikunterricht (Abg. Dr. Höchtl: Nicht Wahlpflicht...! Pflicht...!)  – Wahlpflichtgegenstand Ethikunterricht! – Stellung genommen. Für all jene, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abmelden (Abg. Dr. Höchtl: Das ist doch keine Wahlpflicht!), möge ein Pflichtgegenstand Ethikunterricht zur Verfügung stehen.

Auch Ihr Klubobmann Khol hat sich am 2. Juli via APA dazu zu Wort gemeldet. Wir waren nicht nur überrascht, Herr Klubobmann Khol, sondern geradezu erfreut über Ihre – wenn auch sehr späte – Einsicht, Herr Klubobmann Khol, daß ein Ethikunterricht im österreichischen Schulsystem jedenfalls Bedeutung hat. (Abg. Dr. Höchtl: Das war immer unsere Position!) Diese späte Einsicht hat mich als Tirolerin insbesondere deshalb so gefreut, Herr Klubobmann Khol, weil die Tiroler Volkspartei noch im Jahre 1994 die Einführung eines Wahlpflichtgegenstandes Ethik als Grund dafür genannt hat, das Liberale Forum nicht zu wählen. Ich hoffe, daß Ihnen dadurch keine Tiroler Wählerinnen und Wähler abhanden kommen.

Kollege Kukacka hat den Antrag beziehungsweise Vorstoß des Herrn Klubobmanns Khol freudig begrüßt und gemeint, man hätte jetzt endlich eine Anregung übernommen.

Aufgrund all dieser Umstände ist eine neue Situation entstanden, und ich meine, daß eine Diskussion über einen Unterrichtsgegenstand Ethik im Ausschuß wichtig wäre. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Abgeordneter Khol hat diesem Gegenstand zwar einen anderen Namen gegeben, und zwar soll er jetzt "Religionen, Kulturen und Werte" heißen, aber am Namen wird es nicht liegen, Herr Kollege Khol, auch wenn ich nicht verstehe, warum Sie mit dem Begriff "Ethik" in einem solchen Maße Schwierigkeiten haben, zumal man ja weiß – vor allem Sie wissen es –, daß Ethik ja nichts anderes ist als die Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen in den verschiedensten Lebensbereichen. Sie sollten eigentlich wissen, daß im Lehrplan für Ethik genau jene Bereiche zur Unterrichtsvermittlung beabsichtigt sind, die eben in der Kulturkunde im Bereich Religionen angesiedelt sind.

Herr Kollege Stadler! Ihre Wortmeldung heute in der APA hat mich einerseits sehr und andererseits weniger überrascht. Sie hat mich deshalb sehr überrascht, weil diese Kritik – sie war an die ÖVP gerichtet, was mich ja nur freuen könnte, denn dadurch wird ja deutlich, daß die


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Liberalen diejenigen sind, die für den Ethikunterricht stehen – von einer Partei kommt, der einst eine klare Trennung von Kirche und Staat ein ganz wesentliches Anliegen war. Verschiedene Grundsätze werden ja in der Freiheitlichen Partei nicht immer ernst genommen und sind manchmal auch der persönlichen Beliebigkeit des Abgeordneten Stadler überlassen, aber das ist Ihre Sache und liegt in Ihrer Entscheidung.

Aber eines möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Abgeordneter Stadler: Auch ich kritisiere Aussagen der Lehrer- und Lehrerinnengewerkschaft, aber das, was Sie in der besagten APA-Aussendung gemacht haben, nämlich daß sie pauschal allen Lehrern und Lehrerinnen in Österreich unterstellt haben, sie wären Moralkommissare, systemtreue Sittenwächter, und sie so der Manipulation bezichtigten, halte ich wirklich für bedenklich, zumal – und das haben Sie vergessen – im Rahmen des derzeitigen Schulversuches insbesondere Religionslehrer und Religionslehrerinnen diesen Freigegenstand betreuen. Aber auch das ist Ihre Sache, und Sie werden das den österreichischen Lehrerinnen und Lehrern schon erklären müssen.

Bemerkenswert ist, Herr Abgeordneter Stadler, aber der Umstand, daß Ihre Kritik in Richtung Klubobmann Khol den Herrn Klubobmann sehr rasch zu einem meiner Meinung nach recht kuriosen Rückzug bewogen hat. Diese Ihre Richtigstellung, Herr Abgeordneter Khol, die Sie jetzt via Medien in die Öffentlichkeit zu bringen versucht haben, hat eher verwirrt als erklärt. (Abg. Dr. Khol: Sie sind aber leicht zu verwirren!)

Na ja, Sie sagten in Ihrer APA-Meldung um 10.21 Uhr, soundsoviel Prozent der Schüler würden sich abmelden. Auch jenen Schülern, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben, sollten Grundwerte vermittelt werden, haben Sie betont.

Dann sagten Sie in der Interpretation, Herr Stadler hätte Ihre Aussage bewußt verdreht. Gemeint wären nur Konfessionslose, weil für Angehörige einer Konfession jedenfalls der Religionsunterricht als Pflichtgegenstand bestehen bliebe. (Abg. Dr. Khol: Ja!)

Das müssen Sie wirklich erklären, denn was passiert denn dann mit jenen Schülern und Schülerinnen, die sich vom Religionsunterricht abmelden, und das ist derzeit immerhin jeder oder jede Zweite? (Abg. Dr. Maitz: Nein, nein! – Abg. Dr. Khol: Das muß bei Ihnen so sein! – Abg. Schwarzenberger: Nur Liberale!) Die Tendenz ist steigend. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Regen Sie sich nicht so auf! Der Vorstoß kam doch von Ihrem eigenen Klubobmann! Diese Angriffe sind jetzt wirklich nicht angebracht! (Abg. Mag. Stadler: Von der Ministerin!)  – Nein, Herr Klubobmann Khol hat sich schon am 2. Juli diesbezüglich geäußert, und Frau Ministerin Gehrer hat in ÖVP-Treue nachgezogen, Herr Abgeordneter.

Das werden Sie schon noch erklären müssen, welches Unterrichtsmodell Sie entwickeln wollen: einen Wahlpflichtgegenstand oder einen Pflichtgegenstand für Konfessionslose? Herr Kollege Khol! Ich glaube, daß Sie sich da selbst widersprochen haben.

Tatsache ist aber, daß der Religionsunterricht an Attraktivität verliert und daß die Zahl der sich abmeldenden Schülerinnen und Schüler ganz stark im Steigen begriffen ist. Ich halte es für schlimm, daß in einer Zeit einer sehr großen gesellschaftlichen Dynamik, in der es unterschiedlichste Lebensentwürfe beziehungsweise Lebensziele gibt, einer sehr großen Zahl von Schülern und Schülerinnen eigentlich keinerlei Hilfestellung in einer ethischen Werteorientierung ermöglicht wird.

Es gibt in dieser Frage in Österreich schon lange eine Pattstellung: Es gibt auf der einen Seite tatsächlich den krampfhaften Versuch, die Privilegien der Kirche – das sage ich mit Nachdruck –, vor allem der katholischen Kirche, als alleinige Vermittlerin für Wertefragen sicherzustellen, und auf der anderen Seite ignorieren Sie standhaft jene Situation, daß viele Schüler und Schülerinnen den Religionsunterricht schon gar nicht mehr besuchen.

Herr Klubobmann Khol! Es nützt Ihnen gar nichts, wenn Sie einerseits in Sonntagsreden den Werteverfall der Jugend kritisieren (Abg. Dr. Khol: Auch am Werktag! Sonntagsreden halten vielleicht Sie, ich nicht!) und diese Sonntagsreden auch noch in einem Buch zusammenfassen,


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aber andererseits diese alarmierende Situation an den österreichischen Schulen, die nach wie vor sehr wichtige Erziehungsinstitutionen in unserer Republik darstellen, nicht verändern.

Wir Liberalen wollen darüber eine sachliche Diskussion im Ausschuß. Wir würden uns freuen, wenn auch die ÖVP in dieser Frage Farbe bekennen würde, wenn die Ministerin nicht nur Ankündigungen von sich geben, sondern auch Bereitschaft zeigen würde, in diesem Bereich tätig zu werden. Uns Liberalen war die Einführung des Ethikunterrichts schon immer ein sehr wichtiges Anliegen. Wir wollen ihn für alle Schülerinnen und Schüler eingeführt wissen.

Herr Kollege Khol! Wie immer Sie diesen Unterrichtsgegenstand taufen wollen, das sei Ihnen unbenommen. Wir werden jedenfalls darauf drängen, daß diese schon lange andauernden Diskussionen endlich zu einem Ende kommen und unsere jungen Menschen jene Hilfestellung in der Werteorientierung bekommen, die sie so dringend brauchen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die weiteren Redezeiten betragen ab jetzt jeweils 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

17.34

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir Sozialdemokraten haben uns, seit es die Diskussion um die Einführung des Ethikunterrichtes gibt, immer für eine sachliche und emotionslose Diskussion darüber ausgesprochen. Wir meinen, daß das keine tagespolitische Frage ist, die einer kurzfristigen Entscheidung bedarf, sondern eine sehr sensible Materie, und Eile tut unseres Erachtens fürwahr nicht not. Eine Befristung bis 20. November ist unserer Meinung nach nicht erforderlich.

Kolleginnen und Kollegen! Wir haben aber immer wieder betont, daß wir den Schulversuchen zum Unterrichtsfach Ethik gerne zustimmen. Wir halten es auch für sehr wichtig, daß es diesbezüglich unterschiedliche Modelle gibt, die erprobt werden, damit Entscheidungen entsprechend vorbereitet und grundgelegt werden können. Ein Blick in die Lehrpläne der Schulversuche zum Ethikunterricht macht eigentlich sehr deutlich, daß sich Lehrerinnen und Lehrer engagiert einsetzen und einiges bewegen.

Maßgeblich für uns Sozialdemokraten ist aber, daß der Ethikunterricht auf eine freiwillige Basis gestellt wird und kein Schüler, auch nicht jener, der sich vom Religionsunterricht abmeldet, gezwungen werden soll, den Ethikunterricht zu besuchen. Wir können daher dem Antrag des Liberalen Forums, der ein Wahlpflichtfach vorsieht, nämlich entweder Religions- oder Ethikunterricht, nichts abgewinnen. Wir empfinden darin eigentlich eine Benachteiligung all jener Schülerinnen und Schüler, die den Religionsunterricht als Fach besuchen wollen. Sie hätten dann keine Chance mehr, ein Ethikfach, das wir uns als unverbindliche Übung, als Freigegenstand vorstellen können, zu besuchen. Ich meine, je breiter das Angebot, desto sinnvoller ist es für die Jugendlichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Tatsache ist, daß heute schon in mehreren Unterrichtsbereichen, sei es im Bereich der Philosophie, der Geschichte, der Psychologie, in Deutsch, in Biologie und in manch anderen Bereichen, durchaus die Möglichkeit besteht und auch wahrgenommen wird, Elemente von Ethik einzubinden. Ich halte das auch für gut und wertvoll.

Ich habe, als diese Diskussion begonnen hat, in einer Presseaussendung einmal angeregt, der Ethikunterricht sollte einen Überblick über die großen Weltregionen anbieten. Dies sollte nach Möglichkeit von Vertretern der großen Religionen durchgeführt werden, damit eine entsprechende Authentizität gegeben ist. Ich meine, daß durch eine optimale Mitwirkung und durch eine solide Diskussion in eben diesem Lernfeld Geschichte und Grundlagen verschiedener Kulturkreise und vor allem die Bedeutung der Religionen sehr gut nachvollzogen werden können.

Ich meine aber, daß über den religiösen und philosophischen Bereich hinaus der Ethikunterricht den SchülerInnen auch die Möglichkeit bietet, gesellschaftliche Wertvorstellungen zu entwickeln


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sowie werteinsichtig zu urteilen und zu handeln, und zwar durch die Vermittlung und Reflexion verschiedener gesellschaftlicher Normen und Werte.

Ich meine damit die unterschiedlichen Positionen, die der Mensch im gesellschaftlichen Netzwerk innehat: der Mensch als Individuum selbst; der Mensch in der Beziehung zum Du, also zum anderen; der Mensch als Teil einer Familie oder einer Lebensgemeinschaft; der Mensch als Teil der Gesellschaft; der Mensch als kulturelles Wesen oder der Mensch in der Natur, in der Mitwelt überhaupt.

Nochmals: Wir haben eine positive Einstellung zum Ethikunterricht, wir sagen ein absolutes Ja dazu. Dieser soll auf freiwilliger Basis und, wie ich bereits gesagt habe, nach Möglichkeit im Rahmen eines Freigegenstandes oder einer unverbindlichen Übung erfolgen, damit wirklich jeder Jugendliche, der Interesse an dieser Zusatzinformation hat, diese Möglichkeit auch wahrnehmen kann. Darüber sollten an der Schule Schüler, Lehrer und Eltern entscheiden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Gleiche Redezeit. – Bitte.

17.38

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem ist bekannt: Der Religionsunterricht trifft nur jene Schüler, die einer Konfession angehören, die Religionsunterricht an der Schule haben. Die Zahl der Konfessionslosen steigt. Es gibt eine Prognose, die besagt, daß im Jahre 2010 an die 40 Prozent der Schüler konfessionslos sein werden.

Das bringt das Problem mit sich, daß ein Teil der Kinder Religionsunterricht hat und ein Teil der Kinder keinen Religionsunterricht hat. Daher gibt es ernsthafte Überlegungen, wie man den Zielparagraphen unserer Schulgesetzgebung, nämlich das Wertenlernen, auch für Kinder, die nicht in den Genuß des Religionsunterrichtes kommen, erfüllen kann.

Frau Ministerin Gehrer hat in diesem Zusammenhang acht Schulversuche im gesamten Bundesgebiet gestartet. Die Ergebnisse dieser Schulversuche sind abzuwarten. Meine Meinung, die eine bewundernswerte Beschleunigung in der Willensbildung des Liberalen Forums hervorgerufen hat, wofür ich sogar dankbar bin – ohne Ätze, Frau Kollegin Schaffenrath –, habe ich in der "Kathpress" wörtlich gesagt. Damit ich Ihre Verwirrungen behebe, lese ich sie jetzt vor:

"Khol: Für Pflichtfach ,Religionen, Kulturen und Werte‘. Für ,eine ernsthafte Auseinandersetzung‘ mit der Frage eines Schulpflichtfaches, das sich mit ,Religionen, Kulturen und Werten‘ befassen soll, hat sich ÖVP-Klubobmann Abg. z. NR Dr. Andreas Khol ausgesprochen. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag im Parlament, bei der der Österreichische Kartellverband (ÖCV) sein Bildungskonzept präsentierte, äußerte Khol seine persönliche Meinung, ein solches Fach solle kein ,Blabla-Fach sein‘, sondern der Wissens- und Wertevermittlung dienen. Es dürfe auch keine Konkurrenz zum konfessionellen Religionsunterricht darstellen.

Ausgehend von der Prognose, daß im Jahre 2010 rund 40 Prozent der Schüler ohne Religionsbekenntnis sein werden, sei es aber Aufgabe des Bildungssystems, auch diesen Schülern, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben, Grundwerte zu vermitteln, betonte Khol. Es gebe bereits vielversprechende Schulversuche in diese Richtung, deren Ergebnisse man abwarten müsse."

Ich glaube, damit ist alles gesagt: ein Pflichtfach; keine Konkurrenz zum konfessionellen Religionsunterricht. Die Inhalte decken sich mit dem, was auch im Antrag der Liberalen enthalten ist, also kundliche Elemente, Religionen und Kulturen, aber auch das Wertenlernen – ein ganz wichtiges Lehrziel.

Hauptadressat, Frau Kollegin Schaffenrath, sind meiner Meinung nach die Konfessionslosen, die ein Recht darauf haben, Unterricht im Sinne des Zielparagraphen zu erhalten. (Abg. Schaf


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fenrath: Aber, Herr Kollege ...) Natürlich weiß ich, daß sich Schüler in unterschiedlicher Weise vom konfessionellen Unterricht abmelden – nach der Pflichtschule; in der Pflichtschule sind es ganz wenig, unter zwei Prozent. In der AHS und der BHS ist es regional verschieden. Da meine ich, daß dann, wenn es ein Pflichtfach sein wird, die Schüler, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abmelden, an diesem Pflichtfach "Religionen, Kulturen und Werte" teilnehmen werden. Aber die Zielgruppe sind nicht die Abgemeldeten – das wollte ich zum Ausdruck bringen –, sondern die Konfessionslosen, die auch werten lernen sollten. (Abg. Schaffenrath: Das kommt aufs gleiche hinaus!)

Wir sind nicht für die Fristsetzung. Ich habe das auch bereits in meiner Aussendung am 2. Juli zum Ausdruck gebracht, weil ich der Meinung bin, es gibt diese acht Schulversuche; diese acht Schulversuche werden begleitet. Frau Abgeordnete Brinek hat beispielsweise in einer Arbeitsgemeinschaft bereits Zwischenergebnisse, was den Lehrplan, die Lehrmethoden und die Lehrer betrifft, evaluiert. Ich glaube, daß wir weiterhin das Ergebnis der Schulversuche abzuwarten haben, und ich bin völlig der Meinung von Frau Ministerin Gehrer, daß wir diese ein, zwei Jahre noch verstreichen lassen sollten. Das Problem ist nicht so dringlich.

Ich habe gesagt, im Jahre 2010 kommt die Zeit, in der es sehr viele Konfessionslose geben wird, sodaß es notwendig ist, dann in aller Ruhe und im Konsens diese Verwirklichung des Zielparagraphen unseres Schulunterrichtsgesetzes in die Wege zu leiten.

Ich hoffe, daß dieser Zielparagraph des Schulunterrichtsgesetzes, den das Liberale Forum eigentlich streichen beziehungsweise ändern (Abg. Schaffenrath: Nein! Ergänzen!) und ergänzen will – das Religiöse soll entfallen –, dann noch weiter bestehen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

17.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

17.44

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Konrad Paul Liessmann hat zum Thema Ethikunterricht folgendes geschrieben: Daß Tugend lehrbar sei, war eine der folgenreichsten Fehleinschätzungen der antiken Philosophie. Betrachtet man die jüngsten Debatten über die Einführung eines sogenannten Ethikunterrichts an Österreichs Schulen, so könnte man glauben, daß manche alles daran setzen, diesen Irrtum zu wiederholen.

Dann schreibt er weiter: Daß nach dem Vorschlag der zuständigen Ministerin ein kurzer Lehrgang an einem pädagogischen Institut zum Unterrichten der Ethik befähigen soll, läßt ohnehin das Schlimmste befürchten. Mehr als ein moralinsaurer Gesinnungsunterricht wird dabei wohl nicht herauskommen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Herr Liessmann hat das nicht jetzt geschrieben, sondern das ist bereits im Juni 1997 im "Standard" nachzulesen gewesen. So lange ist es schon her, daß die Frau Ministerin mit dieser Idee schwanger geht – obwohl sie es jetzt abstreitet –, daß die Frau Ministerin – so wie übrigens der Kollege Khol, der es jetzt auch abstreitet – mit dieser Idee kokettiert, weil diese Idee am linken Rand der Österreichischen Volkspartei – denn man fürchtet, das Liberale Forum zu verlieren – natürlich populär ist. Das ist dem ÖVP-Klubobmann heute peinlich, aber es ist so. Deswegen besteht eine gewisse Rivalität in dieser Frage – Frau Kollegin Schaffenrath, da haben Sie völlig recht –, weil die ÖVP nicht so recht weiß, auf welche Seite sie jetzt fallen soll. Soll sie sozusagen auf Ihre Seite fallen oder soll sie auf unsere Seite fallen?

Wir Freiheitliche haben an sich festgelegt, wie wir uns zu dieser Frage verhalten. – Ich weiß, Sie auch. – Wir haben im Parteiprogramm ganz klar gesagt: Für uns kommt ein Ethikunterricht als Ersatz für konfessionellen Religionsunterricht nicht in Frage! – Dabei bleibe ich auch, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dabei bleibe ich, Kollegin Schaffenrath, weil ich nicht haben möchte, daß ein über 2 000 Jahre entwickeltes moralisches, ethisches Gebäude, auf einer religiösen Haltung und Konfession basierend, durch irgendeine nebulose, von Sittenwächtern und irgendwelchen Moralkommissaren in irgendeinem Ministerium entwickelte Ethik ersetzt wird. Wissen Sie: Die Ethik, die wir


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zuvor debattiert haben, zeigt sich ja in den Bildern des Herrn Mühl, in der Subventionspolitik der österreichischen Bundesregierung. Daher erlauben Sie mir, daß ich Vorbehalte habe, diesen Leuten auch noch die Kompetenz zu geben, festzulegen, welche Ethik in der Schule unterrichtet werden soll, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diesbezüglich habe ich massive Vorbehalte, und dabei bleibe ich auch.

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Ich weiß schon, daß Ihr Klubobmann in jede Richtung fällt. Es ist nur die Frage, von welchem Medium er gerade interviewt wird oder wer gerade seine Zuhörer sind. Aber Sie sollten wirklich aufpassen! Mit dem Ethikunterricht wird der Religionsunterricht nicht nur unterlaufen, sondern er wird langfristig sogar abgeschafft. Denn das garantiere ich Ihnen – wir haben das auch den Bischöfen gesagt –: Dieser Ethikunterricht wird jede Förderung erfahren, die diese Republik zu vergeben hat, wird jede Attraktivität erfahren, die diese Republik sich erlauben kann, meine Damen und Herren, im Vergleich zum konfessionellen Religionsunterricht, der sich ohnehin schon schwertut in dieser säkularisierten Welt von heute. Daher ist unsere Forderung ... (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )  – Ich sage, es ist legitim, dafür einzutreten. Aber es ist nicht legitim, diese Wickel-Wackel-Politik der Österreichischen Volkspartei zu betreiben.

Sie sollten sich endlich einmal entscheiden, wohin Sie wollen! Dem klerikalen Publikum in Ihrer Partei sagen Sie immer, wie sehr Sie für den Religionsunterricht kämpfen. Gleichzeitig treten Sie für einen Ethikunterricht ein – und das ist eben mein Anliegen an die Vertreter der ÖVP –, vor dem ich ausdrücklich warnen möchte. Dieser wird nämlich attraktiver gestaltet werden, allein schon von der Unterrichtsanordnung her! Allein schon von der öffentlichen Förderung her wird er attraktiver gestaltet werden, als der Religionsunterricht es je sein kann. Daher lautet unsere Forderung ... (Abg. Dr. Höchtl: Wird er nicht!)

Herr Kollege Höchtl! Natürlich wird das so laufen. (Abg. Dr. Höchtl: Aber wieso?) Sie haben in der Schulpolitik in den letzten 30 Jahren Schritt für Schritt, immer wieder, Millimeter für Millimeter Ihre Positionen aufgegeben und haben damit den Linken Vorschub geleistet, und jetzt wollen Sie das auch noch beim Religionsunterricht tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich warne Sie daher, daß Sie nicht glauben ... (Zwischenruf der Abg. Rauch-Kallat. )  – Ja, ich weiß schon, Sie liebäugeln mit diesem Publikum, Frau Rauch-Kallat. Ich weiß, Sie sind das liberale Gewissen, Sie sind das Liberale Forum innerhalb der Österreichischen Volkspartei. – Nein, Gewissen nicht; ich nehme das zurück. Sie ist das LIF der Österreichischen Volkspartei. Sie möchte so etwas, weil sie glaubt, sie sei damit zeitgeistig und modern.

Ich appelliere nicht an Sie, Sie können sich mit der Frau Schaffenrath einigen. Ich appelliere an die vernünftigen Leute und Schulpolitiker in Ihren Reihen, die es ja auch noch geben soll: Schaffen Sie den Religionsunterricht nicht ab, unterlaufen Sie ihn nicht mit einem Ethikunterricht! (Abg. Dr. Höchtl: Tun wir ja nicht!)  – Aber natürlich tun Sie das, Herr Kollege Höchtl! (Abg. Dr. Höchtl: Aber wieso?) Seien Sie doch nicht ständig so blauäugig. Sie haben mit Ihrer Blauäugigkeit in der Schulpolitik schon genug angerichtet. Sie sollten nicht weiter blauäugig sein! Sie sollten dafür eintreten, daß man den Religionsunterricht wieder attraktiver gestaltet, anstatt ihn mit einem fragwürdigen Ethikunterricht zu unterlaufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Gleiche Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Eine qualitätvolle Wortmeldung im Gegensatz zu dem, was der Vorredner gebracht hat! – Abg. Dr. Schmidt  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Diese Latte ist zu niedrig!)

17.49

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten jetzt die Gelegenheit dazu nützen, uns ein bißchen damit auseinanderzusetzen, in welche Richtung wir die Diskussion wirklich führen wollen. Wir Liberale haben diesen Fristsetzungsantrag gestellt, weil ich meine, daß das jedenfalls eine erste Stufe wäre.


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Es ist wahr, aber ich muß jetzt nicht wiederholen, was Maria Schaffenrath gesagt hat: Wir haben unsere Position weiterentwickelt, und ich halte es auch für konsequenter, zu sagen, daß der Ethikunterricht ein Pflichtgegenstand sein soll und Religion als Freifach angeboten werden soll. Ich weiß, da können Sie nicht mit. Aber deswegen haben wir unseren alten Antrag jetzt zur Diskussion gestellt.

An die Kollegen der SPÖ, vor allem an Kollegen Antoni gerichtet: Ich verstehe Ihre Argumentation nicht. Sie sagen, Sie stimmen dem Antrag nicht zu, weil Sie den Ethikunterricht einzig auf Freiwilligkeit beruhen lassen wollen. Zugleich aber nehmen Sie in Kauf, daß Religion der Pflichtgegenstand ist. Jetzt frage ich Sie: Ist es Ihnen wirklich wichtiger, in einem Land, in dem man jedenfalls sagt, man habe sich der Trennung von Kirche und Staat verpflichtet, einen Pflichtgegenstand zu haben, der Glauben zu vermitteln hat – und das ist der Lehrplan des Religionsunterrichtes! –, bei dem es um Glaubensinhalte geht, als Menschen ethische Werte zu vermitteln? (Zwischenruf des Abg. Schieder. )  – Ja, aber das macht doch keinen Sinn.

Mir geht es jetzt darum, daß Sie den Zustand in Kauf nehmen beziehungsweise sich dafür stark machen, daß es den Pflichtgegenstand gibt, Glauben zu vermitteln, und daß Sie sich dagegen wehren, ethische Werte zum Pflichtgegenstand zu machen. Das verstehe ich einfach nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schieder. ) Ich verstehe es bei Ihnen schon gar nicht. Ich verstehe es aber ehrlich gestanden auch bei der ÖVP nicht. Damit will ich mich jetzt auseinandersetzen.

Aus diesen ethischen Werten (Abg. Dr. Leiner: Woher nehmen Sie diese Werte?)  – ich hoffe ja doch, daß Sie sich die Lehrpläne angeschaut haben – entsteht selbstverständlich, wenn jemand ein religiöses Gefühl hat, auch die Festigung seines religiösen Glaubens. (Abg. Dr. Leiner: Woher nehmen Sie ethische Werte?) Ist es denn eine staatliche Aufgabe, Glauben weiterzugeben? Ist das das Richtige, was Sie bewerten wollen? Wollen Sie wirklich diese Glaubensinhalte auf die gleiche Stufe stellen wie die Gesetze der Physik oder sonst irgend etwas und daher entsprechend bewerten? (Zwischenrufe des Abg. Schieder. )

Die Bildungsziele und Lehraufgaben des Religionsunterrichtes sind folgende: Der Religionsunterricht soll dem gläubigen Schüler helfen, sich bewußter für seinen Glauben zu entscheiden. Er soll dem Suchenden und im Glauben angefochtenen Schüler die Antworten der Kirche auf seine Fragen geben. – Meinen Sie nicht, daß es etwas ganz anderes ist, wenn man jungen Menschen keine fertige Antwort gibt, sondern wenn man sie sich mit dem Thema auseinandersetzen läßt, so wie es in diesen Lehrplänen vorgesehen ist? Im ersten Semester: der Mensch als Kulturwesen; zweites Semester: der Mensch als religiöses Wesen; drittes Semester: der Mensch als Individuum und als Sozialwesen; viertes Semester: der Mensch in Gesellschaft und Staat.

Glauben Sie nicht, daß es für die Persönlichkeitsbildung eine ganz andere Festigkeit bedeutet, wenn Sie jemandem die Auswahl der Antworten geben, nicht nur die von einer Kirche, sodaß er seine Werthaltung selbst entwickeln kann? – Sie beklagen in Ihrem Buch die Entsolidarisierung der Gesellschaft, die Orientierungslosigkeit; all das beklagen Sie nach jahrelangem Pflichtgegenstand Religion. Jetzt frage ich Sie wirklich: Woher nehmen Sie denn Ihre Argumentation? Wo ist denn die Logik, wenn trotz einer solchen Erziehung die Gesellschaft in diese Situation, wie Sie sie beschreiben, geschlittert ist?

Ich teile ja Ihr Bild dieser Gesellschaft nicht, aber auch ich orte, daß wir Entsolidarisierungstendenzen haben. Auch ich orte, daß die Menschen nicht bereit sind, für sich oder für andere Verantwortung zu übernehmen. (Abg. Haigermoser: Väterchen Frost statt Christkind!) Ich bin der festen Überzeugung, daß dies zu einem Teil darauf zurückzuführen ist, daß man in unserem Schulsystem den jungen Menschen nicht die Gelegenheit gibt, diese Werteskala selbst zu entwickeln.

Unsere feste Überzeugung – das ist nun einmal das liberale Menschenbild – ist, daß das, was man selbst entwickelt, das, wofür man erst selbst die Überzeugungen finden muß, weit tragfähiger und sicherer ist als etwas, das man als Packerl hingestellt bekommt, wofür man seine Note


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kriegt – abgehakt, und damit hat es sich. Das ist jene Gesellschaft, die unter anderem mit dem Pflichtgegenstand Religion geschaffen wurde. (Abg. Dr. Khol: Das gibt es ja nicht mehr!)

Herr Kollege Khol! Reden wir darüber! Wir sind offen. (Abg. Dr. Khol: Der Lehrplan umfaßt Wertebereiche, das sind verschiedene Konfessionen!) Ich möchte darüber reden. Deswegen dieser Fristsetzungsantrag für den Ausschuß. Reden wir doch im Ausschuß darüber, ohne Publikum (Abg. Dr. Khol: Zuerst die Schulversuche!), ohne Öffentlichkeit, wo man wirklich die Argumente austauschen kann! (Präsident Dr.  Fischer gibt das Glockenzeichen.) Daher mein Appell an Sie alle: Stimmen Sie dem Fristsetzungsantrag zu! Sie haben dabei jede Möglichkeit von Abänderungsanträgen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. – Bitte.

17.55

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zweifellos werden wir jedem Fristsetzungsantrag zustimmen. Im Falle des Ethikunterrichts ergeben sich noch zwei, drei wichtige Dimensionen.

Erstens: Es freut mich sehr, daß in diesem Hause einmal prinzipiell über den Stellenwert von Ethik – Ethik in der Schule und Ethikunterricht als solcher – diskutiert wird.

Zweitens: Es ist sehr wesentlich, dies im Kontext der Schule und der Gesellschaft zu sehen, in der oft solidarisches, ethisches, moralisches Verhalten in den Hintergrund gedrängt wird. (Abg. Dr. Graf: Was ist Ethik? Definieren Sie Ethik!) Vor dem Faktum, daß die sozialen Werte, auch die ethischen Werte im Alltagsverhalten, auch im wirtschaftlichen und im kulturellen Bereich (Abg. Dr. Graf: Ein Beispiel!) immer mehr in der Defensive sind, sehe ich diese Diskussion als sehr günstig an. (Abg. Dr. Graf: Zum Beispiel?!)

Prinzipiell zur Frage des Ethikunterrichts in der Schule: Kein Zweifel, er ist eine Alternative. Er ist dann eine Alternative, wenn die Schulversuche evaluiert sind. Unserer Meinung nach ist es notwendig, erst einmal abzuwarten, bis die Ergebnisse der Schulversuche auf dem Tisch liegen. Insoferne ist dann die konkrete Urteilsbildung über den Ethikunterricht in den Ausschußgesprächen am besten angesiedelt. (Abg. Dr. Höchtl: Dann ist der Fristsetzungsantrag sinnlos!)

Das zweite, das wir beachten müssen, ist das Faktum, daß wir ein Konzept für den Ethikunterricht brauchen. (Abg. Dr. Schmidt: Das gibt es doch!) Eine konzeptlose Vorgangsweise in diesem Bereich würde sich sehr rächen. Wir sind dafür, daß die einzelnen Konzepte evaluiert und auch im Ausschuß noch einer gründlichen Diskussion unterzogen werden, und sehen Ihren Antrag sicherlich als Beschleunigungsverfahren. – Mir ist mitgeteilt worden, daß die Konzepte dazu noch fehlen.

Das dritte wichtige Element, das ich aus der Praxis noch einbringen möchte, ist, daß – ganz egal, ob Ethikunterricht oder Religionsunterricht – in erster Linie das soziale Verhalten der Kinder durch Vorbildwirkung im Unterricht provoziert beziehungsweise gefördert wird. Da nützt kein Ethikunterricht, da nützt kein Religionsunterricht: Wenn Werte nicht vorgelebt, vorgeführt und auch vorbildlich praktiziert werden, ist der ganze Ethikunterricht für die Katz’. Deshalb ist es meiner Meinung nach wesentlich, neben einem Ethikunterricht auf jeden Fall das soziale Zusammenleben in den Klassen durch die Wiedereinführung der Klassenvorstandsstunde zu fördern und zu pflegen. Das ist meiner Ansicht nach ebenfalls ein wichtiger Eckpfeiler, parallel zum Ethikunterricht. Vor diesem Hintergrund bin ich dankbar für diese Diskussion, sehe sie aber als Anfang, als Startschuß für einen weiteren Bereich, der nicht nur den Ethikunterricht umfassen soll. (Beifall bei den Grünen.)

17.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Wir kommen daher zur Abstimmung.


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Wir stimmen ab – und zu diesem Zweck bitte ich, die Plätze einzunehmen – über den Antrag, dem Unterrichtsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 438/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Schmidt und Genossen betreffend die Einführung eines Ethikunterrichts als Wahlpflichtfach eine Frist bis zum 20. November 1998 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung der heutigen Sitzung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Konrad. Ich teile mit, daß Sie die drittletzte Rednerin sind und daß dann wieder eine Abstimmung erfolgen wird. Dies nur zur Zeiteinteilung. – Bitte. (Abg. Dr. Gredler: Es ist niemand auf der Regierungsbank!)

Es wird eine Vertretung auf der Regierungsbank gewünscht. Soviel ich weiß, ist die Frau Staatssekretärin im Haus. Ich glaube, es kann sich nur um sehr kurze Zeit handeln, bis sie wieder im Saal ist.

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit zu beginnen? – Bitte.

17.59

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde in meinem Debattenbeitrag einen Blick auf die Auslandskulturpolitik richten, der traditionellerweise ein eigener kleiner Band gewidmet ist. – Jetzt ist auch die Frau Staatssekretärin da. Danke! – Darin wird eine beachtliche Anzahl kultureller Veranstaltungen aufgelistet, durch die österreichische Kunst und Kultur international präsent war und ist.

Diese Präsenz ist begrüßenswert – nicht nur, weil sie eine wichtige Stimme Österreichs im Ausland ist, sondern auch, weil sie Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit zur Darstellung, zur Vernetzung und zur Kooperation bietet.

Erst kürzlich hat der zuständige EU-Kommissär wieder betont, daß eine Europäische Gemeinschaft, eine internationale Staatengemeinschaft, die den kulturellen Bereich und die kulturelle Auseinandersetzung vernachlässigt – also eine internationale Staatengemeinschaft, die keine Kulturgemeinschaft ist –, zumindest mangelhaft ist. Ich möchte deshalb ganz besonders die kulturelle Dimension der europäischen Integration betonen. Sie ist unerläßlich und muß deshalb auch ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik sein.

Im Interesse der internationalen Kulturpolitik ist es notwendiger denn je, Netzwerke zu knüpfen. Nur so kann diese wesentliche Dimension auch Wirklichkeit werden. In der EU kommt diesem Netzwerkgedanken erfreulicherweise in der letzten Zeit immer mehr Bedeutung zu. Das heißt, wenn sich Kultur tatsächlich zu einem Katalysator für Dialog und Verständigung und damit für Integration entwickeln und so zu einem der stärkeren Konzepte innerhalb der EU werden soll, wie es im Bericht heißt, dann muß Österreich die Möglichkeiten, die sich damit für uns als kleines Mitgliedsland bieten, nützen.

Wir können und müssen der EU-Kulturpolitik, die im Bericht als nicht sehr konturenreich kritisiert wird, eben Konturen verleihen. Die kritisierte Konturlosigkeit bietet ja auch die Chance, über das Angebot einzelner, teilweise hervorragender Kulturevents hinaus Entwicklungen anzuregen, die klare Konturen erkennen lassen und zur Vernetzung tatkräftig und kreativ beitragen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf die von meinem Kollegen Cap angesprochene Enquete zurückkommen. Er hat eine Enquete eingefordert, bei der wir uns mit der Auslandskulturpolitik beschäftigen sollen. Ich möchte diesen Gedanken unterstützen und halte ihn für besonders wichtig, denn im Rahmen einer solchen Veranstaltung könnten wir überlegen, wie Österreich diese Konturen zeichnen und wie sich Österreich einbringen soll.


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Diesbezüglich begrüße ich auch die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit Österreichs mit der UNESCO. Auch im Bereich von Wissenschaft und Forschung arbeitet Österreich mit internationalen Organisationen eng zusammen. Diese Zusammenarbeit ist wichtig und unerläßlich, weil wir nur durch diese Kooperation, durch die Beteiligung an multilateraler Finanzierung bei der rasanten Entwicklung beispielsweise im Bereich der Hochtechnologie mithalten können.

Daß sich die Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Forschungs- und -Bildungspolitik bewährt, zeigt der Bericht ebenfalls. Für das 4. Rahmenprogramm, das für die Jahre 1994 bis 1998 gilt, stehen insgesamt 13,2 Milliarden Ecu zur Verfügung, von denen Österreich durch diese Zusammenarbeit profitiert. Bis Ende des Jahres 1997 etwa wurden mehr als 1 000 österreichische Projekte gefördert und haben den Zuschlag erhalten. Das heißt, mehr als 2 Milliarden Schilling sind dafür nach Österreich zurückgeflossen. Das zeigt den Nutzen – nur in der meßbaren Kategorie Geld ausgedrückt –, aber es gibt auch noch andere Kategorien: die Umwegrentabilität kultureller Aktivitäten und Leistungen, die wiederum nach Österreich zurückfließen oder Österreich zugute kommen.

Meine Damen und Herren! Kooperationsbereitschaft, Offenheit, wechselseitiges Interesse sind die Seile eines europäischen kulturellen Netzwerkes, wie wir es uns vorstellen, eines kulturellen Netzwerkes, das die Staatengemeinschaft dringend braucht. Diese Seile liegen auch in den Händen der österreichischen Außenkulturpolitik und müssen von uns verstärkt mit geknüpft werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer. – Bitte.

18.05

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Die Erklärung des Herrn Vizekanzlers zu Fragen der österreichischen Außenpolitik war eine, wie sie auf dem diplomatischen, auf dem außenpolitischen Feld eben üblich ist: viele schöne Worte, aber in der Sache unverbindlich, für Otto Normalverbraucher vielfach unverständlich und vor allem abgehoben von den wirklichen Sorgen, Wünschen und Problemen der betroffenen Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder glauben Sie wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank und von den Regierungsfraktionen, daß es der größte Wunsch, die größte Sorge der Österreicherinnen und Österreicher ist, die Osterweiterung substantiell voranzutreiben, anstatt den Vorsitz in der Europäischen Union dazu zu benützen, möglichst kraftvoll unsere eigenen Wünsche und Probleme unterzubringen, was durchaus möglich wäre? – Das Vorantreiben der Osterweiterung ist, glaube ich, abgesehen von einigen wenigen Damen und Herren, die dorthin exportieren wollen, das geringste Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher.

Aber wenn Sie das tun, dann ist das Ihre Entscheidung. Es ist Ihre Entscheidung, die EU-Präsidentschaft dazu zu benützen, die Osterweiterung voranzutreiben. Meiner Meinung nach bedarf es zumindest noch zehn, zwölf Jahre Zeit, um sie dann entsprechend voranzutreiben oder konkret zu machen. Sie wollen jedoch jetzt schon das halbe Jahr des österreichischen Vorsitzes dazu benützen. Es ist Ihre Entscheidung, das zu tun, das zu wollen, diese Priorität zu setzen und nicht die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher im Rahmen der EU-Präsidentschaft zu vertreten. Aber wenn Sie das tun, dann würde ich mir schon erwarten, daß Sie wenigstens einige konkrete Vorstellungen darüber haben.

Der Herr Außenminister hat vom "Projekt Europa" gesprochen. Also wenn ich ein Projekt substantiell voranzutreiben gedenke, dann ist das erste, was ich mache, daß ich einmal eigene Zielvorstellungen entwickle, mir einen eigenen Zeithorizont setze und sage: Bis zu jenem Zeitpunkt möchte ich das und jenes erreichen und durchsetzen. Bis zu jenem Zeitpunkt möchte ich mit diesem und jenem Partner dieses und jenes Ziel erreicht haben.


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Nichts davon haben wir in dieser sehr langen Erklärung gehört – sie war, glaube ich, fast eine Dreiviertelstunde lang –, keinen einzigen Satz. Wann wollen Sie denn diese substantielle Erweiterung erreichen? Ich frage Sie, Frau Staatssekretärin: Wann?

Nichts haben wir darüber gehört, wie Sie, wenn die Grenzen einmal offen sind, die österreichischen Grenzregionen gegen das dann hereinbrechende Sozial- und Lohndumping schützen wollen – keinen einzigen Satz! Und keinen einzigen Satz, Frau Staatssekretärin, haben wir auch über die Kostenvorstellung gehört, was denn das kosten wird. Nein, ich korrigiere mich: Wir haben einen Satz gehört: Gratis wird es nicht sein!, hat der Herr Außenminister gesagt. (Abg. Mag. Stadler: Ja, das war gut!)

Da stimme ich ihm zu: Genauso wenig wie unser Beitritt zur EU gratis war, genauso wenig wie für uns als Hartwährungsland die Einführung des Euro gratis sein wird, genauso wenig wird für uns als Nettozahler auch die Osterweiterung gratis sein. Und in welche Richtung es gehen wird, haben wir heute schon gehört und gelesen: Die Bauern werden weniger kriegen, und die Nettozahlungen der Österreicherinnen und Österreicher werden sich erhöhen. Ich frage Sie also: Welche Kostenvorstellungen, welcher Kostenrahmen existiert bei Ihrem Projekt? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Inge Jäger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.10

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich knüpfe an die Diskussion der EU-Osterweiterung an und möchte dazu drei Punkte festhalten.

Erstens: Ohne Zweifel ist die EU-Osterweiterung eine der größten Herausforderungen für Europa. Ich wünsche mir, daß es in diesem Zusammenhang auch zu klaren Sprachregelungen kommt. Es kann nicht so sein, daß auf europäischer Ebene von einer sehr raschen Aufnahme dieser beitrittswerbenden Länder gesprochen wird und es andererseits im Dialog mit der Bevölkerung heißt, daß es sehr lange Fristen und sehr lange Übergangszeiten geben muß. Meiner Meinung nach sind diese Übergangszeiten notwendig, und es ist auch notwendig, daß erst bestimmte Bedingungen geklärt und Reformen durchgeführt werden – sowohl auf europäischer Ebene als auch in den Ländern Osteuropas. Nur dann wird es möglich sein, daß diese Länder beitreten.

Punkt 2: Ich halte es nicht für zielführend, daß gerade jetzt, wo man mit diesen Ländern in Kontakt tritt und sie zum Beitritt einlädt, die Länder, die Nettozahler sind, anfangen, darüber zu diskutieren, daß sie weniger in die EU einzahlen möchten. Ohne Zweifel wird die EU-Osterweiterung sehr viel Geld kosten, und ich denke, das müssen wir den Bürgern auch sagen, denn letztendlich werden wir alle davon profitieren. Allein die Angleichung der Umweltstandards aller Kandidatenländer an EU-Niveau würde mindestens 200 bis 240 Milliarden D-Mark kosten, wie eine EU-Studie aussagt. Alle Beitrittskandidaten sind Ziel-1-Gebiete mit einem Bruttosozialprodukt unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts. Wir müssen uns also damit auseinandersetzen, daß die Osterweiterung sehr viel Geld kosten wird und daß dieses Geld auch aufgebracht werden muß.

Nun zum dritten Punkt. Um das Projekt Europa nicht zu gefährden, muß mit Bedacht vorgegangen werden. Es wird von Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Portugal Kritik geübt – alles Länder, die Angst haben, daß sie mit dem Beitritt dieser Länder selbst auf Förderungen verzichten müssen. Ich denke, daß diese Osterweiterung so wichtig ist für die Zukunft Europas, daß eben mit Bedacht klare Zielvorgaben festgelegt werden müssen. Vielleicht nehmen die europäischen Bürger die Osteuropaöffnung eher hin, wenn es gelingt, daß es in den nächsten Jahren tatsächlich zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit im Westen kommt, wenn damit verbunden ist, daß es zu keinen weiteren Sparpaketen kommt, sondern im Zuge einer Steuerharmonisierung jene, die tatsächlich von dieser Ostöffnung profitieren – nämlich die Wirtschaft –, auch ihren Beitrag dazu leisten müssen, zum Beispiel mit einer Kapitalertragssteuererhöhung und auch mit einer Erhöhung der Steuern auf Vermögen.


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Ich möchte in diesem Zusammenhang, weil dieses Thema heute sehr stark angezogen worden ist, auch noch einmal die NATO-Osterweiterung ansprechen. Ich halte eine NATO-Osterweiterung zurzeit für nicht zielführend, vor allem deshalb, weil auch sehr hohe Kosten damit verbunden wären – man spricht von insgesamt 124 Milliarden Dollar für die nächsten zehn Jahre – und weil Länder wie Rußland ausgegrenzt wären. Für diese Kosten muß auch die Bevölkerung in den osteuropäischen Ländern aufkommen. Ich denke, es wäre besser, wenn wir ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem unter Einbeziehung von Rußland langfristig festlegen beziehungsweise diskutieren und somit sozusagen auch die EU-Osterweiterung nicht in Frage stellen würden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wortmeldungen im Zuge der Debatte liegen mir nicht mehr vor. Daher ist die Debatte geschlossen.

Zu Wort gelangt die Frau Berichterstatterin Rosemarie Bauer. – Bitte.

Berichterstatterin Rosemarie Bauer: Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe eine Druckfehlerberichtigung, die sich auf 1332 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen bezieht. Sie betrifft den Inhalt des Vorwortes des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten im Außenpolitischen Bericht 1997. Auf Seite IX des Außenpolitischen Berichts ist der Text korrekt, lediglich in den Beilagen befindet sich ein Fehler. Statt dem Wort "Informationsnetz" scheint dort das Wort "Informationsgesetz" auf.

Ich verlese nun den berichtigten Text: "An dieser Stelle sei zu Illustrationszwecken lediglich vermerkt, daß im sogenannten ,COREU‘-Informationsnetz der GASP zwischen den Außenministerien der 15 EU-Staaten und der EU-Kommission 1997 über 11 000 Mitteilungen ausgetauscht worden sind". – Ende des Halbsatzes.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen. Ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Als erstes stimmen wir ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den vorliegenden Bericht in III-133 der Beilagen unter Bedachtnahme auf die eben vorgebrachte Druckfehlerberichtigung im Ausschußbericht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Außenpolitische Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gredler und Genossen betreffend Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat über die Ergebnisse des Europäischen Rates.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Dr. Gredler stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen als nächstes ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der NATO über einen Beitritt Österreichs zur NATO.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Scheibner eintreten, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jung und Fraktion betreffend Maßnahmen zur Beendigung des Konfliktes im Kosovo.

Auch hier darf ich bitten, daß jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag Jung stimmen, dies bekunden. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


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Schließlich stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hans Helmut Moser, Peter Schieder, Dr. Schwimmer und Genossen betreffend Maßnahmen zur Beendigung des Konfliktes und zur Durchsetzung der Menschenrechte im Kosovo.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Moser, Schieder, Schwimmer stimmen, um ein Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen. (E 127.)

Damit haben wir die Punkte 1 und 2 der heutigen Tagesordnung erledigt.

3. Punkt

Erste Lesung des Antrages 741/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Juni 1989 über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik geändert wird

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum Punkt 3 der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Mitantragsteller Dr. Spindelegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.19

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Danke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ÖVP-Abgeordnete haben diesen Antrag auf Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik eingebracht, weil wir meinen, daß das Gremium Integrationsrat nunmehr eine neue Aufgabe bekommen soll.

Seit 1995 sind wir Mitglied in der Europäischen Union, und seit 1989 gibt es diesen Rat für Fragen der österreichischen Integrationspolitik. Dazwischen liegt eine Phase intensiver Beratung, und ich glaube, daß in dieser Zeit – 1989 bis 1995 – dieser Rat wirklich eine entscheidende Aufgabe in Form von Begleitung der österreichischen Politik in Richtung Beitritt zur Europäischen Union gehabt hat.

Seit wir Vollmitglied in der Europäischen Union sind, hat sich die Bedeutung dieses Rates ein wenig geändert. Wir haben heute die Möglichkeit, über Fragen der Europäischen Union und deren Politik in verschiedensten parlamentarischen Gremien intensiv zu diskutieren, ob das der EU-Hauptausschuß oder der Außenpolitische Ausschuß oder ein Fachausschuß ist. Ich glaube aber, daß der Integrationsrat nach wie vor Sinn hätte, wenn wir zusätzlich zu Fragen der Integrationspolitik auch die damit in Zusammenhang stehenden Fragen der Sicherheitspolitik mit erörtern würden. Das ist unser Wunsch und unser Ziel, und ich meine, das könnte eine Belebung dieses Rates für Integrationsfragen bedeuten.

Wir haben diesem Antrag in der Begründung auch den sogenannten Optionenbericht beigeschlossen, weil wir der Auffassung sind, daß dieser Optionenbericht – auch wenn er, was die Schlußfolgerungen anlangt, von der Bundesregierung nicht mit einem gemeinsamem Votum verabschiedet wurde – eine Fülle von sehr tiefgreifenden Analysen bietet, daß er eine sehr gute Bewertung der Optionen in sich birgt, daß er auf verschiedenste Fragen eingeht, die breit diskutiert werden, etwa die budgetären Auswirkungen der verschiedenen Optionen auf das Budget in Österreich, auf Fragen, die im Zusammenhang mit der militärischen Landesverteidigung zu stellen sind. Daher stellt dieser Optionenbericht wirklich eine sehr gute Grundlage für eine sicherheitspolitische Diskussion dar.

Wir wollen – und das ist auch die Begründung für diese erste Lesung – mit diesem Antrag einen Startschuß für eine neuerliche Versachlichung der Diskussion um die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik geben, weil es erstens jammerschade wäre, wenn wir die Grundlagenarbeit, die in diesem Bericht festgehalten ist, einfach achtlos beiseite legen würden. Das, was in diesem Werk zusammengetragen wurde, ist in wenigen Jahren wieder überholt, und darum ist es sinnvoll und richtig, jetzt darüber zu diskutieren.


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Zum zweiten sind Entscheidungen über die Sicherheitspolitik sehr langfristig zu treffen. Die Einordnung, ob man sich in ein Bündnis begibt oder nicht, hat sehr weitreichende und langfristige Auswirkungen, und darum ist es gut, darüber intensiv zu beraten und diese Beratungen auch auf eine sachliche Grundlage zu stellen.

Und zum dritten: Ich glaube, daß wir in der Sicherheitspolitik in diesem Haus einige Standpunkte auf dem Tisch liegen haben – meine Fraktion hat sich klar in Richtung eines Beitritts zur NATO-Neu ausgesprochen –, daß es aber notwendig ist, eine seriöse Diskussion darüber zu führen, in welchem Zeitrahmen es möglich ist, eine sicherheitspolitische Veränderung Österreichs in dieser Landschaft tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen, und daß wir diese Entscheidung auf Sicht auch mit einer Diskussion im Außenpolitischen Ausschuß verknüpfen sollten – wenn auch nicht in diesen sechs Monaten der Präsidentschaft, in denen wahrlich sehr viele Aufgaben auf uns zukommen, um diese Ratspräsidentschaft für Österreich erfolgreich zu gestalten. Aber das ist ja eine Diskussion, die heute beginnt, vielleicht aber morgen noch nicht abgeschlossen ist. Darum meinen wir, daß es wesentlich ist, auf Sicht eine Entscheidung zu treffen.

Wir haben 1989 miterlebt, daß durch die Ostöffnung der Eiserne Vorhang weggefallen ist, wir haben 1991 den Zusammenbruch der Sowjetunion erlebt, und wir sehen, was der Zusammenbruch des Warschauer Paktes bedeutet. Wir haben in diesen Jahren, glaube ich, sehr wichtige Schritte gesetzt, beginnend bei der Partnerschaft für den Frieden bis zu den Amsterdamer Vertragsbestimmungen hinsichtlich einer neuen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Aber eines ist auch wichtig, und das steht noch aus: Wir müssen eine Entscheidung treffen hinsichtlich der Sicherheit Österreichs. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Cap. )

18.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Tychtl. Er hat das Wort. Gleiche Redezeit: 5 Minuten.

18.25

Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube sagen zu dürfen, daß wir uns noch nie einer Diskussion verweigert haben, wenn ein entsprechender Antrag von seiten unseres Koalitionspartners gekommen ist. Wir haben bis dato alle Anträge ernsthaft geprüft und auch in aller Ruhe und Gelassenheit diskutiert. Und das werden wir auch bei diesem Antrag tun.

Wir bezweifeln aber in diesem konkreten Fall ein bißchen, ob der Antrag tatsächlich geeignet ist, sozusagen als Vehikel zu dienen, um den vom Koalitionspartner verfaßten Optionenbericht zu transportieren und im Parlament diskutieren zu lassen.

Wir sagen auch sehr deutlich, daß wir im Rahmen einer solchen Diskussion keinerlei wie immer geartete Berührungsängste haben. Das ist dadurch belegbar, daß auch wir uns einer Diskussion stellen wollen – dies vor allem, da starke Veränderungen sowohl bei der WEU als auch bei der NATO, bei all diesen Organisationen, die sich mit der Sicherheit beschäftigen, spürbar und sichtbar geworden sind.

In diesem Antrag ist auch unter Punkt 3.6 festgehalten, daß der Prozeß der Schaffung einer neuen NATO bereits seit 1990 läuft. Es ist also keineswegs so, daß dieser Prozeß der Neuorientierung erst gestern begonnen hat. Es ist dies ein permanenter Prozeß, der, wie wir uns vor kurzem im NATO-Hauptquartier überzeugen konnten, auch noch einige Zeit andauern wird; vor allem deshalb, weil sich im Zusammenhang mit NATO und WEU eine völlig neue Dimension der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union auftut.

Ich bin sehr froh, daß der Herr Vizekanzler heute gesagt hat – sodaß jeder in dieser Runde eigentlich wissen müßte, worum es geht –, daß man künftig sowohl WEU als auch NATO im Bereich der Europäischen Union stärker sichtbar werden lassen wird und daß die Zusammenarbeit verstärkt werden wird.

Wir glauben – und da bin ich durchaus d’accord mit meinem Vorredner –, daß dieser sich ständig ändernde Anpassungsprozeß in vollem Gange ist. Daher sollten wir genau beobachten, in


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welche Richtung diese Entwicklung geht, und zum gegebenen Zeitpunkt die erforderlichen Diskussionen darüber führen.

In diesem Sinne begrüßen wir diesen Vorschlag auf Diskussion im Außenpolitischen Ausschuß. (Beifall bei der SPÖ.)

18.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Er hat das Wort.

18.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Khol hat in der vorangegangenen Diskussion über den Außenpolitischen Bericht sehr viel von Ehrlichkeit in der sicherheitspolitischen Debatte gesprochen. Wenn man den Begriff der Ehrlichkeit in diesem Fall anwendet, dann muß man wohl sagen, daß es den Antragstellern nicht wirklich um eine rasche Erweiterung der Aufgaben dieses Rates für Integrationsfragen geht, denn sonst hätte man eine andere Vorgangsweise der parlamentarischen Behandlung gefunden und nicht zuerst eine erste Lesung verlangt, dann auf die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuß gewartet und gleich darauf hier in der Debatte gesagt: Aber im nächsten halben Jahr wollen wir darüber nicht diskutieren und schon gar nicht darüber entscheiden. Also, Herr Klubobmann Khol – Sie sind ja der Erstantragsteller –, die Seriosität dieses Antrages darf wohl in Zweifel gestellt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Spindelegger! Ich kann auch die Sinnhaftigkeit des Inhaltes des Antrages nicht ergründen. Wenn es vielleicht noch sinnhaft war, vor dem EU-Beitritt Österreichs einen derartigen Rat, in dem alle möglichen politischen und nicht politischen Gruppierungen Österreichs vertreten sind, einzurichten, um die verschiedenen Probleme aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu beleuchten, so frage ich mich nach dem EU-Beitritt bezüglich der sicherheitspolitischen Diskussion schon, was da die Landwirtschaftskammer, die Arbeiterkammer, der Gemeindebund und der Städtebund beitragen sollen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese sicherheitspolitische Debatte müssen wir hier im Hohen Haus führen, müssen wir im Außenpolitischen Ausschuß führen, müssen wir im Landesverteidigungsausschuß führen, und zwar rasch und intensiv. Da ist kein Platz dafür, daß man mit solchen Anträgen die ganze Debatte in die Länge zieht.

In Wahrheit geht es Ihnen doch nur darum, erstens einmal den Koalitionspartner wieder ein bißchen zu ärgern und zweitens hier Aktivität vorzutäuschen, weil Sie sich in der Regierung nicht einigen können und weil Sie gegenüber Ihrer Klientel, die Sie immer mehr bedrängt, warum Sie sich weiter in Geiselhaft der Sozialisten befinden, wieder etwas vorweisen und sagen wollen: Wir probieren es ohnehin, wir versuchen es, aber es geht halt leider nichts weiter!

Meine Damen und Herren! Das ist nicht die Art und Weise, wie wir in der sicherheitspolitischen Debatte weiterkommen können. Wir haben im Außenpolitischen Ausschuß nach wie vor eine ganze Reihe von sicherheitspolitischen Anträgen liegen. Diese sollen irgendwann einmal abgehandelt werden. Einzig dieser ominöse Antrag der ÖVP wird einem Unterausschuß zugewiesen. Das ist auch eine Merkwürdigkeit.

Aber es darf zunächst gar nicht verhandelt werden, das nächste halbe Jahr ist einmal Funkstille. Ich höre immer wieder zu Recht, und zwar auch vom Verteidigungsminister, die Klage, wieviel Zeit man schon verloren habe in bezug auf diese Entscheidungen. Und das ist auch richtig, wir haben schon sehr viel versäumt. Wir sind nicht integriert in die Erweiterungsbewegung der NATO. Wir sind nicht integriert bei der Frage des Aufbaus einer europäischen Komponente in der Sicherheitspolitik. Und letztlich hängen wir auch bei der Entscheidung, wie unsere eigene Sicherheit in Zukunft gestaltet werden soll, völlig in der Luft.

Man beklagt dann plötzlich und wundert sich, daß etwa in der Tschechischen Republik, in Ungarn und in Polen Investitionen der EU in Infrastrukturmaßnahmen gesetzt werden. Man fragt, warum das bei uns nicht so ist, warum die Eisenbahn nicht unterstützt wird, etwa der Bau


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der Südostspange. Darauf kann man sehr wohl die Antwort geben: Das ist Ihr Versäumnis, meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Das ist einer der Nachteile, die durch diese Nichtentscheidung in der Sicherheitspolitik hervorgerufen werden, denn die Investitionen auch im Bereich der Hochtechnologie gehen nämlich in jene Staaten, die sich bereits für das sicherheitspolitische Konzept der NATO entschieden haben.

Für uns ist klar: Sicherheit kann nur im Verbund mit den anderen Staaten erfolgen. Die Entscheidung nimmt uns niemand ab. Die Gründe liegen aber ganz offen. Acht Jahre hätten Sie Zeit gehabt. Wir brauchen keinen Rat für Integrationsfragen, sondern wir brauchen eine klare und offene Diskussion im Ausschuß, und wir brauchen letztendlich klare und rasche Entscheidungen über die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. (Abg. Dr. Graf: Der NATO-Gegner Moser!) Er hat das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

18.32

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Auch wenn Sie mir 20 Minuten zugestehen wollen, ich meine, 5 Minuten sind ausreichend.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Spindelegger hat redlich versucht, den Antrag auf Erweiterung der Kompetenzen des Rates für Integrationsfragen zu begründen, aber es ist ihm nicht wirklich gelungen. Meine Damen und Herren! Der Antrag, den die Österreichische Volkspartei hier eingebracht hat, kann doch nicht ernst gemeint sein. So hat es im Vorfeld schon Gespräche gegeben, die darauf hätten abzielen sollen, daß wir diesen Punkt im Zusammenhang mit der Diskussion über den Außenpolitischen Bericht des Außenministers beraten. Und es ist auch darum gegangen, inwieweit wir nicht auf Redner verzichten könnten. Daher meine ich, daß der Österreichischen Volkspartei nicht wirklich ernsthaft an dieser Diskussion gelegen ist.

Und auch die Begründungen, die Kollege Spindelegger hier vorgebracht hat, warum die Kompetenzen dieses Integrationsbeirates erweitert werden sollten, waren nicht stichhaltig. Lieber Michael! Das, was als Begründung in dem Antrag niedergeschrieben ist, ist nichts anderes als die Position der Österreichischen Volkspartei und ihre Argumente für einen Beitritt zur NATO. Und das steht in diesem Antrag nicht zur Debatte. Daher ist die Begründung nicht wirklich schlüssig nachvollziehbar.

Ich glaube auch, daß es nicht Sinn macht, diesen Antrag als Plattform und als Ausgangspunkt für die notwendige sicherheitspolitische Diskussion zu verwenden. Meine Damen und Herren! Es ist schon verwunderlich, warum gerade die Österreichische Volkspartei, die mit diesem Antrag die sicherheitspolitische Diskussion vorantreiben will – zumindest sagt sie das so –, wenn es darum geht, jene Optionen, die sie selbst im Außenpolitischen Ausschuß eingebracht hat und die dort in einem Unterausschuß hätten beraten werden sollen, sowie jene Vorstellungen und Positionen, die die anderen Fraktionen gehabt haben – die Grünen, die Liberalen, die Freiheitlichen –, zu beraten, über diese Fragen, über diese Vorstellungen keine Diskussion abführen läßt, und zwar weder im Unterausschuß – dort konnte keine Einstimmigkeit über den Bericht erzielt werden – noch im Außenpolitischen Ausschuß. Daher ist es scheinheilig, wenn die Österreichische Volkspartei heute erklärt, sie möchte die Diskussion über die sicherheitspolitischen Perspektiven vorantreiben.

Meine Damen und Herren! Kollege Spindelegger hat es vielleicht ehrlich gemeint, als er gesagt hat: Ein Grund ist, daß das Gremium neue Aufgaben bekommen soll. Ich glaube schon, daß der Österreichischen Volkspartei an diesem Gremium besonders gelegen ist. Denn in diesem Gremium sind nicht nur Repräsentanten der im Parlament vertretenen politischen Parteien, sondern auch die Landeshauptmännerkonferenz, die Sozialpartnerschaft sind proporzmäßig vertreten, ebenso der Städtebund und der Österreichische Gemeindebund. Das heißt, es handelt sich um ein Gremium, in dem die Österreichische Volkspartei eine gewisse Mehrheit hat. Daher will sie nichts anderes, als dieses Gremium zu nutzen, um eine Mehrheit für eine bestimmte politische Vorstellung zu bekommen, also um eigentlich die Frage des Beitritts Österreichs zur


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NATO zu pushen, anstatt eine umfassende, offene, faire Diskussion über die sicherheitspolitischen Perspektiven zu führen.

Eines ist auch klar: Dieses Gremium hat sich in keiner Weise mit Fragen der Sicherheitspolitik, der Verteidigungspolitik auseinanderzusetzen. Es hat dafür keine wirklichen Kompetenzen. Hingegen würde es Sinn machen, jene bestehenden Gremien, die wir ja schon haben, als Basis für eine Diskussion über die zukünftigen Perspektiven zu nehmen. Das wären beispielsweise der Außenpolitische Rat oder der Landesverteidigungsrat. Das wären die richtigen Beratungsgremien für die Bundesregierung. Es besteht vor allem aber die Notwendigkeit, im Hohen Hause darüber zu debattieren, im Verteidigungsausschuß, im Außenpolitischen Ausschuß. Das hat die Österreichische Volkspartei bislang verweigert.

Ich meine daher, daß es nicht notwendig ist, diesem Antrag die Zustimmung zu geben, weil daraus weder ein Sinn abgeleitet werden kann noch sich irgendwelche Vorteile im Rahmen einer weiterführenden sachlichen Diskussion der zukünftigen österreichischen Sicherheitspolitik ergeben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Diese Debatte im Zuge der ersten Lesung ist daher geschlossen.

Den Antrag 741/A der Abgeordneten Dr. Khol und Genossen weise ich dem Außenpolitischen Ausschuß zu.

4. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1108 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz – ElWOG), das Bundesverfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden, erlassen wird und das Kartellgesetz 1988 und das Preisgesetz 1992 geändert werden, und

über den Antrag 215/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Einspeisung von elektrischer Energie aus erneuerbaren Energien und kleinen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in das öffentliche Netz geregelt wird (Einspeisungsgesetz 1996), und

über den Antrag 386/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Regelungen zur Strompreisgestaltung, welche den europäischen Markterfordernissen entsprechen (1305 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht und Antrag des Wirtschaftsausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Starkstromwegegesetz 1968 und das Bundesgesetz über elektrische Leitungsanlagen, die sich nicht auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken, geändert werden (1306 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 543/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft (1307 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 4 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Ein Verlangen auf Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinzhorn. Es wurde eine freiwillige Redezeit von 6 Minuten vorgeschlagen. – Bitte.

18.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Nichts spiegelt die Denkweise der österreichischen Politik besser wider als die Energiewirtschaft: kleinkariert, ineffizient, privilegiendurchzogen, alles, was einem an so einem regnerischen Tag einfällt. Bürgermeister Häupl von Wien hat nebst seiner markanten Aussage, das Parteiprogramm der Sozialisten erinnere an das letzte Jahrhundert, auch gesagt, die E-Wirtschaft lebe im letzten Jahrhundert. – Ich kann ihm da nur beipflichten.

Der Bund schützt den Verbund, die Länder schützen die Landesgesellschaften. Der Verbund hat schon 1996 mit seiner Studie "Geheimnis im Verbund" zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht, was alles in der österreichischen E-Wirtschaft falsch läuft. Kaum war diese Studie fertig, hat man sie in die Schublade gesteckt. Denn die Quintessenz dieser Studie lautete, die Energiepreise seien um 40 Prozent zu hoch, die Personalkosten um 100 Prozent. Wenn man diese beiden Dinge nicht änderte, würde die österreichische Wirtschaft aufgrund der Energiekosten bei der Liberalisierung Schiffbruch erleiden.

Die Privilegien wurden damals von uns Freiheitlichen sehr gut dargestellt. Ob das der Verbund-Direktor Giljum mit 1,7 Millionen Gehalt, 100 Prozent Remuneration, 280 000 S Wohnungszulage und 200 000 S Ausstattungszulage war, wir haben Ihnen die Beispiele plakativ genannt. Sie haben immer nur gesagt: Jaja, auch wenn Price Waterhouse all das bestätigt, macht das nichts, die Zeit vergeht, wir werden im geschützten Bereich weiterleben. Und Sie haben EVN und OKA letztlich als Ausgedinge für die Landeshauptleute verwendet – ob das unter Skacel oder unter Müllner war, mit allen leidigen Skandalen, oder ob Wenzl sich in der OKA mit Millionenbezügen in der Pension angedient hat. Dafür haben Sie diese Gesellschaften mißbraucht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie haben auch die Investitionen dazu mißbraucht, um mit Ihrer Beschäftigungspolitik Flagge zu zeigen. Als die EU schon lange eine Agenda ausgearbeitet hatte, in der eine koordinierte Planung der Kraftwerke festgehalten wurde, haben Sie noch 300 MW in Speicher der TIWAG installiert. Sie haben es auch bei der KELAG und der SAFE gemacht.

Der Verbund-Generaldirektor hat 1997 gegensteuernd gesagt, wir sollten nicht soviel Angst haben, unserer E-Wirtschaft gehe es gut. Darauf kann ich nur sagen: Ihm geht es sicher gut, aber den tausend Mitarbeitern, die er gerade kündigt, geht es, glaube ich, ein bißchen schlechter. – Also man hat das so gesehen, wie man es gerade gebraucht hat. Einmal gab es eine Krise, dann hat man sie in die Schublade gesteckt, und es war wieder alles bestens. – Danach, im Februar 1998, sagte derselbe Verbund-Generaldirektor wiederum, wir brauchen um Gottes willen ein anderes ElWOG, ein ElWOG, das uns schützt, sonst werden wir das nicht überleben. Sie kennen all diese Aussagen der letzten Tage und Wochen.

Meine Damen und Herren! Das ElWOG ist ein zahnloser Tiger, es hat Schutzbestimmungen, soweit das Auge reicht. Es gibt keine konkreten Regelungen für den Netzzugang, es beinhaltet eine beschämende Regelung für den Regulator, der im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist, und es hat bereits zu mehrfacher Kritik der EU geführt, nämlich des Kommissars Benavides, der es immer wieder beanstandet hat.

Dabei hätte es auch gute Beispiele dafür gegeben. Ich erinnere nur an Norwegen, das im Dezember 1990 jene Liberalisierung durchgeführt hat, die die EU heute ihren Mitgliedern vorschreibt und gegen die wir uns in Österreich wehren. Norwegen hat heute die niedrigsten Energiepreise Europas, weit unter jenen Schwedens, das bei der Liberalisierung und günstigen Tarifen Spitzenreiter der EU ist. – Wir aber schauen zu, wir lesen es genüßlich in den Zeitungen und wissen: An Österreich wird das vorbeigehen, wir werden den geschützten Bereich behalten, unsere Politiker werden dort weiterhin ein Ausgedinge haben.


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Im Ausschuß gab es interessante Äußerungen, etwa die einzelnen Ausführungen des Herrn Energiesprechers Kopf, der ehrlich gesagt hat, dieses ElWOG sei letztlich dazu da, um der E-Wirtschaft zu dienen. Auch Herr Abgeordneter Oberhaidinger hat ehrlich gesagt: Was können denn wir für 50 Jahre verfehlte Energiepolitik? – Da hat er ganz recht! (Abg. Marizzi: Das hat er nicht gesagt!) Daß das die Energiepolitik Ihrer beiden Parteien war, hätten Sie dazusagen müssen. Aber Sie sind ehrlich. Wehren Sie sich doch nicht, wenn ich sage, daß Sie ehrlich sind! (Abg. Oberhaidinger: Ich wehre mich nicht! Aber korrekt zitieren!) Ich habe Ihnen gerade das Kompliment gemacht, daß Sie ehrlich sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Langthaler hat uns mit ihrem Antrag betreffend 5 Prozent alternativer Energie für die Stromerzeugung noch ein Abschiedsgeschenk gemacht. Sosehr wir Freiheitliche, vor allem mein Kollege Hofmann, für die alternative Energie eintreten – was ich für sehr gut halte –, muß ich Ihnen trotzdem sagen, daß Ihre Forderung einen zweistelligen Milliardenbetrag ausmacht. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Frau Abgeordnete, bei allem Respekt, Sie wissen ganz genau, daß das ein Danaergeschenk wäre, das Sie uns machen würden (Zwischenruf der Abg. Ing. Langthaler ), wenn das Ihr letzter Wunsch an diese Regierung in diesem Parlament ist, bevor Sie ausscheiden!

Daher verweisen wir Freiheitliche neuerlich auf unseren Antrag für ein Energiegesetz, und ich möchte diesen Antrag heute noch einmal als Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn, Dipl.-Ing. Hofmann, Mag. Schweitzer und Kollegen betreffend Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft

Der Nationalrat wolle beschießen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird zu einer Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft im Einvernehmen mit den zuständigen Ministerien aufgefordert, im Sinne der oben dargestellten Ausführungen folgende Maßnahmen beziehungsweise Gesetzesvorschläge vorzubereiten:

1. Reformierung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft nach marktwirtschaftlichen Kriterien unter folgenden Gesichtspunkten:

Organisation eines Poolmodelles, wobei die Preisbildung auf Poolebene stattfindet

Sicherung des Netzausbaus durch Ausschreibungen und Infrastrukturzuschläge

Aufrechterhaltung der Versorgungspflicht für Tarifkunden

Schutz der Tarifkunden durch Preisaufsicht

Ausschreibung der Versorgungsgebiete.

2. Umsetzung folgender (eigentumsrechtlicher) Ergänzungen zum Poolmodell:

Gründung einer unabhängigen Regulierungsbehörde" – Herr Minister, ich weiß, daß Sie das selber manchmal befürworten, aber dann wieder sagen, es wäre ganz praktisch, wenn es doch bei uns bliebe, damit dem Schutzgedanken auch Ihrer nahestehenden Organisation ÖVP und der Landesgesellschaften vielleicht etwas besser Rechnung getragen wird. –

"Schaffung einer österreichischen Netzholding" – bevor alles ausverkauft ist –

"Förderung der Errichter und Betreiber von Regenerativenergieanlagen, insbesondere durch Schaffung eines fairen und zumindest im EU-Durchschnitt entsprechenden Einspeisetarifs und die Befreiung erneuerbarer Energieträger von der Elektrizitätsabgabe


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Sicherstellung eines stetig steigenden Anteils an Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern, verbunden mit einer diesbezüglichen jährlichen Berichterstattung."

*****

Das ist unser Vorschlag, das wäre eine Liberalisierung des Marktes! Beenden Sie daher Ihren elektrifizierten Proporz, übernehmen Sie unseren Vorschlag, dann werden wir in Europa nicht Schlußlicht bleiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben referierte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.47

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mit diesem ElWOG eine EU-Richtlinie umzusetzen, die recht stark in einen Wirtschaftszweig eingreift, der zugegebenermaßen einerseits sehr stark segmentiert und andererseits fest in die historische Entwicklung der diversen Regionen unseres Landes eingebunden ist. Das muß man beileibe nicht so negativ darstellen, wie Sie das tun, Herr Kollege Prinzhorn. Ganz im Gegenteil! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. ) Viele Regionen hätten sich nicht so gut entwickeln können, wenn es nicht so gewesen wäre.

Dieser Wirtschaftszweig lebt in einer natürlichen Monopolsituation, und – auch das sei kritisch angemerkt – die Industrietarife unseres Landes sind im internationalen Vergleich zu hoch. Wir haben jedoch sehr attraktive Haushaltstarife und einen hohen Anteil an heimischen erneuerbaren Energieträgern, die zur Verstromung eingesetzt werden. Es ist einzugestehen, daß in diesen Unternehmen betriebswirtschaftliche Grundsätze nicht immer ausreichend berücksichtigt wurden.

Aber diese Branche hat in Summe gesehen sehr gute und interessante Zukunftsperspektiven. Angesichts der Diskussion über die Atomenergie sowie der Folgekosten dieser Form der Stromaufbringung und so weiter im Ausland kann man mit Fug und Recht behaupten, daß diese unsere Form der Stromerzeugung – hoher Wasserkraftanteil und sonstige erneuerbare Energieträger – zusammen mit dem, was in Zukunft noch dazu getan wird – ich komme gleich darauf –, eine wirklich interessante Zukunftsperspektive, und zwar nicht nur ökologisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich, hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben uns bei der Konzeption des ElWOG einige Ziele gesteckt. Zum ersten gilt es, die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten, zum zweiten, das attraktive Preisniveau für die Haushalte zu erhalten und eine Preissenkung, und zwar eine signifikante Preissenkung, für die Großabnehmer zu realisieren. Sie ist notwendig, um die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern zu können. Wir brauchen eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dieser Branche, die durch eine Minimierung der Kosten erreicht werden kann, das ist keine Frage.

Es ist jedoch ein Widerspruch, Herr Kollege Prinzhorn, auf der einen Seite das Zuviel an Personal, das es früher gegeben hat, zu kritisieren, auf der anderen Seite aber über die Personalkostensenkungen zu lamentieren. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Vor 20 Jahren hätten Sie anfangen sollen, nicht jetzt!) Sie hätten immer weh getan, ob heute oder vor zwei Jahren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Damals hätten Sie eine Strukturänderung machen sollen!)

Es gilt, mit diesem ElWOG – und es wird auch gelingen – eine schrittweise Beseitigung des Quasimonopols, dieses natürlichen Monopols, zu erreichen. Wir haben einen verantwortungsvollen Zeitplan gewählt, der eine ausgewogene Lastenverteilung und einen ausgewogenen Grad


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der Betroffenheit schaffen wird, und wir wollen gleichzeitig auch noch eine weitere Verbesserung der ökologischen Gesamtsituation bei der Stromerzeugung erreichen.

Welche Lösungsansätze haben wir dafür gefunden? – Zum ersten ist festzustellen, daß das Parlament sehr stark in diesen Prozeß eingebunden war. Das ist sehr positiv zu vermerken. Wir haben zu einer schrittweisen Marktöffnung gefunden, die leicht über dem EU-Erfordernis liegt, die durch den verschärften Wettbewerb Vorteile für die Großabnehmer bringt sowie Rationalisierungsdruck auf die Energieversorgungsunternehmen ausüben wird – dies jedoch in verkraftbaren Schritten und verbunden mit dem Zwang zu auch strategischen Neuorientierungen.

Herr Prinzhorn! All das, was Sie zwanghaft per Gesetz verlangen, wird verantwortungsvollen Managern garantiert einfallen, und zwar einfach aufgrund ihrer strategischen Erkenntnisse und notwendigen Neuorientierungen.

Letztendlich werden auch Chancengleichheit und Gerechtigkeit für die kleinen Verteilerunternehmen geschaffen, die sich am Markt etwas verzögert, aber frei bewegen werden können, auch als zugelassene Kunden – ein ganz wichtiger Schritt im Bemühen um Ausgewogenheit in diesem Gesetz.

Zum Netzzugang für Großabnehmer: Herr Prinzhorn! Ich glaube nicht, daß Sie gemeint haben, daß es keine Regelung gäbe, sondern ich nehme an, Sie haben die Netztarife gemeint. Denn für den Netzzugang gibt es sehr wohl eine Regelung, und zwar die beste, die möglich war, nämlich der regulierte Netzzugang. (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Was kostet das?) Wir hatten ursprünglich ein anderes System im Sinne, sind aber im Laufe der Beratungen klar zu der Erkenntnis gelangt, daß dieses System marktkonformer, effizienter und auch viel unbürokratischer ist. Das einzige, was geregelt sein und bleiben muß, ist natürlich das Netzsystem, der Netzzugang, weil es in diesem Bereich weiterhin ein natürliches Monopol gibt. Aber das gewählte System ist jedenfalls, wie gesagt, viel effizienter und unbürokratischer als alles andere in Diskussion Gestandene.

Zum Punkt "Systemnutzungstarif" bekenne ich mich dazu, daß wir dieses so wichtige Wettbewerbselement – und es wird ein sehr entscheidendes sein – seriös auf Basis einer Studie, die der Herr Wirtschaftsminister in Auftrag gegeben hat, regeln, und zwar über eine Verordnung des Herrn Wirtschaftsministers, die er aber gemeinsam und im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrats erlassen wird. Dies ist meiner Meinung nach eine sehr gute und seriöse Lösung, bei der sich auch das Parlament noch zu einem Zeitpunkt einbringen kann, der der einzig richtige ist, nämlich dann, wenn die Ergebnisse dieser Studie vorliegen.

Die Endabgabepreise, das heißt das attraktive Preisniveau für die Endabnehmer, werden wir halten können. Wir werden auch mit einem Entschließungsantrag von Kopf und Oberhaidinger, an den Wirtschaftsminister gerichtet, absichern, daß dieses Preisniveau bestehen bleiben muß.

Es galt, ein großes Problem zu lösen, nämlich das der sogenannten "stranded costs", also künftigen Erlösminderungen, die Investitionen und auch Verträge, die im Vertrauen auf den Fortbestand dieses Systems getätigt wurden, unrentabel machen.

Wir haben als ersten Lösungsansatz, der das Problem gewaltig minimiert, eine Art Solidaritätsmodell gefunden, das heißt jene Rechtsunsicherheit beseitigt, die die Koordinierungs- und Lieferverträge in Frage gestellt hätte, oder zumindest wären sie von mancher Seite in Frage gestellt worden. Wir geben nun diesen Verträgen eine Bestandsgarantie auf ein paar Jahre – nicht mehr und nicht weniger. Gleichzeitig wird das Preisniveau auf ein Marktniveau herangeführt und damit, wie gesagt, das Problem der "stranded costs", das sonst möglicherweise entstanden wäre, um einiges minimiert und auch die Notwendigkeit von Betriebsbeihilfen stark reduziert.

Der zweite Lösungsansatz, der erst danach schlagend wird, ist, daß, wiederum nach Ausarbeitung eines Gutachtens im Auftrag des Wirtschaftsministeriums, das die Auswirkungen des ElWOG auf die Lebensfähigkeit der Unternehmen hinsichtlich Ertragskraft, Eigenmittelquote, Marktöffnungsgrad und auch die nachhaltige Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens bewertet,


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erst danach Betriebsbeihilfen gegeben werden. Und das wird – wiederum erst nach Vorliegen dieses Gutachtens – in einer Verordnung festgelegt werden, und zwar, was durchaus nicht normal und selbstverständlich ist, unter Einbindung des Parlaments, nämlich des Hauptausschusses.

Wir haben allerdings, und das aus gutem Grund, nämlich aus beschäftigungs- und regionalpolitischen Überlegungen, die Braunkohleverstromung in der Steiermark explizit und vorneweg bereits als sogenannte "stranded investments" und damit auch als betriebsbeihilfenempfangsbedürftig anerkannt. Aber das war meiner Ansicht nach nicht nur aus regional- und beschäftigungspolitischen Gründen notwendig, sondern auch ein Gebot der Fairneß gegenüber den Betroffenen in der Steiermark. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein weiteres wesentliches Anliegen konnte realisiert werden: Es wurde den erneuerbaren Energieträgern in der Verstromung zum Durchbruch verholfen. Biomasse, Biogas, Deponiegas, geothermische Energie, Wind und Sonne sind interessante Substitutionsmöglichkeiten (Abg. Mag. Barmüller: Keine Wasserkraft!), interessant auch für fossile Energieträger, und es handelt sich dabei vor allem auch um interessante Erwerbsmöglichkeiten gerade im ländlichen Raum. Es wurden erreicht: eine Abnahmeverpflichtung von 3 Prozent bis 2005, Herr Kollege Prinzhorn, verbindliche Einspeisetarife, die in den Ländern festzulegen sind, eine gleichzeitige Vergütung an die EVUs dafür, der direkte Netzzugang mit dem Ab-Hof-Verkauf und auch anlagenrechtliche Erleichterungen für Erzeugungsanlagen zur Verstromung von erneuerbaren Energieträgern. Insgesamt ist das ein Paket, das mithelfen wird, den Anteil der erneuerbaren Energie noch zu erhöhen.

Man kann zusammenfassend sagen, daß es uns gelungen ist, einander stark widersprechende Zielsetzungen zu verwirklichen. Es konnten die regionale Bedeutung, die historischen Entwicklungen, die zersplitterte Eigentümerstruktur, aber auch die Notwendigkeit, Preissenkungen zu erzielen, ausgewogen unter einen Hut gebracht werden. Es gab aber auch überzogene Forderungen, manche der beteiligten "Spieler" haben in einer unzulässigen Art und Weise dramatisiert, und vielleicht sollten sich einmal die Aktionäre dieser Unternehmen mit ihren Vorständen sehr ernsthaft über diese Aussagen und diese Dramatisierungen unterhalten.

Ich halte das für einen tragfähigen Kompromiß zwischen einerseits wirtschaftspolitischen und andererseits umwelt-, sozial- und auch regionalpolitischen Anliegen. Zwei große Herausforderungen liegen noch vor uns, nämlich die beiden Verordnungen zur Regelung der Netzgebühr einerseits und zur Vergütung der "stranded costs" andererseits.

Ich möchte mich abschließend auch als Vorsitzender des Unterausschusses, der dieses Gesetz behandelt hat, in diesem Zusammenhang recht herzlich bedanken, zunächst bei dir, Herr Bundesminister, für die mühevolle Vorarbeit. Bis es überhaupt zur Regierungsvorlage kommen konnte, waren viele Verhandlungsrunden notwendig, die du bravourös gemeistert hast, damit du eine sehr gute Regierungsvorlage vorlegen konntest. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte aber auch deine Mitarbeiter in der Sektion VIII, angeführt von Herrn Sektionschef Zluwa, nicht unerwähnt lassen. Sie haben uns wirklich vorbildlich in unserer Arbeit unterstützt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch unsere beiden Verhandlungspartner auf seiten des Koalitionspartners, Staatssekretär Ruttenstorfer und Abgeordneter Oberhaidinger, seien erwähnt. Es waren harte Verhandlungen, aber meiner Ansicht nach auf einem guten Niveau (Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Hochpreislich!) und auf einer menschlichen Basis, die sich sehen lassen kann, und wir haben gemeinsam ein gutes Ergebnis zustande gebracht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zu guter Letzt bedanke ich mich bei allen Mitarbeitern, allen Kolleginnen und Kollegen im Unterausschuß und auch im Wirtschaftsausschuß (Abg. Dr. Khol: 4 Minuten überzogen!) und auch schon vorweg, lieber Klubobmann, bei allen hier im Hohen Haus für die, wie ich hoffe


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erfolgende, Zustimmung hier im Plenum. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. Er hat das Wort.

19.01

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Da mir nur drei Minuten für diese Rede zur Verfügung stehen, muß ich mich sehr kurz fassen und möchte dem Herrn Abgeordneten Kopf recht geben, daß der Herr Bundesminister am Anfang durchaus mit sehr interessanten Vorschlägen auch schon an das Parlament herangetreten ist oder sie zumindest öffentlich geäußert hat. In Wirklichkeit aber ist er im Dickicht der Länderinteressen – das waren primär ÖVP-Interessen – steckengeblieben.

Tatsache ist, daß die Lösung, die gefunden wurde, für die Struktur der österreichischen Elektrizitätswirtschaft nicht zukunftsweisend sein kann, Herr Abgeordneter Kopf, sondern es wird so sein, daß aufgrund von sehr regionalen Interessen, von Länderinteressen, eine Energieversorgungsstruktur aufgebaut wird, die auf Dauer nicht aus dem österreichischen Bereich heraus dominiert werden kann. Wir laufen damit Gefahr, daß wir im europäischen Verbund insgesamt eher zu den randgeregelten Bereichen gehören werden. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es ist auch nicht gelungen, meine Damen und Herren, im Bereich der elektrizitätsrechtlichen Grundlagen eine Kompetenzbereinigung zu schaffen, und es ist schon eigenartig, daß man sogar einzelne Verträge zwischen Elektrizitätsversorgern mit in Verfassungsrang stehenden Bestimmungen abgesichert hat. Das ist nicht sinnvoll. Das kann im Lichte einer europäischen Richtlinie oder einer europäischen Binnenmarktorientierung nicht die Lösung für das österreichische Energiesystem sein.

Daher verwundert es mich auch nicht, Herr Bundesminister, daß letztlich der Staatseinfluß in den österreichischen Unternehmen auf längere Zeit festgeschrieben worden ist. Es ist bekannt, daß man ihn nicht halten können wird, aber mit Verfassungsbestimmungen schreibt man jetzt wieder die Mehrheiten in den einzelnen Elektrizitätsversorgungsunternehmen fest. Es hat ja nicht umsonst von seiten der EU-Kommission diesbezüglich Kritik gegeben.

Ich will aber nicht verhehlen, daß es positiv ist, daß man sich wenigstens durchgerungen hat, einen Ökostrom-Markt in Österreich nicht zu verhindern. Er wird zwar nicht forciert werden, aber er wird auch nicht verhindert. Eine direkte Versorgung von Endkunden durch unabhängige Erzeuger wird in Zukunft also möglich sein, aber wenn man etwa im Rahmen der zweiten Photovoltaik-Weltkonferenz, die jetzt in der Hofburg läuft, die am Montag begonnen hat, die Projekte ansieht, die dort auch morgen – und es sind alle Abgeordneten eingeladen, sich das anzuschauen – von Schülergruppen präsentiert werden, dann sieht man, welches Potential im Bereich der erneuerbaren Energieträger enthalten ist und mit welch großem Enthusiasmus dieser Bereich vorangetrieben wird.

Herr Abgeordneter Prinzhorn! Es ist einfach nicht wahr, daß eine verstärkte Versorgung durch erneuerbare Energieträger in Österreich nur Kostenkonsequenzen hätte. Wahr ist vielmehr, daß Sie etwa mit dem Strompreis, den Sie heute auch bei dem Kraftwerk Freudenau zahlen müssen, Windkraftwerke genauso betreiben können, und zwar hochweis. Aber das wird einfach nicht gemacht. Es wird über die bestehende Marktmacht und unter Duldung der Politik, und hier insbesondere der Koalitionsparteien, verhindert, daß erneuerbare Energieträger in hohem Maße eingesetzt werden. Damit wird aber auch verhindert, daß etwa österreichische Firmen in diesem Bereich in Österreich einen Markt und Produkte entwickeln können, Produkte, die letztlich insbesondere im Export sehr erfolgreich vermarktet werden könnten.

Daher darf ich zum Bereich der erneuerbaren Energieträger festhalten, Herr Kollege Kopf: 3 Prozent bis 2005 sind ein Nullum, das wissen Sie, und zwar deshalb, weil Sie in den Erläuternden Bemerkungen, in den Ausschußbemerkungen, festschreiben, daß bis zum Zeitpunkt der


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Ausführungsgesetzgebung alle jene Energieproduktionsanlagen, die auf erneuerbarer Basis errichtet worden sind, einzurechnen sein werden. (Abg. Kopf: Ohne Ablauge aber!) Sie haben zwar geschrieben, daß die Ablaugennutzung bis zu diesem Zeitpunkt nicht angerechnet werden kann, aber alle Projekte, die danach bestehen, selbstverständlich. (Abg. Kopf: Aber die sind alle zusätzlich!) Na ja, aber Sie wissen, daß die Ablaugennutzung alleine 2,6 Prozent ausmacht; das sind aber fast diese 3 Prozent. (Abg. Kopf: Die alte kommt ja nicht hinein!) Es heißt bei Ihnen: alle, die bisher bestehen. Alle, die in Zukunft gemacht werden, sind nicht erfaßt.

Das heißt aber, daß sich natürlich die Elektrizitätsversorgungsunternehmen diesen Bereich unter den Nagel reißen werden. Dann gibt es 2,6 Prozent alleine über die Ablaugennutzung, was heute schon, wenn man die Marktöffnung akzeptiert, durchaus möglich wäre. Also das ist nicht offensiv, bis 2005, das ist in Wahrheit wirklich nichts, und das wissen Sie auch.

Sie haben keine Zwischenziele festgelegt, es gibt keine Konsequenzen bei Nichterreichung dieser Ziele, und das führt insgesamt dazu, daß wir im Bereich der Energie ein Toronto-Ziel haben.

Was die Einspeisetarife angeht: Diese sind Ländersache, diesbezüglich hat sich bis heute nichts geändert. (Abg. Kopf: Zwingend, sonst Minister!) Ja, Mindestpreise, aber nicht darüber. Das war auch bisher schon so.

Und letztlich haben Sie die Kleinwasserkraft ausgenommen. Sie haben die Kleinwasserkraftwerke, Herr Abgeordneter Kopf, nicht zu den erneuerbaren Energieträgern gezählt. Die Kleinwasserkraft kommt nicht vor. (Abg. Kopf: Dann hätten wir die 3 Prozent auch schon erreicht!) Und deshalb sage ich Ihnen: Es wäre angemessen, ein Ziel zu setzen, das da heißt: Eine hundertprozentige Versorgung über erneuerbare Energieträger, heute offensiv begonnen, würde letztlich dazu führen, daß wir mehr Projekte hätten, die auch etwa mit Solarpreisen ausgezeichnet werden könnten. Wir könnten sicher sein, daß etwas gemacht wird, was regionale Wertschöpfung bringt, Arbeitsplatzsicherung bedeutet und die Exportwirtschaft ankurbelt. Das wird dieses Gesetz nicht erreichen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

19.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Oberhaidinger. 6 Minuten freiwillige Redezeit. (Abg. Oberhaidinger: Acht!) 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.06

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Zeitschrift "Industrie" titelt in ihrer letzten Ausgabe einen Artikel mit "Ein fast liberalisierter Strommarkt". Ich glaube, das ist an und für sich anerkennend gemeint, aber es wird in diesem Artikel ein herausragendes Beispiel erwähnt, und zwar die sogenannte völlige Strommarktöffnung in Deutschland.

Wenn man sich das näher ansieht, kann man durchaus sagen: Strommarktöffnung in Deutschland ja. Die Fachleute sagen mir: eher nein, und zwar deshalb, weil aufgrund zivilrechtlicher Verträge, die zwischen den einzelnen EVUs auch in Deutschland bestehen, und der bestehenden Eigentumsverschränkungen unsere Stromanbieter auf dem deutschen Markt kaum Möglichkeiten sehen, unseren Strom in Deutschland zu vermarkten.

Das ist nicht so sehr eine Preisfrage, sondern entscheidend ist der Grad der faktischen Marktöffnung in Deutschland. Ich bin gespannt, wie die Reziprozitätsklausel im ElWOG, das wir heute verabschieden, tatsächlich wirken wird, wenn es um den Vergleich der tatsächlichen Marktöffnung in Österreich und Deutschland geht.

Natürlich wäre es, Herr Kollege Prinzhorn, so wie Sie es immer wieder und so auch heute vertreten haben, interessant gewesen, eine Lösung für die österreichische E-Wirtschaft auf der "grünen Wiese" umzusetzen, aber wir haben keine "grüne Wiese". Und noch etwas wäre sicher auch verlockend gewesen: Kollege Kier hat im Ausschuß von einer Rückkehr zur Ausgangssituation der österreichischen E-Wirtschaft ins Jahr 1947 gesprochen. Ich glaube aber, und das habe ich bisher immer vertreten, meine Damen und Herren, 50 Jahre Entwicklung der österrei


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chischen Elektrizitätswirtschaft unter – und das muß dazugesagt werden! – klaren monopolartigen Verhältnissen und Vorgaben – ob sie gut oder schlecht gewesen ist, möchte ich gar nicht beurteilen, das ist auch überhaupt nicht von Interesse – können wir nicht einfach wegwischen, und die Situation, wie sie sich für das ElWOG und für die Zukunft der E-Wirtschaft darstellt, ist ein Ergebnis dieser Entwicklung.

Wir mußten uns laufend mit den unterschiedlichsten Interessen, die natürlich auch politisch ihren Niederschlag in unserem Lande finden – ich meine hier die Landeshauptleute, unisono –, auseinandersetzen. Daraus haben wir für unsere Fraktion die Ziele für einen geregelten Übergang aus einer monopolartigen Ausgangslage in ein marktkonformes System, in dem Strom zur Ware werden wird, und das rascher, Herr Kollege Prinzhorn, als wir glauben, erarbeitet.

 

Zu den Zielen, die wir uns gesetzt haben, zu Beginn jedenfalls: Die Strompreise für Großkunden, die rund 150 000 Menschen in unserem Land beschäftigen, müssen auf alle Fälle sinken. Ich glaube, mit einem Marktöffnungsgrad von 30 Prozent im Februar 1999 – die EU schreibt uns 25 Prozent vor – sind wir auf einem guten Weg.

Darüber hinaus sollten wir nicht übersehen, daß auch für Verteilunternehmen, sofern sie Übertragungsnetzbetreiber sind oder wenn sie einen zugelassenen Kunden in ihrem Versorgungsbereich haben, der Markt in diesem Umfang geöffnet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich war es für uns sehr wichtig, daß die Erlöseinbußen, die sich logischerweise für die E-Wirtschaft aus dieser Marktöffnung ergeben, nicht auf die Haushalte und nicht auf die Gewerbebetriebe, die nicht auf den Markt gehen können, überwälzt werden. Es liegt den Unterlagen ein entsprechender Entschließungsantrag bei, und nachfolgende Redner meiner Fraktion werden sich damit noch näher auseinandersetzen.

Ein ebenso klares Ziel war es, daß die Netzkosten, die sogenannten Systemnutzungstarife, im EU-Vergleich nicht wettbewerbsmindernd sind. Die Verordnung, die wir dazu erlassen werden – der Bundesminister wird sie im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß im Parlament erlassen –, wurde bereits angesprochen.

Gleiches gilt für die nicht rentablen Investitions- und Rechtsgeschäfte, die sogenannten stranded investments oder stranded costs. Auch da haben wir uns zu einem Übergangszeitraum bekannt, auch von Brüssel vorgegeben: 10 Jahre, bis 2008. Die grundsätzlichen Bedingungen haben wir in die Gesetzesvorlage mit aufgenommen, und die Ausführung wird in einer Verordnung, bezüglich derer das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß herzustellen ist, erlassen werden. Das war vor allem deshalb sinnvoll, weil die endgültige Meldefrist in Richtung Brüssel mit 30.9. abläuft. Von diesem Augenblick an wissen wir, was wir tatsächlich an stranded investments zu erwarten haben.

Wesentlich und wichtig war uns auch, unseren hohen Wasserkraftanteil aus der Stromerzeugung nicht zu gefährden.

Der Netzzugang wurde bereits angesprochen. Der Netzzugang kann verweigert werden, wenn nicht zu Marktpreisen verkauft werden kann. Hier geht es ganz klar und eindeutig um die befürchtete Konkurrenz zu Dumpingpreisen.

Strom aus anderen alternativen Energieträgern sollte noch gezielter und effizienter als bisher gefördert werden. Landessache ist die erste Säule, der Sekundärmarkt für Strom aus erneuerbaren Energieträgern ist die zweite Säule, und die dritte Säule ist unser Entschließungsantrag, der eine konzentrierte Förderung – und zwar Investitionsförderung – einfordert.

Natürlich war es uns auch wichtig, daß das Versprechen der Bundesregierung, daß die inländische Braunkohle in der Steiermark auf alle Fälle bis 2008 verstromt wird, eingehalten werden kann. Daher wurde, wie bereits mein Vorredner, Kollege Kopf, gesagt hat, die Differenz, die sich zwischen Verbundtarif und Marktpreis ergeben wird, klar als "stranded costs" ausgewiesen.


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Meine Damen und Herren! Die Bedingungen aus dem ElWOG heraus und der Rahmen, der für die österreichische E-Wirtschaft damit gegeben wird, befürworten, glaube ich, ein Miteinander der österreichischen E-Wirtschaft. Sie werden es nicht nur zulassen, sondern, wie die Entwicklung in jüngster Zeit zeigt, nahezu einfordern. Es ist dadurch geregelt, daß wir die Eigentumsverhältnisse so weiterschreiben und auch die bereits angesprochenen Koordinierungsverträge, die bis Ende 2003 auf alle Fälle halten werden, im Anschluß daran aber gekündigt werden können. Es wissen also alle, wie es ab 1.1.2004 in Österreich ausschauen wird.

Meine Damen und Herren! Für mich war wichtig, daß die EVUs nicht per Gesetz aus dem Markt gedrängt werden. Es war unser Ziel, allen vier Kurien die Möglichkeit zu geben, dem Verbund, den Landes-EVUs, den landeshauptstädtischen EVUs und den kommunalen EVUs, einen gleichen Zugang zu einem liberalisierten Strommarkt zu gewährleisten. Ich glaube, daß wir das mit dem vorliegenden ElWOG heute geschafft haben.

Zu einem großen Teil stellt also das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz die Grundlage für die weitere Entwicklung eines Schlüsselbereiches unserer Volkswirtschaft unter grundlegend geänderten Verhältnissen dar. Zu einem kleineren Teil, glaube ich, ist es eine Handhabe für einen geordneten Übergang in ein marktkonformes System. Und ich glaube auch, daß es ein ausbilanziertes, ein austariertes Gesetz ist, durch das es weder klare Gewinner noch klare Verlierer gibt.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich mich ebenfalls bei Bundesminister Farnleitner bedanken, der es ermöglicht hat, daß wir uns als Parlamentarier bereits bei der Entstehung der Regierungsvorlage einbringen konnten, und bei seinen Beamten der Sektion VIII, an der Spitze Sektionschef Dr. Zluwa. Wir hatten während der Verhandlungsrunden wirklich bestmögliche Unterstützung, und es wurde meiner Meinung nach eine gute, ja sogar sehr gute legistische Arbeit geleistet.

Meinem Verhandlungsleiter, dem Kollegen Karlheinz Kopf, danke ich für seine sehr harte, aber immer faire und sachliche Art der Verhandlungsführung, die es ermöglicht, daß wir uns heute – nachdem wir dieses Gesetz beschlossen haben – noch immer in die Augen schauen können und weiter miteinander für die österreichische E-Wirtschaft und Energiewirtschaft arbeiten werden können. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist jetzt Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.17

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So viele Danksagungen zwischen ÖVP- und SPÖ-Partnern! Es ist meiner Meinung nach richtig, daß Sie uns da aus dem Spiel lassen, denn mit uns haben Sie leider nie verhandelt. Wir können also nicht von wirklich qualitätsvollen Diskussionen berichten, uns hat man eigentlich das relativ fertige Gesetz in den Ausschuß gebracht, und da war natürlich nicht wirklich ein Spielraum vorhanden.

Der Abgeordnete Oberhaidinger hat das Beispiel Deutschland angeführt. Lassen Sie mich kurz bei diesem Beispiel bleiben, weil es für mich einmal mehr zeigt, daß von den Koalitionsparteien nicht wirklich erkannt wird – vom Minister noch am ehesten, aber er hat sich nicht durchsetzen können – und vor allem auch nicht von den Landesvertretern, daß sich die Situation mit dem EU-Beitritt einfach verändert hat.

Wir sind, und ich bin sehr froh darüber, Mitglied der Europäischen Union, und diese Liberalisierungsrichtlinie für den Elektrizitätsmarkt, die ich außerordentlich begrüße, würde eine große Chance darstellen, und zwar aus ökonomischer Sicht und aus ökologischer Sicht. Diese Chance wurde aber nicht ergriffen, und das ist etwas, was mich sehr ärgert.

Kollege Oberhaidinger! Sie haben recht: Es gibt keine großen Gewinner, es gibt keine großen Verlierer in den nächsten ein, zwei, drei Jahren. Es bleibt nämlich alles im großen und ganzen


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beim Status quo. Und das ist auch der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich. (Abg. Oberhaidinger: Beileibe nicht!) Jedes Land der Europäischen Union hat versucht und versucht noch, seine Vorteile, die es bisher in einem protektionistisch abgeschotteten Markt gehabt hat, zu nutzen. Das ist auch legitim.

Es ist legitim, daß Deutschland das versucht, daß es ganz besonders Frankreich versucht, ebenso Skandinavien und Österreich. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Der Unterschied ist nur, daß beispielsweise Deutschland seinen Markt sofort mit 100 Prozent öffnet (Abg. Oberhaidinger: Theoretisch!), wie Sie richtig ausgeführt haben, mit einigen protektionistischen Maßnahmen drinnen. Theoretisch. Aber Österreich, Herr Abgeordneter Oberhaidinger, öffnet mit rund 27 Prozent, und zwar auch nur theoretisch. (Abg. Marizzi: 30!) Dann sind es eben 30 Prozent, streiten wir nicht um 3 Prozent. Aber das eben auch nur theoretisch, Herr Kollege Oberhaidinger.

Der große Unterschied ist, daß Sie sich die gleichen protektionistischen Maßnahmen gesichert haben wie auch Deutschland. Und deshalb bin ich relativ überzeugt davon, daß die EU-Kommission mit unserem Gesetz beim Durchsehen anders umgehen wird als mit dem deutschen. Denn es ist ein Unterschied, ob ich zu 100 Prozent öffne und protektionistische Maßnahmen bewahre, wie bei der Braunkohle in Deutschland, oder in Österreich rund 30 Prozent öffne und die gleichen protektionistischen Maßnahmen bewahre, nämlich auch mit der Braunkohle, aber natürlich auch mit dem Zugang zur Wasserkraft.

Das ist etwas anderes. Ich wäre absolut dafür gewesen, und Sie hätten auch bei den Liberalen und bei uns Partner gefunden hinsichtlich der Überlegung, daß man unter bestimmten Rahmenbedingungen mehr öffnet, und vor allem dahin gehend, nicht nur – das ist eines der Ziele dieser Liberalisierung – einen Preisvorteil für die Großabnehmer, sondern auch einen Preisvorteil, der sehr rasch greift, für Konsumentinnen und Konsumenten zu erzielen. (Abg. Kopf: Die haben ihn schon im internationalen Vergleich!)

Ich weiß, daß Sie heute einen Entschließungsantrag einbringen, Herr Abgeordneter Kopf, aber trotzdem können Sie nicht abstreiten, daß diese Liberalisierungsrichtlinien in ganz Europa eine große Gefahr beinhalten, nämlich daß vorwiegend Großabnehmer davon profitieren werden und nicht die Konsumenten. Wir haben das am Beispiel England schon gesehen. (Abg. Kopf: Die haben bis jetzt einen höheren Tarif gehabt!) Dort sind zwar die Preise gesunken, aber nicht für die Konsumentinnen und Konsumenten. (Abg. Oberhaidinger: Weitere fünf Jahre keine Strompreiserhöhung!)

Ja, aber zu Recht, sage ich Ihnen. Wenn man sich anschaut, wie der Apparat in Österreich mit den neun Landes-EVUs, mit dem Verbund und aufgrund der Überkapazitäten, die wir haben, aufgebläht ist, dann muß man sagen, es ist mehr als gerechtfertigt, daß es seit langer Zeit keine Strompreiserhöhungen gegeben hat. Ich rede auch nicht von einer Erhöhung, sondern ich rede davon, daß der Preis niedriger werden muß, und zwar nicht nur für Großabnehmer, sondern vor allem auch für Konsumentinnen und Konsumenten. – Das ist der eine Punkt dieser Richtlinie, nämlich die Liberalisierung, der Zugang zum Markt und der Versuch, ökonomisch effizienter zu arbeiten.

Die zweite Herausforderung, die dieses Gesetz mit sich gebracht hätte, ist die umweltpolitische Herausforderung. Meine Damen und Herren! Beim Toronto-Ziel haben Sie sich noch ein bißchen herumschwindeln können. Das Ziel minus 20 Prozent CO2 bis zum Jahr 2005 gibt es zwar seit vielen Jahren, aber es war unverbindlich. Aber jetzt wird es ernst. Wir haben innerhalb der EU eine Reduktion von 13 Prozent, und zwar bis zu den Budgetjahren 2008 bis 2012, sagen wir bis 2010, versprochen, und dies wird rechtlich verbindlich sein. Das heißt, wir müssen etwas tun.

Wenn wir uns die Zunahmen im Verkehrsbereich anschauen und die nicht so großen Initiativen der Regierung, im Verkehrsbereich die CO2-Emissionen einzudämmen, dann wird uns wohl klar, daß im Energiebereich ein großer Brocken liegen wird. Das heißt, wir haben die umweltpolitische Notwendigkeit, in diesem Bereich dringend etwas zu tun. Leider ist Herr Abgeordneter


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Prinzhorn jetzt nicht mehr hier, denn da hat er sich getäuscht: Es sind nicht 5 Prozent bis zum Jahr 2005, sondern es sind nur 3 Prozent erneuerbare Energien, die im Gesetz bis 2005 verlangt werden.

Herr Abgeordneter Kopf! Es tut mir sehr leid, daß folgendes nicht in der Endfassung des Gesetzes ist: Es steht nicht darin, was passiert, wenn die Landesversorger das nicht erreichen. Meine große Sorge ist – sosehr ich diese kleine Regelung begrüße –, daß das totes Recht bleibt. Ich erinnere Sie an andere Gesetze, bei denen wir ebenfalls Quoten beschlossen haben, wie zum Beispiel beim Ozongesetz. Das wurde vom Hohen Haus, von allen Abgeordneten hier, beschlossen: minus 40 Prozent NOx und VOC bis zum Jahr 1996. Schauen Sie es sich an, wir haben die Quote nicht erreicht. Was ist passiert? – Es ist nichts passiert. Und was wird hier passieren? – Im ursprünglichen Entwurf waren entsprechende Ausgleichszahlungen vorgesehen. Diese sind jetzt nicht mehr vorgesehen. (Abg. Kopf: Einspeisetarife, direkter Markt für die Erzeuger!)

Herr Abgeordneter Kopf! Es ist leider keine Bestrafung für den Fall vorgesehen, daß diese 3-Prozent-Regelung nicht eingehalten wird. Was passiert dann? – Deshalb muß ich sagen, sosehr ich es begrüße, daß wenigstens das enthalten ist, so sehr bedauere ich es, daß man es nicht gewagt hat, die Landesversorger mehr zu "zwicken". (Abg. Kopf: Maßnahmen sind doch gescheiter als Strafen!)

Die Grünen haben ein sehr klares Konzept gehabt. Wir haben uns für ein klares Unbundling, eine eigene Kraftwerksgesellschaft mit einer optimalen Koordination des Kraftwerksparks in Österreich ausgesprochen. (Abg. Kopf: Wie geht das?) Ich erinnere Sie: Wir alle kennen das Beispiel Dürnrohr, ein EVN-Block, ein Verbund-Block, mit ganz geringer Auslastung. Bevor sich die EVN mit dem Verbund zusammentut, bauen sie lieber Theiß aus. Das ist verrückt! Das ist Vernichtung volkswirtschaftlichen Vermögens, Herr Abgeordneter Kopf! (Abg. Kopf: Wie soll das gehen? Wollen Sie Enteignungen durchführen?) Wir haben eine Kraftwerksholding, in der die Landesversorger entsprechend ihres dort eingebrachten Eigentums vertreten sind, vorgeschlagen. (Abg. Kopf: Das kann ich den Eigentümern doch nicht aufzwingen!) Bei gutem Willen wäre das möglich. Aber so können wir nicht mehr davon reden, daß das Ziel eine österreichische Energiepolitik ist.

Ich war vor kurzem bei einer Diskussion mit Landeshauptmann Stix und Landesrat Leitl, bei der ich über die große Übereinstimmung, die wir drei dort auf diesem Podium hatten, überrascht war. Nachher war ich besonders überrascht, daß es nicht gelungen ist, eine vernünftigere Lösung zusammenzubringen, zum Beispiel eine Kraftwerkskoordination mit optimaler Nutzung von Synergieeffekten und, Herr Bundesminister, mit einer eigenen Netzgesellschaft. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, daß es ursprünglich auch Ihr Ziel war, eine eigene Netzgesellschaft im Rahmen dieses Gesetzes einzubauen. (Abg. Kopf: Aber nicht per Gesetz!)

Wir wissen genau, daß, wenn wir dieses Gesetz beschließen, parallel dazu überlegt werden muß, was mit den neun Landes-EVUs und mit dem Verbund passiert. Welche unternehmerischen Maßnahmen muß man auch auf Eigentümerseite treffen, um in Zukunft noch von einer österreichischen Energiepolitik reden zu können – angesichts der optimalen Nutzung des bereits investierten Vermögens und auch der zukünftigen Möglichkeiten, die geboten werden?

Das Gesetz hat versucht, an den bestehenden Rahmenbedingungen herumzubasteln. Ein paar Rädchen wurden verdreht, soviel, wie es aufgrund der Richtlinie gerade notwendig ist. Ich glaube nach wie vor, daß die große ökologische Chance, aber auch die unternehmenspolitische Chance nicht genutzt wurden. Ich bin mir auch nicht sicher, daß das Gesetz EU-konform ist, und ich bedauere, daß Sie nicht versucht haben, die Oppositionsparteien in die Verhandlungen einzubinden und daß einmal mehr eine österreichische Lösung herausgekommen ist, Herr Abgeordneter Oberhaidinger, die zwar kurzfristig nicht große Gewinner und Verlierer bringen wird, aber die langfristig für Österreich – davon bin ich überzeugt – von Schaden sein wird. (Abg. Oberhaidinger: Eine gute österreichische Lösung bringen wird!) Vergleichen Sie die Entwicklung in den skandinavischen Ländern oder in Spanien, wo man Spotmärkte zuläßt, wo


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man aufmacht und Innovationen zuläßt. (Abg. Oberhaidinger: Das kommt alles!) Das kommt alles – ich bin gespannt darauf, Herr Abgeordneter Oberhaidinger!

Herr Bundesminister! Sie sind gefordert, in Zukunft noch zwei wichtige Verordnungen zu erlassen. Wir alle sind gespannt darauf und hoffen, daß wir vorher rechtzeitig informiert werden und vielleicht sogar entsprechende Möglichkeiten haben, mitzudiskutieren, wie das mit den entsprechenden Peagen im Bereich des Netzzuganges sein wird.

Abschließend kann man nur sagen: Es wurde eine Chance verpaßt, die EU-Richtlinie wurde mehr oder weniger eingehalten. Wir werden warten, ob die EU-Kommission ihren Sanktus dazu gibt. Sonst bleibt mir nicht mehr viel zu sagen, als daß ich Ihnen noch einen schönen Abend wünsche. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. – Bitte, Herr Abgeordneter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

19.27

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Langthaler! Die Dynamik, die von diesem EIWOG ausgeht, wird sicher größer sein als Ihre Erwartungen, die Sie heute hier formuliert haben. Ich verfolge es schon seit Jahren, daß Sie bei jedem Reformwerk, das wir aus der Sicht der Regierungsparteien verhandelt und verabschiedet haben, nicht daran geglaubt haben und die Erfolgszahlen dann wesentlich besser waren als Ihre pessimistischen Erwartungen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die zielgerichtete Energiepolitik in diesem Gesetzeswerk mit Schwerpunkt Elektrizitätswirtschaft und Stromversorgung übt eine Reihe von Schlüsselfunktionen für eine leistungsfähige Volkswirtschaft aus, eine Schlüsselfunktion im Bereich der Wirtschaftskraft, der Beschäftigung, der Umwelt und letztendlich auch der Versorgungssicherheit. Die eingeleitete Liberalisierung, die nun mit diesem EIWOG in Jahresetappen umgesetzt wird, wird eine Reihe von sehr positiven Effekten bringen: mehr Leistungskraft durch mehr Wettbewerb – das ist von meinen Vorrednern angesprochen worden – und, was mich als Bauernvertreter besonders freut, 3 Prozent Biomasseverstromung. Das sind nicht nur wirtschaftspolitische Ziele, sondern auch sehr ehrgeizige ökologische Ziele, und es ist auch ein wesentlicher Beitrag dazu, den Kyoto-Zielvereinbarungen, die Österreich mitgetragen und abgeschlossen hat, näherzukommen.

Ganz wesentlich für die Umsetzung dieses Vorhabens wird es sein, ob es nun rasch möglich ist, mit den Länderverordnungen die Einspeisetarifregelungen so zu gestalten, daß diese 3 Prozent Biomasseverstromung möglichst rasch ausgeschöpft werden können. Es steht dazu eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, ob es nun Biogasdeponien oder Gärgas sind, geothermische Energie, Wind- und Sonnenenergie oder Biomasse sind. Es wird auf jeden Fall sehr positive Entwicklungen in diesem Bereich geben, die auch jahrelang in politischen Verhandlungen gefordert worden sind.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern hat das Wirtschaftsforschungsinstitut beauftragt, eine Studie zu erarbeiten, welche Arbeitsplatzeffekte eine stärkere Rohstoff- und Biomassenutzung bringen könnten. Es sind 60 000 Arbeitsplätze mit derartigen positiven innovatorischen Entwicklungen in Verbindung gebracht worden, und bin überzeugt davon, daß wir damit einen ersten und wesentlichen Beitrag geleistet haben, um diese umfassenden ganzheitlichen Ziele in Angriff nehmen und entsprechend weiterentwickeln zu können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte abschließend dem Herrn Bundesminister und dem Unterausschußobmann ebenfalls ein herzliches Dankeschön sagen. Ich habe in 13jähriger Zugehörigkeit zu diesem Hohen Haus in einigen Unterausschüssen an sehr schwierigen Reformvorhaben in Teilbereichen mitarbeiten dürfen. Für mich war das – ich sage das ohne Eigenlob – in Beobachtung dessen, was unsere Verhandlungsführer geleistet haben, ein sehr beeindruckendes politisches Arbeitsstück, zu dem


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ich gratuliere. Ich freue mich, daß ich als Unterausschußmitglied einen kleinen Teil dazu beitragen durfte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Gleichfalls 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

19.31

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie wollten ein Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz vorlegen, das ein Vorbild für fortschrittliche Wirtschaftspolitik in Österreich werden sollte. Geblieben ist Ihnen nicht einmal der kleinste Nenner, wie es ein sozialdemokratischer Abgeordneter im Ausschuß formuliert hat. Ich weiß nicht, wer der größere Verhinderer war: Sie, Herr Oberhaidinger, von der SPÖ, oder Sie, Herr Kopf, von der ÖVP?! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Oberhaidinger: Förderer!)

Wenigstens die Netzgesellschaft, die Sie von allem Anfang an propagiert hatten, hätten Sie durchbringen müssen. Das Ergebnis ist daher unbefriedigend, ja miserabel. Es ist nicht miserabel beim Festschreiben des wettbewerbsfeindlichen Istzustandes, nicht miserabel bei der Verhinderung des Privilegienabbaus, aber miserabel, weil es zu keiner Liberalisierung der E-Wirtschaft im EU-Sinne kommt, die dieser den Bestand der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas sichern würde. Es ist auch dahin gehend miserabel, daß die Kunden bedingt durch die geringe Strommarktöffnung keine Strompreisreduktion erwarten können und dadurch ein wichtiger Faktor der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der klein- und mittelständischen Unternehmen nicht zum Tragen kommen wird.

Die Großen werden es sich schon richten. Diese hätten es sich auch ohne Strommarktöffnung gerichtet. Sie wären einfach mit ihren Forderungen an die Gesellschaften herangetreten. Aber die klein- und mittelständischen Unternehmen werden davon nicht profitieren können. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Deshalb bleibt Österreich beim Industriestrom, beim Strom für klein- und mittelständische Unternehmen europäisches Hochpreisland. Es ist ein solches, und es wird ein solches bleiben. Ich kann Ihnen dazu die Unterlagen zeigen. Gestern stand im "Standard" zu lesen: Wir liegen an der 32. Stelle bezüglich der Kosten.

Ich möchte aber auch sagen, daß das Gesetz deshalb miserabel ist, weil viele Passagen laut Experten verfassungswidrig oder nicht EU-konform sind. Herr Bundesminister! Dieses Gesetz wird den weiteren Ausverkauf der österreichischen E-Wirtschaft nicht verhindern. Dieses Gesetz ist kein möglicher Anreiz zur Unternehmensgründung in Österreich.

Herr Schwarzböck – ich sehe ihn nicht mehr, er ist schon weggegangen. Die Dynamik, von der er gemeint hat, daß sie entstehen wird, wird nicht entstehen. Dieses Gesetz ist nicht einmal in der Lage, die Systemnutzungstarife ... (Abg. Oberhaidinger: Rascher, als Sie glauben! In zwei, drei Jahren!) Nein, das glaube ich nicht. Nein! Sie waren nicht in der Lage, die Systemnutzungstarife, also die Netzgebühren, zumindest die Berechnung, festzuschreiben. Sie überlassen diese Entscheidung dem Hauptausschuß und setzen diese Entscheidung ständig dem politischen Spiel aus, einem politischen Spiel zu Lasten der E-Wirtschaft, zu Lasten der klein- und mittelständischen Unternehmen und auch zu Lasten der Verbraucher. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger.  – Abg. Kopf: Das glauben Sie doch selbst nicht, was Sie da sagen!)

Herr Bundesminister! Ich prognostiziere Ihnen, daß die Festlegung der Netztarife durch eine unausgewogene Umlegung der stranded investments zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen führen wird. Herr Minister! Die Frage der stranded investments ist aber auch eine Frage der EU-Konformität. Genauso sehe ich das beim verfassungsrechtlich verankerten Strombenutzungsvertrag des Verbundes mit den Ill-Werken. Allerdings sehe ich das anders als Frau Langthaler. Sollte dieser Vertrag nämlich nicht EU-konform sein, würde eine Aushebelung dieses Vertrages den seinerzeitigen Kaufpreis in Frage stellen. Laut Vorstand der Ill-Werke würde der Verlust, den die Ill-Werke aufgrund dieses Vertrages hätten, die Ill-Werke innerhalb von fünf Jahren in


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ausländische Hand treiben. Ich hoffe, daß es nicht so weit kommt. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. )

Trotzdem ist das schlimmste Problem, das die E-Wirtschaft haben wird, die fehlende Wettbewerbsfähigkeit. Das wird sich in der Form auswirken, daß sich die E-Wirtschaft Schritt für Schritt verkaufen wird. Sie wird sich selbst verkaufen müssen, wie das in der Steiermark der Fall war. Sie wird sich an das Ausland, lieber Kollege Kopf, an ausländische Unternehmen verkaufen, die nur eines im Sinn haben, nämlich auf dem Umweg der Beteiligung an der österreichischen E-Wirtschaft an die österreichischen Wasserressourcen zu kommen. Sie wollen an die österreichischen Wasserressourcen herankommen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Oberhaidinger: Salzburg!)

Österreichische Wasserressourcen in ausländischer Hand ist aber gleichbedeutend mit der Vernichtung des Wirtschaftsstandortes Österreich. (Abg. Kopf: Was ist dein Lösungsvorschlag?) Dem wirkt dieses Gesetz nicht entgegen (Abg. Kopf: Lösungsvorschlag!), sondern unser Entschließungsantrag. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

19.37

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In aller Kürze, obwohl das Thema und die Kritik der Kollegen Prinzhorn und Nußbaumer verlocken würden, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.

Nun zur Ernsthaftigkeit mancher Aussagen. Kollegin Langthaler kritisiert unsere CO2-Emissionen und so weiter. Die letzten Zahlen des IEA beweisen anderes. Ein auf IEA-Daten basierender Vergleich des Energieverbrauches und der CO2-Emissionen zeigt, daß Österreich besser ist als der EU-Durchschnitt – besser als der OECD-Durchschnitt! Das ist die Wahrheit! Alles andere sind Märchen und Wunschträume. – Das nur am Rande zur Kritik. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren ein Gesetz, mit dem die Voraussetzungen geschaffen werden sollen, in der Elektrizitätswirtschaft ein marktwirtschaftlich orientiertes System zu etablieren. Das ist die Zielvorgabe. Daß eine derart grundlegende Änderung nicht ohne weiteres machbar ist, daß es Schwierigkeiten bei der Umsetzung gibt, ist klar. Was dem einen zu langsam geht, geht dem anderen zu schnell, ja er empfindet es sogar als existenzbedrohend. In einer solchen Situation einen für beide Teile machbaren Kompromiß zu erzielen, war sicher nicht leicht, das ist überhaupt keine Frage und ist auch da und dort kritisierbar. Aber es hat enorme Arbeit mit sich gebracht. Gerade deshalb, weil von beiden Seiten manchmal in den Verhandlungen ein bißchen kritisch diskutiert worden ist, kann man sagen: Es ist ein guter Kompromiß. Dem Experten Dr. Zluwa und seinen Mitarbeitern, aber auch den anderen Experten, die monatelang intensiv mitgeholfen haben, die politischen Wunschvorstellungen von beiden Richtungen umzusetzen, sei dafür herzlich gedankt.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Herr Kollege Prinzhorn! Bei allem Respekt muß man eines sagen: Bei dieser grundlegenden Änderung, bei dieser Änderung der Rahmenbedingungen handelt es sich um einen Einschnitt in einen jahrzehntelang – darin unterscheide ich mich total – erfolgreichen Weg einer österreichischen Energiepolitik. Unterschätzen wir das nicht! Dieses Land ist Gott sei Dank auf den Weg, der in der Energiepolitik gegangen wurde, stolz gewesen. Jahrzehntelang hat man von den "Helden von Kaprun" gesprochen. Der Name Kaprun war stellvertretend für andere Staukraftwerke der Inbegriff des Wiederaufbaus. Das über Nacht zu ändern, ist schwer. Es war dies ein erfolgreicher Weg – und jetzt soll uns jemand sagen, daß er schlecht war?!

Sie haben Norwegen erwähnt. Dazu müssen Sie doch sagen, daß Norwegen ein Ölressourcenland, ein Gasressourcenland ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn: Wir haben die höchsten Gaspreise!) Wir liegen hinsichtlich der Wasserkraft in Europa hinter Norwegen an


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zweiter Stelle. Herr Kollege! Sie sollten Details wissen, man kann nicht in drei Minuten darüber diskutieren. Ich kann Ihnen nur sagen: die Politik unseres Landes war erfolgreich. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Prinzhorn. )

Sie unterschätzen den Einfluß, den der Verzicht auf die Kernkraft in Österreich gehabt hat. Natürlich kostet das Geld. Sie unterschätzen, welche Bedeutung es hatte, daß wir uns für eine umweltorientierte Energiepolitik entschieden haben. Das kostet Geld. Da sind natürlich betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Spannungsverhältnisse vorhanden, darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. (Abg. Ing. Nußbaumer: Sie sagten, die Kernkraft sei teurer, jetzt sagen Sie, die Kernkraft sei billiger! Sie widersprechen sich!)

Ich darf Ihnen einen Widerspruch nennen: Auf der einen Seite kritisieren Sie und meinen, das eine oder andere sei schlecht. Im selben Atemzug sagen Sie, Sie hätten Angst, daß wir aufgekauft werden. – Also wenn das österreichische Elektrizitätswesen so schlecht ist, dann frage ich mich, warum es so begehrt ist. (Abg. Ing. Nußbaumer: Die Privilegien habt ihr untergebracht!) Ich nenne Ihnen den Hauptgrund: Der Hauptgrund ist ein strategischer, weil wir ein enorm wichtiges geopolitisches Stromnetz haben. Das, meine Damen und Herren, ist es, was begehrt ist. Und das zeigt, daß wir mit unserer Energiepolitik diesbezüglich richtig liegen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Nußbaumer: Ich bin sehr überrascht, daß Sie sagen, der Atomstrompreis sei niedriger!)

Das heißt, insgesamt war unsere Energiepolitik richtig. Man muß den Vätern und Großvätern dankbar sein, denn eine der Voraussetzungen für den Aufstieg Österreichs zu jenem Land, das wir heute sind, war eine funktionierende Energiewirtschaft. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Bundesminister Dr. Farnleitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

19.41

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einige Feststellungen, um im Fachjargon zu bleiben: Es gibt wenige Sektoren in Österreich, in denen bei jeder Reform mit solch großen, wohlorganisierten und seit Jahrhunderten zementierten Sollwiderständen zu rechnen ist wie im Bereich der E-Wirtschaft. Wenn Sie sich anschauen, wie die "Phasen" gelaufen sind, dann ist festzustellen, daß wir gemeinsam mit den Regierungsfraktionen mühselig Hürde für Hürde genommen haben.

Jetzt ist das wichtigste – abgesehen von dem, was auch hier an Kritik geäußert wird –, einmal zu schauen, welche Kriterien es gibt und wie die Märkte auf das, was wir jetzt verhandelt haben, was Sie heute beschließen werden, reagiert haben.

Zum ersten: Es bestand sehr lange die Gefahr, daß – im Hinblick auf die Angstschreie mancher Unternehmensführer – jene Unternehmer, die mit bis zu 49 Prozent auf internationalen Märkten in Aktien notieren, Kapitalvernichtung, Werteinbrüche hinzunehmen und die österreichischen Sparer auch Geldverluste zu verzeichnen gehabt hätten.

Wahr ist, daß sich international auf den Kapitalmärkten trotz aller Rating-Agenturen nichts getan hat, sondern sogar unsere Wasserwerte bei den beiden größten Unternehmen noch gestiegen sind. Das heißt, die internationalen Kapitalmärkte, die heute die kritischsten Evaluatoren von nationalen Entwicklungen sind, haben positiv reagiert. Das läßt sich nachweisen. Das können Sie selbst kaum widerlegen.

Zweiter Punkt: die Reaktion der Großinvestoren und der österreichischen Großkunden. Ich habe mit allen österreichischen Großkunden, vor allem internationaler Provenienz, in den letzten Wochen Kontakte gehabt, und überall wurde uns gesagt: Wir sind mit den zum Teil bereits vorverhandelten Preisen außerordentlich zufrieden. – Neue Investoren haben angekündigt, daß das Hindernis Strompreis für Investoren nicht mehr besteht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie lachen – ich habe die Beispiele, Sie haben nur das Lachen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Dritter Punkt: Wenn heute große internationale Investoren weiter expandieren, dann machen sie das, weil sie sich für die beiden kostenmäßigen Hauptwiderstände Strom und Telefon nicht weiter bei ihren Heimathäusern rechtfertigen wollen.

Vierter Punkt: Bezüglich Alternativen-Diskussion würde ich bei der Frau Abgeordneten Langthaler und bei Herrn Abgeordneten Barmüller anschließen. Ich bleibe bei der Grundüberzeugung: Wenn Sie so davon überzeugt sind, daß jene Alternativen die große Zukunft haben, von denen Sie sprechen, dann muß ich sagen, suchen Sie sich Ihre Kunden selbst! Sie haben den Netzzugang, und Sie haben die Möglichkeit, eigene Netze zu bauen. Aber Alternativen zu propagieren und dann von jemand anderem subventionieren zu lassen, ist nicht die Lösung, die in einem System, in dem uns auch aus Wasser erzeugter Strom aus den Ohren fließt, gefunden werden kann. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Bezüglich der Alternativen, die uns am meisten am Herzen liegen, schließe ich mich Herrn Abgeordneten Schwarzböck an. Uns wächst der Waldzuwachs auch schon "bei den Ohren heraus". Daher muß der Schwerpunkt – wissenschaftlich, forschungspolitisch und nutzungstechnisch – in der Biomasse liegen. Denn zwischen 13 Millionen und 15 Millionen Festmeter ungenutzter Waldzuwachs pro Jahr schreien nach Lösungen, die sich harmonisch in das Szenario einfügen, sodaß wir uns andere Füllkapazitäten ersparen können.

Daher werden wir – das haben wir bereits eingeleitet – Biogas im Burgenland und die Biomasse "Wald" für Elektrizitätserzeugung in Wiener Neustadt entsprechend umsetzen, weil in Krumbach und Umgebung schon zwei Werke mit entsprechendem Know-how zur Verfügung stehen.

Nächster Punkt: die wichtigen weiteren Aufgaben sind Netztarife wie auch stranded investment. Sie können sich darauf verlassen, daß wir im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß Lösungen finden werden, die nicht zu neuerlichen Rentenverhältnissen führen, sondern zur Abgeltung des unabdingbar Nötigen, denn sonst hätten wir nicht so lange darüber verhandeln müssen.

Letzter Punkt: Der österreichische Rechtsgelehrte Jelinek hat schon vor Jahrzehnten gesagt, es gibt so etwas wie die normative Kraft des Faktischen. Dazu brauche ich kein Gesetz. Das, was Sie heute hier im Hohen Haus hoffentlich beschließen werden, setzt eine normative Kraft des Faktischen in Bewegung, die zu einem strukturellen Umbruch führen wird, dessen Tempo Sie alle unterschätzen.

Ich kann Ihnen nur von meinem Haus aus sagen: Die österreichische Kernlösung hat durch die jetzt zu beschließende Regelung wesentliche Impulse erhalten, und das Gesetz wird rascher nicht mehr so stehen, wie es heute intendiert ist, wenn wir auf Basis dieser Entschließungen fortfahren. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, wenn Sie sagen, seit Jahrhunderten sind die Widerstände einzementiert, ... (Bundesminister Dr. Farnleitner: Nicht Jahrhunderte!) – Gut, dann denke ich, daß das wohl seine Richtigkeit hat.

Aber es wäre gerade jetzt die Neugestaltung der E-Wirtschaft mit diesem ElWOG in entscheidendem Maße möglich. Ich stelle fest, daß dem nicht so ist – zumindest nicht so, wie es unseren Vorstellungen entspricht. (Abg. Oberhaidinger: Das ist etwas anderes!) Sie kennen unseren Abänderungsantrag. Kollege Oberhaidinger, der sich bekanntermaßen sehr für erneuerbare Energie einsetzt, hat sich gemeinsam mit Kollegen Kopf, beide Energiesprecher ihrer Fraktion, zu einem Entschließungsantrag hinreißen lassen, mit dem man tatsächlich nicht allzuviel anfangen kann.


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Und zwar gehen Sie aus von einer Projektförderung und machen Einschränkungen. Sie verlangen – das ist durchaus auch noch sinnvoll – die höchste Effizienz der eingesetzten Geldmittel und – das steht in Klammern in Ihrem Antrag – die geringsten Investitionskosten pro Kilowatt. (Abg. Oberhaidinger: Richtig!) Ich verstehe den Ansatz dieser Maßeinheit nicht. Das ist eine Leistungseinheit. Ihnen ist es bei Ihrer Bewertung offensichtlich völlig egal, was jahreszeitlich produziert wird, welche Energieausbeute vorhanden ist. Ihnen kommt es darauf an, wieviel KW solch ein Ding hat und wieviel die Errichtung kostet. Man muß eben zwischen Arbeit und Energie unterscheiden können. Und Sie setzen das Maß bei der Leistung fest. Das ist kein Maß, das die jährliche Energieausbeute und somit den Beitrag erneuerbarer Energie am Gesamten mißt.

Es wäre tatsächlich sinnvoll, jetzt dieses ElWOG herzunehmen, um von der Ist-Situation abzugehen, wie sie sich heute in der E-Wirtschaft darstellt und wodurch sie geprägt ist, nämlich durch Proporz, durch Privilegien, durch Mißwirtschaft statt vernünftiger Marktwirtschaft. Es gibt also ein Monopol statt Wettbewerb und überhöhter Strompreise. Man sollte endlich zu einer transparenten Lösung übergehen, zu einer Aufgliederung, zu einem Trennen zwischen Produktion und Netz, wie das wünschenswert wäre. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. )

Was machen Sie daraus? Wie wird künftig dieses Ihr Kind, dieses ElWOG, aussehen? – Es wird eine weitgehende Aufrechterhaltung der bis jetzt geschützten Bereiche, eine Behinderung des Einsatzes erneuerbarer Energie und einen Ausverkauf geben. Es ist bereits von meinem Vorredner angesprochen worden: Das Netz steigert offensichtlich die Begehrlichkeit ausländischer Investoren, ausländischer Unternehmungen, die hier Fuß fassen wollen, weil damit der Marktzugang gegeben ist und die Kunden für den jeweiligen interessant werden.

Es gibt noch etwas, was ich Ihnen in diesem Zusammenhang auch noch sagen möchte: Es ist nicht nur das Netz, sondern auch das österreichische Wasser. Ich erinnere Sie daran, Sie von den Regierungsparteien waren es, die die Freiheitlichen verhöhnt haben, als wir davon gesprochen haben, daß unsere Wasserressourcen möglicherweise oder sogar sehr wahrscheinlich einmal nach Portugal oder nach Spanien gepumpt werden. Das steigert auch im Bereich der E-Wirtschaft die Begehrlichkeit, nämlich diese Wasserressourcen der Speicherkraftwerke mit ihren Wasserspeichern nutzen zu können.

Sie wissen, daß es eine Machbarkeitsstudie gibt, und diese Machbarkeitsstudie zielt darauf ab, auch die Wasserressourcen Österreichs – jetzt betrifft es das Rhone-Tal, von dort soll auf die iberische Halbinsel gepumpt werden; irgendwann wird es Österreich sein – zu verwenden. Sie werden diese Ihre Aussagen und dieses Verhöhnen hoffentlich dann auch noch im Gedächtnis haben. Daß wir Sie davor gewarnt haben, auch das sollten Sie bei diesem ElWOG und angesichts der Tatsache nicht vergessen, daß die Interessenten nach wie vor da sind, die unsere heimische E-Wirtschaft kaufen werden, und wir dann vom Ausland fremdbestimmt sind. Jetzt sind wir staatlich inländisch, nachher werden wir ausländisch fremdbestimmt sein, und die Gestaltung der E-Wirtschaft wird vom Ausland vorgenommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. Herr Abgeordneter, gleichfalls 4 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.51

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! In der Tat schließen wir heute eine sehr schwierige Materie ab, und es ist anscheinend in diesem Hohen Hause ein ungeschriebenes Gesetz: Je schwieriger die Materie, desto geringer die Anwesenheit der Abgeordnetenkollegen und -kolleginnen. (Abg. Haigermoser: Ich bin hier!) – Ich habe nicht dich gemeint, sondern allgemein. (Abg. Haigermoser: Oberhaidinger und ich, wir sind hier!) Ich bin sicher, daß es beim nächsten Tagesordnungspunkt, wenn es um die Zeltfest-Problematik geht, wieder ein volles Haus geben wird.

Ich möchte kurz auf einige Punkte eingehen.


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Erstens: Das vorliegende Gesetz ist ein gelungener Kompromiß, und die Unzufriedenheit vieler, die in die entgegengesetzte Richtung wirkt, zeigt letztendlich, daß es ein gutes Gesetz wird.

Zweitens: Der Kompromiß bei diesem Gesetz zeigt, es ist einmal ein Übergang von einem Monopol zum Wettbewerb zu bewältigen. Es hat zum Beispiel die Diskussion im Unterausschuß deutlich gezeigt, daß es eine große Bandbreite unterschiedlicher Auffassungen gab. Ich nehme jetzt einmal die Aussage von Herrn Kollegen Prinzhorn her, der gemeint hat, es sei von Liberalismus überhaupt nichts zu sehen. Kollegin Langthaler wollte weitaus mehr Quotenregelung im Bereich erneuerbarer Energien haben, also mehr Einzementierung.

Dritter Punkt: Die Behandlung zeigt aber auch, daß der Parlamentarismus doch lebt, denn wir haben gegenüber der Regierungsvorlage einiges einbringen können. Da möchte ich mich auch bei Kollegen Kopf bedanken, der sehr viel Sachkenntnis bewiesen hat.

Viertens: Viele Bestimmungen in diesem Gesetz müssen sich erst bewähren, ich denke zum Beispiel an die Verbrauchsstättenbestimmung. Dazu gab es auch unterschiedliche Auffassungen, Diskussionen. Man mußte diese Bestimmung wahrscheinlich so manifestieren, um Sonderprobleme lösen zu können – ich sage das jetzt einmal so trocken. Ob das natürlich Auswirkungen auf andere Bereiche hat – Stichwort: Einkaufszentren versus Einzelhandel, Nahversorger –, wird man in Zukunft sehen. Ich hoffe, es gibt keine Umgehungskonstruktionen, aber das wird sich weisen. Ich glaube, daß dieses ElWOG nicht nur Preissenkungsvorteile für Großabnehmer, sondern in Zukunft langfristig auch für die einzelnen Haushalte bringen wird.

Sechstens: Es gibt einen Rationalisierungseffekt, den es nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig geben wird. Es wird in der Organisation der Energiewirtschaft garantiert einige Umstrukturierungen geben. Es gibt ein sichtbares Zeichen in Richtung Ökologisierung. Das hat mein Freund Schwarzböck schon betont. Wir brauchen natürlich – Herr Minister, das haben Sie auch gesagt – einen deutlichen Technologieschub bei der Biomasse. Das kann ich nur unterstützen.

Ein Letztes: Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, ein Meilenstein in der Energiewirtschaft, es wird aber nicht der letzte sein. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie kommen mit 3 Minuten aus.

19.55

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehöre auch zu jenen Abgeordneten, die der Auffassung sind, daß bei diesem Gesetz, das wir hier heute zur Beschlußfassung vorliegen haben, doch drei Punkte sehr beachtet wurden.

Auf der einen Seite ist der Konsument. Der Konsument kann nunmehr nach Beschluß dieses Gesetzes davon ausgehen, daß die Preisgestaltung für ihn kalkulierbar und berechenbar ist und sich vor allem keine Preiserhöhungen daraus ergeben werden.

Zum zweiten ist in diesem Gesetz auch sehr klar manifestiert, daß der Industriestandort Österreich ein Industriestandort bleiben kann und wird, weil auch für die Industrie dieses Gesetz Vorgaben gibt, mit denen die Industrie entsprechend kalkulieren und auch wettbewerbsfähig bleiben kann.

Drittens ist es so, daß auch die Beschäftigten in dieser Branche – es war gar nicht so leicht, all das unter Dach und Fach zu bringen – wissen, woran sie sind, und auch in ihren persönlichen Überlegungen entsprechend kalkulieren können. Vor allem ist es so, daß aufgrund dieses Gesetzes nicht von heute auf morgen allzu starke Veränderungen kommen werden.

Ich erlaube mir aber auch, in dieser Situation einige andere Bemerkungen zu machen, nämlich daß die E-Wirtschaft in Österreich nunmehr gesetzliche Rahmenbedingungen bekommen hat,


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innerhalb derer sie sich neu strukturieren wird müssen. Dieses Neustrukturieren – ich glaube, diesbezüglich vertrete ich auch zu einem beachtlichen Teil die Meinung des Herrn Bundesministers – soll in eine Richtung gehen, daß Österreich doch eine Energiegesellschaft oder zwei Energiegesellschaften à la longue zustande bringt, die so strukturiert sind, daß sie auch innerhalb der gemeinsamen europäischen Struktur ein Mitspieler auf dem europäischen Markt sein können.

Ich glaube, daß jener Weg nicht unbedingt richtig ist, bei dem man unsere Strukturen so beläßt, daß unter Umständen dann, wie es ein Beispiel im Rahmen der ESTAG gibt, aus Paris eine APA-Meldung über die Energiepolitik in der Steiermark, nämlich von der EdF, der Electricité de France, der Steiermark mitgeteilt wird, welche Preisgestaltung, welche Strategien, welche Aufkaufgestaltung für die nächsten Energiekonzerne oder für die nächsten Energieunternehmen vorgenommen werden müssen.

Ich glaube, daß Energiepolitik etwas Wichtiges, etwas Wertvolles ist, das wir auch in Zukunft zu einem beachtlichen Teil auf nationaler Ebene steuern können sollten. Ich bin auch der Meinung, daß sich unsere Industrie und auch die E-Wirtschaft in dieser Form in den nächsten Jahren im Rahmen dieses Gesetzes entsprechend strukturieren werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. – Bitte, Herr Abgeordneter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

19.58

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hofmann hat Organisationsänderungen in der E-Wirtschaft angesprochen. Das mag schon richtig sein, aber, Herr Kollege Hofmann, nicht die Organisation ändert die Preise, sondern die Preise ändern den Markt. Wenn man heute davon ausgeht, daß Atomstrom 18 bis 36 Groschen kostet und bei uns Strom 53 bis 60 Groschen kostet, dann wird es so sein, daß der Marktpreis natürlich auch in Österreich die bestimmende Kraft sein wird.

Ich habe im Ausschuß gesagt, dieses ElWOG sei der kleinste gemeinsame Nenner. Wir besprechen heute die grundlegenden mittelfristigen Änderungen in der E-Wirtschaft. Der Herr Bundesminister hat gesagt, in einigen Jahren sei dieses Gesetz Makulatur. Ich glaube Ihnen das auch, Herr Bundesminister, weil, wie Sie gesagt haben, die normative Kraft des Faktischen uns dazu zwingen wird, ganz anderes zu denken.

Aus meiner Sicht möchte ich noch einige Bemerkungen machen. Wir haben fast die Quadratur des Kreises geschafft: gleichzeitig zu schützen und zu liberalisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schauen wir uns einige Zahlen an: Die EdF erzeugt 370 000 Gigawattstunden, die RWE 120 000 Gigawattstunden, der Verbund 24 000 Gigawattstunden, Wienstrom 9 000 und die EVN 5 000 bis 6 000 Gigawattstunden. Da erkennt man schon die Größenordnung, da erkennt man, in welchem Umfeld wir uns bewegen, und wir spielen in diesem Energiekonzert in Europa wahrscheinlich nur die Piccoloflöte. Das muß uns bewußt sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sieht, welche Reserven die Atomwirtschaft in Europa hat – 500 Milliarden –, und bedankt, daß sie auch auf den österreichischen Markt drängt – das hat mein Kollege Eder im Hinblick auf die EdF schon gesagt –, dann muß man die Voraussetzungen dafür schaffen. Der Herr Bundesminister, der Herr Bundeskanzler und der Herr Staatssekretär haben sich bemüht, eine österreichische Lösung zu finden. Leider – und das muß man auch mit aller Deutlichkeit sagen – ist es am Hausmeisterdenken der Länder gescheitert. Das hätten wir uns ersparen können – diesbezüglich hat Herr Kollege Hofmann schon recht –, aber es ist eben in Österreich so, daß die Länder mitreden.

Wenn ich bedenke, daß wir 70 oder 75 Prozent unserer Energie aus der Wasserkraft, auf die wir sehr stolz sind, erzeugen, dann behaupte ich, daß nicht die Wasserkraft stranded investment


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ist, sondern die Atomenergie, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, 76 Prozent der Deutschen sprechen sich schon gegen die Atomenergie aus. Und wenn man sich die Industriestrompreise ansieht, dann kann man erkennen, um wieviel Frankreich aufgrund der Atomstromerzeugung unter unseren Preisen liegt.

Ein anderer Punkt zum Schluß – darüber sollten wir vielleicht auch einmal nachdenken –: Ich behaupte, daß die Atomenergie subventioniert ist, daß sie der falsche Weg ist, letztendlich der teurere Weg ist. Wenn man sich die strahlenden Castor-Transporte ansieht, wenn man nicht weiß, was man mit den abgewrackten Atomkraftwerken machen soll, wenn die Entsorgung nicht sichergestellt ist, dann muß man sich überlegen – auch ein so kleines Land wie Österreich –, ob der Wettbewerbskommissar van Miert nicht einmal untersuchen sollte, ob die Atomstromerzeugung wettbewerbsverzerrend ist. Auf der einen Seite wird sie von der Militärwirtschaft subventioniert, und auf der anderen Seite zahlen alle anderen für die Entsorgung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die Wasserkraft in Österreich Zukunft hat und daß es ein langsames Umdenken in Europa gibt. Ich meine auch, daß es notwendig ist, bei einem Preisgefälle – um an den Anfang zurückzukehren – von 53 Groschen für unsere Wasserkraftenergie im Gegensatz zur Atomenergie mit 18 bis 30 Groschen einmal zu untersuchen und darüber nachzudenken, ob die Atomenergie überhaupt wettbewerbsfähig ist.

Ich glaube, daß wir diesen Gedanken aufnehmen sollten, denn sonst kommt es zu einem Ausverkauf der österreichischen Energie. (Beifall bei der SPÖ.)

20.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.03

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Mir sind eigentlich nur zwei Bemerkungen zum vorliegenden ElWOG wichtig, und zwar folgende:

Es wird eine Marktöffnung geben. Im Rahmen dieser Marktöffnung werden die bevorzugten Kunden, also insbesondere die Industrie, weniger für den Strom zahlen müssen, und die Tarifkunden sollen dafür nicht mehr zahlen müssen. Es wird daher eine Lücke geben, und die große Frage ist, wie diese Lücke zu schließen ist.

Natürlich geht das im Prinzip nur durch Erträge oder durch Produktivitätsfortschritte. Daher, Herr Minister, folgende Anregung: Bei den Produktivitätsfortschritten sollte doch beachtet werden, daß das nicht in erster Linie und primär zu Lasten der Beschäftigten geht. Denn wir haben in der österreichischen E-Wirtschaft eine sehr, sehr verkrustete Struktur, wir haben große Reserven durch die Koordination des Kraftwerkseinsatzes, indem Kraftwerke betrieben werden, die andere zum selben Zeitpunkt billiger betreiben könnten. Daher ist es notwendig, in den Verordnungen primär die Reserven anzugehen und nicht primär bei den Beschäftigten in der E-Wirtschaft zu sparen. (Beifall bei der SPÖ.)  – Erste Bemerkung.

Meine zweite Bemerkung, Herr Minister, bezieht sich auf den Entschließungsantrag, auf den wir sehr großen Wert gelegt haben, weil er vorsieht, daß die Haushaltstarife keinesfalls steigen dürfen. Es ist in diesem Entschließungsantrag festgelegt, daß die Preise für die Tarifkunden bis 1. Jänner 2001 gleich hoch bleiben müssen und zwischen 1. Jänner 2001 und 1. Jänner 2003 nur dann erhöht werden können, wenn es eine wirkliche Begründung durch starke Preissteigerungen im Primärenergieeinsatz gibt.

Man muß dazu sagen, daß das eigentlich auch ein Beitrag der Haushalte zu diesem Gesamtkompromiß ist, denn das bedeutet ja, daß die Haushalte am zukünftigen Produktivitätsfortschritt nicht partizipieren. Das ist ein wesentlicher Beitrag der Haushalte.

Es ist darin die Aufforderung auch an Sie, Herr Minister, enthalten, daß Sie – falls es notwendig sein sollte – ein Strompreisverfahren durchführen und damit Preissteigerungen verhindern sollen. Ich erwarte nicht, daß so ein Strompreisverfahren notwendig sein wird, aber wenn es


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notwendig sein sollte, hoffe ich, daß Sie dieser Entschließung dann auch tatsächlich Rechnung tragen werden.

Herr Minister! Wenn wir schon über Preisregelung und Preisverfahren reden, so möchte ich Sie auch darauf aufmerksam machen, daß wir einen zweiten Energiemarkt haben, nämlich den Benzin- und Dieselmarkt, auf dem auch eine Preisregelung notwendig wäre, weil wir weit über dem internationalen Preisniveau liegen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt jetzt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Gaßner vor. 3 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.06

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz ist lange und ausführlich besprochen worden. Die besondere Problematik dieses Gesetzes liegt meiner Meinung nach in der Tatsache, daß es sich hier grundsätzlich um den Ausgleich zweier einander teilweise widersprechender Ziele handelt, nämlich des Zieles der Liberalisierung und des Zieles der Versorgungssicherheit. Ich denke, daß dieses heute zu beschließende ElWOG diesen Ausgleich herstellen wird.

Energieversorgungsunternehmungen neigen sehr oft dazu – das hat die Entstehung dieses Gesetzes auch sehr stark verkompliziert –, ihre partikularen Eigeninteressen über das Interesse einer energiewirtschaftlich optimalen und bundesweiten Gesamtlösung zu stellen. Daher der Appell an die Energieunternehmungen: Die Liberalisierung ist eine Chance, und Lösungen sind miteinander zu suchen, anstatt gegeneinander!

Die berühmten stranded investments, die sich nicht mehr verdienenden Investitionen, sind schon des öfteren und ausführlich besprochen worden. Nun ist der Herr Bundesminister am Wort in dieser Frage.

Lassen Sie mich nur noch zwei Bemerkungen zum Schluß machen.

Die erste Bemerkung bezieht sich auf die erneuerbare Energie Wasserkraft: Die Wasserkraft muß durch weitere Rationalisierungsmaßnahmen wettbewerbsfähig gemacht werden, wobei zunächst alle anderen Rationalisierungspotentiale vor der heute oft als einzig erscheinenden Rationalisierungsmaßnahme, nämlich dem Personalabbau, ausgenützt werden müssen.

Zweite Bemerkung: Wir müssen auf EU-Ebene darauf dringen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß eine bessere Methodik zur Evaluierung der wahren volkswirtschaftlichen Kosten verschiedener Energieträger – vor allem des Atomstroms – entwickelt wird. Gelingt diese korrekte Kostenbewertung, wird sich die Wasserkraft in Zukunft durchaus als konkurrenzfähig erweisen. Allein aus diesem Grund darf es aber zu keinem Ausverkauf der österreichischen E-Wirtschaft kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl, der Berichterstatter zu Punkt 6 der Tagesordnung ist, hat um ein Schlußwort ersucht. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Schlußwort): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der für den Berichterstatter gebotenen Kürze bringe ich das Schlußwort zu unserem Antrag 543/A (E).

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir – oder Sie – beschließen das wichtigste Gesetz, die wichtigste Vorlage des heutigen Tages, ich möchte Sie allerdings davor warnen, das Gesetz in der vorliegenden Form zu beschließen. Denn: Es bringt keine Liberalisierung, es bringt zu viele Unsicherheiten durch Verordnungsermächtigungen (Abg. Schieder: Das geht nicht als Bericht


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erstatter! Herr Präsident, schreiten Sie ein!), und es bringt keinerlei Verbesserungen für die Konsumenten. – Danke schön. Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl! Trotz des Applauses Ihrer Fraktion (Abg. Mag. Stadler: Wer hat damit angefangen, Herr Präsident?) möchte ich schon festhalten, daß das Schlußwort des Berichterstatters kein Debattenbeitrag im Sinne der Geschäftsordnung sein kann. (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Er hat keine Ahnung!) Also für die Zukunft wollen wir das festhalten.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt erfolgt.

Wir stimmen zunächst ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1305 der Beilagen.

Dieser Gesetzentwurf enthält Verfassungsbestimmungen und hat darüber hinaus die Erlassung eines Bundesverfassungsgesetzes zum Inhalt. Ich stelle daher zunächst die im Sinne der Geschäftsordnung für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, wobei ich ausdrücklich festhalte, daß das verfassungsmäßig erforderliche Quorum der Zweidrittelmehrheit gegeben ist.

Wir kommen zur dritten Lesung, und ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung angenommen, und zwar ausdrücklich auch mit dem verfassungsrechtlich erforderlichen Quorum.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem schriftlichen Ausschußbericht 1305 der Beilagen als Anlage 2 beigedruckte Entschließung betreffend die Förderung der Verstromung erneuerbarer Energieträger.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen worden. (E 128.)

Wir stimmen jetzt ab über die dem schriftlichen Ausschußbericht 1305 der Beilagen als Anlage 3 beigedruckte Entschließung betreffend die Preisentwicklung der Tarifkunden.

Wer dem zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen worden. (E 129.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn und Genossen betreffend Neuorganisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1306 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir stimmen in dritter Lesung ab.

Wer da zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.


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Schließlich stimmen wir ab über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, seinen Bericht 1307 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Kenntnisnahme erfolgt mehrheitlich.

7. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 813/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Jakob Auer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1308 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nun kommen wir zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir beginnen die Debatte mit der Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Haigermoser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.12

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, daß für ein funktionierendes Gemeinwesen Vereine wichtig und notwendig sind und daß diese Vereine – die meisten der hier Anwesenden sind auch Vereinsmitglieder – unentgeltlich gewaltige öffentliche Aufgaben für die Gemeinschaft leisten.

Aber genauso wichtig sind die Tourismuswirtschaft und das Gastgewerbe, meine Damen und Herren, und daher hätte man im Zuge der Gesetzwerdung rund um die Gewerbeordnung "Festzelte" auch für diesen Wirtschaftszweig einsetzen müssen. Sie von der sozialistischen Koalition, insbesondere Sie von der ÖVP, haben es "geschafft" – unter Anführungszeichen –, einerseits das Gastgewerbe auf die Vereine loszulassen, andererseits die Vereine auf das Gastgewerbe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das, meine Damen und Herren, ist die eigentliche Gemeinheit bei dieser Novellierung. Daher stimmen wir aus diesem und vielen anderen Gründen dieser Gesetzwerdung nicht zu. (Abg. Fink: Sie sind gegen die Vereine! – Abg. Schwarzenberger: Sie sind gegen die Vereine!)

Wir bekennen uns zu den Rechten der Vereine, meine Damen und Herren, und wir bekennen uns zur Notwendigkeit, den Vereinen das Überleben zu ermöglichen. Wir haben einige Vorschläge eingebracht. Doch das schlechte Gewissen jener "aufrechten" Kämpfer für das Gastgewerbe, nämlich des Herrn Stummvoll, des Herrn Maderthaner und des Kollegen Puttinger, hat sich ja manifestiert, Kollege Leiner, denn sie haben bei den Ausschußberatungen gefehlt, sie haben sich in Unschuld davongestohlen. Statt dessen haben Sie die Frau Rauch-Kallat in den Ausschuß gesetzt, die dann in ihren Wortmeldungen durch Unkenntnis geglänzt hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Keine Untergriffe! – Abg. Schwarzenberger: Was haben Sie gegen die Frau Rauch-Kallat?)

Wir haben gesagt, daß wir ein Gesetz mit begleitenden Maßnahmen haben wollen, um einerseits den Wirten das Überleben zu ermöglichen und andererseits den Vereinen das zu geben, was Ihnen zusteht, nämlich nach dem Motto: Gebt dem Papste, was des Papstes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist! (Abg. Dr. Leiner: Sag es, daß du gegen die Vereine bist!)

Sie von der ÖVP waren einmal mehr nicht bereit – wir haben das in unserem Minderheitenbericht genau festgestellt –, für die Gastronomie jene Versprechungen einzulösen, die Sie ihr tagtäglich machen, die Sie ihr in Ihren Sonntagsreden machen. Sie haben das auch gemacht, als Sie via Präsident Maderthaner dem damaligen Bundeskanzler Vranitzky Zehntausende Unterschriften zur Abschaffung der Getränkesteuer öffentlichkeitswirksam überreicht haben. (Abg. Dr. Puttinger: Sie waren auch dabei!)


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Wir geben Ihnen heute einmal mehr die Möglichkeit, diesen Ihren Versprechungen nachzukommen, Herr Kollege Puttinger (Beifall bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Puttinger: Haigermoser, regeln Sie doch die Finanzen der Gemeinden!) , indem Sie einem Entschließungsantrag zustimmen, den ich jetzt verlesen werde:

Aus den genannten Gründen – wir führen in der Begründung an, warum wir diesen Antrag stellen; auch wegen Ihrer Vorschläge, Herr Kollege Puttinger – stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haigermoser, Marolt, Ing. Nußbaumer, Dipl.-Ing. Prinzhorn und Kollegen betreffend die Notwendigkeit der Abschaffung der Getränkesteuer

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen taugliche Gesetzentwürfe vorzulegen, durch welche die Abschaffung der Getränkesteuer bei gleichzeitiger Kompensation der Einnahmenausfälle für die Gemeinden über den Finanzausgleich realisiert werden kann."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie werden, meine Damen und Herren, heute Gelegenheit haben, Ihre eigenen Rütlischwüre beziehungsweise Ihre eidesstattlichen Erklärungen gegenüber der Gastronomie einzulösen.

Man hätte guten Gewissens den Vereinen die Rechte zuordnen können, die ihnen zustehen, denn auch die Vereine sind an einer funktionierenden dörflichen Gemeinschaft interessiert. Die Vereine sind interessiert daran, daß es den Kirchenwirt weiterhin gibt, damit sie dort ihre Vereinstätigkeit über die Zeltfeste hinaus abführen können. Die Zusammenführung, die Vernetzung der Interessen der Vereine und der Wirte wäre leichter gelungen, wenn Sie steuerliche Maßnahmen gesetzt hätten, meine Damen und Herren. (Abg. Mag. Steindl: Haigermoser, bist du jetzt dagegen oder dafür?)

Ein weiterer Ausdruck Ihres schlechten Gewissens findet sich in der Ausschußfeststellung wieder, Herr Kollege Steindl, die wie folgt lautet: "Der Wirtschaftsausschuß geht davon aus, daß bei Veranstaltungen im Sinne des § 2 Abs. 1 ... das Einvernehmen zwischen dem Veranstalter und den örtlichen Gastgewerbetreibenden gesucht wird."

Solch eine Salzamtfeststellung haben wir in diesem Parlament überhaupt noch nicht erlebt. (Abg. Fink: Vorschlag!) Das ist genau jenes schlechte Gewissen, meine Damen und Herren, das Sie bei dem ganzen Gesetz begleitet hat. (Abg. Fink: Vorschlag! Nicht nur gegen die Vereine sein!) Sie haben den Vereinen nicht gegeben, was ihnen zusteht, den Wirten nicht gegeben, was ihnen zusteht, sondern allen etwas genommen. Sie haben zwischen diesen beiden wichtigen Bevölkerungsgruppen Unfrieden gesät, meine Damen und Herren, und sind einmal mehr im Stehen umgefallen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie bekommen zu diesem Gesetz von uns keine Zustimmung, außer Sie stimmen dem Entschließungsantrag von uns Freiheitlichen zu. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.19

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vor allem auch liebe Feuerwehrkameraden auf der Galerie! Einmal mehr hat sich die


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freiheitliche Haltung bestätigt: Die Freiheitlichen stimmen gegen die notwendige Änderung der Gewerbeordnung und damit auch gegen die Feuerwehren, und sie bringen gleichzeitig den Antrag auf Wegfall der Getränkesteuer ein, um den Gemeinden die letzte Finanzierungsbasis zu nehmen, die sie auch wieder brauchen, um den Feuerwehren zumindest teilweise helfen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Mit dieser Gesetzesänderung wird rechtlich endgültig klargestellt, was in unserem Land seit Jahren, ja Jahrzehnten Praxis ist. Als aktiver Feuerwehrmann freue ich mich darüber, daß endlich jene Veranstaltungen, die dem Zweck dienen, Einrichtungen mitfinanzieren zu können, damit man Geräte für den Katastrophenhilfsdienst, Geräte für die Bergung Verletzter und andere notwendige Dinge anschaffen kann, in Zukunft ohne behördliche Verfolgung stattfinden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist ja fast nicht zu glauben, daß es immer noch Menschen gibt, die soviel Idealismus und Einsatzfreude zeigen, die Urlaubstage opfern und Schulungen machen, um der Gesellschaft bei Schwierigkeiten, bei der Bergung von Verletzten, bei Unwetterkatastrophen, bei Bränden und anderen dringenden Hilfsdiensten zur Verfügung zu stehen. (Beifall bei der ÖVP.) Es ist daher notwendig, auch von dieser Stelle aus den Einsatzkräften der Feuerwehr, der Bergrettung, der Wasserrettung und anderer Bereiche für die Tausenden Stunden an Arbeit zum Wohle der Gesellschaft einmal Danke zu sagen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Gemeinden einen ausreichend großen finanziellen Spielraum hätten, um all diese Notwendigkeiten sozusagen aus dem Stand heraus finanzieren zu können. Das ist aber nicht möglich, vor allem für die kleineren ländlichen Gemeinden, weil die Finanzkraft nicht gegeben ist. Dann gäbe es viele derartiger notwendiger Einrichtungen nicht. In dieser Hinsicht wäre Österreich ein armes Land. Ich bin jedoch überzeugt davon, Herr Kollege Haigermoser, daß die Wirtschaft insgesamt, der Fremdenverkehr und letztlich auch die Gastronomie in Summe profitieren werden, wenn es in jeder Gemeinde ein vielfältiges Vereinsleben geben kann und gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Die wirtschaftliche Lage eines guten Gasthauses hängt nicht davon ab, ob es ein Zeltfest mehr oder weniger gibt, meine Damen und Herren, sondern es ist vielmehr die Frage, ob es in einer Gemeinde ein vernünftiges Miteinander zwischen den Einrichtungen der Öffentlichkeit, den Sportvereinen, den Feuerwehren, der Musikkapelle, den Gastwirten und der Gemeinde selbst gibt.

Ich bringe nur ein kleines Beispiel dafür – ich habe mir die Fakten und Daten geben lassen –: Meine Musikkapelle hat im Vorjahr 54 000 S für Gasthausrechnungen ausgegeben, damit bei den vielfältigsten Ausrückungen manchmal eine Jause oder ein Mittagessen mit einem Getränk für die Mitglieder finanzierbar ist. Der Kassier hat mir heute folgendes bestätigt: Gäbe es nicht die Möglichkeit, alle zwei Jahre – alle zwei Jahre, bitte! – ein derartiges Zeltfest zu veranstalten, könnte die Musikvereinskasse diese Ausgaben nicht leisten. – Und letztlich profitiert auch der Gastwirt davon, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Folgendes ist auch noch klar zu sagen: Mit diesem Gesetzesbeschluß werden Zeltfestveranstalter, aber auch Gastwirte geschützt. Im Klartext: Bisher gab es sogenannte Alibi-Standortverlegungen. Das fällt in Hinkunft weg. Es wurde klargestellt, daß der Veranstalter auf eigene Rechnung und Gefahr – auf eigene Rechnung und Gefahr! – unter Beachtung der wasserrechtlichen, der hygienerechtlichen, der abfallrechtlichen und sonstiger Bestimmungen ein Dreitagesfest pro Jahr veranstalten darf – ohne Bürokratie, ohne Wirt. In vielen Fällen wird auch die Zusammenarbeit mit einem Wirt möglich sein. Falls diese nicht möglich ist, so obliegt das Ganze ausschließlich dem Veranstalter.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich dabei mithelfen konnte – zusammen mit Herrn Kollegen Nowotny –, daß im Jahre 1993 die steuerliche Regelung für die Körperschaften öffentlichen Rechts erlassen wurde. Im selben Jahr war es möglich, zusammen mit Herrn Kollegen Neuwirth von der SPÖ, der leider nicht mehr Abgeordneter hier im Hohen Hause ist,


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den Wegfall der Luxusmehrwertsteuer für Kommandofahrzeuge bei Feuerwehren zu regeln. Heute wird es den dritten Beschluß zusammen mit Herrn Kollegen Heindl geben, für dessen Zusammenarbeit und Fairneß ich mich sehr herzlich bedanken möchte. Ich möchte auch seinen MitarbeiterInnen – auch meinen eigenen natürlich – dafür danken, daß es nun möglich ist, diese dritte wichtige Beschlußfassung im Interesse der Einsatzkräfte durchzusetzen.

Ehrenamtliche Einsatzkräfte müssen oft extreme Situationen bestehen. Wir alle können uns nur wünschen, daß wir deren Einrichtungen persönlich nie benötigen. Wenn wir sie aber beanspruchen, meine Damen und Herren, dann sollten wir ihnen jene technische Ausstattung ermöglichen, die notwendig ist, damit sie rasch und zielstrebig helfen können. Viele solcher Geräte werden aus Erlösen von Zeltfesten finanziert. Erlösen wir die Feuerwehren und die Vereine von unnötigen Schikanen! Mit diesem Gesetzesbeschluß wird das möglich werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich möchte festhalten, daß der von Herrn Abgeordneten Haigermoser verlesene Entschließungsantrag geschäftsordnungsgemäß eingebracht wurde und in die Verhandlung mit einbezogen wird.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.25

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das ist ein Thema, bei dem die Wogen hochgehen. Vielleicht gelingt es mir, da Fakten einzubringen. In Österreich finden jährlich bis zu 10 000 Zeltfeste und ähnliche Veranstaltungen statt. Das sind durchschnittlich ungefähr vier pro Gemeinde. Der Durchschnittsumsatz – da kann man nur gratulieren, das sind offensichtlich tüchtige Unternehmer – bewegt sich bei rund einer halben Million Schilling. Wir reden also von einer Größenordnung von weit über 5 Milliarden Schilling Umsatz pro Jahr. Manche Schätzungen sagen sogar, das ginge bis 10 Milliarden Schilling. Ich will hier aber eine vorsichtige Schätzung einbringen.

Die Ausnahmeregelung im Bereich der Umsatz- und der Körperschaftsteuer, von der Kollege Auer bereits gesprochen hat, bedeutet einen Steuerausfall in der Größenordnung von deutlich über 1 Milliarde Schilling im Jahr. Die Gemeinden verzichten auf Getränkesteuer in der Höhe von 100 Millionen Schilling pro Jahr. (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Sie zahlen die Getränkesteuer auf den Wareneinsatz, Herr Auer, aber nicht auf den Verkaufspreis; das heißt, der Wertschöpfungsbetrag bleibt unberücksichtigt. Also beläuft sich das Ganze auf 100 Millionen Schilling.

Dieser Steuerverzicht ist geltendes Recht und steht heute nicht zur Debatte. Es ist eine Förderung der Tätigkeit dieser Vereine, die ohne Zweifel förderungswürdig sind. Wir sollten nur der Ordnung halber – damit das Pharisäertum nicht allzu große Blüten treibt – festhalten, daß davon natürlich auch Ausflüge und dergleichen Dinge finanziert werden. (Abg. Leikam: Wenn sie wieder beim Wirt einkehren!)  – Die finden auch woanders statt. Mein Gesangsverein ist einmal mit dem Ertrag aus solch einem Fest nach Amerika geflogen. Das gibt es auch. (Abg. Leikam: Wir könnten ins "Weiße Rößl" fahren!) Der Feuerwehr von Altaussee, Herr Kollege, gehört mittlerweile der "Schneiderwirt", und sie hat außerdem ein Motorboot in Lignano. Also diskutieren wir doch die Dinge bitte ganz in Ruhe – und ohne das pharisäerhafte Hinaufblicken zur Besuchergalerie, wo heute die Feuerwehrleute sitzen. Das ist ja geradezu unerträglich! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nächster Punkt: Die kostenlose Arbeitsüberlassung der Mitarbeiter der Vereinsmitglieder ermöglicht diese Fest erst. Sie werden sich wundern, wo die Tochter vom "Rößl"-Wirt im kommenden Sommer sein wird. Sie wird beim Feuerwehrfest in Strobl selbstverständlich in der Bar stehen und dort gratis arbeiten, weil ihr Freund bei der Feuerwehr ist. Selbstverständlich wird sie das tun. Das ist einfach so. Diesbezüglich hat Herr Auer schon recht: Das ist die normative Kraft des Faktischen. – Halt, diesen Satz brachte heute der Herr Wirtschaftsminister ein!


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Solange es eine Sacheinlage der Gesellschafter ist, die dafür Geräte kaufen, finde ich es steuerlich unbedenklich; wenn es aber ein lohnwerter Vorteil für einen Ausflug wird, dann lassen wir es lieber – und reden nicht darüber.

Daß das Vereinsleben unverzichtbar ist, ist, glaube ich, hier im Hohen Hause unbestritten. Vereine haben nämlich drei ganz wesentliche Funktionen: Es ist nicht nur die Dienstleistung für die Gemeinschaft, die sie ganz offensichtlich erbringen, sondern auch die Ausbildung, die sie der Jugend angedeihen lassen. Ich finde das großartig, was Vereine machen: Sie geben jungen Menschen neben ihrer Schul- und Berufsausbildung noch zusätzliche Ziele, und darüber hinaus sind sie auf dem Land gesellschaftlich sehr wichtig. Es stimmt daher schon, daß die Vereine die Gasthäuser brauchen und die Gasthäuser die Vereine. Das stimmt schon!

Folgendes sollte man aber schon festhalten: Wenn im Durchschnitt in jeder Gemeinde vier Zeltfeste stattfinden und wenn aus einem Umkreis von 30 oder 40 Kilometern die Menschen selbstverständlich zu diesen Zeltfesten fahren, dann wird folgendes passieren: Die ansässige Gastronomie wird die Deckungsbeiträge, die sie im Mai, Juni, Juli, August und September verdient hätte, halbieren beziehungsweise diese werden noch weiter zurückgehen. Dann wird das passieren, was wir doch alle auf dem flachen Land und in den Bergregionen erleben: daß nämlich die Summe des Geschäfts, das von Oktober bis Mai stattfindet, für die betroffenen Gasthäuser nicht ausreicht, um über die Runden zu kommen. Das ist doch das Problem! Das heißt, daß dann die Vereine in zunehmendem Maße im November oder im Jänner kein Gasthaus zur Verfügung haben werden.

Meine Damen und Herren! Seien Sie doch ehrlich: Schauen Sie doch hinaus auf das flache Land, dann werden Sie feststellen müssen, daß ein Gasthaus nach dem anderen zusperrt! Sie können mir doch nicht erklären, daß die Wirtinnen und die Wirte dort lauter Idioten sind, die für das Geschäft einfach zu dumm sind! Diese Wirte haben einfach keine Chance mehr, weil sie gegen den Wettbewerb bei Zeltfesten nicht mehr ankommen können.

Ein weiterer Punkt: Über das, was Qualität ist, entscheidet nicht die Wirtschaftskammer, entscheide auch ich nicht, sondern entscheiden die Kunden. 5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher besuchen offensichtlich solche Zeltfeste. Es gibt also eine gewisse Nachfrage dafür. Man wird diese Nachfrage wohl nicht verhindern können, es gibt sie nun einmal. Daß Sie von den Koalitionsparteien jetzt aber die Möglichkeit schaffen, das Ganze in Form einer Wettbewerbsverzerrung zwischen dem gastronomischen Anbieter und dem Festzeltanbieter festzulegen – weil Sie natürlich den Druck der Vereine im Genick haben; das ist ja gar keine Frage! –, ist wirklich die schlechteste aller schlechtesten Lösungen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Hätten Sie den Mut, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, wirklich über Ihre Form der Gewerbeordnung nachzudenken – diese Worte sind vor allem an die Adresse der Volkspartei gerichtet; die Sozialdemokraten haben da schon sehr viel dazugelernt und auch verstanden –, dann verstünden Sie auch, daß Ihrer Gewerbeordnung die Schuld für diese Wettbewerbsverzerrung zu geben ist. Lassen Sie ein liberales Modell der Gewerbeordnung zu, damit jeder seine Dienstleistung dort anbieten kann, wo sie sinnvoll ist! Es ist wesentlich leichter, wenn Sie den Wirten die Chance geben, Dienstleistungen für die Vereine anzubieten.

Ich fordere die Wirte Österreichs von diesem Pult aus auf, kreativ darüber nachzudenken, wie ihre Dienstleistungen den Vereinen gegenüber ausschauen müßten, damit man in den Vereinen sagt: Diese Arbeit tun wir uns nicht an, dazu ziehen wir den örtlichen Wirt heran, der soll uns das Fest organisieren! Wir Vereine bringen selbstverständlich die Mitarbeiter ein, inklusive der Tochter des "Rößl"-Wirtes, die gerne beim Feuerwehrfest mitarbeitet. Damit machen wir trotzdem ein anständiges Geschäft! (Abg. Rosemarie Bauer: Das gibt es eh! Das machen ja viele!) Dann brauchen Sie keine so kniefällige Lösung zu machen, bei der Sie dem Druck von außen nachgeben und eine glasklare Wettbewerbsverzerrung im wirtschaftlichen Bereich schaffen. Dieser Lösung können Sie in Wirklichkeit nicht guten Herzens zustimmen – es sei denn, Sie fürchten sich. Aber Furcht ist kein guter Ratgeber bei politischen Entscheidungen! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Meine Damen und Herren! Wir Liberalen werden bei diesem Tagesordnungspunkt eine getrennte Abstimmung verlangen. Wir werden Z 1 die Zustimmung nicht geben. In den anderen Teilen werden Sie jedoch unsere Zustimmung bekommen.

Nun auch eine Bemerkung zur Frage des Nebenrechtes für das Gastgewerbe, und zwar, daß die Gäste nach Hause gebracht werden dürfen. Die Regierungsparteien hätten, bevor die 0,5-Promille-Regelung hier beschlossen wurde – der ich zugestimmt habe; ich betone das noch einmal –, dem Gastgewerbe dieses Nebenrecht selbstverständlich einräumen müssen. Man kann Dinge nicht verbieten, ohne eine Lösung dafür anzubieten. Im Bericht des Wirtschaftsausschusses ist dieses Nebenrecht des Gastgewerbes tatsächlich noch enthalten, nur um es durch einen Abänderungsantrag wieder herauszunehmen und ein eigenes Gästewagengewerbe zu erfinden. Das bedeutet eine neue Kammermitgliedschaft, eine neue Einverleibungsgebühr und eine neue Grundumlage. Das ist schon wieder eine schlechte Lösung.

Ich bedauere, daß Sie mit diesen Fragen so umgehen, wünsche aber trotzdem allen Vereinen alles Gute. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Heindl. 4 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.32

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eigentlich sollte man meinen, daß heute ein Tag wäre, an dem man endlich sagen könnte: Wir haben Wochen und Monate an Arbeit hinter uns, damit ein heikles Problem, das vor allem den ländlichen Raum betrifft, einer positiven Regelung zugeführt werden kann. – Man kann natürlich wieder kritisieren; überhaupt keine Frage.

Kollege Peter sagt: Gebt ihnen Gewerbefreiheit, dann ist das Problem gelöst! – Ich sehe es nicht so! Ich glaube nicht, daß, wenn man in diesem Fall Gewerbefreiheit hätte, das Problem anders wäre. – Ich möchte Ihnen jetzt die Position der Sozialdemokraten darlegen.

Unsere Fraktion hat vom ersten Augenblick an gesagt, die Vereine wie die Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz, die Sportvereine und sonstige mildtätige oder gemeinnützige Organisationen erfüllen einen Dienst an der Gemeinschaft, der – unabhängig vom Finanziellen, behaupte ich; aber dieser Aspekt ist auch sehr wichtig – vom Engagement her unersetzbar ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Seien wir froh, meine Damen und Herren, daß es in unserem Land – das habe ich heute von Vertretern der Freiwilligen Feuerwehr gehört – über 300 000 freiwillige Feuerwehrmänner, über 100 000 Funktionäre in Sportvereinen und Zigtausende freiwillige Helfer in kirchlichen und karitativen Vereinen gibt. Wollen wir diese Menschen wirklich durch bürokratische Fesseln behindern? Wollen wir sie bei dem, was sie durch Selbsterarbeiten für die Allgemeinheit tun, behindern? (Abg. Mag. Peter: Das glauben Sie nicht wirklich selbst!)

Wir haben aber, Herr Kollege Peter, obwohl die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP zu Beginn gar nicht so davon begeistert waren, eine wirklich gute Lösung, muß sich sagen, gefunden. Jakob Auer, ich danke dir, du hast auch unsere Sprache gesprochen.

Wovon sind wir ausgegangen? – Wir haben zuerst einmal mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern gesprochen. Wir haben gesagt: Bitte, hört euch um, wie die Lage und die Stimmung bei euch bei den Wirten und auch bei den Organisationen ist! Wir wußten, daß es da ein Spannungsverhältnis gibt. Das ist überhaupt keine Frage. Dann haben wir uns mit Vertretern der Organisationen – jeder einzelnen! – zusammengesetzt und stundenlang mit ihnen gesprochen. Das ist eines der wenigen Gesetze, die wir im Einvernehmen mit jenen, die es betrifft, gemacht haben, und ich bin sehr froh darüber, daß wir eine einvernehmliche Lösung gefunden haben, der alle zustimmen konnten.

Jawohl, ich danke auch dir, Jakob Auer. Ich muß sagen: Es waren, wenn auch zum Teil kontroversielle, so doch von der Substanz her sehr gute Gespräche. Wir sollten froh darüber sein, daß


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wir nun sowohl steuerrechtlich als auch gewerberechtlich für diese Vereine, die für unser Land unersetzlich sind – die Tätigkeit dieser Männer und Frauen ist unersetzlich! –, sowohl von finanzieller als auch von rechtlicher Seite her eine vernünftige Basis, und zwar frei von jeglicher Bürokratie, geschaffen haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.35

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Wir ziehen heute – Gott sei Dank! – einen Schlußstrich unter ein leidiges Thema, das uns monatelang geradezu verfolgt hat. Die Wahrheit ist, daß wir mit dem heutigen Beschluß etwas legitimieren, was bereits Zustand war. Das heißt, daß niemand geschädigt wird, sondern wir lediglich versuchen, einen Zustand in eine Gesetzesform zu gießen, damit das nicht mehr im Graubereich geschieht.

Dieses Thema ist für den ländlichen Raum wichtig. Wir Politiker propagieren die Dorferneuerung, das gesellschaftliche Zusammenleben. Damit meinen wir nicht nur die bauliche Dorferneuerung, sondern auch die soziale Dorferneuerung. Dazu gehören die Feste und die vielen Veranstaltungen. Unsere Gesellschaft ist nun einmal eine Vereinsgesellschaft – und das hat auch Therapiefunktion.

Ich verstehe aber auch die Gastronomie. Trotzdem glaube ich, daß das Gesetz, das wir heute hier beschließen werden, sicherlich nicht gegen die Gastronomie gerichtet ist. Allerdings meine ich, daß wir ein weiteres Paket für unsere Wirtschaft schnüren sollten, um die Gastronomie gerade im Bereich Entbürokratisierung, aber auch in anderen wichtigen Bereichen zu entlasten.

Das Thema Zeltfeste ist dazu aber ungeeignet. Es geht nämlich um viel mehr als nur um Zeltfeste. Es geht auch nicht nur um die Feuerwehr, sondern es geht um alle Vereine, die gemeinnützig sind, denn sie haben volkswirtschaftliche Bedeutung.

Erstens: Das ist auch eine Art Vereinsförderung.

Zweitens – Kollege Auer hat das schon betont, und ich als Bürgermeister kann das nur bestätigen –: Würden die Feuerwehren in unserem Lande nicht selbst aktiv werden, könnten sich die Bürgermeister beziehungsweise die Gemeinden die Ausrüstungen, die notwendig und wichtig sind, nicht leisten. Daher sind sie ein wichtiger Faktor.

Drittens: Es werden immer wieder die Zulieferbetriebe vergessen. In diesem Zusammenhang wird ein enormer Wirtschaftszweig tätig, der bei Veranstaltungen, bei Zeltfesten und derlei Dingen eben zuliefert. Ich bringe Ihnen jetzt ein Beispiel aus meiner Stadtgemeinde: In den nächsten Wochen wird ein Stadtfest stattfinden, zu dem sicherlich einige Tausend Besucher kommen werden. Es gibt bei uns genug Gastronomiebetriebe, aber ich finde keinen Gastronomiebetrieb, der bereit wäre, da mitzumachen. Das heißt, daß in diesem Bereich die Rahmenbedingungen geändert gehören, aber nicht in diesem Gesetzentwurf.

Zur FPÖ: Herr Kollege Haigermoser, Ihre Ausführungen zeugen von Doppelbödigkeit. Sie sagten: Wir wären ja dafür, aber dann müßte man die Getränkesteuer streichen. – Ich schließe mich dieser Ihrer Meinung sofort an, wenn Sie mir sagen, wie man den Gemeinden diesen Ausfall der Getränkesteuer tatsächlich kompensieren könnte. Denn wenn man in einer Gemeinde einen Ausfall von 1,8 Millionen Schilling an Getränkesteuer zu verzeichnen hat, bringt man kein Budget mehr zustande. Und so geht es vielen Gemeinden und Bürgermeistern. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist dieses Verhalten – ähnlich wie bei der Diskussion über die 0,5-Promille-Regelung – als doppelbödig zu bezeichnen. Die FPÖ hat ja hier einen klaren Standpunkt bezogen: Sie ist gegen die Feuerwehren, sie ist gegen die Vereine. Das muß man auch in aller Deutlichkeit in der Öffentlichkeit sagen.


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Die Position der ÖVP ist ein Bekenntnis – ein klares Bekenntnis! – zu den Freiwilligen Feuerwehren und zu den vielen gemeinnützigen Vereinen unseres Landes. Wenn wir heute abstimmen, werden die Gewinner nicht irgendwelche Parteien, sondern die Freiwilligen Feuerwehren, die Vereine und wir alle, die wir an deren Veranstaltungen teilnehmen, sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Herr Abgeordneter Dietachmayr zu Wort. 3 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.40

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Freiwilligen Feuerwehren leisten unverzichtbare Arbeit im kommunalen Bereich, und wie sie verlangen auch andere Hilfsorganisationen oder karitative Vereine, die ähnliche Dienste erbringen, von der Politik nicht mehr, als daß sie sich selbst die Mittel beschaffen können, die sie brauchen, um Menschen Hilfe angedeihen lassen zu können und ihre Aufgaben erfüllen zu können. Daher bin ich sehr froh, daß es nach langwierigen Verhandlungen hier im Hohen Haus zu dieser Einigung gekommen ist!

Ich verstehe überhaupt nicht, daß vor einigen Tagen die Wirtschaftskammer Oberösterreich, konkret der Fachgruppenvorsteher der Gastronomie, Oberndorfer, noch ganz massiv gegen diese Regelung und gegen den "Zeltfestpfusch", wie er es ausdrückt, aufgetreten ist. In Anbetracht dessen frage ich Sie, meine Damen und Herren: Ist es Pfusch, wenn die Freiwilligen Feuerwehren zum Beispiel in Oberösterreich im vergangenen Jahr über 20 000 technische Einsätze leisteten? Ist es Pfusch, wenn sie über 7 000 Brandeinsätze allein in Oberösterreich absolvierten? Ist es Pfusch, wenn freiwillige Helfer Tag und Nacht zur Verfügung stehen, um verletzte Personen zu bergen, zu retten und rasch in ein Krankenhaus zu bringen? Ist es Pfusch, wenn Männer der Bergrettung, die mit Bergegeräten, die sie sich selbst bei einem Sommerfest verdient haben, Menschen aus schwierigen Situationen wieder sicher ins Tal bringen? Ist es Pfusch, wenn sich Mitarbeiter vom Arbeiter Samariter Bund stundenlang bei Kinder- oder Familienfesten hinstellen und kleine Verletzungen sofort verarzten? Ist es Pfusch, wenn Tausende ehrenamtliche Funktionäre in Sportvereinen Hunderttausende Kinder – und oft ganz kleine Kinder – anhalten, Sport zu betreiben, mit ihnen Fußball trainieren und sie für Sport begeistern?

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß es zu dieser Einigung gekommen! Ich meine, daß dieser Fachgruppenvorsteher der Gastronomie der Oberösterreichischen Wirtschaftskammer beileibe weit übers Ziel geschossen hat! Dafür gebührt ihm die rote Karte! (Beifall bei der SPÖ.)

20.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Auch für Sie sind 3 Minuten Redezeitbeschränkung vorgesehen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.43

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz schlicht und einfach meine Freude darüber bekunden, daß es zu dieser Lösung für unsere Vereine gekommen ist! Ich bin vor allem froh, daß wir für die vielen Tausend Funktionäre und Funktionärinnen in unseren Vereinen – von den Freiwilligen Feuerwehren angefangen über das Rote Kreuz bis hin zu den sozialkaritativen Vereinen, Sportvereinen und Musikvereinen – diese unbürokratische Lösung getroffen haben. All diesen Funktionären und Funktionärinnen, die sich dafür hergeben, Feste zu veranstalten und dafür stundenlang und tagelang zu arbeiten, um das erwirtschaftete Geld wieder zum Wohle der Öffentlichkeit einsetzen zu können, möchte ich an dieser Stelle Dank sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Bemerkung möchte ich auch zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Peter machen, der gemeint hat, daß der Gesangsverein einen Ausflug nach Amerika gemacht hat: Soweit ich die Erträge aus solchen Festen kenne, dürfte es sich dabei nur um ein Quartett oder gar nur um ein Duo gehandelt haben, denn so viel kann man dort nicht verdienen, daß man damit


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nach Amerika fahren kann! (Abg. Mag. Peter: Lieber Freund! Dann kennen Sie die Zeltfeste nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin, wie bereits gesagt, froh darüber, daß wir diese Lösung gefunden haben. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Herr Abgeordneter Haigermoser, auch zu Ihnen eine Bemerkung: Daß Sie die Getränkesteuerabschaffung mit diesem Gesetz junktimieren wollen, zeigt mir, daß Sie nicht sehr viel Ahnung von Gemeindefinanzen haben! Oder wollen Sie, daß die Gemeinden nur mehr fremdbestimmte Finanzen zur Verfügung haben, was dann wiederum – wie Herr Auer es schon gesagt hat – den Vereinen auf den Kopf fallen würde? – Ich danke nochmals für diese gemeinsame Lösung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist Herr Abgeordneter Marizzi. Nur 2 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.45

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Auer! Man muß doch die Kirche im Dorf lassen! Ich bin froh, daß sich in der ÖVP die Realpolitiker durchgesetzt haben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang dem Klubobmann, Kollegen Heindl und vor allem auch Frau Mag. Hans dafür danken, daß sie diese Änderungen zustande gebracht haben. Daran muß man auch einmal denken, denn es war, wie ich mich erinnern kann, eine schwierige Diskussion mit der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun komme ich auf die Freiwilligen Feuerwehren zu sprechen: Bei uns in Österreich kommen auf eine Million Einwohner acht Brandtote, in Amerika und in England, wo es nur Berufsfeuerwehren gibt, ist die Zahl dreimal so hoch. Ich glaube, daß wir auf diese Bilanz stolz sein können, zumal die Freiwilligen Feuerwehren kostenlos Dienst an der Bevölkerung leisten!

Herr Kollege Peter! Sie haben gemeint, daß die Freiwilligen Feuerwehren keine Steuer zahlen. Dazu möchte ich Ihnen einige Zahlen nennen: Die Freiwilligen Feuerwehren in Niederösterreich investieren 500 Millionen Schilling selbst, 300 Millionen Schilling bekommen sie von den Gemeinden, und sie zahlen für ihre Investitionen 83 Millionen Schilling Umsatzsteuer. Herr Kollege Peter! Das ist doch nicht so wenig! Somit sind sie ja auch kein schlechter Steuerzahler! (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) – Warten Sie, Herr Kollege Peter, ich bin noch nicht fertig!

Sie haben gesagt, daß es mit den Zeltfesten Probleme gibt, weil durch diese der Gastronomie viel Geld entgeht. Dazu möchte ich Ihnen sagen, was ich mir ausgerechnet habe: Wenn wir die Freiwilligen Feuerwehren nicht hätten, dann müßten wir für die Feuerwehren fast soviel an Steuern aufbringen wie für das Bundesheer, nämlich 20 Milliarden Schilling! Herr Kollege Peter! Wo sollten wir das Geld hernehmen? – Deshalb sind wir stolz auf die Freiwilligen Feuerwehren, stolz auf diese Feste und stolz auf den heutigen Tag! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Smolle: Das ist ja Demagogie!)

20.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.47

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu den Zeltfesten aus der Sicht des Sports machen.

Es gibt in diesem Land rund 12 000 Sportvereine mit rund 100 000 ehrenamtlichen Funktionären und rund 2 Millionen im Sport Aktiven, und wie die Freiwilligen Feuerwehren leisten auch die Sportvereine unbestrittenermaßen einen Beitrag für die Allgemeinheit, der ihnen nicht abgegol


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ten wird oder abgegolten werden kann. Um die dafür notwendigen Mittel aufzubringen, dienen unter anderem die Sporttage, die Zeltfeste und anderes mehr.

Wie war es bisher? – Schon bisher haben viele dieser 12 000 oder 13 000 Sportvereine in Österreich eintägige oder zweitägige Festveranstaltungen abgehalten, manche unter Einschaltung eines Gewerbetreibenden, manche ohne Einschaltung eines Gewerbetreibenden. Und wie wird es in Zukunft aufgrund der neuen Regelung sein? – Diese Sportfeste beziehungsweise Zeltfeste werden wieder stattfinden, manche Vereine werden sich der Unterstützung der Gewerbetreibenden bedienen, und manche Vereine werden ihre Feste ohne Gewerbetreibenden abhalten. Es wird sich also – und das möchte ich hier vermitteln – im Prinzip nichts ändern! Daher wird es auch nicht zu den befürchteten Einbußen, die Kollege Peter prophezeit hat, kommen. (Abg. Mag. Peter: Ich werde Sie daran erinnern!) Es wird dazu nicht kommen, denn es wird jetzt lediglich das, was bisher schon Realität war, durch eine Gesetzesänderung legalisiert. Ich meine, daß das notwendig war und daß das gut ist! Im Sinne der im Sport Aktiven – nochmals: es sind 12 000 Sportvereine, 100 000 ehrenamtliche Funktionäre und 2 Millionen Sport Ausübende – begrüßen wir diese Novelle! (Beifall bei der SPÖ.)

20.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. (Abg. Rosemarie Bauer: Jetzt bin ich gespannt, Herr Kollege, ob Sie das in so kurzer Zeit schaffen!)

20.49

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht zu den Zeltfesten reden, sondern zur Änderung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes.

In der heutigen Berichterstattung in den österreichischen Medien wird eine klare Antwort darauf gegeben, warum das Gelegenheitsverkehrsgesetz geändert werden soll: Aufgrund der Einführung der 0,5-Promille-Grenze sind die Unfälle zunächst zurückgegangen und wurden auch weniger alkoholisierte Lenker bei Kontrollen angetroffen. Nun sind die Zahlen jedoch wieder im Ansteigen begriffen, und daher sind weitere Maßnahmen gerechtfertigt.

Nach der Vorlage sollen nun Gäste von Gastgewerbetreibenden mit Kraftfahrzeugen vom eigenen Gastgewerbebetrieb zu Aufnahmsstellen des öffentlichen Verkehrs und umgekehrt oder von oder zu ihrer Unterkunft befördert werden können. Voraussetzung dafür ist eine Konzession für das Gästewagengewerbe. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. ) Kollege Peter! Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn wir das in Form eines Nebenrechtes hätten regeln können, aber in diesem Zusammenhang gab es auch andere Probleme. Ich erinnere nur an das Problem mit der Kfz-Haftpflichtversicherung!

Warum erfolgt diese Regelung im Land? – Im Land Salzburg wurden mehrere Gastgewerbetreibende, die öffentlich einen Heimtransport angekündigt hatten, von ihren eigenen Konkurrenten und vom Taxigewerbe verfolgt. Es gab Schreiben vom Schutzverband gegen den unlauteren Wettbewerb. Daher werden alle, die die Situation auf dem Land kennen, wo es kaum öffentliche Verkehrsmittel und kaum Taxis gibt beziehungsweise wo diejenigen, die ein Taxi bestellen, bereits für die Anfahrt 200 S und mehr bezahlen müssen, diese Regelung für gerechtfertigt halten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regelung ist als sinnvolle Maßnahme zur Hebung der Verkehrssicherheit und als konkreter Beitrag im Kampf gegen Trunkenheit am Steuer zu verstehen. Jeder Unfall, der dadurch verhindert werden kann, rechtfertigt diese Regelung. Diese Regelung ist aber auch als Beitrag zur Wahrung der österreichischen Wirtshauskultur zu verstehen, als Begleitmaßnahme zur 0,5-Promille-Regelung. – Ich darf Sie daher einladen, dieser Regelung zuzustimmen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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20.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Gleichfalls 2 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.51

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich glaube, daß wir insgesamt eine gute Regelung zustande gebracht haben: Einerseits haben wir für die Freiwilligen Feuerwehren im Rahmen des Verkehrsbereiches den Feuerwehrführerschein geschaffen und damit ein wichtiges Problem gelöst, andererseits haben wir nunmehr mit der Regelung für die Zeltfeste den Feuerwehrfrauen und -männern die diesbezüglichen Sorgen genommen.

Damit bei den Vereinen kein Mißbrauch getrieben wird, soll die Gemeinnützigkeit sehr klar in den Vordergrund gestellt werden. Daher sollten aus den Erträgen dieser Feste keine Juxreisen oder keine Urlaubsreisen finanziert werden; diese Erträge sollen vielmehr gemeinnützigen Zwecken zugute kommen, was bei den Freiwilligen Feuerwehren absolut gesichert ist.

Ich verweise auch noch auf die Regelung, die Kollege Maier schon angesprochen hat: Die Novelle des Gelegenheitsverkehrsgesetzes ist ebenso wie die Zeltfestregelung eine Regelung für die Peripherie, für die Gemeinden auf dem Land, mit welcher man eine Möglichkeit bietet, daß sich die Gastwirte verstärkt um ihre Kunden kümmern. Es hat sich schon herausgestellt, daß diejenigen, die sich engagieren, auch entsprechenden Zuspruch haben.

Meine Damen und Herren! Was ich bedauere, ist, daß eigentlich alle Parteien letztlich zu einem Standpunkt gefunden und sich dazu bekannt haben – auch Kollege Peter –, daß aber die Freiheitlichen, was wir aber schon gewohnt sind, wie bei der 0,5-Promille-Abstimmung einen Ausweg gesucht, in Wirklichkeit die Flucht ergriffen und eine Entscheidung durch irgendwelche Forderungen, die sie aufstellten, vermieden haben. (Abg. Blünegger: Das stimmt ja nicht!) Sie haben sich wieder einmal vor einer Entscheidung gedrückt. Wenn es brenzlig wird, ziehen Sie sozusagen den Schwanz ein! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich noch Frau Abgeordnete Tichy-Schreder zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.53

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Feuerwehrkommandanten! Meine sehr geehrten Herren! Sie alle auf der Galerie haben sich durchgesetzt, und zwar in voller Länge durchgesetzt! (Abg. Gaál: Gegen die ÖVP!)

Meine sehr geehrten Herren! Ich bin mit der Regelung, die getroffen wird, vom demokratiepolitischen Standpunkt nicht ganz einverstanden, weil man versucht hat, verschiedene Gruppen mit aller Vehemenz gegeneinander aufzuwiegeln. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. ) Herr Klubobmann Kostelka! Sie selbst haben oft gesagt, daß Sie kein Mann der Zeltfeste sind. – Ich gehe gerne auf Zeltfeste, auch auf Zeltfeste der Freiwilligen Feuerwehr, und ich habe auch in meiner Verwandtschaft Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Smolle ), was ich jedoch möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Gerechtigkeit, und ich halte es vom demokratiepolitischen Standpunkt her für nicht sehr klug, meine Herren, daß Sie sich – verzeihen Sie! – mit Ihren Muskeln durchgesetzt haben! Ich bin eine Frau, die gerne tragfähige Kompromisse schließt, und ich meine, daß man auf Kosten einer Organisation nicht alles durchsetzen kann.

Ich wehre mich gegen diese Regelung, weil ich meine, daß man die Gastwirte, die sehr viel zur Lebenskultur in unserem Land beitragen, nicht einfach beiseite schieben kann. Ich wünsche mir von Ihnen, meine Herren, daß Sie gemeinsam mit den Gastwirten agieren – und ich weiß, daß das in manchen Bundesländern hervorragend funktioniert hat –, denn diese haben die entsprechenden Erfahrungen aufgrund des Gewerberechtes, sie unterliegen betriebsmäßigen und lebensmittelrechtlichen Überprüfungen und so weiter.

Ich glaube, daß wir uns gemeinsam gegen den Pfusch dort und da bekennen sollten. Bei dieser Regelung tun wir das nicht! Da dieses Thema emotionalisiert ist, gehen wir mit einem Augen


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zwinkern über einiges hinweg. Da erlauben wir, daß keine Steuer bezahlt wird, bei anderen sind wir hingegen sehr streng.

Meine Herren! Ich möchte Sie einladen, auf die Gastwirte zuzugehen und mit ihnen gemeinsame Feste zu veranstalten. Österreich ist ein Land der Feste!

Ich wünsche mir noch etwas, meine Herren! Ich weiß Ihre Arbeit zu würdigen, ich weiß, was Sie leisten und daß Sie bei Tag und Nacht einsatzbereit sind. Mir ist klar, daß Sie dafür modernstes Gerät brauchen. Bitte verzeihen Sie mir dennoch die Frage: Müssen überall, in jedem Ort, sogenannte Gammaknives sein? Können Sie nicht miteinander kooperieren und die Geräte, die wichtig und notwendig sind, sinnvoll gemeinsam nützen? Ich glaube, daß wir gemeinsam – das sage ich ganz bewußt –, weil die Politik ... (Abg. Dr. Mertel: Reden Sie eigentlich mit uns oder mit der Galerie?) Ich spreche mit der Galerie, denn es geht mir darum, daß wir in Zukunft mit den Herren von der Freiwilligen Feuerwehr miteinander agieren und nicht gegeneinander.

Aus diesem Grund, weil wir nach meinem Begriff von Politik nicht aus reiner Emotionalität heraus handeln, sondern mit Vernunft Kompromisse suchen sollten, kann ich zu Punkt eins meine Zustimmung nicht geben. Daher werde ich bei der Abstimmung hinausgehen. Denn aus demokratiepolitischen Gründen möchte ich nicht die einen gegen die anderen – Hunderttausende sind es bei den Freiwilligen Feuerwehren, und bei den Gastwirten sind es 70 000 mit Familienangehörigen – aufwiegeln, sondern gemeinsame Lösungen suchen.

Daher geht mein Appell an die Feuerwehrkommandanten – und ich weiß, daß das nicht vergebens ist –: Seien Sie kompromißbereit und gehen Sie in Zukunft auf die Gastwirte zu, damit eine gemeinsame Lösung gefunden wird! (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)

20.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Wir kommen zur Abstimmung, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen. Herr Abgeordneter Wabl! Geruhen, an der Abstimmung teilzunehmen? – Dann bitte ich Sie, Platz zu nehmen!

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1308 der Beilagen.

Abgeordneter Mag. Peter hat hiezu ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Der bisherigen Praxis folgend werde ich so vorgehen, daß wir zunächst über jene Teile abstimmen werden, die von dem Verlangen auf getrennte Abstimmung erfaßt sind, und danach über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen werden.

Wir stimmen jetzt ab über Art. I Z. 2 bis 7 und Art. II in der Fassung des Ausschußberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil des Gesetzentwurfes ist mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche auch diesfalls jene Damen und Herren, die zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen jetzt zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf in dritter Lesung zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haigermoser und Genossen betreffend die Notwendigkeit der Abschaffung der Getränkesteuer.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Gegen eine gewisse Kommunikation des Plenums mit der Galerie ist nichts einzuwenden, diese sollte aber nicht überhandnehmen, wenn ich mir diese Feststellung erlauben darf!

8. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über die Petition Nr. 4 betreffend "Die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen", überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Helene Partik-Pablé, Klara Motter und Mag. Walter Guggenberger (1268 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, sodaß ich sofort als erster Rednerin in dieser Debatte Frau Abgeordneter Haidlmayr das Wort erteile. Ist die Frau Abgeordnete auf dem Weg hierher? – Nein. Die Wortmeldung findet nicht statt.

Daher gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort. Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.02

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Petition über die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen sollte im Wirtschaftsausschuß behandelt werden, sie ist aber von dort an den Sozialausschuß verwiesen worden. Ich möchte all jenen, die im Wirtschaftsausschuß waren, sagen: Damit, daß diese Petition an den Sozialausschuß übertragen wurde, haben Sie den Einbringern dieser Petition diametral entgegengewirkt, und Sie haben damit auch bewiesen, daß Sie nicht bereit sind, eine Sache in jenem Ausschuß, den es betrifft, zu behandeln, entweder weil Sie kein Interesse daran gehabt haben oder weil Sie keine Ideen und keine Zeit gehabt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Tichy-Schreder! Ich möchte Sie persönlich ansprechen, weil Sie ja Ausschußvorsitzende sind: Glauben Sie, daß es sich, wenn auf einer Petition oder einem Antrag "Behinderter" steht, dabei automatisch um Sozialfälle handelt und dieser Antrag automatisch in den Sozialausschuß gehört? – Das ist ganz einfach falsch! Die Einbringer dieser Petition haben eindeutig gesagt, was sie geändert haben wollen. Sie haben eindeutig die Mängel aufgezeigt, die lernschwachen Jugendlichen auf dem Weg zur Berufstätigkeit entgegenstehen! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt in diesem Zusammenhang zum Beispiel Probleme mit den Berufsschulen betreffend das eingeschränkte Ausbildungsangebot, und diese sind wirklich keine Angelegenheit des Sozialausschusses! (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. ) Frau Tichy-Schreder! In diesem Zusammenhang geht es um die unzureichende Berufsvorbereitung, und das ist keine Angelegenheit des Sozialausschusses, sondern entweder eine des Wirtschaftsausschusses oder bestenfalls eine des Unterrichtsausschusses. Ich finde, daß es einfach nicht richtig ist, daß man dem Sozialausschuß ganz einfach alles hinhaut, was mit Behinderten zu tun hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch etwas stört mich: Die Wirtschaft hat damit dokumentiert, daß sie offensichtlich nicht bereit ist, sich mit Menschen auseinanderzusetzen, die nicht hundertprozentig "funktionieren", die gewisse Schwierigkeiten haben. Die Wirtschaft kann offensichtlich nur mit Menschen umgehen, die erstklassig funktionieren, bei denen es keine Schwierigkeiten gibt, die der Gewinnmaximierung in die Hände arbeiten, Umsatzsteigerungen bringen und so weiter. Dafür habe ich durchaus Verständnis. Aber ich meine, daß die Wirtschaft auch die Verpflichtung hat, sich mit


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einem Antrag auseinanderzusetzen, in welchem es darum geht, daß man auch Personen, die keine hundertprozentige Leistung erbringen, die Möglichkeit einer Berufslaufbahn gibt.

Wenn es Ihnen in den Kram paßt, dann sagen Sie immer, daß nicht die Regierung Arbeitsplätze schafft, sondern die Wirtschaft. Wenn es aber um ein solches Problem geht, dann wollen Sie offensichtlich plötzlich, daß der Sozialausschuß Arbeitsplätze für Behinderte schafft. – Ich würde Ihnen empfehlen: Befassen Sie sich mit diesem Antrag im Wirtschaftsausschuß! Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé betreffend Rückverweisung gemäß § 71 GOG-NR

Der Nationalrat wolle beschließen, die Petition Nr. 4 betreffend "Die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen", überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Helene Partik-Pablé, Klara Motter und Mag. Walter Guggenberger, in der Fassung des Ausschußberichtes 1268 der Beilagen, zur weiteren Behandlung an den Wirtschaftsausschuß rückzuverweisen.

*****

Der Wirtschaftsausschuß ist dafür zuständig, daß Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden und daß auch lernbehinderten Jugendlichen ein Weg in die Berufstätigkeit offensteht! (Beifall bei den Freiheitlichen)

21.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.05

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zuweisung der Petition Nr. 4 an den Sozialausschuß halte ich für völlig verfehlt, denn dabei geht es grundsätzlich um die Ausbildung und um die Schaffung von Arbeitsplätzen für lernbehinderte Menschen, und das hat nichts mit dem Bereich Soziales zu tun, sondern ist ausschließlich eine Frage der Gestaltung von Lehrplänen in Berufsschulen beziehungsweise eine Frage der Gestaltung von Arbeitsplätzen in der Wirtschaft über reguläre Arbeitsplätze. Man kann es sich nicht so einfach machen, daß man hergeht und dieses Thema automatisch an den Sozialausschuß verweist, mit der Begründung, daß es um Lernbehinderte geht. Bei diesem Personenkreis handelt es sich nicht um lernbehinderte, sondern ausschließlich um lernschwache Menschen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Damit soll doch nichts anderes erreicht werden – so wie Herr Bösch das in dieser Petition auch will –, als daß jemand, der schwach ist, automatisch als behindert deklariert wird, damit man an die Mittel des europäischen Sozialfonds kommt. Deshalb werden lernschwache Menschen als behindert abqualifiziert.

Ich habe das im Jahre 1995, ganz am Anfang meiner Tätigkeit als Abgeordnete, mit unterschrieben, weil ich Ihnen, Herr Feuerstein, vertraut habe, als Sie mir das vorgelegt und gesagt haben, daß ich das gleich unterschreiben soll, weil Sie es gleich wieder brauchen. Damals habe ich in diesem Hohen Haus noch darauf vertraut, daß zumindest die Sozialsprecher der einzelnen Fraktionen die Integration behinderter Menschen wollen! Deshalb habe ich das unterschrieben, aber ich bin sehr schnell eines Besseren belehrt worden. Ich habe das in Diskussionen schon mehrmals angesprochen: Ihnen geht es großteils nicht um die Integration, sonder Sie wollen die Aufrechterhaltung der Aussonderung. Jetzt habe ich diese Petition nicht mehr mit unterschrieben, weil es dabei ganz konkret um eine Aussonderungsmaßnahme geht.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, diese Petition niemals an den Sozialausschuß zuzuweisen, denn dort hat sie eindeutig nichts verloren! Die Zuweisung hat an den Unterrichtsausschuß zu erfolgen, und wenn Sie meinen, daß sie dort auch nicht hingehört, dann hat sie im Wirtschaftsausschuß zu verbleiben. Die Wirtschaft soll sich gefälligst etwas einfallen lassen, um die


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Situation von lernbehinderten Jugendlichen zu verbessern und ihnen Arbeitsplätze zu geben! Die Weiterverweisung an den Sozialausschuß würde nichts anderes bedeuten, als daß Sie sich mit der Situation lernbehinderter Jugendlicher – um ehrlich zu sein – gar nicht auseinandersetzen wollen. Weil Sie diese Petition halt schon unterschrieben haben, Ihnen das Anliegen der Petition aber gar nicht wichtig ist, wollen Sie diese jetzt im Kreis schicken! Mir ist es jedoch wichtig, daß diese Petition, wenn sie schon da ist, zumindest dort behandelt wird, wo sie hingehört, und das ist nicht der Sozialausschuß! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

21.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Daher ist die Debatte geschlossen.

Da es kein Schlußwort der Frau Berichterstatterin gibt, treten wir in das Abstimmungsverfahren ein. – Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, die Petition Nr. 4 betreffend die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen an den Wirtschaftsausschuß rückzuverweisen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, seinen Bericht 1268 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie dieser Kenntnisnahme zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Ich weise die Petition Nr. 4 dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1200 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (1342 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.11

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle, mit der das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird, regeln wir in erster Linie Probleme, die im Rahmen des Inverkehrbringens von Düngemitteln in der Praxis beim Vollzug entstanden sind.

Das derzeit geltende Düngemittelgesetz bezieht sich nur auf nichtmineralische Düngemittel und schließt neue Düngemittel vom individuellen Zulassungsverfahren aus. Praktisch hatte das die Auswirkung, daß bestimmte mineralische Düngemittel zur Behebung von bestimmten Mangelerscheinungen nur schwer in Verkehr gebracht werden konnten. Bisher mußten mineralische Dünger in der Typenliste dieses Gesetzes enthalten sein. Eine Aufnahme in diese Typenliste war nur mittels Verordnung möglich. Sie waren vom individuellen Zulassungsverfahren – sprich: von der Möglichkeit, mit Erlassung eines Bescheides einen mineralischen Dünger zuzulassen – ausgeschlossen.


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Generell gilt: Produkte, die dem Düngemittelgesetz unterliegen, sollen gleichbleibende Qualität aufweisen und für Mensch, Tier und Umwelt ungefährlich sein. Auch soll die Wahrscheinlichkeit, daß die dem Düngemittelgesetz unterliegenden Produkte noch unbekannte, gefährliche Stoffe enthalten, sehr gering sein. Durch die Möglichkeit der Zulassung von mineralischen Düngemitteln in Bescheidform anstatt durch Verordnung kommt es zu keinem umweltpolitischen Rückschritt, da auch Düngemittelprodukte, die einer Erstzulassung in Bescheidform unterliegen, grundsätzlich die allgemeinen Anforderungen der Düngemittelverordnung erfüllen müssen.

Durch ein solch individuelles Zulassungsverfahren soll vorweg geklärt werden, ob ein Düngemittel die Zulassungsvoraussetzungen hinsichtlich bestimmter Mindesterfordernisse erfüllt: ob zum Beispiel die Gesunderhaltung des Bodens gewährleistet ist, ob die Auswirkungen der enthaltenen unbekannten Stoffe gering, gefährlich oder eher sehr gefährlich sind oder ob sonstige Nebenwirkungen und Belastungen abzuschätzen sind. All das muß geklärt werden, bevor ein Düngemittel erzeugt und in Verkehr gebracht wird, egal, ob die Zulassung durch Verordnung oder durch Bescheid erfolgt.

Die notwendige Änderung des § 9a erleichtert das Inverkehrbringen von mineralischen Düngemitteln. Das Zulassungsverfahren für die neuen Produkte ist wesentlich einfacher und bewirkt eine schnellere Verkehrsfähigkeit. Ebenso wird mit der heutigen Novelle die Übergangsfrist für Düngemittel auf weitere fünf Jahre verlängert. Gleichzeitig erfolgt dadurch eine Angleichung an die Bestimmungen des Chemikaliengesetzes.

Neu ist auch die Übertragung verschiedener Vollzugsaufgaben an das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft. Die Folge ist eine weitere Verkürzung der Verfahrensabläufe. Auch diese Verwaltungsvereinfachung bedeutet sowohl für die Verwaltung als auch für die Wirtschaft eine äußerst sinnvolle Erleichterung.

Zusammenfassend kann man festhalten, daß durch das heutige Bundesgesetz eine Klarstellung im Vollzug und im Vollzugsverfahren erfolgt. Daher begrüße ich diesen weiteren Schritt in Richtung Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es erscheint mir wichtig, hier noch folgendes anzuführen: Grundsätzlich kann man den Düngemittelverbrauch in Österreich positiv hervorheben. Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der EU im Jahr 1992 hat einen beträchtlichen Rückgang in der Anwendung bewirkt. Auf der einen Seite stehen die Biobauern, die nur bestimmte, wenige Düngemittel verwenden dürfen. Auf der anderen Seite verpflichtet die Teilnahme am ÖPUL – das heißt, am österreichischen Umweltprogramm – auch die konventionell wirtschaftenden Betriebe zu einem mäßigen Düngemittelverbrauch. Im großen und ganzen kann man daher von einem Erfolg im Umweltbereich sprechen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Deshalb begrüße ich diese Rechtsanpassungen im Düngemittelgesetz und gebe gerne meine Zustimmung dazu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.15

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht heute um die Novellierung des Düngemittelgesetzes. Ich bin nicht ganz auf deiner Seite, lieber Freund Freund Karl! Ich denke, daß die Frage Klärschlamm, in der es Probleme gibt, ehestens in Angriff genommen werden muß. Wir warten schon sehr lange auf eine diesbezügliche Verordnung. Ich gehe davon aus, daß wir noch heuer im Herbst in dieser Angelegenheit zu einer Lösung kommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein paar Gedanken zur Problematik beim Klärschlamm vorbringen, da sie uns schon einige Zeit begleitet und da es in dieser Frage offensichtlich noch immer zu keiner Lösung gekommen ist. Ein paar


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Fakten dazu: Wir wissen, daß pro Jahr knapp 4 Millionen Kubikmeter Klärschlamm aus der Behandlung kommunaler Abwässer anfallen. Da es keine bundesweite Regelung gibt – darin besteht letztlich dieses Problem –, die die landwirtschaftliche Ausbringung regelt, bleiben die Kommunen auf einem wachsenden Berg von Klärschlamm sitzen. Diese Problematik zieht sich jetzt schon einige Zeit hin. Bereits im Jahre 1994 wurde viel und intensiv darüber diskutiert. Wir haben in diesem Punkt jedoch bis heute noch keine Lösung gefunden, und das ist meiner Ansicht nach ein sehr unbefriedigender Zustand.

Es gibt zwar ein paar Ansätze auf Landesebene, sie sind aber nicht ausreichend. Von den neun Bundesländern haben etwa sechs Länder Regelungen, die die Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft ermöglichen. Ich möchte nicht verschweigen, daß Niederösterreich in diesem Bereich die höchsten Standards hat und die weitestgehenden Umsetzungen durchführt. Man muß dabei aber auch die Relation im Auge behalten. Es geht da immer nur um ganz kleine Mengen. So können in Niederösterreich nur 12 Prozent des anfallenden Klärschlamms wieder in die Kreislaufwirtschaft eingebracht werden.

Ich möchte darauf hinweisen, daß es in diesem Bereich auch in Vorarlberg besonders gut funktioniert. Dort spielt selbstverständlich ebenfalls die Größenordnung eine wesentliche Rolle, und deshalb ist es leichter. Es gibt aber auch internationale Beispiele, die zeigen, wie an dieses Problem herangegangen wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Seit dem Jahre 1986 gibt es in der Europäischen Union eine Regelung betreffend Verwendung von Klärschlamm. Dabei ist bemerkenswert, daß gerade diese Richtlinien ausdrücklich strengere nationale Maßnahmen zulassen. Wie schaut es aber in unseren Nachbarstaaten aus? – Die Bundesrepublik Deutschland ist schon im Jahre 1992 von der Länderregelung, wie wir sie noch immer haben, abgegangen und setzt heute die EU-Standards in Form einer bundeseinheitlichen Verordnung um. Deshalb meine ich: Das muß auch bei uns möglich sein, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß das Umweltbundesamt im Vorjahr zu diesem Thema eine umfassende Studie gemacht hat. Die Ergebnisse dieser Studie sind eindeutig: Darin wird festgehalten, daß der überwiegende Anteil des anfallenden Klärschlamms durchaus für die Aufbringung auf die landwirtschaftlich genutzten Felder geeignet ist. Ich meine daher, daß diese Möglichkeit mit aller Vehemenz vorangetrieben werden muß. Mehr als vier Jahre der Diskussion sind meiner Ansicht nach genug. Es geht darum, eine bundeseinheitliche Regelung zu schaffen und selbstverständlich in Form einer Verordnung umzusetzen.

Ich darf heute hier noch daran erinnern, daß vor vier Jahren der ehemalige Landwirtschaftsminister und heutige EU-Kommissar Fischler diese Verordnung zugesagt hat. Wir haben sie leider noch immer nicht bekommen.

Wir brauchen nämlich endlich einheitliche Qualitätskriterien. Es ist jedoch kein guter Lösungsansatz, dieses Problem zu den Ländern hin zu verlagern.

Wir erblicken in der vorliegenden Novellierung des Düngemittelgesetzes einen ersten wichtigen Schritt zu einer guten Lösung und werden daher dieser Novelle unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Auer. )

21.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.20

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Wimmer! Ihre Anliegen in der Frage Klärschlamm kann ich nachvollziehen. Allerdings müssen Sie den Bauern eines auch zugestehen: Sie sagen, daß der überwiegende Anteil des Klärschlamms als Dünger geeignet ist – da gebe ich Ihnen recht –, aber sozusagen das Restrisiko der Landwirt trägt. Daß daher die Landwirte sehr vorsichtig geworden sind, weil


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sie nicht letztlich wieder als die Umweltverschmutzer der Nation dastehen wollen, müssen Sie den Bauern ebenfalls zugestehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem Düngemittelgesetz stimmt die freiheitliche Fraktion auch zu. Meiner Meinung nach ist dieses Gesetz längst fällig gewesen. Aufgrund der bisherigen Gesetzeslage war es ja so, daß jene Landwirte, die nach dem EU-Beitritt bei Düngemitteln den freien Warenverkehr in der EU genützt haben, eigentlich gegen österreichische Gesetze verstoßen haben. Daher ist meiner Meinung nach diese Änderung des Düngemittelgesetzes jetzt, drei Jahre nach dem EU-Beitritt Österreichs, höchst an der Zeit. Sie wird wahrscheinlich deswegen erst jetzt vollzogen, weil die heimische Düngemittelindustrie ihre Altbestände inzwischen verkauft hat und jetzt sozusagen keine Geschäftseinbußen mehr zu befürchten hat.

Drei Jahre haben die Landwirte auf diese Änderung des Düngemittelgesetzes gewartet, drei Jahre warten sie jetzt auch schon auf die Mehrwertsteueranpassung. Der Schaden für die Bauern durch die Nichtanpassung beträgt im Jahr 1,7 Milliarden Schilling!

Während der Dünger als Betriebsmittel jetzt hoffentlich billiger werden wird, ist die versprochene Verbilligung beim Dieseltreibstoff noch immer nicht in Sicht, Herr Bundesminister! Sie schädigen die Bauern dadurch, daß Sie die Mehrwertsteueranpassung nicht durchführen und die Dieselpreise nicht senken und keine entsprechende Rückvergütung einführen, jährlich um einige Milliarden Schilling.

Herr Bundesminister! Ich habe in dieser Sache noch eine Frage an Sie, und zwar zur "Agenda 2000". Ich las in einem gestern erschienenen Magazin über Ihre Position, Herr Bundesminister, und über die Position der Bundesregierung zur Osterweiterung der Europäischen Union folgendes: Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer und Finanzminister Rudolf Edlinger hatten ihre Regierungskollegen in Form einer Tischvorlage, also kurz vor der Sitzung, davon informiert, weil man nicht wollte, daß die heiklen Fragen EU-Osterweiterung und "Agenda 2000" irgendwo zitiert werden, wie ein Minister zugibt. Die Regierung hatte sich zu dem Standpunkt durchgerungen, daß ein Teil der EU-Gelder, die bisher in die Töpfe der Landwirtschaft für strukturschwache Gebiete geflossen waren, für die Finanzierung der EU-Osterweiterung verwendet werden soll. Die Bauern würden in Zukunft also weniger, Grenzregionen, die gemeinsame Projekte mit den östlichen Nachbarn entwickeln, mehr bekommen.

Herr Bundesminister! Besonders bedenklich stimmt mich folgende Passage: Der EU-Landwirtschaftsminister Franz Fischler soll sich über den vernünftigen, aber nicht sehr populären Beschluß der Österreicher – also Ihren Beschluß – "narrisch gefreut" haben.

Herr Bundesminister! Welchen Beschluß haben Sie als Tischvorlage über die "Agenda 2000" vorgelegt, worüber sich ... (Abg. Schwarzböck: Mit der Antwort werden Sie jetzt keine Freude haben!) Nein, den Inhalt wüßte ich gerne! Davon wissen die Bauern nämlich nichts. (Abg. Schwarzböck: Mit der Antwort haben Sie keine Freude!) Sie treten in der Öffentlichkeit gegen die "Agenda 2000" auf, und der Herr Bundesminister legt mit Herrn Minister Edlinger als Tischvorlage zur "Agenda 2000" und zur EU-Osterweiterung ein Papier auf den Tisch, über das sich der Kommissar "narrisch freut". Da möchte ich sehr um Aufklärung bitten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Er wird Sie aufklären!)

21.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. (Bundesminister Mag. Molterer gibt ein Handzeichen. – Abg. Schwarzenberger: Der Herr Bundesminister hat sich gemeldet!) Entschuldigung; das scheint bei mir nicht auf. – Bitte, Herr Bundesminister.

21.24

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Düngemittelgesetz ist alles gesagt. Frau Abgeordnete Aumayr! Es wäre das erste Mal, daß die FPÖ dem "profil" hundertprozentigen Glauben schenken würde. Ich tue es nicht. (Abg. Aumayr: Ich frage Sie!) Sie werden nächste Woche im "profil" einen gemeinsamen Leserbrief von Rudolf Edlinger und mir finden, in welchem steht, daß dieser Bericht des "profils" nicht der Realität entspricht.


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Wahr ist vielmehr, daß Herr Kollege Edlinger und ich einen Ministerratsvortrag vorgelegt haben, in dem drinsteht, daß die finanzielle Grundlage für die Agrarpolitik in Zukunft die Agrarleitlinie ist und diese Agrarleitlinie außer Streit steht. Dies ist die gemeinsame Position der Bundesregierung. Es ist ebenfalls die gemeinsame Position der Bundesregierung, daß die Aufwendungen, die im Finanzrahmen der Union für die EU-Osterweiterung geplant sind, nur im Falle der EU-Osterweiterung tatsächlich zur Auszahlung kommen werden.

Das ist eine sehr vernünftige Vorgangsweise, auf die ich stolz bin, weil sie die Agrarleitlinie für die österreichischen Bauern außer Streit stellt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Jetzt ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Da vom Herrn Berichterstatter kein Schlußwort gewünscht wird, treten wir in das Abstimmungsverfahren ein. – Ich bitte, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1342 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1198 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird (1341 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schrefel. Er bringt eine Druckfehlerberichtigung zum verteilten schriftlichen Ausschußbericht 1341 der Beilagen vor. – Bitte, Herr Berichterstatter.

Berichterstatter Josef Schrefel: Ich berichtige einen Druckfehler im schriftlich vorliegenden Ausschußbericht 1341 der Beilagen und bringe folgendes zur Kenntnis: Unter Punkt 3 in § 61 Abs. 1 Z 6 hat nach dem Nebensatz "die nicht von gesunder Beschaffenheit sind" die Wortfolge "zum unmittelbaren menschlichen Verbrauch" zu entfallen, weil diese im Satz zweimal vorkommt.

Namens des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft stelle ich somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem Gesetzentwurf in 1341 der Beilagen unter Berücksichtigung der von mir soeben vorgebrachten Druckfehlerberichtigung die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Wir treten nun in die Debatte ein.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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21.29

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute wieder einmal das angeblich strengste Weingesetz der Welt. Dieses restriktive Weingesetz wurde als Anlaßgesetz im Zuge des Weinskandals konzipiert und sollte damals das schwer angeschlagene Image ... (Abg. Schwarzenberger: Mit sozialdemokratischer und freiheitlicher Beteiligung! – Abg. Schwarzböck: Mit freiheitlichen Stimmen!) Ja. Wenn Sie mir zuhören, dann werden Sie merken, daß ich die damalige Intention an und für sich nicht kritisiere. Sie war meiner Meinung nach richtig.

Dieses Gesetz sollte das schwer angeschlagene Image des österreichischen Weines wieder verbessern helfen. Es wurden damals Kontrollmechanismen vom Produzenten bis hin zum Konsumenten eingeführt. Es wurde sozusagen der gläserne Weinbauer geschaffen. Absichtsmeldungen bei Prädikatweinen, Erntemeldungen, Bestandsmeldungen per 30. April und 31. August beziehungsweise auch noch per 30. November wurden eingeführt. Trotzdem war ein laufend geführtes Kellerbuch genauso notwendig. Es wurden weiters bei Verkauf amtliche Transportbescheinigungen gefordert. Damit wurde eine lückenlose Kontrolle des Weines vom Lesegut Traube bis hin zum Konsumenten garantiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist daher unverständlich, daß trotz der angekündigten lückenlosen Kontrolle und entgegen anderen Versprechungen vor dem EU-Beitritt die Banderole bei Qualitätsweinen noch immer beibehalten worden ist. Anstelle der versprochenen Liberalisierung und Entbürokratisierung wurde eine zusätzliche Bestandsmeldung eingeführt. Es wurden Begleitpapiere bei der Beförderung von Weinen eingeführt. Unsere Weinwirtschaft wird seit Jahren nicht liberalisiert und wettbewerbsfähig gemacht, sondern sie wird meiner Meinung nach zu Tode reglementiert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kontrollen soll und muß es zweifellos geben, aber Schikanen, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Weinbauern behindern und sie in der heutigen schwierigen Zeit noch dazu viel Geld kosten, müssen abgeschafft werden.

Eine derartige Schikane, die die Bauern neben Zeit und Arbeit auch noch zirka 25 bis 30 Millionen Schilling kostet, ist die obsolet gewordene Banderole. Wie jeder Fachmann weiß – das wurde damals in den Ausschüssen auch zugegeben; meiner Erinnerung nach war es in den Beratungen 1995 –, war sie nie ein Qualitätskriterium – das Qualitätskriterium war die staatliche Prüfnummer –, sondern stets ein Mengenkontrollinstrument und ein Steuerpickerl.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als solches ist sie unnötig und nutzlos geworden: einerseits deshalb, weil im Zuge des gläsernen Weinbaus jeder Liter Wein erfaßt wird, und andererseits deswegen, weil Land- und Tafelweine von dieser mengenmäßigen Erfassung genauso wie ausländische Weine ausgenommen sind. Da diese vom Kleben der Banderole ausgenommen sind, ist sie auch kein Mengenkontrollinstrument mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die heutige Novelle bringt keine Liberalisierung und keine Verbesserung der Situation für unsere Weinbauern mit sich, sondern sie beschert ihnen zusätzliche Kontrollen bei Exporten von Prädikatwein in größeren Gebinden, sie beschert ihnen mehr Bürokratie, und sie verschärft die Strafbedingungen und den Strafrahmen.

All diese Maßnahmen treffen meiner Meinung nach vor allem die kleineren und mittleren, aber nicht die großen Weinbaubetriebe und auch nicht die Handelsunternehmen, denn diese können es sich richten. Sie lassen den Wein, bevor sie ihn auf den Markt bringen und die staatliche Prüfnummer beantragen, privat untersuchen und kommen dann bereits mit entsprechenden Untersuchungsergebnissen und mit dem Wissen, daß der Wein analytisch in Ordnung ist, zur Prüfstelle. Die kleinen Weinbauern, die das nicht wissen und für die sich Mängel bei der Untersuchung ergeben, haben aber Probleme und Strafsanktionen zu befürchten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitliche werden daher einer weiteren Verschlechterung der Situation unserer Weinbauern unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.33


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133. Sitzung / Seite 172

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Zweytick. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.33

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lieber Kollege Salzl! Soweit ich mich erinnern kann, war eine der absolut wichtigsten Maßnahmen nach dem Weinskandal 1985 die Einführung der Banderole zur Mengenkontrolle, denn Hauptverursacher waren jene Großbetriebe, die künstlichen Wein erzeugten. Zum Schutze kleiner und mittlerer Betriebe war das einfach notwendig, um das Image des österreichischen Weines zu sichern, zu halten und auszubauen. (Abg. Wabl geht zum Rednerpult, nimmt eine Weinflasche, die der Redner darauf abgestellt hat, an sich und geht in Richtung Ausgang. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Wabl klaut!)

Das war die erste wichtige Maßnahme, die der Gesetzgeber gesetzt beziehungsweise beschlossen hat. Ich meine, daß man das fairerweise eingestehen muß, zumal die Weinwirtschaft in Österreich gerade dadurch wieder einen Aufschwung erlebt hat. Seit dem Jahre 1985 sind Qualität und Image der österreichischen Weine wieder weltweit anerkannt.

Ich möchte dir folgendes sagen, lieber Kollege: Ein österreichischer Journalist hat im Jahre 1985 einen hochrangigen Politiker in Frankreich gefragt: Was sagen Sie zum österreichischen Weinskandal? – Daraufhin hat der Politiker hämisch gesagt: Ach so, Österreich hat auch Wein?

Auf all diese Aussagen hat die Bundesregierung schon 1985 und dann 1986 mit einem sehr strengen Gesetz reagiert. Heute sind wir soweit, daß wir nicht nur in Frankreich, sondern auch weltweit Preise verliehen bekommen. Das gute Image der österreichischen Weine ist wiederhergestellt, und unsere Weine sind mittlerweile sehr berühmt. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Mag. Peter. )

Nun eine kurze Bemerkung zum Vorschlag der Freiheitlichen: Ich kann es mir nicht vorstellen, daß das, was Sie vorschlagen, sinnvoll wäre, ja ich meine, daß es sogar sehr gefährlich wäre, das umzusetzen, was Sie hier beantragen. (Zwischenruf der Abg. Aumayr. ) Liebe Frau Aumayr! Ich glaube, daß du da nicht viel mitreden kannst.

Jetzt komme ich zu dem Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird. Mit dem vorliegenden Bundesgesetz tritt eine weitere wichtige Ausbaumaßnahme zur Sicherung der Qualität des österreichischen Weines in Kraft. Schwerwiegende Tatbestände – wie gesundheitsschädlicher Wein, Wein, bei welchen unzulässige önologische Verfahren angewendet wurden, und Wein, der gewässert worden ist – werden vom bestehenden EU-Recht erfaßt.

Das heißt, daß diese Überschreitungen jetzt auch strafgerichtlich zu ahnden sein werden, und das führt zu weiteren, verschärften Strafen. Es ist an der Zeit, daß man das endlich novelliert. Wenn die Strafen schärfer werden, wird sicherlich auch die Gefahr eines neuen Weinskandals wirkungsvoller unterbunden werden können. Kleinere Vergehen werden weiterhin als Verwaltungsübertretungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis zu 100 000 S geahndet werden.

Man muß sagen, daß dies eigentlich den Wünschen der Konsumenten und ebenso jenen der Produzenten, aber auch jenen der Weinwirtschaft entspricht. Es wurde bereits massiv gefordert, die Strafen für Fälle, in welchen Wein gewässert wird, deutlich zu verschärfen, um die Gefahr eines neuerlichen Skandals in unserer Weinwirtschaft abzuwehren. Die Folgen eines zweiten derartigen Weinskandals würden in die Höhe von zighundert Millionen Schilling gehen und könnten mit nichts mehr, auch nicht mit einem darauf folgenden schärferen Weingesetz, gutzumachen sein, um die Rehabilitierung zu erreichen. Ein zweiter solcher Skandal unserer Weinwirtschaft wären einfach fatal.

Wir haben das erlebt und wissen, wovon wir sprechen. Daher ist diese Angleichung an EU-Recht richtig. Sie erfolgt nicht nur im Interesse der Produzenten, sondern auch im Interesse der Konsumenten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Müller. )


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Die kleinen Übertragungsfehler – das möchte ich ebenfalls betonen –, die im Analyseverfahren in Labors oder auch beim Drucken von Etiketten geschehen – sie entstehen nicht immer auf seiten des Winzers, sondern werden von anderen Leuten, im Labor oder in Etikettendruckfirmen, verursacht –, können weiterhin ohne mehr Bürokratismus über nationale Verordnung geregelt werden. Es würde sonst der Produzent, also der Weinbauer, und nicht der Verursacher bestraft werden. Nach der Anpassung an das EU-Recht wäre das für die österreichische Weinwirtschaft ein unhaltbarer Zustand.

Seit dem Weinskandal 1985 wurde mit dem strengeren Weingesetz wirklich hervorragende Aufbauarbeit geleistet. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß Österreich dadurch mit seinen Spitzengewächsen seinen Ruf europa- und weltweit wiederherstellen konnte und vor allem sein Image auf dem Weißweinsektor wiedererringen beziehungsweise große internationale Qualitätserfolge für Österreich einheimsen konnte. Jüngstes Beispiel: Die "VieVinum" in Wien war ein Riesenerfolg, wie auch die in der ausländischen Presse für den Wein zuständigen Journalisten nachdrücklich bestätigen, wenn sie sagen: Das ist europaweit die schönste, aber auch beste und höchste Qualität garantierende Veranstaltung.

Das ist wichtig für Österreich, weil nicht nur die Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Hofburg ausschlaggebend war, sondern vor allem auch der Inhalt, der dort ausgeschenkt wurde. 1997 ist ein Herzeige-Jahrgang in Europa, der meiner Ansicht nach in hohem Maß von den Weißweinen Österreichs dominiert wird. Ich möchte hier einmal pauschal allen Winzern Österreichs gratulieren! (Beifall bei der ÖVP.)

Auch die heutige Novelle zum Weingesetz ist als weiterer Teil dieses Bestrebens zu werten. Sie sichert den Qualitätsweinbau, aber auch den Schutz unseres Weinmarktes und der österreichischen Weinwirtschaft.

Ich wollte zu diesem Thema nicht nur eine Rede halten, sondern habe mir erlaubt, meinen Beitrag auch ideell zu leisten. Das heißt, ich habe eine spezielle Cuvée abgefüllt, Jahrgang 1997, mit dem Emblem des österreichischen EU-Vorsitzes. Es ist eine besondere Cuvée aus Sauvignon und Chardonnay. Ich darf mich damit bei Herrn Landwirtschaftsminister Molterer für seine harte, aber faire Haltung in der Weingesetzgebung bedanken, ihm zu den Erfolgen gratulieren, weil er daran meiner Ansicht nach maßgeblichen Anteil hatte, und ihm für die Zukunft alles Gute wünschen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klein. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Ruf: Hannes, du bist ein Jubelperser! – Abg. Dr. Fekter: Das war eine rassistische Bemerkung!)

21.39

Abgeordnete Anneliese Klein (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Vertreter der Regierungsparteien haben den Bauern die Notwendigkeit des EU-Beitritts eingeredet. In der Hülle des österreichischen Weingesetzes wird das EU-Weinreglement eingeführt, und zwar über die gerichtlich strafbaren Tatbestände. Wer also gegen eine der in Z 1 genannten EU-Bestimmungen verstößt, wird mit bis zu 6 Monaten Haft oder mit bis zu 360 Tagsätzen Geldbuße bestraft.

Warum wird der Entwurf für eine Reform der Europäischen Weinmarktordnung den kleinen Weinbauern vorenthalten und als bestgehütetes Geheimnis der europäischen Marktpolitik gehandelt? Weil mit Wein wie mit keinem anderen Produkt die Emotionen in der europäischen Agrarlandschaft geschürt werden können? – Ich glaube, daß die Geheimnistuerei nicht von ungefähr kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Reformvorschlag der Kommission aus dem Jahre 1994 endete mit einem Debakel. Hohes Haus! Sollte man nicht den kleinen Winzern die Möglichkeit geben, auch österreichische Interessen, die von Weinanbaugebiet zu Weinanbaugebiet unterschiedlich sind, mit einzubringen? Oder wird jetzt versucht, mehr denn je auf die Anliegen der südlichen Weinbauländer der EU, die ohnedies vom Klima begünstigt sind, Rücksicht zu nehmen?


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Der ausländische Weinanteil der im Supermarkt verkauften Weine ist in Österreich auf über 50 Prozent angestiegen. Sie selbst, Herr Bundesminister, haben im Ausschuß gesagt: Der 220 Milligramm-Grenzwert für Kalzium pro Liter Wein, der als Maßstab für die Stabilität des Weines gilt, ist unter Experten umstritten. – Ich frage Sie: Wie soll das der einfache Weinhauer dann wissen?

Durch die Bestimmungen in der EU werden Begriffe geändert, zum Beispiel der Begriff "trocken". Früher durfte man bei 3 Gramm Zucker in einem Liter Wein die Bezeichnung "trocken" verwenden. Der EU-Wein darf jedoch 9 Gramm Zucker enthalten und süß schmecken und weiter die Bezeichnung "trocken" tragen!

Es gibt immer mehr Vorschriften und bürokratische Hürden, der Gewinn der Bauern, vor allem der Kleinbauern, wird hingegen immer geringer. Ein Weinbauer kann bei der Prüfstelle sechs Proben, die kostenlos sind, vornehmen lassen. Für alle weiteren Proben muß der Weinhauer jedoch voll aus der eigenen Tasche zahlen, und das sind Tausende Schilling an Mehrbelastung, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch keinen Liter Wein verkauft hat. Ob er beim Verkauf Erfolg hat, kommt dann auf seine Tüchtigkeit an, und es fragt sich, ob ihm bei dieser Bürokratie dafür noch Zeit bleibt.

Der Betreiber einer Buschenschank muß bei der Anmeldung von drei Buschenschank-Terminen zu Beginn des Jahres dreimal 180 S zahlen, weil § 9 des niederösterreichischen Buschenschank-Gesetzes das vorsieht. – Ist das die Politik, die Sie verfolgen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Zweytick: Das ist ein Landesgesetz!) Das weiß ich!

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus den genannten Gründen lehnen wir Freiheitlichen diese Novellierung des Weingesetzes ab und verlangen ein neues Weingesetz, das für den Bauern verständlich und für den Konsumenten "bekömmlich" ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Achs. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.43

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zweytick hat dem österreichischen Weißwein das Wort geredet. Lieber Hannes! Die Roten sind auch nicht zu verachten, und vor allem sehr bekömmlich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. )

Meine Damen und Herren! Die heutige Novelle zum Weingesetz enthält notwendige Änderungen, die den guten Weg der heimischen Weinwirtschaft sichern sollen. Auf diesem Weg konnten in den letzten Jahren erfreuliche Entwicklungen genommen werden. So ist zum Beispiel das Vertrauen der heimischen Konsumenten in den österreichischen Wein gestiegen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben erkannt, daß die Qualität inländischer Weine jedem internationalen Vergleich standhält. Natürlich stellen wir mit 1 Prozent Weltmarktanteil mengenmäßig nur eine bescheidene Größe dar, aber in puncto Qualität kann sich Österreich mit den führenden Weinbauländern problemlos messen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit das so bleibt, meine Damen und Herren, muß in den nächsten Jahren eine solide Strukturreform Platz greifen, eine Reform, die einerseits den internationalen Entwicklungen gerecht wird und nötige Harmonisierungsschritte enthält, die es aber andererseits den heimischen Winzern auch ermöglicht, in Europa, ja weltweit eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Für die gute Entwicklung der vergangenen Jahre war sicherlich eine Vielzahl von Gründen und Faktoren ausschlaggebend. An vorderster Stelle möchte ich zwei Dinge nennen, und zwar die positive Aufbruchstimmung und die Reformfreudigkeit in großen Teilen der Weinwirtschaft. In den letzten Jahren wurde klar vor Augen geführt, daß die heimischen Winzer mehr denn je auf Innovation und auf Qualität der Produkte setzen. Das beginnt schon bei der Bereitschaft, sich bei der Produktion selbst Mengenbeschränkungen aufzuerlegen, das Wissen und Können bei der Veredelung zu erweitern, und reicht bis zu neuen professionellen Vermarktungsformen.


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Diese positiven Ansatzpunkte lassen deutlich erkennen, daß Österreich im Weinbereich gut unterwegs ist. Als Burgenländer kann ich heute sagen, daß es nicht nur in meinem Bundesland, sondern auch in allen Weinbau treibenden Bundesländern – ob in der Steiermark, in Niederösterreich oder in Wien – hervorragende Weine gibt. Die Gründe dafür liegen natürlich im gemeinsamen Bekenntnis zur Qualitätsphilosophie, und dieses gemeinsame Bekenntnis macht mich zuversichtlich, daß das Weinland Österreich Zukunft hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die heutige Novelle zum Weingesetz sieht eine straffe Einhaltung der EU-Normen und die Ausweitung der Kontrollen beim Tankexport von Prädikatwein vor. Damit ist gewährleistet, daß österreichischer Wein auch weiterhin das vollste Vertrauen im In- und im Ausland genießt. Wenn ich mich persönlich auch nie mit dem Gedanken anfreunden konnte, daß ein derart hochwertiges Produkt im Tank exportiert wird, muß man doch dem Gemeinschaftsrecht folgen und auf nationaler Ebene das Beste daraus machen, denn schließlich geht es darum, daß alles unternommen wird, um die Qualität heimischer Weine zu sichern. So gesehen sind die neuen Maßnahmen keineswegs als Schikanen zu werten, sondern vielmehr als Eigenschutz für die Winzer und als Garantie für die Konsumenten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß das Weinland Österreich heute international einen hervorragenden Ruf hat. Wir haben uns diesen Ruf sicherlich nicht dadurch erworben, daß in unserem Land seit Jahren Qualität nur gepredigt wird, sondern vielmehr deshalb, weil im Weinbau qualitätsverbessernde Maßnahmen tatsächlich Platz gegriffen haben und umgesetzt wurden. Damit einher gingen außerdem auch weitreichende strukturelle Anstrengungen, die in den Betrieben gemeistert werden konnten.

Wir Sozialdemokraten scheuen uns nicht, diese Leistungen ehrlich anzuerkennen, und wir werden weiterhin darum bemüht sein, daß die Vielzahl an kleinen und mittleren Betrieben nicht von einer agrarindustriellen Entwicklung überrollt wird, sondern auch in den kommenden Jahren gute Chancen im Wettbewerb haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren gesehen, daß dies möglich ist und daß gerade ein Land wie Österreich die besten Voraussetzungen dafür mitbringt, die Herausforderungen im Weinbereich auch in Zukunft erfolgreich zu meistern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Rednerliste ist erschöpft. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es erfolgt kein Schlußwort des Berichterstatters.

Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihren jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1341 der Beilagen, unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter vorgebrachten Druckfehlerberichtigung.

Im Falle Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bitte ich die Damen und Herren um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben möchten, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Petition Nr. 28 betreffend Saatgutgesetz 1997, überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic (1339 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 676/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium zur Teilnahme am ÖPUL II (1340 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Aumayr. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.51

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zur Petition Nr. 28 betreffend Saatgutkennzeichnung: Herr Bundesminister! Sie haben im Ausschuß gesagt, daß das Getreidesaatgut lückenlos gekennzeichnet ist. Auf meine Frage, wie es sich mit dem Gemüsesaatgut verhält, haben Sie gesagt, daß Sie einräumen müssen, daß es da eine andere Regelung gibt als beim Getreidesaatgut. Während nämlich gentechnisch verändertes Getreidesaatgut, das national zugelassen wurde, nur dann auch in der gesamten EU zugelassen wird, wenn es im EU-Sortenregister aufgenommen wurde, gilt das für das Gemüsesaatgut nicht. Da reicht es, wenn es eine nationale Zulassung gibt.

Herr Bundesminister! Wir Freiheitlichen glauben, daß es da eine Lücke zu schließen gibt, und daher stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr und Kollegen betreffend lückenlose Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saatgutes und Pflanzgutes

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird ersucht, noch 1998, sowohl im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft als auch in nationaler Kompetenz, die lückenlose Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saat- und Pflanzgutes, unabhängig vom Herkunftsland und dem Ort der Sortenzulassung und/oder Registrierung, auf der für den Käufer bestimmten Packung durchzusetzen."

*****

Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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133. Sitzung / Seite 177

21.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.53

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zum soeben eingebrachten Entschließungsantrag ersuche ich den Präsidenten zu prüfen, ob das nationale Parlament an einen Minister die Weisung erteilen kann, im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft etwas in allen europäischen Ländern umzusetzen. Ich ersuche um diesbezügliche Prüfung durch das Parlament!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Nun möchte ich mich einem anderen Thema dieser Tagesordnung widmen, nämlich den ÖPUL-Regelungen und dem Entschließungsantrag der Grünen. Wir haben in Österreich eine hervorragende Beteiligung am ÖPUL-Programm, am Österreichischen Programm für eine umweltgerechte, extensive und den natürlichen Lebensraum schützende Landwirtschaft. Rund 170 000 Bauern beteiligen sich an diesem Umweltprogramm, wobei sie auch die Verpflichtung eingehen, dieses Programm fünf Jahre lang durchzuhalten. Rund 1,45 Millionen Hektar Ackerland, rund eine Million Hektar Grünland und fast 40 000 Hektar Weinanbaufläche werden mit diesem Programm bewirtschaftet. Ferner beteiligen sich daran rund 80 Prozent der Feldgemüsebauern, fast alle Obstbauern, und darüber hinaus sind rund 9 000 Almen mit eingeschlossen, was bedeutet, daß sich auch fast alle Almbauern an diesem von Österreich angebotenen Programm beteiligen. Wir sind damit Europameister in diesem Bereich, und wir bekommen deshalb auch 30 Prozent aller von der EU für die 15 Länder zur Verfügung gestellten Mittel.

Wir sollten eigentlich stolz darauf sein, daß wir rund die Hälfte der europäischen Biobauern haben. Mehr als 250 000 Hektar Ackerland oder Mähfläche werden in Österreich biologisch bewirtschaftet, und mehr als 300 000 Hektar Ackerland beziehungsweise Grünland werden ohne Einsatz von Handelsdünger, Pflanzenschutzmittel und Herbizide bewirtschaftet. Darüber hinaus werden fast 250 000 Hektar Grünland und Ackerland teilweise ohne Einsatz von Handelsdünger und Spritzmittel bewirtschaftet. Anstatt auf diese Umweltleistungen stolz zu sein, haben die Grünen hier einen Antrag eingebracht, um all das zu erschweren! (Abg. Wabl: Wir sind eh stolz, aber Sie haben keinen Grund dazu!)

Sie wollen, daß alle Bauern, die sich daran beteiligen, durch entsprechende Untersuchungen den Nachweis zu erbringen haben, daß es sich bei allen Futtermitteln, die sie ankaufen, tatsächlich um gentechnikfreie Getreidesorten handelt. Das ist meiner Meinung nach den Bauern aufgrund der hohen Untersuchungskosten nicht zuzumuten! Wir wollen den Bauern weiterhin ermöglichen, diese Umweltleistungen zu erbringen, ohne ihnen dies durch zusätzliche teure Untersuchungskosten zu erschweren. (Beifall bei der ÖVP.)

21.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.56

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schwarzenberger! Selbstverständlich freuen wir Grünen uns. Ich meine, daß die Grünbewegung gerade betreffend die Motivation einen nicht geringen Anteil daran hat, daß es in Österreich mehr biobäuerliche Betriebe gibt als sonstwo in Europa, daß deren Zahl im Wachsen begriffen ist und daß auch sehr viele davon ökonomisch gut bestehen können.

Der Antrag, den mein Kollege Andreas Wabl im Ausschuß eingebracht hat, ist aus unserer Sicht vor allem auch im Sinne der Stärkung der österreichischen Landwirtschaft zu verstehen, denn wenn es sich so verhält, wie uns der Herr Bundesminister versichert hat, daß es nämlich in Österreich de facto keine Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut gibt, dann sollte man, meine ich, das auf jeden Fall auch als Marketingbotschaft in Europa verkünden, denn die Menschen wollen gentechnikfreie Produkte in der Ernährung, und wenn wir das in Österreich wirklich bieten können, dann sollten wir doch nicht deswegen, weil es vielleicht in Holland auch gentechnisch veränderte Salatsorten und Salatsaatgutsorten gibt, unseren österreichischen bäuerlichen Betrieben diesen Wettbewerbsvorsprung nicht zuteil werden lassen.


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Das heißt: Wenn wir gleichzeitig mit den ÖPUL-Förderungen in ganz Europa eine wirklich hundertprozentige Vermarktungsbotschaft an die vielen Millionen Konsumentinnen und Konsumenten richten könnten, daß in Österreich wirklich anders produziert wird und man versucht, mit der Natur und nicht dagegen zu arbeiten und Marktwirtschaft im eigentlichen Sinne zu betreiben, nämlich das zu produzieren, was die Bevölkerung will, dann sollten wir das doch als einen Fortschritt bezeichnen. Selbstverständlich freuen wir uns über alle Erfolge, die erreicht wurden. Aber ich meine, daß man einen weiteren Schritt in diese Richtung gehen sollte, denn der bisherige Weg war offensichtlich richtig.

Sie haben die Sorge geäußert, daß Kontrollkosten erwachsen könnten. Auch ich glaube, daß es ein staatliches Interesse daran geben sollte, daß das bessere Produkt auch als solches deklariert wird und deklariert werden kann. Daher bringe ich einen Antrag betreffend Ersatz der Kontrollkosten für gentechnikfreie Produkte ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Ersatz der Kontrollkosten für Gentechnikfrei-Produkte

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen der Agrarförderungen dafür Sorge zu tragen, daß die hohen Anforderungen an die Gentechnikfrei-Produktion, die sich für die Bauern unter anderem durch einen zusätzlichen Aufwand an Kontrollkosten niederschlagen, abgegolten werden.

*****

Ich denke, die besseren Produkte sollen auch tatsächlich allen Konsumentinnen und Konsumenten zuteil werden. Es geht nicht an, daß man diese besseren Produkte im Vergleich zu den aus der Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten schlechteren Produkten mit Kostennachteilen versieht. Daher ist es eine öffentliche Aufgabe, für diese Kontrollen Sorge zu tragen.

Der Staat kontrolliert in vielen Bereichen, etwa die Gewässergüte oder die Qualität der Luft. Daher wäre es selbstverständlich, daß auch die Qualitätskontrolle der Ernährung, also dessen, was die Menschen unmittelbar konsumieren, als öffentliche Aufgabe betrachtet wird und daher eine entsprechende Abgeltung an die Bäuerinnen und Bauern erfolgt.

Ich bringe einen weiteren Entschließungsantrag ein, weil ich meine, daß dieses Qualitätsimage "Made in Austria" den Konsumentinnen und Konsumenten in Europa ganz klar signalisiert werden sollte. Dazu gehören die Gentechnikfreiheit, aber auch – denn auch diesem Bereich gilt die Sorge der Konsumentenschaft – die Beschränkung des Einsatzes von Antibiotika.

Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Smolle und Genossen betreffend ein EU-weites Verbot des Einsatzes von Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, sich auf der Ebene der Europäischen Union dafür einzusetzen, daß der prophylaktische Einsatz von Antibiotika als Futtermittelzusatzstoff EU-weit verboten wird."

*****

Bei diesem Antrag sollten Sie wirklich mitgehen! Sie wissen, welche Verunsicherung die diversen Skandale um die prophylaktische Verwendung von Antibiotika bei gesunden Tieren bei

 


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den Konsumentinnen und Konsumenten schon ausgelöst haben. Es wäre ein Beitrag zur Argumentation für Produkte aus Österreich und für die österreichische Landwirtschaft, wenn Sie diesem Antrag Ihre Zustimmung gäben!

Ich bringe einen weiteren Antrag ein, der damit ebenfalls in mittelbarem Zusammenhang steht, nämlich einen Antrag betreffend ein EU-weites Verbot von Tierversuchen für Kosmetikprodukte. Viele dieser Rohstoffe kommen auch aus der Agrarproduktion, und es ist absolut unnotwendig, diese bewährten, überwiegend agrarischen Rohstoffe im Tierversuch zu testen.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Petrovic, Motter, Dr. Salzl, Dr. Kostelka, Rauch-Kallat sowie Genossen betreffend eine EU-weites Verbot von Tierversuchen für Kosmetikprodukte

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, daß das Verbot der Tierversuche für Kosmetikprodukte endlich verabschiedet wird und alle Anstrengungen für die Entwicklung, Validierung und Anerkennung von Alternativmethoden unternommen werden."

*****

Auch diese Tests sind für den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten unnotwendig, sie sollten daher so bald wie möglich abgeschafft werden.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zu einem weiteren Entschließungsantrag, der indirekt auch die Landwirtschaft betrifft, der aber als Selbständiger Antrag eingebracht und zugewiesen wird. Ich freue mich, daß diesen auch die liberale und die freiheitliche Fraktion mittragen, und wir werden uns bemühen, auch bei den Regierungsparteien dafür Zustimmung zu finden. Es soll eine Untersuchung der Sinnhaftigkeit und der Einhaltung der österreichischen Tierschutzgesetze und Tierschutzbestimmungen durchgeführt werden. Dabei ist es nicht unser Ziel, den bäuerlichen Betrieben das Leben schwerzumachen, sondern klare, durchgehende und einfach zu vollziehende Gesetze zu schaffen, um letztlich zu guten Produkten zu kommen.

Ein Allerletztes: Ich freue mich, daß zumindest die Petition Nr. 28 betreffend die Kennzeich-nungspflicht verabschiedet wurde, und ich gehe davon aus, daß der Herr Bundesminister alles in seiner Macht Stehende tun wird, damit das, was im Bereich des Getreides schon erreicht wurde, auch für alle anderen Bereiche des Saatgutes durchgesetzt wird, nämlich daß eindeutig gekennzeichnet wird. Denn diese Petition geht in diese Richtung, und der Ausschuß hat sie einstimmig verabschiedet. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die eben verlesenen drei Entschließungsanträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sind entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Horngacher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Wabl – zu der ans Rednerpult tretenden Abg. Horngacher –: Jetzt bin ich gespannt, wie du dich herauswurstelst!)

22.04

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Petition betreffend Saatgut stammt vom 27. Juni 1997. Die Anliegen von Frau Rosl Beranek, die sie in der Petition formuliert hat, sind aus meiner Sicht sehr verständlich.

Zahlreiche Sorgen und Wünsche kommen darin zum Vorschein, die viele Menschen in unserem Land teilen: Die Forderung nach Kennzeichnung von genmanipuliertem Saatgut, nach einem ge

 


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eigneten Zulassungsverfahren für Landsorten zur Erhaltung der pflanzengenetischen Ressourcen zur Förderung der biologischen Vielfalt und nach der Förderung der gegenseitigen Nachbarschaftshilfe unter Einbeziehung von Kleingartenvereinen.

Wir können mittlerweile zu Recht sagen, daß fast alle Forderungen erfüllt sind. (Abg. Wabl: Aber nur fast alle!) Saatgut muß gekennzeichnet sein. Derzeit gilt die Saatgutverordnung. Damit ist die Sicherheit gewährleistet. In Österreich gibt es derzeit außerdem kein gentechnisch verändertes Saatgut. – Wir sind sicherlich auf diesem Gebiet ein Vorbild für andere EU-Staaten.

Ich bin der Ansicht, daß mit den inzwischen erfolgten Änderungen dem Verlangen der Petition Rechnung getragen wurde und daß auch der Forderung nach gegenseitiger bäuerlicher Nachbarschaftshilfe mit den Maschinen- und Betriebshilferingen Rechnung getragen wurde. Es gibt auch keine Limits nach unten.

Mit zahlreichen Initiativen wurden die Sorgen der Menschen tatsächlich ernst genommen, und es wurden Lösungen erarbeitet und umgesetzt.

Zum Antrag des Herrn Abgeordneten Wabl betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium für die Teilnahme am ÖPUL II ist zu sagen: Das ÖPUL-Programm 1998 ist ein Vertrag zwischen der österreichischen Regierung und den Bauern, der bereits zum großen Teil abgeschlossen ist, und die einseitige Änderung eines gültigen Vertrages widerspricht jedem Vertrauensprinzip. (Abg. Wabl: Das stimmt doch überhaupt nicht!) Viel gravierender ist jedoch noch, daß der Bauer für etwas geradestehen soll, was er selbst weder prüfen noch garantieren kann. Derzeit ist das Problem kaum vorhanden, weil gentechnisch veränderte Produkte noch kaum auf dem Markt sind.

Was geschieht aber, wenn sich ein Bauer nun für fünf Jahre verpflichtet hat, aber nach viereinhalb Jahren bei seinen Futtermitteln eine Probe gezogen wird, die nicht entspricht, obwohl er gar nicht wissen kann, ob sie gentechnisch verändertes Soja enthalten? Wenn er also bei etwas erwischt wird, was er selbst nicht beeinflussen kann, dann muß er die Förderung für fünf Jahre zurückzahlen! – So kann man es sicherlich nicht machen, denn das kann wirklich seine Existenz bedrohen. Daher muß dieses Problem anders gelöst werden.

Außerdem möchte ich noch etwas sagen: Hinsichtlich der Forderungen der Grünen sind wir etwas mißtrauisch. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als aus Umweltschutzgründen massiv die Flasche als Verpackung für die Milch gefordert wurde, und zwar so massiv, daß alle Medien ins gleiche Horn gestoßen haben. Unsere Molkerei hat dann um einige Millionen eine Abfüllanlage eingebaut. Mit viel Werbung ist man mit etwa 40 Prozent der Milchproduktion auf die Flasche umgestiegen. Als die Werbung jedoch ausgesetzt hat und das kein Thema mehr war, das in der Öffentlichkeit breitgetreten wurde, ist man zunächst auf 15 Prozent, dann auf 10 Prozent zurückgegangen, und schließlich mußte die Anlage wegen Unwirtschaftlichkeit abgeschaltet werden. – All das ist aber auf dem Rücken der Bauern ausgetragen worden, all das hat der Bauer bezahlen müssen!

Daher muß man sich diese Forderungen genau anschauen. Es ist leicht gesagt, daß auch diese Untersuchungen das Landwirtschaftsministerium zahlen muß. Ich frage Sie: Von welchem Geld, bitte? Das Geld müßte wiederum von anderen Förderungen für Bauern weggenommen werden. Daher sind wir etwas mißtrauisch, obwohl ich auch sagen muß: Der Konsument wünscht gentechnikfreie Nahrungsmittel, und auch wir wollen sie, aber ich weiß nicht, ob es möglich ist, auf diesem Wege zum Ziel zu kommen. Gegebenenfalls müssen wir uns andere Wege überlegen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Koller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

22.10

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Umfaller der Koalition bei


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133. Sitzung / Seite 181

der Behandlung des Gentechnik-Volksbegehrens zugunsten der Gentechnik-Lobby hat nicht nur uns Freiheitliche, sondern auch alle Unterzeichner dieses Volksbegehrens vor den Kopf gestoßen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Wabl-Antrag ist von der Theorie her gut, aber in der Praxis nicht durchführbar. Es ist der falsche Ansatz, die Bauern mit in die Haftung zu nehmen. Wir Freiheitlichen unterstützen nicht die geschäftssüchtige Gen-Lobby.

Herr Minister! Sie und Abgeordneter Gradwohl haben im Ausschuß betreffend die Petition über das Verlangen einer lückenlosen Kennzeichnung gesagt, es seien alle Punkte erfüllt, die Petition sei überflüssig. Sehr geehrte Damen und Herren! Das stimmt nicht. Nach eingehender Debatte mußte der Minister zugeben, daß bei importiertem Gemüsesaatgut das nationale Recht des Erzeugerlandes gilt; da kann nicht garantiert werden, daß es gentechnikfrei ist. Meine Kollegin Aumayr hat dies schon erwähnt.

Ebenso verhält es sich bei den Futtermitteln, da nur bei Mais und Soja Kennzeichnungspflicht besteht. Was ist aber mit den Beistoffen? (Abg. Mag. Steindl: Welchen Stoffen?)  – Diese sind nicht gekennzeichnet. Durch die derzeitige Situation werden die Bauern verunsichert, denn sie wissen nicht, was in den Beistoffen drinnen ist. Aber die Haftung liegt bei den Produzenten, also bei den Bauern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Minister Bartenstein will ein "Gentechnikfrei"-Pickerl einführen. Dazu stellen sich drei Fragen:

Erstens: die Zuständigkeit. Laut Aussage von Ministerin Prammer im Gentechnik-Unterausschuß ist dafür nicht Umweltminister Bartenstein, sondern Wirtschaftsminister Farnleitner zuständig. (In Richtung Bundesminister Dr. Bartenstein:) Wo liegt Ihre Kompetenz, Herr Minister? Haben Sie nichts mitzureden?

Zweitens: die Kosten. 12 000 S bis 50 000 S soll dieses Pickerl kosten. Das sind weitere Belastungen für die Biobauern.

Drittens: die Nachweisbarkeit. Die Rückverfolgbarkeit einer gentechnikfreien Produktion der einzelnen Rohstoffe und Zutaten eines Lebensmittels muß lückenlos gegeben sein. (Bundesminister Mag. Molterer und der vor der Ministerbank stehende Abg. Smolle sprechen miteinander.)

Herr Minister! Ich ersuche Sie, meinen Worten zu folgen. (Abg. Mag. Stadler: Der Minister hat nicht zugehört! Die ganze Zeit schon! – Abg. Haigermoser: Smolle! Das wäre schon die vierte Partei! Bei der ÖVP warst du noch nicht! – Abg. Smolle  – zu seinem Platz zurückgehend –: Haigermoser! Zu dir komme ich nicht!)

Herr Abgeordneter Smolle! Sie würden sich auch beschweren, wenn ich mit dem Herrn Minister sprechen würde, während Sie am Rednerpult sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Genau so ist es. (Abg. Leikam: Die Zeiten haben sich geändert da herinnen!)

Herr Minister! Ich wiederhole meine Frage. Drittens: die Nachweisbarkeit. Die Rückverfolgbarkeit einer gentechnikfreien Produktion der einzelnen Rohstoffe und Zutaten eines Lebensmittels muß lückenlos gegeben sein. – Doch genau das ist nicht möglich. Denn selbst wenn ein Bauer gänzlich auf die Gentechnik verzichtet und sie aus dem Spiel läßt, ist es unmöglich, hundertprozentig auszuschließen, daß gentechnisch manipuliertes Saatgut oder solche Futtermittel verwendet worden sind.

Zusammenfassend: Eine lückenlose Kennzeichnung ist nicht gegeben. Biobauern werden zusätzlich zur Kasse gebeten. Die Haftung liegt beim Produzenten. Die Konsumenten und Endverbraucher werden getäuscht. Da machen wir Freiheitliche nicht mit! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.14


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133. Sitzung / Seite 182

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

22.14

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einiges klarstellen. (Abg. Haigermoser: Alles gleicht sich an! Gefahr im Verzug: Smolle will zur ÖVP!)

Erstens: Das Bundeskanzleramt hat eine Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung verlautbart. Ich habe im Ausschuß erklärt, daß nach gemeinsamer Rechtsauffassung von Bundeskanzleramt und Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft diese Verordnung zur Kennzeichnung gilt, solange keine EU-weite Novel-Seed-Regelung besteht. Diese Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung unterscheidet nicht nach der Art des Saatgutes, sondern sie gilt unabhängig von der Art des Saatgutes.

Zweitens: Die Novel-Seed-Verordnung, wie sie in der Union hoffentlich bald zur Beschlußfassung vorliegen wird, würde diese österreichische Kennzeichnungsregelung durch eine europäische ersetzen. Auch die Novel-Seed-Verordnung unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Saatgutarten. Was ich im Ausschuß gesagt habe – ich möchte es noch einmal wiederholen, damit vollständige Klarheit gegeben ist –, ist, daß es in bezug auf die Inverkehrsetzung von Saatgut unterschiedliche Regelungen für Getreidesaatgut und Gemüsesaatgut gibt. Daher können Sie davon ausgehen, daß die Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung für jegliches Saatgut gilt, und Sie können davon ausgehen, daß die Novel-Seed-Verordnung – wenn sie in Europa Wirklichkeit wird – auch unabhängig von der Art des Saatgutes gilt.

So gesehen ist dieser Entschließungsantrag, Frau Abgeordnete Aumayr, aus meiner Sicht nicht erforderlich, weil der jetzige Rechtszustand Ihre Zielsetzungen abdeckt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Aber die Novel-Seed-Verordnung gibt es noch nicht!)

22.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

22.16

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! (Abg. Smolle: Wabl! Darf ich mit dem Herrn Bundesminister etwas sprechen?) Mein Leid war zu groß. Die Reden von Frau Horngacher und anderen haben mich dazu veranlaßt, hier noch ein paar Worte zu dieser Problematik zu sagen.

Frau Kollegin! (Ruf bei der ÖVP: Was er für ein Gesicht macht!) Ja, es ist wirklich so: Ich leide, Frau Horngacher! Sie erzählen der Öffentlichkeit im Ausschuß – mit Unterstützung des Ministers –, sämtliche österreichischen Bauern und Bäuerinnen halten sich daran, und überhaupt haben sie nicht einmal die Gelegenheit, gentechnisch veränderte Organismen einzusetzen. Aber Sie wollen nicht, daß in einem Vertrag beidseitig festgeschrieben und klargestellt wird, daß die österreichische Landwirtschaft keine gentechnisch veränderten Organismen verwendet. Das wollen Sie nicht, weil Sie sagen: Da müssen wieder die Bauern zahlen.

Dann machen wir einen Antrag und sagen: Wenn es die Bauern zahlen müssen, dann machen wir doch einen Entschließungsantrag, damit klargestellt ist, daß die Kosten für die Kontrolle durch die Regierung im Budget abgedeckt sind. – Aber da stimmen Sie auch nicht zu!

Dann kommen Sie uns mit dem Lamento über die Milchflaschen. Frau Abgeordnete Horngacher! Sie hätten sich die Geschichte der Milchflasche und der Milchpackerln besser anschauen sollen. Damals sind die Herren der Milchindustrie nach Skandinavien gefahren und haben sich dort umgesehen, um herauszufinden, wie man endlich die Packerln durchsetzt: nämlich mit riesigen Subventionen, damit alle Maschinen umgestellt werden. Eine Glasfabrik nach der anderen


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wurde in den Boden gestampft, bis es nicht mehr möglich war, die Glasflasche effizient und mit einem sinnvollen Recycling auf dem Markt durchzusetzen.

Und dann kommen Sie daher und sagen: Die Grünen haben das mit der Milchflasche den Bauern und Bäuerinnen eingebrockt, die Grünen seien dafür verantwortlich! Und Sie, Frau Kollegin Horngacher, seien mit Herrn Schwarzenberger und den anderen fleißigen Bauernfunktionären dafür verantwortlich, daß die Ökolinie in Österreich endlich europaweit das schönste, das beste und das größte Zuchttier überhaupt ist, das wir im Stall haben.

Wenn wir aber heute, hier und jetzt verlangen, daß Sie der Forderung zustimmen, daß Antibiotika in der Hendlmast nicht prophylaktisch eingesetzt werden, dann sind Sie plötzlich wieder völlig verängstigt: Was ist denn da wieder los? Wir sollen wieder gegen die Industrie sein, gegen die Futtermittelindustrie? – Nein, das dürfen wir nicht tun!

Frau Kollegin Horngacher! Bitte hören Sie auf mit dieser Art der Politik der Doppelgleisigkeit, der Doppelbödigkeit und der Heuchelei! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle. ) Es ist unerträglich! Sie wissen ganz genau, daß in der Hendlmast systematisch prophylaktisch Antibiotika eingesetzt werden.

Ich weiß, daß dann wieder die großen Lobbyisten der Massentierhaltung kommen und sagen werden, das sei Wettbewerbsverzerrung. Deshalb haben wir einen Antrag gestellt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, dieses Ziel auf EU-Ebene durchzusetzen. Aber nicht einmal zu diesem weichen Antrag sind Sie in der Lage!

Aber gleichzeitig heißt es: "Wir Bauernvertreter sind für die ökologische Linie!" – Frau Kollegin Horngacher! Das geht so nicht. Das werden Sie auf die Dauer nicht durchhalten können, außer Sie rechnen mit der Uninformiertheit und mit der Dummheit der Bauern. Und das nehme ich bei Ihnen auf die Dauer nicht an.

Frau Kollegin Horngacher und Herr Kollege Schwarzenberger! Es ist einfach unerträglich, wie Sie im Zusammenhang mit dem ÖPUL handeln. Ich halte das für ein gutes Programm. Sie werden sich noch genau daran erinnern können, daß die Grünen in der schwierigen Phase von 1994 und 1995 dafür waren, die Verträge einzuhalten. Aber wir sind auch dafür, daß dieser ungeheure Wettbewerbsvorteil weiterhin europaweit ausgebaut wird, wenn die österreichische Landwirtschaft und wenn die österreichischen Konsumenten dafür sind, daß gentechnisch veränderte Organismen nicht in der Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden.

Ich rede jetzt nicht von der Medizin. Da gibt es immer wieder diese herrlichen Angriffe gegen die "Fundis", die es in Österreich gar nicht gibt. Ich rede nicht von der Medizin. Ich würde auch nicht gegen die Gentechnologie in der Landwirtschaft reden, wenn wir zum Beispiel vor einer großen Hungersnot stünden. Aber so ist es nicht, die Lager sind voll! Die Konsumhäuser sind voll mit Nahrungsmitteln und Lebensmitteln. Das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist ein ganz anderes.

Sie verteidigen hier mit Zähnen und Klauen eine Linie, die nicht verteidigt werden kann. 90 Prozent der in Österreich landwirtschaftlich genutzten Flächen werden aufgrund des ÖPUL-Programms bestellt. Das ist wunderbar, darauf können wir alle wirklich stolz sein. Ich weiß nicht, ob Sie darauf stolzer sein können als die Grünen; darüber wollen wir jetzt nicht rechten. Aber warum machen Sie dieses Tor auf? Warum versuchen Sie nicht, dieses Tor zuzumachen?

Herr Schwarzböck! Wenn Sie meinen, daß auf dieser Ebene gentechnisch veränderte Organismen möglicherweise den großen Segen bringen, dann sollten Sie sich einmal vergegenwärtigen, was es bedeuten würde, wenn es diese Wunderprodukte im Getreidebereich oder im Tiermastbereich tatsächlich gäbe. Was wäre die Folge? – Das, was in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden ohnedies passiert ist. Durch konventionelle Zuchtmethoden wurden in der Produktion enorm viele Arten verdrängt, auf ganz gewöhnliche, natürliche Art und Weise der Zuchtauswahl.


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Durch die Möglichkeit der Gentechnologie würde ein noch stärkerer Schub entstehen. Es würde dann möglicherweise nur noch eine Weizensorte und eine Reissorte auf dieser Welt geben. Wenn Sie das wollen – ich glaube, daß es das nicht geben wird –, dann befinden Sie sich damit in falscher Gesellschaft, Herr Kollege Schwarzböck! Das ist weder machbar noch möglich, das wird hier in Österreich auch nicht gewünscht, und meiner Ansicht nach ebensowenig in Europa.

Warum sagen Sie hier nicht klar und differenziert: "In bestimmten Bereichen ist die Gentechnologie sinnvoll und nützlich, aber im Lebensmittelbereich ist sie strikt abzulehnen!" ?

Wir haben das Problem, daß die Biobauern – jene, die ökologisch wirtschaften – ununterbrochen angehalten werden, Kontrollen zu machen, Pickerln zu entwerfen und in ihrem Marketing besser zu werden, während die konventionellen Landwirte keine Veranlassung sehen, irgend etwas an ihrer Strategie zu ändern, weil sie wissen, daß sie die Massenproduktion hinter sich haben.

Herr Kollege Schwarzböck! Genau das ist das Problem. Wir haben es auch bei der Eierproduktion immer wieder erlebt. Da wollten wir, daß eine klare Kennzeichnung über die Art der Tierhaltung erfolgt. Aber wer hat das verhindert? Die Grünen? Die Liberalen? Die Freiheitlichen? Die Sozialdemokraten? – Nein, die ÖVP! Die ÖVP war immer strikt dagegen, daß der Konsument erkennen kann, wie bestimmte Produkte produziert und unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten worden sind.

Da hat es Dutzende Sitzungen im Landwirtschaftsministerium gegeben, im Beisein des Ministers, mit besten und kompetentesten Fachleuten. Wir haben im Ausschuß unter der Vorsitzführung des Kollegen Schwarzenberger stundenlang darüber debattiert, wie man einen gerechten, klaren Index machen kann und wie die Kategorien eingeteilt werden können. Herr Kollege Schwarzenberger! Wir sind nie zu einem Abschluß gekommen, weil das im Bereich der Massenproduktion verweigert wird. Diese Leute wissen nämlich genau, daß der Konsument dann auswählen und sich für bessere Produkte entscheiden würde.

Ich sage Ihnen: Das Problem, das wir im gesamten landwirtschaftlichen Bereich haben, besteht darin, daß immer noch die Meinung vorherrscht, die Bioprodukte seien die teureren. Das ist vollkommen falsch! Die Bioprodukte bezahle ich beim Bauern. Aber die Produkte aus der Massentierhaltung und aus der Massenproduktion bezahle ich später im Krankenhaus und in anderen Bereichen, in die wesentlich mehr Geld hineinfließt und in denen wesentlich mehr Schaden entsteht. Dazu gehört auch der gesamte Bereich der Gewässerreinhaltung. Da kommt dann wieder der oberste Gewässerschützer und sagt: Wir brauchen diese und jene Programme.

Auf diese Weise wird dann in Wahrheit für das billige Massenprodukt bezahlt! Das Schweinsschnitzerl aus der Massentierhaltung ist nur billig im Geschäft. Das Gemüse aus der Massenproduktion ist nur billig im Geschäft. Tatsächlich ist es aber letztendlich das teurere. (Abg. Schieder: Und schmecken tut es auch noch schlechter!) Der Biobauer produziert wesentlich billiger. Aus dieser Falle müssen wir endlich herausfinden.

Herr Kollege Schieder! Ich weiß mich mit Ihnen in dieser Frage einer Meinung. Leider sind Sie nicht Landwirtschaftssprecher, sonst hätten wir in dieser Frage lauter gute Gesetze. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Dr. Fischer und Schieder. )

22.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wir haben auch kein Schlußwort des Berichterstatters und treten daher in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1339 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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So Sie dies tun wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend lückenlose Kennzeichnung gentechnisch veränderten Saat- und Pflanzgutes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1340 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Ersatz der Kontrollkosten für Gentechnikfrei-Produkte.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl, Smolle und Genossen betreffend ein EU-weites Verbot des Einsatzes von Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt nur durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Zuletzt gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Petrovic, Motter, Dr. Salzl, Dr. Kostelka, Rauch-Kallat sowie Genossen betreffend ein EU-weites Verbot von Tierversuchen für Kosmetikprodukte.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses Zeichen erfolgt stimmeneinhellig. Angenommen. (E 130.)

13. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1158 der Beilagen): Bundesgesetz über die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen (Bundesstelle für Sektenfragen) (1287 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 387/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Evaluierung der Forderungen des Fünfparteienantrages vom 14. Juli 1994 betreffend Maßnahmen in Zusammenhang mit Sekten, pseudoreligiösen Gruppierungen, Vereinigungen und Organisationen sowie destruktiven Kulten (1288 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir treten somit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Stadler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


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22.28

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! (Abg. Dr. Fekter spricht, an der Ministerbank stehend, mit Bundesminister Dr. Bartenstein. ) Wenn Sie dann vielleicht die Gnade haben, Ihre Konferenz zu beenden. – (Abg. Dr. Fekter: Oh, ich bin gnädig zu Ihnen!) Sie brauchen gar nicht gnädig zu sein. Sie brauchen nur die Abmachungen aus der Präsidialkonferenz einzuhalten, Frau Kollegin! Das genügt schon.

Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Niederwieser: Oberlehrer!) Nein, das ist nicht der Oberlehrer, das ist hier einfach die Sitte, Herr Niederwieser. Herr Lehrer Niederwieser! Das ist das, was wir in der Präsidialkonferenz ausgemacht haben. (Abg. Müller: In der Präsidialkonferenz ist auch eine Mäßigung in der Wortwahl angeregt worden!)

Herr Bundesminister! Ich nehme es gleich vorweg: Wir werden Ihre Regierungsvorlage ablehnen, entgegen unserem Abstimmungsverhalten im Ausschuß, und zwar deshalb, weil uns dieses Gesetz nicht weit genug geht. Wir sind nach strenger Prüfung mit der Regierungsvorlage nicht einverstanden.

Worauf ich mich eigentlich konzentrieren möchte, ist die an sich schon nahezu lächerliche Ankündigung, die der Ausschuß als Ausschußfeststellung beschlossen hat. Man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen, denn das ist eine neue Qualität des Parlamentarismus. Die Ausschußfeststellung lautet wie folgt – ich darf zitieren –: "Der Familienausschuß stellt fest: Dem Familienausschuß wird von Herrn Bundesminister Dr. Martin Bartenstein zugesichert, daß, sollten im Rahmen der Tätigkeit der Bundesstelle für Sektenfragen Gefährdungen im Sinne des § 4 dieses Gesetzes innerhalb der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und ihrer Einrichtungen bekannt werden, die leitenden kirchlichen Organe der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften und ihrer Einrichtungen hierüber in Kenntnis gesetzt werden." – Dann geht der Text weiter.

Meine Damen und Herren! Der Bundesminister verspricht etwas, und der Familienausschuß stellt in einer Ausschußfeststellung fest, daß der Bundesminister etwas versprochen hat. Das ist eine neue Qualität, das ist etwas völlig Neues. – Bitte? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Weil Sie nicht dort waren!)

Sie können überall Versprechungen tätigen. Wenn Sie bei uns eine Versprechung tätigen, würde sie sogar noch Teil eines Haftungsvertrages werden. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber daß der Ausschuß mittlerweile Ausschußfeststellungen treffen muß, meine Damen und Herren, nur weil der Minister mit seinen Ankündigungen nicht glaubwürdig genug ist, das ist eine neue Qualität des Parlamentarismus.

Meine Damen und Herren! Es gibt etwas, was der Herr Bundesminister bei seinem Versprechen vor dem Ausschuß hätte bedenken sollen. – Ich weiß nicht, Herr Bundesminister: Sind Sie selbst Jurist? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Nein, Chemiker!) Sie sind kein Jurist, Sie sind Chemiker. Gut, dann sehe ich Ihnen das nach.

Aber Sie werden doch ein paar Juristen mit dabei gehabt haben. Herr Bundesminister! Ist Ihnen oder Ihren Beamten vielleicht aufgefallen – wenn sich juristisch ausgebildete Beamte darunter befunden haben –, daß das, was Sie da versprochen haben, streng und schwerwiegend verfassungswidrig ist? – Das ist der Grund dafür, daß ich das heute sagen möchte.

Herr Kollege Khol! Es ist verfassungswidrig, weil nach Artikel 15 unseres Staatsgrundgesetzes aus 1867 der Staat kein Aufsichtsrecht über die gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften hat. Er hat weder ein Aufsichtsrecht, noch ein Kontrollrecht, noch hat er die Möglichkeit einer Bevormundung, meine Damen und Herren!

Herr Minister! Sie haben gar kein Recht dazu, daß Sie das einhalten, was Sie dem Ausschuß in Form einer Ausschußfeststellung versprochen haben. Lesen Sie das in Artikel 15 Staatsgrundgesetz aus 1867 nach. – Es sei denn, Sie wollen sich schon über die Grundrechte hinweg


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setzen! Das wäre eine andere Frage. Da möchte ich wissen, wie dann Ihr Versprechen vor dem Ausschuß zu qualifizieren ist.

Bitte zum Mitschreiben, Herr Familienminister: Im Artikel 9 MRK – MRK heißt Menschenrechtskonvention – steht ... (Heiterkeit des Bundesministers Dr. Bartenstein.  – Demonstrativer Beifall der Abg. Schaffenrath. ) Das haben Sie nicht gewußt? Lesen Sie die MRK einmal! Oder soll ich sie Ihnen vorlesen?

Da steht ganz klar drinnen, daß Sie nicht das Recht haben, bei gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften irgendwelche Kontrolltätigkeiten auszuüben. Dieses Recht steht Ihnen gar nicht zu. Sie haben die innere Autonomie der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften zu achten. Das ist immer noch im Bereich des Verfassungsrechtes, Herr Bundesminister, wie Ihnen sicherlich aufgefallen ist.

Oder kennen Sie die Verfassungsbestimmung aus dem Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der evangelischen Kirche? – Es dürfte Ihnen als Steirer doch bekannt sein, daß die evangelischen Kirchen – Helvetisches Bekenntnis und Augsburger Bekenntnis – eine besondere Rechtsstellung haben. Es gibt im § 1 dieses Gesetzes eine Verfassungsbestimmung, in der ausdrücklich das Verbot normiert ist, daß irgendeine staatliche Macht dort Kontrolle ausüben darf. Und da versprechen Sie dem Ausschuß – und lassen das von diesem Ausschuß auch noch beschließen –, daß Sie dort in Zukunft Kontrolltätigkeiten über irgendwelche Gefährdungen machen – welche, das wissen Sie selbst nicht ganz genau – und dann darüber irgendwelche Meldungen erstatten werden!

Nebenbei: Nach dem Text dieser Ausschußfeststellung gehen die Meldungen sogar an alle Kirchen. Das heißt, wenn bei der altkatholischen Kirche des Kollegen Schieder ein Mißstand auftauchen würde, dann müßten die katholische Kirche, die evangelische Kirche und auch alle anderen Kirchen – lesen Sie den Text, dann werden Sie draufkommen – davon in Kenntnis gesetzt werden.

Letzter Punkt, Herr Bundesminister. Sie sind doch, glaube ich, Katholik. Da müßte Ihnen doch auffallen, daß Sie auch gegen Völkerrecht verstoßen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Glauben ist etwas Relatives! Sie irren!) Nein, das ist nicht etwas Relatives, Herr Bundesminister! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Sie irren trotzdem!) Wieso irre ich? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Weil ich nicht Katholik bin!) Sie sind nicht Katholik. Was sind Sie dann? Sind Sie evangelisch? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ja!)  – Na, dann müßten Sie ja Ihre eigenen kirchenrechtlichen Verhältnisse kennen!

(In Richtung des Abg. Dr. Khol:) Dann werde ich den Oberkatholiken Ihres Klubs ansprechen. Denn das Völkerrecht, nämlich das Konkordat zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl, regelt ausdrücklich in Artikel 1 § 1, daß der Staat nicht das Recht hat, in die inneren Angelegenheiten der katholischen Kirche – hier noch genannt: der heiligen römisch-katholischen Kirche – Eingriffe zu tätigen, Aufsichtsrechte wahrzunehmen und dergleichen mehr.

Herr Bundesminister! Sie haben etwas versprochen, was nach Verfassungsrecht – nach drei verschiedenen Bestimmungen; und als evangelischer Christ werden Sie wissen, daß das bei Ihrer Kirche sogar noch extra normiert ist –, was also qua Verfassungsrecht und qua geltendem Völkerrecht unzulässig ist.

Ich warne daher heute davor, diese Ausschußfeststellung zu beschließen. An die Fraktionen ergeht mein Aufruf, einzusehen, daß es ein Schmarren ist, daß man beschließt, daß das, was Sie versprochen haben, einzuhalten sein wird, und daß das Parlament heute damit, daß es eine solche Ausschußfeststellung beschließt, gegen geltendes Verfassungsrecht – ich habe Ihnen drei entsprechende Gesetzesstellen zitiert – und gegen geltendes Völkerrecht verstößt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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22.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser-Starrach. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.34

Abgeordnete Dr. Sonja Moser-Starrach (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! 50 000 Menschen in Österreich gelten als harter Kern von Sekten, und 200 000 Menschen in Österreich sind Sympathisanten von Sekten. Das ist Anlaß genug, um eine Sektenstelle zu installieren.

Wir haben nunmehr einen Schwerpunkt in jedem Bundesland. Dazu sollte aber auch eine Bundesstelle kommen. Sekten und destruktive Kulte nehmen immer mehr zu, sie sprechen besonders Jugendliche und belastete Menschen an. Immer mehr Tarnorganisationen von Sekten und Psychokulten bieten Seminare und Fortbildungsveranstaltungen an, besonders Seminare zur Verbesserung der Lebensqualität. 10 Milliarden Schilling werden jährlich dadurch erwirtschaftet.

Einmal mehr warne ich auch aus gesellschaftspolitischer Sicht vor den Sektenmitgliedern der zweiten Generation, also jenen Menschen, die in diesen geschlossenen Regelsystemen aufgewachsen sind und nichts anderes mehr kennen. (Abg. Mag. Stadler: Herr Feurstein! Ich werde Ihnen etwas über das Opus Dei schicken!)

Der Familienausschuß des Nationalrates hat am 23. Juni 1998 die Einrichtung einer Bundesstelle für Sektenfragen beschlossen. Die Stelle soll als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts vor allem Aufklärungsarbeit über Sekten und sektenähnliche Aktivitäten leisten. Ziel ist eine sachliche und objektive Information der Bevölkerung über die Gefahren, die von Sekten ausgehen könnten.

Diese Bundes-Sektenstelle wird ihren Sitz in Wien haben. Sie soll sowohl staatlich als auch konfessionell unabhängig sein. Das Gesetz sieht weder ein Weisungsrecht des Familienministers noch irgendeines anderen Regierungsmitgliedes vor. Wohl aber soll die Bundesstelle als Vernetzungsknoten zwischen bestehenden Informationsstellen der Länder oder anerkannten Kirchen fungieren.

Hauptaufgabe der neuen Einrichtung ist es jedenfalls, Gefährdungen zu dokumentieren, die von sogenannten Sekten und pseudoreligiösen Gruppen ausgehen, und darüber entsprechend zu informieren. Betroffene sollen bei den Experten Beratung finden können. Zu den Hauptaufgaben zählen außerdem die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch mit ausländischen Stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.37

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stadler! Ich gehe ausnahmsweise mit Ihrer Kritik konform.

Ich möchte Sie aber darüber aufklären, daß Ihre Abgeordneten im Ausschuß bis auf zwei Ausnahmen dieser Ausschußfeststellung auch ihre Zustimmung gegeben haben. (Abg. Mag. Stadler: Weiß ich schon! Das haben wir eingehend diskutiert!) Ja, aber das soll auch festgehalten werden. Das hat mich auch sehr gewundert. (Abg. Haigermoser: Wo ist das Problem? Wo sehen Sie das Problem? – Abg. Dr. Mertel: Weil dort keine Juristen waren! – Abg. Mag. Stadler: Haben Sie dagegen gestimmt?)

Meine Damen und Herren! Angesichts der aktuellen Aufregung über Sekten und der heftig diskutierten Frage ihrer Zulässigkeit kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die großen Religionsgemeinschaften den Staat um Hilfe anrufen. Wir Liberalen anerkennen das soziale, pädagogische und erwachsenenbildnerische Engagement der Kirchen sowie ihren Beitrag zur kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft. Kann es aber tatsächlich Aufgabe des Staates sein, zu definieren, welcher Gottesbegriff anerkennenswert ist und welcher nicht?


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Meine Damen und Herren! Diese Frage muß gestellt werden, um Antwort auf die Frage bezüglich der Sekten zu finden. Allerdings ist dies bis heute nicht geschehen. Auch die jüngst herausgegebene Broschüre des Familienministeriums gibt darauf keine Antwort. Diese Broschüre vermittelt vielmehr die Selbstgerechtigkeit der Mehrheitsreligion unseres Landes, die unter anderem dazu geführt hat, daß zum Beispiel der Buddhismus hierzulande erst seit kurzer Zeit anerkannt ist.

Meine Damen und Herren! Seit 1996 befaßt sich rund ein Drittel der Familienberatungsstellen in den Bundesländern mit Sektenfragen. Ob Ergebnisse vorliegen, ist zumindest mir nicht bekannt. Mit der heutigen Beschlußfassung zum vorliegenden Gesetzentwurf soll nun weiters eine Bundesstelle für Sektenfragen eingerichtet werden, um Material über Sekten und sektenähnliche Aktivitäten zu sammeln und die Bevölkerung darüber zu informieren, welche Gefährdungen von ihnen ausgehen können. So weit, so gut – wenn man Kosten von 6 Millionen Schilling dafür als gerechtfertigt ansieht.

Was mir allerdings nicht in den Kopf will, ist, daß noch im ersten Regierungsentwurf die Großkirchen mit einbezogen waren, in der neuen Version des vorliegenden Bundesgesetzes die katholische Kirche jedoch von jedem Verdacht freigesprochen wird. Denn in § 1 heißt es jetzt – ich zitiere –: "Auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen findet dieses Gesetz keine Anwendung." – Zitatende.

Warum nicht?! Kann man wirklich über jeden Verdacht erhaben sein, wenn es auch in den eigenen Reihen umstrittene Gruppierungen gibt, bei welchen selbst namhafte Kleriker immer wieder grobe Unzulässigkeiten anprangern? – Bei den Großkirchen gibt es jetzt also keine Untersuchung, kein Durchleuchten von Freiheitsentzug und so weiter. Einem solchen Gesetz kann man doch nicht zustimmen, ohne in den Verdacht zu kommen, mit zweierlei Maß zu messen.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Ablehnung ist für uns Liberale auch das schwerwiegende Problem des Datenschutzes. Herr Minister Bartenstein! Ihre Aussage im Ausschuß, daß die Sorge betreffend den Datenschutz übertrieben sei, kann und will ich nicht nachvollziehen. Sie kennen wie wir die Stellungnahme des Datenschutzrates und dessen Feststellung, daß eine generelle Sammlung von Informationen über Sekten nicht verfassungskonform ist, sondern vielmehr den Vorwurf staatlicher Gesinnungsschnüffelei begründen könnte. Auch seien die Ausnahmebestimmungen für anerkannte Kirchen, die bei dieser Sammlung fehlen, nicht begründbar. Nach Auffassung des Datenschutzrates handelt es sich dabei um eine nicht rechtfertigbare Ungleichbehandlung. Herr Minister! Ich weiß nicht, warum Sie darüber einfach hinweggehen.

Der Datenschutzrat zeigt sich auch höchst verwundert darüber, daß es keine klare Definition gibt, was eine Sekte ist, und wie schwammig der Katalog der vermuteten Gefährdung ausgefallen ist, über den die Bevölkerung informiert werden soll.

Für uns Liberale stellen sich außerdem noch weitere Fragen: Was geschieht mit den Daten von Personen, wenn sich herausstellt, daß sie doch keiner Sekte angehören? Obliegt es der Beurteilung durch die Bundesstelle, ob in bezug auf eine Gruppierung der begründete Verdacht besteht, eine Sekte zu sein oder sektenähnliche Aktivitäten zu entwickeln?

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Sie müssen zugeben, daß eine intensive Überwachung in dieser Art und Weise zu einem echten Datenschutzproblem wird. Diese Auffassung vertritt auch der Datenschutzrat, der darüber hinaus auch zu bedenken gibt, daß der Bundesstelle für Sektenfragen in Zukunft polizeiähnliche Nachforschungsbefugnisse zugestanden werden, die dort agierenden Angestellten jedoch nicht einmal dem Beamtendienstrecht und damit auch nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

Ich möchte daher festhalten, daß für uns Liberale diese Art von Sektenberatung sowohl inhaltlich wie auch methodisch mehr als umstritten ist. Und auch die Idee, Sektenopfer zu einer Beratungsstelle zu holen, ist zumindest in England bereits als sinnlos erkannt worden. Gemäß dieser Erkenntnis wurde dort eine Dokumentationsstelle für neue religiöse Vereinigungen eingerichtet, die Interessierten objektives Informationsmaterial und Aufklärung über Gefahren und Risken ohne sozialen Druck und auch ohne Ratschläge zu erteilen zur Verfügung stellt. Dem könnten


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wir Liberale uns ohne weiteres anschließen. Wir könnten uns zum Zwecke der sinnvollen Sektenaufklärung auch eine Integration der Sektenaufklärung in die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung und somit eine Sektenaufklärung im Rahmen des Unterrichtsprinzips vorstellen. Im Rahmen des Ethikunterrichts könnte diese Aufgabe in Zukunft voll wahrgenommen werden.

Meine Damen und Herren! Eine demokratische Gesellschaft sollte sich dadurch auszeichnen, daß ihre Bürger ihre Interessen und Neigungen möglichst frei entfalten können. Aufgabe des Staates sollte es sein, dies zu gewährleisten und die Bürger nicht einzuengen.

Wir lehnen auch die Ausschußfeststellung ab, weil in dieser Feststellung das Gefährdungspotential der anerkannten Kirchen zwar anerkannt wurde, im vorliegenden Bundesgesetz die anerkannten Kirchen jedoch ausgenommen sind. Und es erhebt sich die Frage, Herr Bundesminister: Was gilt jetzt? Wie wird vorgegangen? Halten wir uns an das Gesetz oder an die Ausschußfeststellung?

Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, was von einer Ausschußfeststellung zu halten ist, die auf die Funktionsperiode des zuständigen Ministers, nämlich des jetzigen Ministers Bartenstein, zugeschnitten ist. – Wir Liberalen können einer solchen Alibihandlung sicherlich nicht zustimmen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.45

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Folgende zentrale Forderungen waren für die Sozialdemokraten bei den Vorberatungen zu diesem Bundesgesetz ausschlaggebend: Das Grundrecht auf Religions-, Glaubens- und Gedankenfreiheit muß uneingeschränkt erhalten bleiben, ebenso das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und schließlich das Grundrecht auf Datenschutz.

Ausgehend von diesen Forderungen konnten wir nach sehr intensiven Verhandlungsgesprächen unsere Zustimmung zur Einrichtung dieser Bundesstelle geben, weil damit auch für die Beratung in Sektenfragen ein gesetzlicher Rahmen festgelegt ist und auch eine ausreichende Kontrolle durch den Gesetzgeber erfolgen kann.

Zusätzlich haben wir gefordert, daß dem Datenschutzrat halbjährlich ein zusammenfassender Bericht über die wahrgenommenen Dokumentations- und Informationsfälle unter Darlegung aller datenschutzrelevanten Sachverhalte vorgelegt werden muß. Des weiteren ist der Datenschutzrat berechtigt, einen Arbeitsausschuß einzurichten, der in alle Unterlagen, die bei der Bundesstelle für Sektenfragen vorhanden sind, Einschau nehmen kann. Darüber hinaus hat der Bundesminister dem Nationalrat jährlich einen Bericht über die Tätigkeit dieser Bundesstelle zu erstatten.

Herr Stadler! Sie ziehen verschiedene Gesetze an, gegen welche diese Ausschußfeststellung angeblich verstößt. Dazu kann ich Ihnen mitteilen, daß es hier nicht um die Ausübung von Kontrollrechten durch den Herrn Bundesminister geht, sondern der Herr Bundesminister gibt nur Fälle, von denen er Kenntnis erlangt, an die Kirche weiter. Frau Motter! Wir von der Sozialdemokratie räumen natürlich ein, daß uns Abs. 2 des ersten Paragraphen auch nicht allzu gut gefällt.

Ich darf daran erinnern, daß wir uns in diesem Haus schon sehr lange mit Sektenfragen befassen. 1993 wurde ein Sektenhearing mit Experten abgehalten. 1994 haben wir uns im Zuge der Beratungen über den Ausbau der Rechte der Kinder in einem eigenen Unterausschuß mit Sektenfragen befaßt. Und im Rahmen einer Aktuellen Stunde am 1.12.1996 haben wir über die Gefahren diskutiert, die von Gruppierungen ausgehen können, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie die psychische Abhängigkeit, die Einschränkung der persönlichen Freiheit und der Selbständigkeit des einzelnen zum Ziel haben, psychischen Druck erzeugen, sich materielle Not


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und Existenzängste zunutze machen, Identitätsveränderung und soziale Ausgrenzung bewirken und Menschen wirtschaftlich ausbeuten.

Ich bin mir selbstverständlich bewußt, wie sensibel diese Fragen sind und mit welcher Sensibilität auch der Staat an die Frage der Bewältigung seiner diesbezüglichen Aufgaben herangehen muß. Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Rechtsgutachten von Universitätsprofessor Dr. Heinz Mayer zitieren. Er stellt in seinem Rechtsgutachten fest, daß die staatliche Überwachung von Sekten und deren Aktivitäten in einem Spannungsverhältnis zu mehreren Grundrechten des österreichischen Verfassungsrechtes steht. Er macht außerdem darauf aufmerksam, daß bei der Vollziehung eines derartigen Gesetzes extensive Auslegungen zu vermeiden sind und diese Bundesstelle an feststehende Tatsachen anzuknüpfen hat und jedenfalls neutral sein soll.

Universitätsprofessor Dr. Berka, der ebenfalls ein Rechtsgutachten erarbeitet hat, nimmt ebenfalls zu diesen Fragen Stellung und weist darauf hin, daß unter dem Gesichtspunkt der religiösen Toleranz der Staat insgesamt kein sektenfeindliches Klima schaffen darf. Dem Staat obliegt Neutralitätspflicht. Die Konsequenz daraus ist, daß der Staat Religionen oder Weltanschauungen nicht – gestützt auf seine Autorität – als richtig oder falsch bewerten darf. Sehr wohl, so Berka, dürfe er aber die Auswirkungen bestimmter religiöser Lehren oder Weltanschauungen aufzeigen. – Und das ist der Sinn dieses Gesetzes.

Ich schließe mich dieser Meinung an und hoffe – nein, ich erwarte! –, daß bei der Umsetzung dieses Auftrages mit größter Sorgfalt und Sensibilität vorgegangen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

22.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.50

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Mertel! Die Kriterien, die Sie genannt haben, daß Abhängigkeit erzeugt werden kann, Menschen in Angst und Schrecken versetzt oder auch ausgebeutet werden können, weil man sie regulären Dienst- oder Arbeitsverhältnissen entzieht und sie so in eine religiös motivierte, auch ökonomische Abhängigkeit bringt, treffen auf einige sogenannte Sekten beziehungsweise destruktive Kulte zu. Es gibt derartige Erscheinungen aber leider auch im Rahmen der anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften.

In Anbetracht dessen erhebt sich für mich die Frage: Warum wird eine Ausschußfeststellung gerade bei einem neuen Gesetz getroffen? Warum schreibt man das nicht gleich ins Gesetz? Denn ich meine, daß es auch im Zusammenhang mit den wachsenden Fundamentalismen in vielen Religionen und mit Erscheinungen im Bereich der christlichen Kirchen wie etwa dem Engelwerk und anderen viele Betroffene gibt. Daher meine ich, daß es nicht angeht, daß bei einem neuen Gesetz, das Schutzcharakter haben soll, gleiches verschieden behandelt wird.

Außerdem möchte ich auch die grundsätzliche Frage stellen, ob der Weg, den wir beschreiten, überhaupt der geeignete Weg ist. Denn es gibt auch andere mögliche Organisationsformen, die sehr gefährlich werden können. Und ich möchte auch auf eine Stellungnahme des Sekretariates der Österreichischen Bischofskonferenz verweisen, die in der "Wiener Zeitung" vom Juni 1997 abgedruckt war, in welcher auch die Angst ausgedrückt wurde, daß eine Art Staatskirchenhoheit entstehen könnte, die dann paradoxerweise die etablierten Kirchen ausnimmt.

Wir stimmen absolut zu, wenn man warnt und Betroffenen hilft. Bei manchen Erscheinungen würde ich mir manchmal sogar deutlichere Worte wünschen. Ich denke etwa an die Opfer von Gruppierungen wie Scientology, die schon oft bei allen von uns waren. Im Hinblick darauf orte ich eigentlich noch immer keine wirklichen Maßnahmen, denn es gibt nach wie vor Kindergärten und Schulen, die von maßgeblichen Proponenten dieser Gruppierungen betrieben werden.

Ich war nie eine Anhängerin von irgendwelchen Sanktionen oder Schritten gegen einzelne Angehörige einer derartigen Gruppierung, denn solche Maßnahmen würden mit Sicherheit das


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Gegenteil bewirken. Aber ich habe den Eindruck, daß manche, die Gefahr laufen, zu Betroffenen zu werden, nicht wissen, worauf sie sich einlassen beziehungsweise – was noch ärger ist –, was sie damit anrichten, wenn sie zulassen, daß sich ihr Kind darauf einläßt. Es gibt zum Beispiel Sekten, die unter dem Deckmantel von Nachhilfeinstituten segeln, und insofern glaube ich, daß dieses Gesetz nicht wirklich Abhilfe schaffen kann.

Außerdem frage ich mich, inwiefern sich die etablierten Einrichtungen mit dieser Problematik tatsächlich auseinandersetzen und ob nicht sowohl im Bereich des Innenressorts als auch im Bereich privater Vereine eine bessere Kooperation möglich gewesen wäre.

Hinsichtlich des Datenschutzes schließe ich mich den Bedenken, wie sie Frau Abgeordnete Motter geäußert hat, vollinhaltlich an. Im Lichte dessen nehme ich an, daß wir in nicht allzu ferner Zukunft dieses Gesetz wieder novellieren werden müssen.

Herr Bundesminister! Ich möchte noch auf eine ganz besonders gefährliche Tendenz aufmerksam machen: Durch die Verschiedenbehandlung von an sich gleichen Phänomenen könnte unter Umständen sogar für die anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften mit ihren etablierten, bewährten und unproblematischen Tätigkeiten eine Gefahr geschaffen werden. Denn in dem Maße, in dem für diesen etablierten Bereich keine Zuständigkeiten gegeben sind, laden Sie Sekten, destruktive Kulte und derartige Gebilde fast ein, allenfalls unter dem Deckmantel der etablierten Kirchen Zuflucht zu nehmen und unter einer gewissen Tarnung zu agieren. Das heißt: Ich wage zu bezweifeln, ob mit den jetzt vorliegenden Regelungen wirklich der von uns allen – wie ich annehme – angestrebte Zweck erreicht wird. Daher können wir dem Gesetz unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Grünen.)

22.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

22.55

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Danke, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn Sie in Kürze – wie ich hoffe – dieser Regierungsvorlage Ihre Zustimmung geben, dann tun Sie damit nicht mehr und nicht weniger, als eine Struktur zu genehmigen, die an sich ebenso in Form einer Abteilung meines Hauses ins Leben gerufen werden hätte können. Die jetzige Lösung hat allerdings den Vorteil, daß diese Stelle weisungsfrei – auch von mir weisungsfrei! – und unabhängig gestellt und für jeden Staatsbürger Österreichs ansprechbar ist, ohne daß dieser den Umweg über die Ministerialbürokratie und Hierarchie nehmen muß. Das ist die Idee, die hinter der Schaffung dieser Bundesstelle für Sekteninformation und -dokumentation steht. Um nicht mehr, aber auch um nicht weniger geht es. Ich glaube, daß wir damit einen weiteren Schritt in der Bearbeitung und Bewältigung dessen gehen, was ich als Unwesen im Bereich der Sekten bezeichne. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage ausdrücklich, daß ich in einem Punkt vollinhaltlich mit Frau Abgeordneter Mertel übereinstimme: Religions- und Glaubensfreiheit sind hohe Güter. Auch Sekten sind nicht per se abzulehnen respektive haben den Staat nicht a priori etwas anzugehen. Wenn jedoch von Sekten – und unsere Erfahrungen zeigen das immer wieder – in überdurchschnittlich hohem Ausmaße Gefährdungen für Bürger dieses Landes ausgehen, dann soll man helfen. Wir wissen, daß es im Bereich der Sekten zahlreiche relativ harmlose Gruppen gibt, die sich wirklich religiösen Anliegen widmen. Wir wissen aber, daß es auf der anderen Seite – Frau Abgeordnete Petrovic hat das erwähnt – auch Gruppen wie Scientology gibt, die wenig bis gar nichts Religiöses an sich haben, sondern offensichtlich nur wirtschaftlichen und politischen Interessen dienen respektive diese verfolgen. Darum geht es, und nun ist uns ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem wir mehr tun können als bisher.

Herr Abgeordneter Stadler! Ich habe mich schon gefragt, was plötzlich mit dem freiheitlichen Parlamentsklub los ist. Denn die Sektenexpertin Ihres Parlamentsklubs, Frau Abgeordnete Apfelbeck, steht nicht auf der Rednerliste und ist nicht einmal anwesend. Herr Abgeordneter Stadler! Bei aller Wertschätzung Ihrer Kompetenz möchte ich feststellen: In Sachen Sekten


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habe ich Sie noch nie gehört, und auch im Familienausschuß waren Sie noch nie zugegen, geschweige denn bei der Sektenenquete. Hier haben Sie allerdings das Wort ergriffen. (Abg. Mag. Stadler: Was hat das mit der Grundrechtseinhaltung zu tun?) Das wirft ein bezeichnendes Licht darauf, daß Sie als Klubobmannstellvertreter das Abstimmungsverhalten Ihrer Fraktion im Familienausschuß offensichtlich drehen. Denn dort hat Ihre Fraktion dem Gesetzesentwurf und auch der bezughabenden Ausschußfeststellung die Zustimmung gegeben, und jetzt kündigen Sie ... (Abg. Mag. Stadler: Überlassen Sie das uns!) Das ist jedenfalls unüblich, Herr Abgeordneter, das möchte ich nur einmal feststellen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich habe mich Ihnen gegenüber auf direktes Befragen geoutet. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Nein, ich bin kein Jurist, ich bin Chemiker! Das schadet manchmal auch nichts. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Nein, ich bin kein Katholik, sondern – jetzt sage ich es Ihnen – Protestant. Und auch das schadet manchmal nichts, weil ich damit wohl ein wenig über den Verdacht erhaben bin, der katholischen Kirche besondere Dienste erweisen zu wollen.

Aber, Herr Abgeordneter Stadler, ich kann sehr wohl lesen und ein bißchen etwas verstehen. Daher kann ich Ihnen mitteilen, daß diese Ausschußfeststellung nichts anderes besagt, als daß mir zugehende Informationen weitergegeben werden und daß im Fall des Falles das Umwelt- und Familienressort und/oder die Sektenstelle Hilfestellung leisten. Das ist nicht Aufsichtsmäßiges, das hat nichts mit Kontrolle zu tun, und es handelt sich hiebei keinesfalls um einen Eingriff in Rechte gemäß Art. 15 Staatsgrundgesetz oder ähnliches. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das, was Sie kritisieren, wird auch von der anderen Seite, also auch von den Liberalen und den Grünen, kritisiert. Daher meine ich: 180 Grad diametral in der Mitte zu liegen ist manchmal gar nicht so falsch.

Es trifft zu, daß in unserem ersten Gesetzentwurf, der in Begutachtung gegangen ist, auch noch die Kontrolle für innerkirchliche Gruppierungen enthalten war. Aufgrund der Kritik in der Begutachtung haben wir uns jedoch dazu veranlaßt gesehen, diesen Abschnitt wieder zu streichen. Und ich sage Ihnen jetzt etwas sehr Politisch-Pragmatisches: Das ist meine relativ geringste Sorge, denn die Tausenden von Anfragen, die meine Mitarbeiter in den letzten Monaten zu bearbeiten hatten, hatten mit innerkirchlichen Gruppierungen entweder gar nichts oder nur sehr am Rande zu tun. Das bedeutet, daß dieses Problem offensichtlich ein relativ geringes ist.

Ich sage aber dazu, daß ich dieses Thema unter anderem auch mit Herrn Kardinal Schönborn erörtert habe und daß mir seitens des Herrn Kardinals zugesichert wurde, daß man sehr wohl ein Auge insbesondere darauf hat, was etwa Gruppierungen wie das Opus Angelorum tun oder auch nicht tun. Diese Zusicherung habe ich, und darauf kann ich mich verlassen.

Ein letztes noch zur Frage des Datenschutzrates und zur Frage der Datenschutzaspekte. Frau Abgeordnete Motter! Ich kann nur darauf verweisen und sage dasselbe, was Frau Abgeordnete Mertel schon gesagt hat: Es gibt eine halbjährliche Berichtspflicht an mich, es gibt eine jährliche Berichtspflicht von mir an den Nationalrat, und es gibt gewissermaßen ein Einsichtsrecht des Datenschutzrates beziehungsweise seines Arbeitsausschusses in die Bundesstelle. – Ich meine, daß wir das relativ gut im Griff haben. Wir werden jedenfalls das tun, was nach gutem Wissen und Gewissen statthaft ist, und darauf achten, daß die Datenschutzsituation so interpretiert wird, wie das nach unserer Auffassung ordnungsgemäß zu geschehen hat. Und wir werden unsere Tätigkeit letztlich auch auf die Gutachten der Professoren Mayer und Berka – beide wurden schon zitiert – abstellen.

Es ist dies zwangsläufig eine heikle Frage. Ich meine aber, daß wir sie in befriedigender Art und Weise beantwortet haben. Damit bedanke ich mich schon im voraus beim Hohen Haus für die Zustimmung zu diesem Gesetz, weil dieses für mich ein wichtiges Instrument zum Schutz österreichischer Bürger vor den negativen Auswirkungen von Sekten in Zukunft sein wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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23.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Die Redezeit ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

23.02

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sinngemäß schrieb Jean Jacques Rousseau 1762, daß es die wahre Aufgabe von Erziehung ist, zu einer guten Kultur der Aufrichtigkeit und Selbstübereinstimmung zu führen. Diese Übereinstimmung sei aber nur durch lang dauernde Prozesse der Erziehung zu erreichen.

Die Beschäftigung mit unseren Kindern und Jugendlichen wird heute immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Video und Fernsehen ersetzen teilweise schon in frühen Jahren die Beziehungsarbeit in der Familie. (Abg. Dr. Mertel: Haben Sie Ihre Reden verwechselt?) Die Eltern haben für ihre Kinder weniger Zeit oder auch weniger Energie. Aufgrund dieser Zuwendungsdefizite wachsen – so sagen die Psychologen – die Ansprüche der Kinder auf Konsumgüter. Die Frage ist nur, ob Konsum diese Lücke füllt. Die Folge dieser Erscheinung ist oft, daß sich Heranwachsende den bestehenden Normen widersetzen oder gegen Institutionen auftreten. In Wahrheit ist jedoch ein Großteil der Jugendlichen auf Identitätssuche beziehungsweise Sinnsuche. Und genau ab diesem Zeitpunkt wächst auch die Gefahr, daß die Jugendlichen den Sinn des Lebens in Sekten oder sektenähnlichen Aktivitäten suchen.

Sie meinen, dort "endlich Zuwendung, endlich Gebrauchtwerden, endlich Heimat, endlich Gesundheit, endlich umfassendes Wissen, endlich Sicherheit" zu finden. – Unter diesen Schlagworten hat das Bundesministerium für Familie in der Broschüre "Sekten – Wissen schützt" zusammengefaßt, was Jugendliche suchen beziehungsweise was sie sich in Sektengruppen erwarten.

In Anbetracht dessen sind nicht nur die Erziehungsberechtigten, sondern ist natürlich auch der Staat gefordert, durch Information und Beratung bei der Erziehungsarbeit zu helfen. Die Einrichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen ist daher ein notwendiger Schritt. Dem Gesetzentwurf liegt nicht die allgemeine undifferenzierte Dokumentation der Tätigkeit sogenannter Sekten zugrunde, sondern ein Katalog möglicher Gefahren. In erster Linie handelt es sich dabei um die Gefährdung von Leben und Gesundheit von Personen beziehungsweise der freien Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit, der Integrität des Familienlebens, des Eigentums oder der Eigenständigkeit von Menschen und der freien geistigen und körperlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Die Bundesstelle für Sektenfragen bietet daher für Familien, die mit diesem Problem konfrontiert sind, eine wichtige Hilfestellung. In den meisten Fällen fehlt es nämlich nicht nur an allgemeiner Information, sondern auch an Hilfe und Beratung, wie man mit Betroffenen umgeht und wie man sie aus der Macht einer Sekte wieder befreien kann. Insofern ist auch die Möglichkeit der Beratung in der Bundesstelle zu begrüßen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bedanke mich bei dir für diese Vorlage, der wir von der ÖVP gerne zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

23.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.05

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Minister Bartenstein! Ich bin wirklich enttäuscht über Ihre Blauäugigkeit oder über Ihr – ich möchte es einmal so nennen – tolpatschiges politisches Verhalten in dieser Frage, das sie an den Tag legen, wenn Sie hier und heute dieser Ausschußfeststellung nicht den Charakter zumessen, den sie tatsächlich hat. Ich habe dieser Ausschußfeststellung übrigens im Ausschuß, wie Sie wissen, aus vielen Gründen nicht zugestimmt, unter anderem auch deshalb, weil darin nicht einmal ein einziger deutscher Satz enthalten ist, und das, was darin steht, noch dazu von der ÖVP angeregt wurde. – Auch das enttäuscht, aber Ihre Partei stellt ja "nur" die Unterrichtsministerin.


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Sie werden doch nicht im Ernst glauben, daß Sie in Zukunft bloß als Briefträger oder als Briefkasten fungieren werden! Da kennen Sie aber die vereinigte Linke und die Kirchenvolksbegehrer schlecht und haben sich mit dem Thema nicht befaßt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn es um die Institution Kirche beziehungsweise anerkannte Religionsgemeinschaften geht, werden Sie mit Beschwerden zugeschüttet werden, und Sie werden nicht bloß an oberster Stelle etablierter Briefkasten sein! Sie haben vielleicht die Dimension noch nicht durchschaut. Denn wären Sie bloß Briefkasten oder Briefträger, dann hätten Sie diesen Briefkasten auch bei der Erzdiözese aufhängen oder aber auch im Beamtenbereich ansiedeln können. Sie haben aber sich selbst dazu berufen, höchstpersönlich den Briefträger zu spielen. Und genau das wird Ihnen auf den Kopf fallen! Sie werden an meine warnenden Worte sicherlich noch denken. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. )

Abgesehen von den anderen durchaus richtigen Bedenken möchte ich feststellen, daß bereits der geringste Anschein von Verfassungswidrigkeit abzuwehren ist, und dieser ist zweifellos bei dieser Ausschußfeststellung gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie werden sehen, daß Sie in eine zwiespältige Position kommen werden. Auf der einen Seite ist jetzt gesetzlich normiert, wie diese Stelle eingerichtet wird und wie sie zu funktionieren hat. Auf der anderen Seite gibt es in bezug auf anerkannte Religionsgemeinschaften und Kirchen diese Möglichkeit nicht, sondern dort besteht ein Graubereich. Aber es wird einen beim Minister etablierten Briefkasten geben beziehungsweise wird er selbst als Briefträger fungieren, der darüber hinaus aber auch tätig werden soll, der Hilfestellung geben soll und so weiter. – So steht es in dieser Ausschußfeststellung.

Bei den anerkannten Kirchen gibt es einen Graubereich, der, wie ich meine, ähnlich ist wie jener im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, wo es ebenfalls einen Graubereich gibt, in dem in Wahrheit Datenmaterial gesammelt wird et cetera. (Abg. Dr. Nowotny: Das paßt Ihnen nicht!) Die Frage, ob Sie sich selbst in diesem Punkt in bezug auf die anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht im übertragenen Sinn zu einem Dr. Neugebauer machen, ist noch offen; die muß noch beantwortet werden. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich meine, mit dieser Ausschußfeststellung sind Sie nicht bloß Briefträger und Briefkasten an oberster Stelle, sondern der "Oberschmuftler" in anerkannten Religionsangelegenheiten! Und das ist unrichtig und gehört abgelehnt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Ober-was? "Oberschmuftler"? Das ist volkstümlich, wahrscheinlich oberösterreichisch!)

23.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tegischer.

 

23.10

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte, obwohl sie schon einigermaßen ausgiebig besprochen worden ist, noch einmal auf die Ausschußfeststellung zur Sektenstelle zurückkommen. Es geht darin wirklich nur um die Inkenntnissetzung von Kirchen- und Religionsgemeinschaften über Gefährdungen. Aus meiner Sicht besonders wichtig ist das Angebot von Hilfestellungen. Wir hätten es auch lieber gesehen, daß es im Gesetz festgeschrieben ist. Aber das war für uns ein gangbarer Kompromiß.

Ergänzend möchte ich sagen, daß in dem Gesetz auch die Kooperation zwischen allen Stellen, die sich mit der Beratung von Gefährdeten auseinandersetzen, vorgesehen ist und daß die Bundesstelle berechtigt ist, mit diesen Stellen zu kooperieren. Mir wäre der Terminus "verpflichtend" lieber gewesen.

Nun zum Terminus "Sekten": Darüber haben wir im Ausschuß ausführlich gesprochen. "Sekte" ist eigentlich eher als Kampfbegriff für Gruppierungen, die wir in unserer Gesellschaft nicht haben wollen, zu bezeichnen. Die meisten Menschen verbinden mit dem Begriff "Sekte" ganz bestimmte Namen wie "Scientology", "Zeugen Jehovas" und so weiter. Daher ist es meiner Ansicht nach wichtig, das Hauptaugenmerk auf die Merkmale solcher Gruppierungen zu legen.


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Es muß festgestellt werden, daß alle diese Gruppierungen eines gemeinsam haben, nämlich bestimmte Bedürfnisse abzudecken und damit besonders Jugendliche, die sich in einer Entwicklungsphase befinden, anzusprechen. Es geht um Bedürfnisse, die in unserer Gesellschaft anscheinend nur unvollständig oder gar nicht abgedeckt werden können. Dazu gehört das Gefühl, angenommen zu werden, das Gefühl, daß einem die Angst genommen wird, die Ich-Stärkung und vor allem die Möglichkeit, hohe oder höchste elitäre Stufen erreichen zu können.

Meines Erachtens muß man auf drei Bereiche besonders achtgeben, und das werde ich mir in dem Bericht an das Parlament dann genau ansehen. Nicht nur Information darf im Vordergrund stehen. Die bereits Geschädigten und Gefährdeten müssen gezielte Beratung und Betreuung bekommen, und damit das zum Erfolg führt, muß der Ausstieg genauso erfolgen können wie der Einstieg.

Besonders die Prävention ist mir ein Anliegen, in der Art, daß neben Informationen auch gezielt Projekte gefördert werden, die darauf abzielen, junge Menschen in ihrer Persönlichkeit, Kritikfähigkeit und im Erlernen von Problemlösungsstrategien zu fördern. Dann werden Sekten, Psychokulte und Heilslehren-Gruppierungen für sie unattraktiv. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schaffenrath: Ethikunterricht!)

23.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.13

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Suche nach Glück und dem Sinn des Lebens beschäftigt den Menschen seit jeher. In einer Zeit, in der Geld, Schnelligkeit, Technisierung und Shareholder Value den Alltag bestimmen, gaukeln Sekten und Psychokulte vor, Antworten auf neue Herausforderungen und alte Sehnsüchte geben zu können.

Gerade Menschen, die das Gefühl haben, mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten zu können – die Jahrtausendwende spielt dabei sicher auch eine Rolle –, Menschen in Krisensituationen und Jugendliche werden von Sekten zuerst angesprochen und dann vereinnahmt. Das Angebot ist, wie die Sektenenquete gezeigt hat, auch in Österreich sehr groß. Ungefähr 500 derartige Gruppierungen gibt es, und laut einer Fessel-Studie wurden bereits 77 Prozent der Österreicher einmal von Sekten angesprochen. 50 000 Österreicher sagen, sie sind Mitglied einer Sekte, und das Umfeld dieser Organisationen beläuft sich auf zirka 200 000 Menschen.

Vielen ist nicht einmal bewußt, daß sie sich in der Organisation einer Sekte oder eines Psychokultes befinden, denn diese Organisationen sind sehr oft getarnt. Unter dem Deckmantel des Gesundheitsbewußtseins oder eines Persönlichkeitsentwicklungs-Kurses wird oft versucht, neue Mitglieder anzusprechen. Weder Volkshochschulen noch Gemeinden, nicht einmal Universitäten sind davor gefeit, daß Gruppierungen ihre Räumlichkeiten nutzen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Diese Gruppierungen profitieren dann von den seriösen Namen dieser öffentlichen Einrichtungen und können dadurch Unbedenklichkeit vorspiegeln.

Wir haben gesehen, daß die Grenzen fließend und die Aktivitäten vielfältig sind. Gerade um in diesem Bereich Auskunfts- und Ansprechpartner zu haben, ist die Bundesstelle für Sektenfragen so wichtig, damit man fragen kann, ob es sich um eine Gruppierung handelt, die bedenklich ist, und wie es mit Erfahrungen mit dieser Gruppierung aussieht.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister sehr herzlich dafür, daß er mit der Broschüre "Sekten – Wissen schützt" schon den ersten Schritt gesetzt hat. Dies wurde bereits 280 000mal angenommen; nicht nur abgefragt, sondern auch angenommen. (Abg. Dr. Mertel: Was sagt die MRK dazu? – Abg. Dr. Khol: Das ist ja nur eine Information!)

Es gibt wirklich schlimme Gesichter von Sekten. Wir kennen das von der AUM-Sekte oder von den Massenmorden der Sonnentempler. Aber das Alltagsgesicht der Sekten heißt immer: Abkoppelung von der Familie, Ausbeutung, Abhängigkeit. In totalitär geführten Sekten haben die


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Menschen oft keine Entscheidungsmöglichkeiten mehr, sondern stehen in Befehls- und Gehorsamsbeziehung und werden überwacht. Der Weg zurück wird verbarrikadiert und die Brücken werden abgebrochen.

Ich glaube, aus diesem Grund ist es dringend notwendig, daß es eine Bundesstelle gibt, die Wissen sammelt, die aufmerksam macht, die hinweist. Robert Musil sagte: "Wir haben keine innere Stimme mehr, der Verstand tyrannisiert unser Leben." – Sekten und Psychokulte können diese innere Stimme nicht zum Klingen bringen und schon gar nicht ersetzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

23.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Dr. Niederwieser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.16

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eines muß man dem Abgeordneten Stadler lassen. Erstens hat er sich mit dieser Materie zwar nicht im Ausschuß beschäftigt, aber doch sehr tief – bis hinein ins Konkordat – gegraben, und zweitens ist er – im Unterschied zu seinem Klubobmann – auch tatsächlich da, wenn diskutiert wird. (Abg. Dr. Mertel: Wo ist er? – Ah, da oben sitzt er!) Das hält sein Klubobmann einigermaßen anders. Den sehen wir hier nur sehr selten.

Kollege Stadler! Sie verwechseln etwas, wenn Sie die Ausschußfeststellung kritisieren. Wenn der Herr Bundesminister oder wenn diese Beratungsstelle Informationen bekommt, die sich auch auf den kirchlichen Bereich und auf Organisationen aus dem kirchlichen Bereich beziehen, dann wird der Herr Bundesminister im Sinne dieser Ausschußfeststellung die entsprechende Kirche von diesen Vorgängen verständigen. (Abg. Mag. Stadler: Dafür braucht er keine Ausschußfeststellung!)

Das ist nicht so, wie es bei Ihnen ist. Wenn Sie oder Ihr Klub einen Brief der Firma Prochema bekommen, dann geben Sie ihn dem Herrn Rosenstingl und sagen: "Jetzt mach aber da einmal!" – Das ist selbstverständlich in dem Sinn ein Befehl, wie Sie das betrachten. (Abg. Mag. Stadler: Dafür brauche ich keine Ausschußfeststellung!) Die Information, die der Herr Bundesminister gibt, ist eine Information und kein Befehl an die Kirche. Insofern kann das auch überhaupt nicht verfassungswidrig sein.

Sie haben auch diesen – wie heißt das? – Haftungsvertrag angezogen. (Abg. Dr. Mertel: Knebelungsvertrag!) Knebelungs-, Haftungsvertrag – ist ja gleichgültig. Es ist selbstverständlich relativ leicht, solche Haftungsverträge einzugehen. Wir wissen ja bis heute nicht, was die Position der Freiheitlichen Partei zu diesem Gesetz tatsächlich ist. Von Ihnen waren zwei Redner hier heraußen. Beide haben sich nur auf die Ausschußfeststellung bezogen, aber kein einziges Wort zum Gesetz selbst gesagt. (Abg. Mag. Stadler: Genügt das nicht?)

Wir stimmen ja bitte nicht nur über die Ausschußfeststellung ab, sondern wir stimmen über ein Bundesgesetz ab. Sie haben aber kein Wort darüber verloren, weshalb Sie dieses Gesetz ablehnen. Sie haben nur fadenscheinige, falsche verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Ausschußfeststellung, die Sie bewußt falsch interpretiert haben, hier vorgetragen. Ich bin gespannt, ob Sie dann dem Gesetz zustimmen werden. (Abg. Mag. Stadler: Das habe ich gesagt! Ganz zu Beginn der Rede!)

Sie können das selbst nachlesen. Wenn Sie nicht mehr wissen, was Sie gesprochen haben, lesen Sie es selbst nach! (Abg. Mag. Stadler: Ganz zu Beginn der Rede habe ich das gesagt!) Sie haben zum Gesetz kein Wort gesagt, außer am Anfang, daß Sie es ablehnen werden. (Abg. Mag. Stadler: Das gibt jetzt ein "Nicht genügend", Herr Lehrer! Ich habe das ganz zu Beginn gesagt!)

Die liberalen und die grünen Kollegen haben sich sehr massiv gegen diesen Absatz 2 in § 1 ausgesprochen. Dazu haben die Vorrednerinnen meiner Fraktion schon Stellung genommen. Ich meine aber doch, daß es überlegenswert ist, ob man sagt: Wir wollen, daß überhaupt nichts


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passiert, wir wollen überhaupt keine Beratungsstelle – nur weil diese Beratungsstelle nicht auch Tätigkeiten in der Kirche umfassen kann. (Abg. Schaffenrath: Gell, Erwin, jetzt fällt dir die Argumentation schwer! Jetzt wird es schwer, dich herauszureden!)

Ich denke, diese Beratungsstelle hat eine dermaßen wichtige Funktion, daß man sich ohne weiteres mit dem, was sie zu tun hat, zufriedengeben kann, noch dazu, da für den anderen Bereich eine Lösung gefunden wurde. (Abg. Dr. Schmidt: Das ist eine so skurrile Argumentation!) Diese Beratungsstelle wird seriöse, wirksame und umfassende Information zu liefern haben. Sie wird, wenn notwendig, jenen Betroffenen und Angehörigen Hilfestellung leisten, die in Gefahr geraten, nicht nur Hab und Gut, sondern auch ihre persönliche Freiheit zu verlieren.

Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, und daher sind wir froh, daß diese Stelle eingerichtet wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schaffenrath: Ehrlich froh oder "koalitionsfroh"? – Das frage ich dich noch, ob du ehrlich froh bist!)

23.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Dr. Höchtl.

23.21

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn fast neun von zehn Österreichern sagen, daß sie Sekten, pseudoreligiöse Gemeinschaften oder destruktive Kulte als gefährlich oder sehr gefährlich betrachten, dann ist es meiner Ansicht nach eine Verpflichtung für die Politik, sich dieser Ängste anzunehmen und die entsprechenden Instrumente zu schaffen, damit man rechtzeitig Informationen gibt und für Aufklärung sorgt. Das ist der Grund dafür, daß wir seit einigen Jahren in dieser Frage tätig sind.

88 Prozent der Österreicher sind es genau, die solche Gruppierungen als gefährlich oder sehr gefährlich betrachten. Vor kurzem, vor wenigen Wochen, haben wir eine eigene Enquete darüber abgehalten. Dort haben uns nationale und internationale Fachleute Bericht erstattet, und es wurde gesagt, daß allein der Psychomarkt in Deutschland ein Ausmaß von rund 130 Milliarden Schilling jährlich erreicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht nicht darum, irgendwelche Zwangsmaßnahmen durchzuführen. Aber wir wollen eine Stelle haben, welche diese Gefährdungen dokumentiert, und wir wollen eine Bundesstelle haben, die informiert. Aber wir wollen nicht nur diese Bundesstelle haben – übrigens ist seitens der Freiheitlichen Partei zum Gesetz selbst überhaupt kein Einwand vorgebracht worden (Abg. Mag. Stadler: Falsch!), wie festgehalten werden muß, und das heißt, ich lade Sie ein, zuzustimmen –, sondern wir müssen auch weitere Schritte setzen. Wir müssen Schritte im Hinblick darauf setzen, wie es mit dem Schutz der Konsumenten vor den verschiedenen Angeboten auf dem Psychomarkt weitergeht. Denn da geht es allein in Österreich um einen Markt von rund 10 Milliarden Schilling.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, all jenen, denen es ein Anliegen ist, über die Gefahren zu informieren und den betroffenen Menschen zu helfen, muß man nahelegen, diesem Gesetz zuzustimmen. Wir tun es. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )

23.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl.

23.23

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist in dieser Debatte bereits sehr viel über die Notwendigkeit dieser Bundesstelle und über die Argumente dafür gesagt worden. Unbestritten ist – ich denke, das kann man zusammenfassend sagen –, daß von Sekten und sektenähnlichen Gruppierungen Gefährdungen ausgehen können und auch ausgehen. Die Bundesstelle für Sektenfragen ist daher meiner Meinung nach ein wichtiges Werkzeug, um diesen Gefähr-dungen entgegenzutreten.


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Sekten sind vielfach von autoritären Strukturen geprägt, daher ist auch Aufklärung wichtig. Aufklärung braucht wiederum fundierte Grundlagen. Wie wir wissen, ist das kein nationales Problem, sondern muß auch über die Grenzen hinweg gesehen werden. Das Sektenthema ist daher auch international zu sehen. Deshalb ist es wichtig, daß in der Regierungsvorlage ausdrücklich die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch mit in- und ausländischen Stellen in den Aufgabenbereich aufgenommen wurde. Das Europäische Parlament hat sich – ebenfalls in einer Entschließung – mit diesem Thema schon 1996 befaßt, und es gibt dazu auch international klare Zielvorstellungen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, daß unsere Gesellschaft zwar religiöse Toleranz braucht, doch ist diese nicht grenzenlos, sie darf nicht grenzenlos sein. Wo unter dem Vorwand der religiösen Betätigung Menschen ihren Familien entfremdet werden, die Herauslösung aus dem sozialen und beruflichen Umfeld erfolgt und der finanzielle Ruin einzelner droht, dort werden diese Grenzen überschritten. Deshalb ist es notwendig, daß dagegen etwas unternommen wird.

Ich wünsche jedenfalls namens der sozialdemokratischen Fraktion dem neugeschaffenen Dokumentationsarchiv für Sektenfragen – ich betone: Dokumentationsarchiv für Sektenfragen (Abg. Dr. Graf: Das ist es! Da habe ich schon recht!)  –, also dieser neuen Bundesstelle, viel Erfolg! (Beifall bei der SPÖ.)

23.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

23.26

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute über das Bundesgesetz debattieren, das die Grundlage für die neu einzurichtende Bundesstelle für Sekteninformation bildet, so ist das in Wirklichkeit die konsequente Fortsetzung eines Kampfes gegen Sekten und pseudoreligiöse Gruppen, die eine Gefahr für junge Menschen, aber auch für die Gesellschaft ganz allgemein darstellen.

Unser Herr Bundesminister Dr. Bartenstein hat – im Sinne des Nationalrates – diesen Kampf aufgrund einer Entschließung des Nationalrates von vornherein sehr offensiv aufgenommen, und zwar nicht nur mit der Sektenbroschüre. Wir haben das auch auf parlamentarischer Ebene weiterverfolgt, etwa im Rahmen einer Enquete, aber auch mit dem Bundesgesetz über religiöse Bekenntnisgemeinschaften.

Es ist notwendig, diese Bundesstelle einzurichten, weil die bisherigen Informationsstellen offensichtlich nicht ausreichen. Sie reichen nicht aus, weil es auf der einen Seite entsprechende kirchliche Stellen und auf der anderen Seite Familienberatungsstellen gibt, die aber untereinander nicht unbedingt vernetzt sind.

Wenn wir davon sprechen, daß es in Österreich zwischen 500 und 600 derartige Gruppierungen gibt, so ist es für eine einzelne Stelle, die nicht vernetzt ist, fast unmöglich, im gesamten Bundesgebiet sozusagen alle Informationen zur Verfügung zu haben. Es geht also in Wahrheit nicht um Spitzeldienste, sondern es geht in erster Linie um das Sammeln von Informationen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zwei Anmerkungen möchte ich außerdem treffen. Frau Kollegin Motter! Sie haben gesagt, daß die in dieser Bundesstelle tätigen Bediensteten keiner Verschwiegenheit unterliegen. Offensichtlich haben Sie den Entwurf nicht gelesen, denn im § 11 ist ausdrücklich die Verschwiegenheit der dort tätigen Personen vorgesehen, auch über das Dienstverhältnis hinausgehend.

Besonders eigenartig – das möchte ich hier ausdrücklich anmerken – finde ich das Verhalten der Freiheitlichen, im Ausschuß zuzustimmen und hier dagegenzureden. Ich erinnere mich sehr gut an die Debatte von vor einem Jahr, als Ihnen alle Maßnahmen viel zuwenig weitreichend waren und wir in Ihren Augen viel zuwenig getan haben. Jetzt plötzlich ist Ihnen ganz offensichtlich das Tempo zu hoch. Sie kommen nicht mehr mit, und weil Sie nicht mehr mitkommen, ist es für


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Sie die einzige Möglichkeit, dagegenzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Da schickt ihr heute nicht die Elite heraus!)

23.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Daher ist diese Debatte geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Ausschußanträge getrennt vorgenommen werden.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1158 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist mit Mehrheit so in zweiter Lesung angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, dies durch ein Zeichen bekunden. – Die Vorlage ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir stimmen darüber hinaus ab über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht in 1288 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme stimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag auf Kenntnisnahme ist mit Mehrheit beschlossen.

15. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 643/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Valorisierung der Familienbeihilfe (1289 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 644/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Kinderbetreuungsscheck (1290 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 658/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus (1291 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr gelangen wir zu den Punkten 15 bis 17 der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor. Wir gehen in die Beratungen ein.

Die erste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Haller vor. – Bitte. (Abg. Dr. Mertel: Frau Haller! Wo waren Sie bis jetzt? – Abg. Haller: Ich glaube, ich bin Ihnen nicht Rechenschaft schuldig, Frau Kollegin Mertel!)

23.30

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Abg. Dr. Mertel: Wo waren Sie nur?) Drei freiheitliche Anträge stehen jetzt zur Diskussion. Der erste, 644/A (E), betrifft ... (Abg. Dr. Mertel: Sie haben mir gefehlt! – Abg. Dr. Graf: Wo war Ihre Fraktion? – Abg. Dr. Mertel: Die war da!) Normalerweise bin ich immer


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da, jetzt war ich eben einmal nicht da. Sehr schön, daß Ihnen das auffällt, Frau Kollegin Mertel! (Abg. Dr. Mertel: Selbstverständlich! Ich habe Sie immer im Auge!)

Der Kinderbetreuungsscheck ist ein altes Anliegen von uns Freiheitlichen. Wir fordern mit diesem Antrag den Herrn Bundesminister auf, entsprechende Maßnahmen zu setzen, um eine erste Stufe des Kinderbetreuungsschecks umzusetzen. Herr Familienminister! Fast wäre in der vergangenen Sitzung des Familienausschusses bei mir Freude aufgekommen, weil ich so viele positive Reaktionen von Ihnen, von Ihren Kollegen und Kolleginnen zu allen drei freiheitlichen Anträgen bekommen habe.

Diese Freude ist aber dadurch ein bißchen getrübt worden, daß Sie zwar positiv argumentieren, dann aber freiheitliche Anträge selbstverständlich niederstimmen. Das ist die Realität. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das sagen Sie, nachdem ich mich sehr aufmerksam mit dem freiheitlichen Antrag befaßt habe?!) Ja, Herr Bundesminister, ich sage das. Genau aus diesem Grund sage ich das. (Abg. Dr. Mertel: Jetzt wissen Sie, wie das mit dem Abstimmungszwang ist!)

Denn ich habe Sie im Ausschuß gefragt, wie die ersten Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zum Kinderbetreuungsscheck aussehen. Sie haben gesagt, diese Ergebnisse liegen Ihnen vor, und wortwörtlich: "Wenn man den Scheck will, dann ist er machbar. Er ist finanzierbar aus dem FLAF, dann aber in einer Basisfunktion." – Genau das haben wir Freiheitlichen immer behauptet, und jetzt liegt die Bestätigung dafür vor. Aber der freiheitliche Antrag wird abgelehnt!

Ich habe vor kurzem kaum meinen Augen getraut, als ich "Kommunal" – offizielles Organ des Österreichischen Gemeindebundes – aufgeschlagen habe, und zwar Seite 51 der Nummer 6 von 1998. Unter "Oberösterreich" steht: Kinderbetreuungsscheck von der Wiege bis zur Schule. Herr Landeshauptmann Pühringer und Herr Landesrat Hiesl – auch sie gehören der ÖVP an – fordern daher die rasche Einführung des sogenannten Kinderbetreuungsschecks. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist unsere freiheitliche Forderung!)

Ich sage Ihnen: Mir ist diese Diktion sehr gut bekannt; Ihnen vielleicht nicht so sehr. Denn wir Freiheitlichen haben vor drei Jahren diesen Falter herausgebracht, Herr Bundesminister! (Die Rednerin hält eine gefaltete Broschüre in die Höhe.) Darauf steht: "Von der Wiege bis zum Schuleintritt – den Kinderbetreuungsscheck." Es ist also nicht nur so, daß die ÖVP in den Ländern diesen Scheck fordert, sondern sie verwendet sogar unsere Diktion und unsere Argumentation – um nicht zu sagen: Sie schreibt das ab, was wir fordern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Damit Sie es mir glauben, gebe ich Ihnen diese beiden Exemplare. (Die Rednerin überreicht Bundesminister Dr. Bartenstein die Broschüre. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Geben Sie ihm auch einen Erlagschein für das Honorar! – Abg. Dr. Mertel: Ich würde das Urheberrecht einfordern!)

Herr Bundesminister! Das ist eigentlich wirklich nicht ganz verständlich. Wir haben jetzt einen ersten Schritt zur Umsetzung gefordert, und Sie haben mir im Ausschuß ja auch bestätigt, daß der erste Schritt so, wie wir uns ihn vorstellen – nämlich zunächst einmal Karenzgeld für alle Mütter als familienpolitische Leistung –, auch finanzierbar wäre. 90 Prozent der Mütter bekommen derzeit Karenzgeld, nur 10 Prozent bekommen es nicht. Sie planen ja insgesamt schon eine 10prozentige Valorisierung, und diese scheint finanzierbar zu sein. Also wäre selbstverständlich auch dieser erste Schritt aus dem FLAF einwandfrei finanzierbar, Herr Bundesminister!

Es wäre sehr schön, wenn ich zu Ihnen sagen könnte: Herr Bundesminister, gehen wir dieses Vorhaben gemeinsam an, setzen wir einen ersten Schritt, versuchen wir es gemeinsam! Aber ich habe das Gefühl, Herr Bundesminister, daß Sie die Freiheitlichen – gerade in der Familienpolitik – immer wieder als Druckmittel gegen Ihren Koalitionspartner verwenden. Ich habe tatsächlich den Verdacht, daß das auch im Bereich dieses Kinderbetreuungsschecks so laufen könnte. Wenn nicht ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Frau Kollegin! Machen wir es! Aber dann stimmen Sie im Plenum dagegen!) Ein bißchen Vertrauen muß schon da sein. Bei mir ist es da, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Beim Kinderbetreuungsscheck bleibt sie Ihnen treu!)


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Auch die zwei anderen freiheitlichen Anträge haben ihre Berechtigung. Sie wissen, daß wir eine Valorisierung der Familienbeihilfe in der Höhe des Anpassungsfaktors der Pensionen wollen. Das wäre sinnvoll, finanzierbar und machbar, alles das wäre es. Aber Sie wollen es nicht. Gut, wir müssen das zur Kenntnis nehmen.

Herr Bundesminister! Sie verteidigen auch die Abschaffung der Geburtenbeihilfe. Sie haben im Ausschuß mit Ihrer Parteikollegin Moser darüber gestritten, um wieviel Prozent die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen tatsächlich zurückgegangen sind. Faktum ist, daß sie gravierend zurückgegangen sind. Genau das haben wir Freiheitlichen befürchtet, genau das hat auch der familienpolitische Beirat befürchtet. Aber Sie stimmen diesem Antrag der Freiheitlichen, der auf einem einstimmigen Antrag des familienpolitischen Beirates beruht, nicht zu. (Abg. Dr. Mertel: Überraschend!)

Herr Bundesminister! Die Folgekosten aus der fehlenden Untersuchungsdisziplin beim Mutter-Kind-Paß werden kommen. Sie werden kommen, aber dann werden Sie vielleicht nicht mehr Minister sein. (Abg. Dr. Mertel: Na ja! Bei der Fluktuation!) Vielleicht ist es Ihnen deshalb nicht so wichtig. Uns ist es wichtig. Wir werden unsere Intentionen selbstverständlich weiterhin verfolgen, Herr Bundesminister, konsequent und beharrlich, so wie ich das eigentlich immer bin. (Abg. Dr. Mertel: Das müssen Sie jetzt ja aufgrund des Vertrages!)

Wir werden dann sehen, ob sich die ÖVP in den Ländern und im Bund zu einer gemeinsamen Linie bekennen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Bleiben Sie bei der Abstimmung jetzt da?)

23.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.38

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Antrag der Frau Abgeordneten Haller auf Valorisierung der Familienbeihilfe geht in keiner Weise auf das kürzlich beschlossene Familienpaket ein. Die 12,6 Milliarden Schilling, die zusätzlich für die Familien aufgebracht werden (Abg. Mag. Stadler: Waren vorweggenommen!), bringen uns familienpolitisch einen großen Schritt weiter. Das müssen auch Sie zugeben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir jedenfalls sind froh über dieses Paket. Es war ein langer Weg dorthin, aber es ist schließlich umgesetzt worden. Derzeit hat der Familienlastenausgleichsfonds aber noch keine Überschüsse. Sie sind zu erwarten, aber was wir noch nicht haben, können wir noch nicht verteilen.

Zum Kinderbetreuungsscheck möchte ich sagen, was ich schon mehrmals gesagt habe: Derzeit ist eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die vom Bundesminister vorgelegt werden wird. Für mich ist die Frage der Kinderbetreuung eine sehr wesentliche. Hier werde ich mich zu gegebener Zeit sicherlich nachdrücklich für diese Maßnahme einsetzen, weil ich sie für richtig halte und weil sie mehr soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Wahlfreiheit bringt.

In meiner Vorstellung müßte der Kinderbetreuungsscheck allerdings mehr sein. Es sollte damit ein Pensionsmodell installiert werden, bei dem die Mutter, die ihre Kinder zu Hause selbst betreut, ihren Pensionsbeitrag von einem Teil dieses Geldes einbezahlen kann, damit wir diese Lücke schließen können. Es geht auch darum, daß die Arbeit der Frauen, die zu Hause tätig sind, endlich als gleichwertige Arbeit anerkannt wird und daß dadurch jede Frau einmal einen Pensionsanspruch hätte. In Zukunft muß es in jene Richtung gehen.

Außerdem bin ich nach wie vor davon überzeugt, daß Kinder von der Geburt bis zum Kindergartenalter auf jeden Fall am besten bei der eigenen Mutter aufgehoben sind. Das ist ein für das Leben sehr wichtiger Abschnitt, in dem alle Kinder Geborgenheit und Wärme brauchen. Daher habe ich sehr viele Sympathien für diesen Kinderbetreuungsscheck, weiß aber, daß es derzeit dafür noch zu früh ist. (Abg. Mag. Stadler: Die Linken werden das nie akzeptieren!) Ich bin überzeugt davon, daß auch jene, die derzeit noch meinen, daß damit die Frauenpolitik gefährdet


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wird, einmal umschwenken werden. Ich hoffe, daß dieses Modell in absehbarer Zeit, wenn die Machbarkeitsstudie vorliegt, von uns allen seriös diskutiert und vielleicht in absehbarer Zeit auch verwirklicht werden kann.

Frau Abgeordnete Haller! Der Herr Minister hat im Ausschuß gesagt, daß es mit der Finanzierung sicherlich noch ein paar Jahre dauern wird. Anscheinend bereitet euch als Oppositionspartei die Finanzierung die wenigsten Sorgen. Aber vielleicht können wir auch die Einführung dieses Systems, ebenso wie wir das Familienpaket gefeiert haben, einmal gemeinsam feiern! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich hoffe zuversichtlich, daß wir in ein paar Jahren so weit sind. Vorher wird der Betreuungsscheck kaum finanzierbar sein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Die Finanzierung ist nicht das Problem! Aber die Linken werden das nie akzeptieren, selbst wenn Sie es finanzieren!)

23.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Hannelore Buder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.41

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die zur Debatte stehenden Anträge 643/A (E), 644/A (E) und 658/A (E) der Frau Abgeordneten Haller fanden im Ausschuß keine Zustimmung. Der Antrag 643/A (E), der die Valorisierung der Familienbeihilfe betrifft, in welchem von jährlichen Anpassungen die Rede ist, beinhaltet wirklich nicht die Sparmaßnahmen der Regierungsparteien, wie Sie es in Ihrem Antrag formulieren.

Frau Kollegin Haller! Sie verschweigen aber, daß es ab dem Jahr 1999 für jedes Kind um 250 S mehr pro Monat und ab dem Jahr 2000 jedes Jahr um 500 S mehr geben wird. Sie verschweigen auch, daß der Mehrkinderzuschlag für einkommensschwache Familien ab dem dritten Kind ab 1999 200 S monatlich und ab dem Jahr 2000 400 S monatlich betragen wird. Und Sie verschweigen natürlich auch, daß die Erhöhung der Negativsteuer von derzeit 2 000 S pro Jahr auf 5 000 S angehoben wird.

Das führt mich schon zum Antrag 644/A (E): Es wird wieder 1,2 Milliarden Schilling zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich geben, und diese Mittel sollen für bedarfsgerechte und leistbare Kinderbetreuungsprojekte wie Betriebskindergärten, Horte, Kinderhäuser eingesetzt werden, wo die Kinder von der Krabbelstube bis zur Schülerbetreuung untergebracht werden können. Und natürlich soll es auch flächendeckende Angebote an Tagesmüttern geben.

Ein Kinderbetreuungsscheck würde für viele Frauen bedeuten: Weg vom Arbeitsplatz und zurück an den Herd, weg von der Partnerschaft in Beruf und Familie. Außerdem wissen wir, daß gerade sehr vielen Einzelkindern soziales Verhalten im Kindergarten beigebracht wird. Denn dort lernen sie, Kontakte zu Gleichaltrigen zu schließen, Konflikte auszutragen und Probleme ohne die Mutter im Hintergrund zu bewältigen.

Außerdem wird nicht erwähnt, daß für die Finanzierung des Kinderbetreuungsschecks andere Familienleistungen entfallen würden, die heute selbstverständlich für die Frauen sind, wie Karenzgeld, Karenzgeldzuschuß, Teilzeitbeihilfe, Betriebshilfe, Wiedereinstiegshilfe, Sondernotstandshilfe, Ausbildungshilfe. (Abg. Haller: Seien Sie doch still! Sie haben ja keine Ahnung!)

Aber das schlimmste wäre: Scheckinhaberinnen wären nicht sozialversichert. Sie müßten die Kosten der Pensions- und Krankenversicherung selbst tragen. Was bliebe dann von dem Scheck? Die Frauen würden auf Berufstätigkeit und Selbständigkeit verzichten! Das wäre ein Scheck – wie so manche von Ihrer Partei –, der ungedeckt bliebe! Dieses Taschengeld würde für die Frauen nur eine unaufholbare Benachteiligung bedeuten. Denn die Zukunftsvorstellung der jungen Frauen ist, daß sie Beruf und Familie vereinbaren können. Wozu würden wir denn sonst unseren Mädchen heute eine gute Schulausbildung zukommen lassen?


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Sehr geehrte Damen und Herren! Daher richte ich die Forderung an den Herrn Bundesminister, wenn es im FLAF Überschüsse geben wird, jenen Frauen, bei welchen der Vater des Kindes nach der Geburt nachweislich nicht mehr in die Pflicht genommen werden kann, die Möglichkeit zu geben, auch das dem Vater zustehende halbe Karenzjahr zu konsumieren. In solchen Fällen sollte die Frau tatsächlich die Möglichkeit haben, zwei Karenzjahre in Anspruch zu nehmen.

Irgendwann – ich hoffe, schon vor 2000 – wäre für Alleinerzieherinnen, die finanzielle Unterstützungen dringend brauchen, auch eine Erhöhung des Karenzgeldes auf die Höhe der Ausgleichszulage dringend notwendig. Herr Bundesminister! Sie haben diese Maßnahme für das Jahr 2000 angekündigt. Ich hoffe, daß diese dann tatsächlich getroffen werden wird! Selbstverständlich kommen auch gut verdienende Eltern in den Genuß der erhöhten Familienförderungen. Uns Sozialdemokraten wäre es lieber gewesen, wenn dieser Betrag, immerhin eine Milliarde Schilling, den sozial Schwächeren zukäme!

Noch kurz zum Antrag 658/A (E) betreffend die Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus: Seit Anfang dieses Jahres gibt es nur mehr 2000 S. Es ist natürlich bedauerlich, daß ein Rückgang der Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen erfolgt. Wir hoffen, daß das Recall-System die Mütter zur Verantwortung, die sie gegenüber der Gesellschaft und gegenüber ihrem Kind haben, mahnt. Finanzielle Anreize dürfen nicht der einzige Grund dafür sein, daß die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen in Anspruch genommen werden, die nach wie vor kostenlos sind. Die Freude, ein gesundes Kind zu haben beziehungsweise für dessen Gesundheit zu sorgen, müßte allen Förderungen gegenübergestellt werden! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Klara Motter ist als nächste zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.46

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in aller Kürze auf die drei zu behandelnden Entschließungsanträge eingehen.

Erstens – Valorisierung der Familienbeihilfe: Grundsätzlich streben auch wir Liberalen eine Valorisierung von Beihilfen an. In diesem Fall jedoch, bei dem nicht die Bedürftigkeit im Vordergrund steht, sondern noch immer das Gießkannenprinzip vorherrscht, ist eine Valorisierung aus unserer Sicht abzulehnen.

Auch dem zweiten Antrag betreffend den Kinderbetreuungsscheck stehen wir ablehnend gegenüber. Der Idee, daß für jedes Kind ein bestimmter Betrag zur Verfügung stehen soll, der entweder bei einer Kinderbetreuungsstelle oder bei einer Tagesmutter eingelöst werden kann oder aber auch vom betreuenden Elternteil einbehalten werden kann, können wir nichts abgewinnen. Denn das würde Mütter noch mehr von einer eigenständigen Erwerbstätigkeit abbringen und das würde auch eine weitere sozialrechtliche Absicherung nicht ermöglichen, von einer eigenständigen Lebensgestaltung und Selbstbestimmung ganz zu schweigen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Zum dritten Antrag betreffend die Erhöhung des Mutter-Kind-Paß-Bonus möchte ich festhalten, daß es für mich bedauerlich ist, daß es überhaupt eines finanziellen Anreizes bedarf, damit diese Untersuchungen durchgeführt werden. Es sollte doch im Eigeninteresse jeder Mutter und jedes Vaters sein, ein gesundes Kind zu haben! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Wir stimmen allerdings aufgrund der leider nicht mehr sehr hohen Untersuchungsfrequenz aufgrund der Streichung der Geburtenbeihilfe dem neuen Bonus von 2 000 S zu. Wir begrüßen, daß erstmals in dieser Materie Abschied vom Gießkannenprinzip genommen wurde und die staatliche Beihilfe nun nicht mehr an alle in gleicher Höhe ausgeschüttet wird. Der freiheitliche Antrag sieht eine Erhöhung von 6 000 S für die Mutter-Kind-Paß-Untersuchung vor, und dieser Betrag soll zudem auch ohne Berücksichtigung der Einkommensobergrenze einer Familie gewährt werden. Wir Liberalen haben uns klar gegen das Gießkannenprinzip bei den Beihilfen


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ausgesprochen und können schon aus diesem Grund diesem Antrag keine Zustimmung geben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

23.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schuster. Ich erteile ihm das Wort für 3 Minuten.

23.50

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei der Rede der Abgeordneten Horngacher hat die Tiroler Kollegin, Abgeordnete Haller, gemeint: Zuerst nehmt ihr den Familien das Geld, und dann gebt ihr im Rahmen der Familiensteuerreform das Geld wieder zurück! – Frau Abgeordnete Haller! Ich darf Ihnen folgendes sagen: Wenn wir in Österreich die Familienförderungen analysieren und einen Vergleich zu den EU-Staaten vornehmen, dann können wir deutlich feststellen, daß Österreich Spitze ist! Eine Bundesregierung in Österreich mit einem Familienminister, der Bartenstein heißt, ist mir immer noch der beste Garant für eine brauchbare Familienpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Etwas kurios ist folgendes: Ich gestehe der Familiensprecherin Haller zu, daß sie bei den Ausschußsitzungen wirklich aktiv mitarbeitet und sich bemüht, gute Anträge einzubringen. Hohes Haus! Allerdings überlasse ich es Ihnen, zu beurteilen, was davon zu halten ist, wenn eine Partei in diesem Haus bei einer Familiensteuerreform, deren Volumen 12,6 Milliarden Schilling ausmacht, in dritter Lesung gegen das diesbezügliche Budgetbegleitgesetz und die entsprechenden Maßnahmen stimmt, nachher aber kleine Anträgen stellt. Ich überlasse es den Wählerinnen und Wählern, zu beurteilen, wer hier auf dem richtigen Schiff ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Haller. )

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich folgendes feststellen: Frau Abgeordnete Haller hat gemeint, daß der Herr Bundesminister die Auswirkungen der Abschaffung der Geburtenbeihilfe und der Rückläufigkeit der Untersuchungen nicht mehr erleben wird. – Herr Bundesminister! Ich nehme im Rahmen meines Debettenbeitrages eine "tatsächliche Berichtigung" vor. (Abg. Mag. Stadler: Schuster bleib bei deinem Leisten!) Sie werden auf jeden Fall eine gute Familienpolitik auch in den nächsten Jahren erleben, und die Volkspartei wird auf jeden Fall den Oppositionsanträgen keine Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

23.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ludmilla Parfuss. – Bitte, Frau Abgeordnete.

23.52

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Zum Thema Kinderbetreuungsscheck: Herr Stadler! Sie haben recht. Die Linken lehnen diesen Scheck ab.

Warum ist der Kinderbetreuungsscheck unserer Meinung nach keine geeignete Unterstützungsform? – Das Geld dafür muß auf jeden Fall bereitgestellt werden, daher würden viele andere Leistungen wegfallen. Bei der Einführung des Kinderbetreuungsschecks würden sowohl Männer als auch Frauen aus dem System der Arbeitslosenversicherung herausfallen. Sie müßten sich selbst versichern, und das würde ungefähr 900 S monatlich kosten.

Der Scheck hätte auch Auswirkungen auf das Angebot an Kinderkrippen und Kindergärten. Die Preise der Betreuungsangebote würden in die Höhe gehen. Ein Betreuungsplatz, der nicht subventioniert wird, würde 7 000 S bis 9 000 S kosten. Eine professionelle Betreuung von Kindern könnte aufgrund der unsicheren Inanspruchnahme nicht mehr bezahlt werden. Die Folge wäre, daß Mütter gezwungen wären, zu Hause zu bleiben und ihre Kinder selbst zu betreuen. Durch das lange Fernbleiben aus der Berufstätigkeit fehlen den Frauen aber dann Qualifikationen im Arbeitsbereich, und sie werden doppelt bestraft: erstens durch schlecht bezahlte Arbeit, wenn sie überhaupt Arbeit finden; und außerdem fehlen den Frauen dann Anspruchsjahre für die Pension. Die geringen Pensionen für Frauen haben ihren Ursprung ja bei jener Generation von Frauen, die jetzt in Pension gehen oder gegangen sind.


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133. Sitzung / Seite 206

Der Scheck von monatlich 5 000 bis 6 000 S bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes würde unabhängig vom Familieneinkommen gewährt werden. Wer würde davon profitieren? – Davon würden nur die Reichen profitieren; die meisten österreichischen Familien, Alleinerzieherinnen, Mehrkinderfamilien und Familien mit niedrigem Einkommen jedoch nicht!

Die Frauen aus diesen Bereichen würde das mehrfach treffen. Eine nicht erwerbstätige Frau hätte keinerlei Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, nachdem der Scheck ausgelaufen ist, und die erwerbstätige Frau hätte Einbußen gegenüber den derzeit bestehenden Leistungen, denn der Scheckbetrag liegt unter der Höhe des aktuellen Karenzgeldes und der durchschnittlichen Notstandsbeihilfe.

Die Forderung nach der Einführung des Kinderbetreuungsschecks riecht sehr nach der Ideologie: "Sei eine gute Mutter, bleib selbst zu Hause bei deinen Kindern und überlaß sie nicht den Institutionen!" – Wir fordern gemeinsam mit der Frauenministerin: Familienförderung weiterhin als ausgewogener Mix aus Geldzuwendungen und Dienstleistungen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch Verkürzung der Arbeitszeit, Ausdehnung der Rückkehrgarantie nach dem Karenzurlaub auf 26 Wochen, gesetzlich abgesicherte Möglichkeit auf Vermittlung von Teilzeitarbeitsplätzen für Eltern mit Betreuungspflichten, flächendeckende und bedarfsgerechte Kinderbetreuungseinrichtungen und partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit zwischen Frauen und Männern! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

23.55


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133. Sitzung / Seite 207

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Daher ist die Debatte geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Die Abstimmung über die einzelnen Ausschußanträge erfolgt getrennt.

Zunächst stimmen wir ab über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht in 1289 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit so beschlossen. Angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht 1290 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen ersuchen. – Ich stelle fest: Dieser Antrag wird mit Mehrheit angenommen.

Schließlich stimmen wir ab über den Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht 1291 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

18. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1186 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (1299 der Beilagen)

19. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 553/A der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG) geändert wird (1300 der Beilagen)


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133. Sitzung / Seite 208

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Wir gelangen zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt nicht vor, wohl aber eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter Dr. Partik-Pablé. – Bitte sehr.

23.57

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Behandlung des Themas selbst würde eigentlich eine andere Stunde und auch einen größeren Zeitaufwand erfordern. Aber leider Gottes haben wir ganz einfach wenig Zeit, und es ist auch schon sehr spät.

Man müßte sich einmal wirklich grundsätzlich darüber unterhalten, wie es dazu kommen konnte, daß im ursprünglichen Entwurf der Novellierung des Bundespflegegeldgesetzes eine Verschlechterung der Stufen sechs und sieben vorgesehen war. In Anbetracht dessen möchte ich vor allem die Sozialdemokraten fragen, wie die Behindertenpolitik ihrer Vorstellung nach eigentlich weitergehen soll, wenn sie daran denken, die Beträge gerade bei jenen zu kürzen, die des Pflegegeldes am allerdringendsten bedürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es war nur den energischen Protesten der Behindertenorganisationen zu verdanken, daß diese Verschlechterungen zurückgenommen wurden, aber es bleibt das Mißtrauen, daß Sie nicht davor zurückschrecken, das Pflegegeld zu kürzen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von den Sozialdemokraten! Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie wirklich nicht an dem rütteln sollten, was einmal zugesagt worden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den Abgeordneten von der ÖVP, die wirklich immer wieder umfallen und sehr gerne schwach werden, möchte ich die nötige Stärke wünschen, damit sie sich nicht immer bemüßigt fühlen, zu Lasten der Behinderten eine Steigbügelhalterfunktion für die Sozialisten auszuüben! Herr Kollege Feurstein! Sie schütteln den Kopf! Aber Sie sind ja tatsächlich leider Gottes in vielen Dingen immer wieder bereit, den Sozialisten nachzugeben, anstatt sich auf die Füße zu stellen! Diesmal ist es allerdings gemeinsam mit den Behinderten gelungen, durchzusetzen, daß Sie den Wünschen der Behindertenorganisationen Rechnung tragen.

Ich möchte auf einige Punkte zu sprechen kommen, die Sie nicht erfüllt haben und bei denen Sie den Behinderten sehr viel schuldig geblieben sind. Erstens wurde seit drei Jahren keine Wertsicherung für das Pflegegeld vorgenommen. Zweitens bekommt ein Behinderter, der in einer Einrichtung untergebracht ist, nach wie vor nur 500 S Taschengeld. Darüber haben wir im Ausschuß ausführlich geredet, ich möchte darauf heute nicht mehr näher eingehen. Ich meine aber, daß der nächste Schritt sein muß, daß wir da etwas unternehmen. Denn die Argumentation des Sektionschefs und auch der Sozialministerin, daß diejenigen, die das Bundespflegegeld bekommen, ohnehin zusätzlich eine Pension haben, ist meines Erachtens wirklich zynisch! Ich meine, daß der Bund in diesem Bereich eine Vorbildfunktion erfüllen und den Ländern vorgeben sollte, daß das Taschengeld erhöht werden muß!

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind ein jugendlicher Behinderter und in einer Anstalt untergebracht und haben nur 500 S Taschengeld! – Aber offensichtlich glauben die Sozialdemokraten, wenn man ein Bett, einen Spind, einen Sessel und etwas zu essen hat, dann ist das Leben wunderbar! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem ist aber nicht so! Denn es haben auch – beziehungsweise vor allem – junge behinderte Menschen die gleichen Bedürfnisse wie alle anderen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Minister! Sie haben all unsere Bedenken im Ausschuß gehört. Daher bitte ich Sie: Unternehmen Sie etwas! (Abg. Dr. Fekter: Ihre Redezeit ist um!) Frau Fekter! In all Ihrem Wohlstand können Sie sich vielleicht wirklich nicht vorstellen, wie es ist, mit 500 S Taschengeld im Monat auskommen zu müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sollten sich schämen, gerade bei diesem Thema auf die Einhaltung der Redezeit zu pochen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

0.01

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde nur ganz kurz auf den Debattenbeitrag der Frau Abgeordneten Partik-Pablé replizieren. Sie hat uns im Ausschuß drastisch vor Augen geführt – und ich habe durchaus Verständnis dafür –, daß es Behinderte gibt, die mit einem Taschengeld von nur 500 S auskommen müssen. Frau Kollegin! Hiebei kann es sich aber nicht um Bezieher nach dem Bundespflegegeldgesetz handeln, denn diese haben eine Pension, und von dieser Pension bleiben ihnen 20 Prozent Taschengeld vom Monatsbezug und der 13. und 14. Bezug zur Gänze. Ich gebe aber zu, daß bei den Ländern in diesem Zusammenhang einiges im argen liegt! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie das Frau Bauer! Sie glaubt es nicht!) Wenn Sie mich ausreden lassen, werde ich versuchen, einen praktikablen Vorschlag zu machen!

Ich habe mich hier schon mehrfach, wenn ich über das Pflegegeld gesprochen habe, dazu geäußert, daß die Länder, wenn es um mobile Dienste geht, unterschiedliche Verrechnungsmodalitäten haben und daß dabei sehr viel Geld auf der Strecke bleibt. Ich möchte nicht, daß die Länder das einsparen, aber ich meine, daß man von der Finanzierung her anders vorgehen sollte. Das wäre für die Länder ein Nullsummenspiel. Ich bin – ebenso wie Sie – der Meinung, daß es nicht ausreicht, ein Bett, einen Spind und einen Sessel zu haben, um zufrieden zu sein. Daher meine ich, daß man sich mit den Ländern wirklich einmal ganz konkret darüber unterhalten sollte, ob man für die betroffenen Behinderten nicht etwas verbessern könnte. Diese Auffassung teile ich absolut, das kann aber nicht über das Bundespflegegeldgesetz geregelt werden.

Es gibt noch zwei Nachredner meiner Fraktion, die sich mit den anderen Punkten beschäftigen werden. Wir haben leider nur noch ganz wenig Redezeit. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

0.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter.

0.03

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! In aller Kürze: Heute wird eine Novelle zum Bundespflegegeldgesetz beschlossen, deren Zustandekommen in dieser Form dem Engagement der Behindertenverbände zu verdanken ist.

Sie haben in zäher Kleinarbeit über mehrere Monate hinweg die größten Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der ursprünglichen Intention dieses Gesetzes wieder ausgeräumt. Insbesondere wurden Korrekturen gegenüber dem Ministerialentwurf bei den Stundenanzahlen der Stufen 5 bis 7 und auch hinsichtlich der Reduzierung der Direkteinstufungen vorgenommen. Dennoch sind für die Betroffenen Verschlechterungen festzustellen, etwa die Neueinführung einer Altersgrenze für Jugendliche, außerdem gibt es Schwierigkeiten bei der Interpretation des Diagnosenkatalogs gemäß § 4a.

Auch kann ich bei der wieder aufgeflammten Debatte um eine Rückwärtsbewegung hin zum Sachleistungsprinzip nicht verstehen, wenn Stimmen über den Mißbrauch des Pflegegeldes laut werden oder sich gar eine Wiener Vizebürgermeisterin aus den Reihen der Sozialdemokraten darüber beklagt, daß die Leute mit dem Pflegegeld nun machen, was sie wollen. – Ich glaube, diese Dame hat vergessen, was im § 1 dieses Gesetzes steht, nämlich – Zitat –: "Das Pflegegeld bezweckt, die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen." Wir Liberalen bekennen uns dazu und wollen, daß erwachsene Menschen in die Lage versetzt werden, ihr Leben selbst zu gestalten und zu meistern! Ich muß allerdings eingestehen, daß hier das unglücklich gewählte Wort "Pflegegeld" keinen guten Dienst erweist, und ich meine, daß die Menschen, die dieses Geld in Anspruch nehmen und vor allem auch brauchen, es nicht verdient haben, als Ausbeuter des Systems hingestellt zu werden!


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133. Sitzung / Seite 209

Meine Damen und Herren! Diese Novelle mag manche Verbesserungen bringen, und sie soll angeblich auch 500 Millionen Schilling mehr kosten. Anlaß zur Selbstbeweihräucherung besteht aber nicht! Denn wir sollten nicht vergessen, daß durch Kürzungen in den vergangenen beiden Jahren rund 1,5 Milliarden Schilling eingespart wurden. Ich nenne als Beispiel nur die ausbleibende Valorisierung, die Kürzungen der Stufe 1 oder die Kürzung des Taschengeldes bei stationärem Aufenthalt.

Ich meine, daß wir in Solidarität mit den leider noch immer diskriminierten Menschen, zu denen neben anderen auch die Behinderten gehören, diese Diskriminierungen endlich ausräumen sollten! In diesem Entwurf sind derartige Bemühungen aber leider noch nicht feststellbar, weshalb wir der vorliegenden Gesetzesnovelle nicht unsere Zustimmung geben werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. Wie soll ich die Uhr einstellen? – 2 Minuten. – Bitte.

0.06

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Evaluierung des Bundespflegegeldgesetzes haben gezeigt, daß eine Anpassung erforderlich ist. Ziel ist es nun, ein noch umfassenderes Pflegevorsorgesystem und eine Verbesserung der Situation der pflegebedürftigen Menschen zu erreichen. Ich spreche bewußt von einer Verbesserung der Situation der pflegebedürftigen Menschen, denn Österreich kann auf dieses System stolz sein! Wenn ich bedenke, daß die Sozialversicherung und der Bund 1996 insgesamt 8,2 Milliarden Schilling dafür ausgegeben haben, dann meine ich, daß Kollegin Partik-Pablé mit ihren Negativanmerkungen nicht auf dem richtigen Weg ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Vorlage bringt auch eine massive Verbesserung für Pflegebedürftige. So können zirka 16 000 Personen in der Pflegestufe 4 mit einer Erhöhung von über 3 000 S rechnen. Ich denke, auch das soll erwähnt werden! Daraus wird sich ein Mehrbedarf seitens des Bundes zum Beispiel nur im Jahr 1999 von rund 470 Millionen Schilling ergeben. Diese Leistung für die betroffene Menschengruppe sollte man positiv sehen!

Abschließend möchte ich noch bemerken: Derzeit werden rund 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen im Familienverband gepflegt, und zwar zu 79 Prozent durch Frauen und nur zu 20,3 Prozent durch Männer. Die Weiterversicherung, die mit Wirksamkeit 1. Jänner 1998 in Kraft getreten ist, ist ein wichtiger Schritt. Ich wünsche mir, daß diesbezüglich auch eine Bewertung und Aufnahme in das BIP vorgenommen wird. Außerdem möchte ich im Namen der ÖVP sagen, daß die Vorlage sehr, sehr gut vorbereitet wurde. Dafür danke ich der Sektion, und ich hoffe, daß alle zustimmen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

0.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

0.09

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Reitsamer! Ihre Argumentation ist wirklich abenteuerlich, wenn Sie sagen, daß die Länder das Taschengeld gekürzt haben. Sie haben das Taschengeld gekürzt, und zwar mit dem letzten Gesetz, aber nicht die Länder! Die Länder könnten das Taschengeld gesetzlich gar nicht kürzen, denn es handelt sich um ein Bundesgesetz. Und für die Kürzung des Taschengeldes sind nicht die Länder verantwortlich, sondern der Bund – und auch Sie, Frau Reitsamer! Das jetzt auf die Länder abzuschieben, ist wirklich eine abenteuerliche Argumentation. (Abg. Reitsamer: Sie haben nichts verstanden!)

Es ist schon nach Mitternacht, da kann man vielleicht gewisse Dinge vergessen. Aber daß Sie so vergeßlich sind, traue ich Ihnen nicht zu, sondern Sie wollen das einfach verstecken und sich irgend jemanden suchen, dem Sie die Schuld in die Schuhe schieben können. Die Schuld liegt


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jedoch bei Ihnen. Denn Sie haben das Taschengeld gestrichen, aber nicht die Länder. – Das war Punkt eins.

Punkt zwei: die Nichtvalorisierung. Ist diese vielleicht auch von den Länder verursacht worden, oder ist es doch Sache des Bundes, daß es seit Jahren zu keiner Valorisierung gekommen ist?

Wenn Sie hier ständig wiederholen, daß die Behinderteneinrichtungen mit dieser Lösung einverstanden gewesen sind, dann verweigern Sie sich der Realität! Keine Behindertenorganisation ist damit einverstanden, daß es keine Valorisierung gibt. Ich kenne auch keine einzige Behindertenorganisation, die damit einverstanden ist, daß behinderte Menschen im Heim von 569 S im Monat leben müssen.

Betreffend die Einrichtung, von der Sie hier sagen, daß sie einverstanden sei: Kommen Sie bitte heraus und nennen Sie die Einrichtung, die mit einem Taschengeld im Ausmaß von 569 S und mit einer Nichtvalorisierung einverstanden ist. Nennen Sie sie!

Frau Ministerin! Es ist auch bei dieser Novellierung nicht gelungen, beziehungsweise es wurde verweigert, daß gehörlose Menschen in den Kreis der Pflegegeldbezieher aufgenommen werden. Den Grund dafür, daß Sie sich dem nach wie vor verweigern, kenne ich nicht, aber Sie werden jetzt hoffentlich ein Stück von der vorgefertigten Antwort abweichen, die Sie schon schriftlich vorliegen haben, und mir vielleicht in einem Nebensatz erklären, aus welchem Grund hörbehinderte Menschen nach wie vor keine Einstufung zum Beziehen von Pflegegeld bekommen.

Auch wäre es einmal erstrebenswert, zu erfahren, warum Kinder unter drei Jahren keinen Rechtsanspruch auf Pflegegeld haben. Ich weiß schon, Herr Guggenberger – Ihre Meinung kennen wir ja –, daß Sie sagen: Es ist völlig egal, ob ein Kind behindert oder nicht behindert ist, da es bis zum dritten Lebensjahr im Grunde genommen desselben Betreuungsaufwandes bedarf. Das ist Ihre Meinung, diese haben Sie auch im Ausschuß vertreten. Diese Meinung zeigt sehr deutlich, daß Sie nicht wissen, wovon Sie reden, denn sonst könnten Sie diese Argumentation niemals gebrauchen. Aber das sind wir ja gewöhnt, daß Sie sich zu Dingen äußern, über die Sie eigentlich nicht mit den Betroffenen gesprochen haben, um die es geht.

Immer wieder wird behauptet, wir könnten uns das Pflegegeld nicht mehr leisten und müßten sparen. Überall wird gekürzt. Von dem Geld, das die Kürzungen ausgemacht haben, die Sie 1996 beschlossen haben, geben Sie jetzt zwar ein Drittel wieder den Betroffenen zurück, aber zwei Drittel davon behalten Sie ein! Sie verdienen an der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für das Pflegegeld sehr, sehr gut und verwenden diese Gelder zum Stopfen von Budgetlöchern. Aber Sie streiten mir gegenüber immer wieder ab, daß es so ist, und Sie unterstellen mir, das sei eine Meinung, die ich als Abgeordnete der Grünen vertrete.

Jetzt lese ich Ihnen ein Schreiben des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung vor, gezeichnet von Landesamtsdirektor Dr. E. Pesendorfer. Er schreibt konkret "im Auftrag des Herrn Landesrates Ackerl" – dieser ist wahrlich kein grüner Landesrat, sondern ein Landesrat der SPÖ. In diesem Schreiben geht es um Forderungen der Länder, und darin heißt es: Diese Forderung ist umso berechtigter, als dem Bund bei weitem nicht jene Mehraufwendungen erwachsen, als bei Einführung des Pflegegeldes geschätzt wurden und zu deren Bedeckung die Krankenversicherungsbeiträge erhöht wurden.

Das schreibt Ihr Landesrat Ackerl ganz konkret. Er stellt – so wie ich – auch fest, daß Sie aus den Krankenversicherungsbeiträgen die Löcher des Budgets stopfen und dieses Geld nicht für die pflegebedürftigen Menschen ausschütten.

Dazu kommt ein weiterer Punkt, Frau Ministerin! Sie sprechen immer davon, daß kein Geld da ist. Auf der anderen Seite ist aber genug Geld da, um einen Werbefilm – egal, als welchem Budget er finanziert worden ist – für die Pflegesicherung zu machen, einen Werbefilm, der pro Kassette 3 000 S kostet. Es wurden 510 000 S für 170 Videokassetten ausgegeben, die irgendwo in den Vereinen herumliegen und dort verstauben, weil sie von niemandem angefordert wurden. (Abg. Mag. Guggenberger: Und das wollen Sie alles wissen, daß das niemand ansieht!) Sie


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haben diese Kassetten an diejenigen geschickt, von denen Sie der Meinung waren, sie könnten sie gebrauchen und sie hätten daran Interesse.

Frau Ministerin! Das Geld so zu verschleudern, ist ungeheuerlich! Hätten Sie diese 510 000 S den behinderten Menschen in Form von Taschengeld zurückgegeben, dann wäre das für Hunderte behinderte Menschen eine Besserstellung gewesen. Aber der Werbefilm, den Sie um dieses Geld gemacht haben, verstaubt nur im Regal, und die Behinderten haben nichts davon. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Guggenberger: Das stimmt überhaupt nicht!)

Wenn Ihnen im Budget für Öffentlichkeitsarbeit zuviel Geld übriggeblieben ist und Sie diesen Videofilm deshalb haben machen müssen, dann wäre es sinnvoller gewesen, Sie hätten diesen Anteil am Öffentlichkeitsarbeits-Budget zur Pflegevorsorge umgeschichtet und dort richtig verwendet, statt für solche sinnlosen Dinge unheimlich viel Geld zu verschleudern (Abg. Dr. Partik-Pablé: Für Selbstbeweihräucherung!) und auf der anderen Seite zu sagen, daß Sie den behinderten Menschen aus dem Pflegegeld nicht mehr als 569 S Taschengeld geben können.

Da stimmt etwas nicht, und ich sage Ihnen, was daran nicht stimmt: Sie haben kein Interesse daran, daß es den behinderten Menschen in den stationären Einrichtungen finanziell bessergeht. Denn dann könnten sie mündiger werden, aber daß sie mündiger werden, ist absolut nicht Ihre Absicht! Vielmehr wollen Sie sie kurzhalten, damit sie schön still und mit dem zufrieden sind, was die Einrichtung anbietet. Das beschränkt sich aufs Essen, aufs Schlafen, auf die Kleidung und auf noch einiges, worauf bereits Frau Partik-Pablé hingewiesen hat.

Aber zur Finanzierung einer halbwegs gesicherten Lebensqualität würden Sie mit 569 S im Monat nicht auskommen. Ich denke, das brauchen Sie allein schon dann, wenn Sie einmal im Monat zum Friseur gehen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist schamlos!)

0.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Bitte.

0.17

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich jetzt Frau Kollegin Haidlmayr und vorher Frau Kollegin Partik-Pablé angehört hat, dann müßte man meinen, hier sei ein Raubzug in die Taschen der armen pflegebedürftigen Menschen geplant. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Denken Sie doch an den ersten Entwurf!) Genau das Gegenteil ist geplant, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Novelle, die wir heute beschließen, wird dazu führen, daß wir einen jährlichen Mehraufwand für die pflegebedürftigen Menschen dieses Landes im Ausmaß von 470 Millionen Schilling leisten. (Abg. Dr. Graf: Sie dürfen nicht vergessen, wie es im europäischen Vergleich ist!) Rund 15 000 Betroffene werden im Monat über 3 000 S mehr bekommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie doch, was Sie zuerst vorgehabt haben!) Das ist eine Novelle, auf die wir stolz sein können. Wir bekennen uns auch dazu! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie, was Sie vorgehabt haben! Sie sind zu feig dazu! Sagen Sie es!)

Sie sind mit Ihrer Kritik wieder einmal völlig allein, Frau Kollegin Haidlmayr und Frau Kollegin Partik-Pablé! Die Dachorganisation der Behindertenorganisationen, die Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation haben sich vollinhaltlich zu dieser Novelle bekannt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil ihnen nichts anderes übriggeblieben ist!) Es hat ursprünglich die eine oder andere Meinungsverschiedenheit gegeben. Man hat sich zusammengesetzt und hat gemeinsam gehandelt. Die Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation als Sprecherin von 300 000 behinderten Menschen sagt: Das ist eine gute Novelle. – Sie sagen das Gegenteil. Es kann sich jeder seinen Reim darauf machen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Mit Ach und Krach!)


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Erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Graf: Oft vertreten die Funktionäre der Kasse nicht die Mitglieder!) Schon vor zwei Jahren hat das Sozialministerium Professor Dr. Christian Badelt beauftragt, das System dieser Pflegevorsorge – ich wiederhole: das System dieser einzigartigen Pflegevorsorge! – im Hinblick auf seine Treffsicherheit und im Hinblick auf seine soziale Ausgewogenheit zu untersuchen. Auch das Zeugnis, das in dieser Studie dem System ausgestellt wird, lautet schlicht und einfach: Das ist ein exzellentes, ganz hervorragendes System!

Mit dieser Novelle verbessern wir es noch um ein gutes Stück. Deshalb stimmen wir gerne zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Er hat das Wort.

0.19

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Guggenberger! Ich denke, daß Sie das, was die Regierungsparteien heute zu verabschieden vorhaben, zu sehr durch die rosarote Brille sehen.

Die Behindertenverbände sind jetzt zwar insofern etwas ruhiger gestellt, als der erste Entwurf gegenüber dem, was heute beschlossen wird, eine noch bedeutendere Verschlechterung für die Behinderten gebracht hätte. (Abg. Mag. Guggenberger: Was ist das für eine Verschlechterung bei 470 Millionen Schilling mehr?) Aber ich darf Ihnen vorrechnen, was Ihnen auch von der Seniorenkurie bis hin zur Österreichischen Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation in der Begutachtung zu diesem Entwurf vorgerechnet worden ist, Herr Kollege Guggenberger! (Abg. Mag. Guggenberger: Legen Sie es mir vor!)

Sie haben in Ihren Diskussionsbeiträgen im Ausschuß darauf hingewiesen, daß nunmehr ungefähr 500 Millionen Schilling mehr für die Behinderten aufgewendet werden. Auf der anderen Seite ist Ihnen aber auch bekannt, daß Sie von 1993 – von der Einführung an – bis heute den Behinderten insgesamt 7,11 Milliarden Schilling von den für das Pflegegeld präliminierten 18 Milliarden Schilling durch verschiedene legistische Maßnahmen entzogen haben. Allein der Entfall des Hilflosenzuschusses in den Krankenversicherungsbeiträgen und der Entfall der Körperbehindertenfreibeträge hat dem Bund Mehreinnahmen von 500 Millionen Schilling im einen Fall und Mehreinnahmen von 7 bis 11 Milliarden Schilling im anderen Fall gebracht.

Herr Kollege Guggenberger! Ich glaube, wenn Sie fair wären, würden Sie zugeben, daß Sie heute zwar einen kleinen Bruchteil von dem, was Sie den Behinderten entzogen haben, wieder zurückgeben, aber daß das kein Jahrhundertprojekt ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Guggenberger! Es sei Ihnen überdies gesagt, daß die Bedenken, daß nach diesem Gesetz die Verpflichtungen des § 20 neuerlich für jene Leute gelten, die sich ehemals – vor Einführung des Pflegegeldes – im Bereich der Sachleistungen befunden haben, durchaus berechtigt sind. Sie können die Sorge der Menschen nicht einfach zur Seite schieben, Kollege Guggenberger, daß ihnen nunmehr wieder der Zwang zur Sachleistung droht.

Herr Kollege Guggenberger! Sie können auch nicht beiseite schieben, daß die Pflegeaufwendungen in den letzten Jahren exorbitant gestiegen sind: Über alle Inflationsraten hinaus sind die Pflegeleistungen für die Behinderten teurer, teurer und nochmals teurer geworden! Da hat die öffentliche Hand – auch die Gemeinden – maßgeblich dazu beigetragen, den Behinderten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Jahrhundertwerk ist das bei Gott keines! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Haidlmayr.  – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die kennen keine Menschen, sondern nur die Akten!)


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0.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. Er hat das Wort.

0.22

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Wenn man dem letzten Redner zugehört hat, dann meint man, heute wäre das Pflegegeldgesetz in Österreich zu Grabe getragen worden. Genauso klingt es von manchen Seiten her, und ich verwahre mich dagegen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich verwahre mich auch dagegen, daß es immer wieder heißt, daß die verschiedenen Organisationen im Behindertenbereich gegen diese Novellierung wären. Das Pflegegeldgesetz findet breite Akzeptanz. Mehrheitliche Zustimmung bestätigt der Präsident der Behindertenorganisation Dr. Klaus Vogel der kürzlich im Ministerrat beschlossenen Novelle zum Bundespflegegeldgesetz. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kommen Sie mit 500 S Taschengeld aus?)

Vom Kriegsopfer- und Behindertenverband: Ein ganzer Abschnitt, in dem ausschließlich steht, daß das ganze begrüßt wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kommen Sie mit 500 S Taschengeld aus?) Frau Kollegin! Ich habe 2 oder 3 Minuten Redezeit, da werde ich mich mit Ihnen nicht auseinandersetzen.

Sehen wir doch eines – und das möchte ich zusammenfassen –: Es ist die Situation der Pflegenden maßgeblich verbessert worden, und es ist die Situation der Pflegebedürftigen maßgeblich verbessert worden. Durch diese Novelle gibt es mehr Gerechtigkeit.

Die Verbesserung der Leistungen ist bereits erwähnt worden. Es kommt zu einer Verbesserung der Position bezüglich der Zuordnung, eine Vertrauensperson ist bei einer ärztlichen Untersuchung auf Wunsch beizuziehen, und es gibt Pflegedokumentationen. Eine Verbesserung wird auch darin bestehen, daß das Pflegegeld weiter geleistet wird, wenn ein Kind oder ein geistig Behinderter im Krankenhaus ist. Wenn also jemand pflegt und einen Vertrag hat, kann dieses Dienstverhältnis, auch wenn der Pflegebedürftige im Krankenhaus ist, bis zu drei Monate – und im Einzelfall auch darüber hinaus – aufrecht bleiben.

Ich glaube, es gibt kein Gesetz, das, wenn man es novelliert, nicht noch weitere Wünsche offenläßt. Und in diesem Sinn stimmt die sozialdemokratische Fraktion zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Minister.

0.24

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Kurz einige Bemerkungen zu dieser Gesetzesnovelle.

Das Bundespflegegeldgesetz ist ein relativ junges Gesetz. Ich denke, fast alle in diesem Haus haben bei dessen Beschlußfassung von einem Meilenstein in der österreichischen Sozialpolitik gesprochen. Es geht jetzt darum, dieses junge Gesetz aufgrund der seit seinem Bestehen gewonnenen Erkenntnisse durch eine Novelle anzupassen und insbesondere verschiedenen OGH-Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Nicht zuletzt geht es auch darum, einer wissenschaftlichen Studie des Herrn Professor Badelt Rechnung zu tragen und dort Verbesserungen anzusetzen, wo sie sich von der Praxis her als notwendig erweisen.

Sehr geschätzte Damen und Herren von der Opposition! Ich möchte Sie bitten, nicht den Eindruck zu erwecken, daß jetzt Verschlechterungen mit diesem Gesetz herbeigeführt werden – da Sie, Frau Dr. Partik-Pablé, in Ihrem Beitrag doch selbst sagen, daß diese Novelle letztlich nur Verbesserungen mit sich bringt. Bitte verunsichern Sie die Menschen nicht! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die sind bereits verunsichert!) Es ist ein wichtiges Gesetz gerade für eine schwache Gruppe in unserer Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Der Sinn des Bundespflegegeldgesetzes ist es, pflegeorientierte, durch Pflege bedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten. Durch die Neu


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definitionen der einzelnen Pflegegruppen haben wir diesem Bedarf besser Rechnung getragen. Ich hoffe daher, daß das Plenum dieser Novelle die Zustimmung gibt.

Erlauben Sie mir weiters eine kurze Bemerkung zu dem Beitrag der Frau Abgeordneten Haidlmayr und ihrem Hinweis auf einen Werbefilm: Ich denke, es ist die Verpflichtung eines Ministeriums, die Betroffenen immer umfassend zu informieren und immer auf dem aktuellen Informationsstand zu halten, damit sie alle ihre Rechte in Anspruch nehmen können und damit es optimal gelingt, den Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Ich betrachte es daher als meine Pflicht – und auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –, immer wieder darauf zu achten, daß diesem Auftrag Rechnung getragen wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dann geben Sie Druckschriften heraus und machen Sie keinen Film!)

Ich bekenne mich daher nicht nur zu den Informationsdiensten der Sektionen des Ministeriums, sondern auch zu diesem Film, der hervorragend gestaltet wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Der Berichterstatter wünscht ebenfalls kein Schlußwort.

Daher kommen wir zu den Abstimmungen, die getrennt über die einzelnen Ausschußanträge vorgenommen werden.

Zunächst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1186 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen der Frau Abgeordneten Dr. Partik-Pablé auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzes und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen lassen.

Zunächst gelangen wir zur getrennten Abstimmung über § 4 Abs. 2 Stufe 4 in Z 4 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist einstimmig beschlossen.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über § 12 Abs. 3 in Z 10 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Auch hier ersuche ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß die Zustimmung einstimmig erteilt wird.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen, nachdem die zweite Lesung beendet ist, sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, dies durch ein Zeichen bekunden. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1300 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß der Bericht 1300 der Beilagen mit Mehrheit zur Kenntnis genommen wurde.

20. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1192 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert wird (1301 der Beilagen)

21. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (1233 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957 und das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert werden (1302 der Beilagen)

22. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 804/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird (1303 der Beilagen)

23. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 819/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (1304 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nun gelangen wir zu den Punkten 20 bis 23 der Tagesordnung. Auch hierüber wird die Debatte unter einem durchgeführt.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

0.30

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Unsere Fraktion wird dem Entgeltfortzahlungsgesetz in der vorliegenden Form seine Zustimmung verweigern, weil es aus unserer Sicht nicht schlüssig und nicht nachzuvollziehen ist, aus welchen Gründen ausgerechnet nur jene Betriebe, die Arbeiter beschäftigen, und nicht auch alle anderen Teile der Wirtschaft in entsprechender Form ihren Beitrag zur Einführung der Chipkarte leisten sollen.

Das ist etwas, was uns weder im Ausschuß noch sonstwo erklärt werden konnte. Es ist offensichtlich die einzige Masse an frei verfügbaren Mitteln, aus denen 300 Millionen Schilling vom Erstattungsfonds hin zum Hauptverband verschoben werden können, um die Chipkarte und deren Einführung vorzubereiten. (Abg. Mag. Peter: Das ist das Geld der Arbeitgeber!)

Das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz werden wir Freiheitliche in vollem Umfang mittragen.

Das Post-Betriebsverfassungsgesetz werden wir – wie im Ausschuß – auch heute wieder ablehnen, weil wir glauben, daß in einer Zeit, in der alle von einem einheitlichen Arbeitnehmer


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begriff und von einer einheitlichen Arbeitnehmervertretung reden, dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz schlichtweg ein Anachronismus ist. Diesen werden wir nicht unterstützen.

Zum Tagesordnungspunkt 23 werden wir eine getrennte Abstimmung verlangen. Wir werden jene Teile, die für die Nebenerwerbsbauern eine Einheitswertgrenze beim Bezug des Arbeitslosengeldes und eine Valorisierung vorsehen, unterstützen. Wir denken, daß hier der Regelungsbedarf richtig erkannt worden ist, wir lehnen allerdings die Regelung für jene, die selbständig geworden sind und bei Insolvenz von der Gefahr der Arbeitslosigkeit bedroht sind, in der vorliegenden Form ab.

Die Bundesregierung hat 1996 zu diesen sozialen Mißständen durch die damalige Reform beigetragen. Wir denken, daß die Behebung dieser Mißstände in der vorliegenden Form nicht unterstützenswert ist – noch dazu werden diejenigen aus den Unternehmerkreisen, die früher unselbständig tätig waren und in den letzten zwei Jahren, seit der Reform, von Arbeitslosigkeit und Insolvenz betroffen worden sind, nicht mit erfaßt. Ich glaube daher, daß unsere Ablehnung in diesen Punkten gute Gründe hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

0.33

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich denke, daß ich nicht besonders hervorzuheben brauche, daß die sozialdemokratische Fraktion allen vier Vorlagen die Zustimmung gibt. (Abg. Wabl: Das überrascht! Wieso?)

Ich möchte ganz kurz auf die Regierungsvorlage 1233 der Beilagen eingehen. Darin erfolgt eine Gleichstellung der Arbeitnehmer von Arbeitskräfteüberlassungsfirmen mit den übrigen Arbeitnehmern im Baubereich hinsichtlich der Schlechtwettervergütung, und zusätzlich werden die Betriebe der Wildbach- und Lawinenverbauung in die Winterfeiertagsregelung des BUAG einbezogen. Das ist eine Regelung, die aus unserer Sicht eine notwendige Maßnahme zur Gleichbehandlung einzelner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellt.

Die Änderung des Post-Betriebsverfassungsgesetzes – die Ablehnung der Freiheitlichen ist nicht verwunderlich, da es ihren langjährigen Gepflogenheiten entspricht, Arbeitnehmerinteressenvertretungsregelungen nicht zuzustimmen – enthält Klarstellungen – insbesondere in Hinsicht auf die indirekte Beteiligung – und Regelungsinstrumente für den Wirkungsbereich des Personalausschusses. Wenn man die letzten Ereignisse im Bereich der Post mitverfolgt hat, dann erkennt man, aus welchen Gründen diese Regelungen notwendig sind. Denn man sieht, daß auch dieses Unternehmen seine Börse-Fitneß in erster Linie auf Kosten der Arbeitnehmer erreichen will.

Wir geben daher allen vier Vorlagen unsere Zustimmung. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

0.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter. Er hat das Wort.

0.34

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Trotz später Stunde vier Bemerkungen. (Abg. Verzetnitsch: Trotz früher Stunde!)

Das Entgeltfortzahlungsgesetz kostet immer noch 2,1 Prozent der Bruttolohnsumme, stellt also Lohnnebenkosten dar – Lohnnebenkosten, Herr Präsident Verzetnitsch, die wir doch gemeinsam senken wollten (Abg. Verzetnitsch: Ich habe gesagt: frühe Stunde!), weil wir die Arbeitskosten senken wollen, nachdem wir erkannt haben, daß sich die Menge der Arbeitskosten negativ auf die Menge an Beschäftigung auswirkt. Statt daß wir den Überschuß in diesem Fonds jetzt zur Senkung der Arbeitskosten und zur Senkung der Beiträge verwenden, verwenden wir ihn zur Finanzierung einer Chipkarte. Ich habe noch nie in meinem Leben eine Versicherung


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gesehen, die, wenn sie ein neues Abrechnungssystem eingeführt hat, von ihren Versicherten Beiträge dazu verlangt hat!

Offensichtlich haben wir Unternehmer ein sehr, sehr schlechtes Geschäft gemacht, als wir auf ein Entgeltfortzahlungsgesetz eingegangen sind, Herr Stummvoll! Ich zahle in meinem Unternehmen – weil ich ein gutes Betriebsklima und daher wenige Krankenstände habe – jedes Jahr aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes viel mehr ein, als ich auf dieser Basis herausbekomme. Außerdem wurden die Rückflüsse, die ich aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes bekomme, laufend gekürzt: von 90 Prozent auf 80 und dann auf 70 Prozent.

Meine Damen und Herren! Warum zwingen Sie mich als Unternehmer in ein Entgeltfortzahlungsgesetz, das ich nicht will? – Ich bin selbstverständlich dazu bereit, für meine Arbeiter das Entgelt im Krankheitsfall fortzuzahlen, gar keine Frage! Warum geben Sie mir nicht die Möglichkeit, mich selbst zu versichern, wenn ich das wünsche? Warum geben Sie mir nicht die Möglichkeit, selbständig dafür zu sorgen, daß diese finanziellen Mittel aufgebracht werden? Warum zwingen Sie mich zuerst in eine Versicherung hinein, und dann, wenn diese Versicherung Überschüsse macht, senken Sie nicht die Prämie – nein! –, sondern gehen her und nehmen 300 Millionen Schilling aus dem Topf heraus, der ein Topf der Arbeitgeber und nur für Arbeiter gedacht ist, und finanzieren damit eine Chipcard?

Die Politik geht eben so: Wir brauchen Geld, daher suchen wir nach einem Topf, in dem Geld zu finden ist. Es zeigt sich: Ah, Entgeltfortzahlung! Da haben wir jetzt 300 Millionen Schilling, diese nehmen wir heraus und finanzieren es damit. – Wenn das Ihre Politik ist, kann ich Sie wirklich nur bedauern! Dann reden Sie aber bitte in Zukunft nicht mehr von der Senkung der Arbeitskosten! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz stimmen wir gerne zu, meine Damen und Herren.

Aber das Post-Betriebsverfassungsgesetz? – Frau Silhavy! Die Sozialdemokraten haben in irgendeinem Programm, das ich jetzt nicht zitieren kann, drinstehen: Wir wollen einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff. Wir haben in Österreich ein Arbeitsverfassungsgesetz, ein, wie ich meine, sehr wichtiges Gesetz. Ich denke, daß wir in der Frage der innerbetrieblichen Mitbestimmung weiter darüber nachdenken sollten, welche neuen, weitergehenden Maßnahmen möglich sind.

Aber, Frau Kollegin Silhavy – eintretend, wie Sie sind! –: Es kann unmöglich wahr sein, daß wir ein Bahn-Betriebsverfassungsgesetz und ein Post-Betriebsverfassungsgesetz haben! Wann wollen Sie denn diese Mißstände beseitigen? Wann wollen Sie endlich einheitliche Begriffe schaffen? Warum erzählen Sie uns immer nur etwas über den einheitlichen Arbeitnehmerbegriff, tun aber bitte nichts dafür, daß er kommt? – Ich sehe keinen Unterschied zwischen einem Mitarbeiter, der bei der Post arbeitet, und einem, der bei der Bahn oder in sonst einem Unternehmen arbeitet.

Wenn Sie also einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff wollen – Sie sind an der Regierung! Sie haben alle Macht der Welt, inklusive unserer "großartigen" Frau Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsministerin! Alles das ist sie. Warum tun Sie diesbezüglich denn nichts? Warum muten Sie uns zu, an einem alten Gesetz herumzudoktern? (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Silhavy: Dann bauen wir die Arbeitnehmerrechte aus!)

Die Arbeitnehmerrechte sollen gleich sein. Ich kann nicht einsehen, warum ein Postmitarbeiter etwas Besseres sein soll als ein Bahnmitarbeiter und ein Bahnmitarbeiter etwas Besseres als ein Mitarbeiter in der Industrie! Das kann ich ganz einfach nicht einsehen! (Abg. Silhavy: Wie schauen wir denn im Gastgewerbe aus, Herr Kollege Peter? Wie schauen wir da aus?) Im Gastgewerbe gilt das Arbeitsverfassungsgesetz. Gott sei Dank gilt es, weil es ein gutes Gesetz ist, Frau Silhavy! (Abg. Silhavy: Was ist mit ...?) Frau Silhavy, Sie müssen bei Zwischenrufen Luft holen! Sonst kann ich nichts sagen, wenn Sie nicht Luft holen!


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Meine Damen und Herren! Zum letzten Punkt: Auch das ist eine recht interessante Bestimmung, in die Sie sehr viele unterschiedliche Sachen hineingepackt haben. Wir werden daher eine getrennte Abstimmung verlangen. Ich möchte Ihnen dazu gratulieren, daß Sie die Rahmenfristerstreckung für neue Selbständige endlich durchgesetzt haben. Damit haben Sie – mein Kompliment dazu! – eine Maßnahme getroffen, daß es für den Unselbständigen leichter und weniger risikoreich wird, den Schritt in die Selbständigkeit zu tun. Diese Regelung ist gut.

Aber eines verstehe ich nicht, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, die Sie alle von der neuen Selbständigkeit reden: Warum muß die Senkung der Mindestbemessungsgrundlage im GSVG für Jungunternehmer in den ersten drei Jahren an Ihren Zahnkronen-Streitereien enden? Was haben die Zahnkronen mit der Jungunternehmerförderung zu tun?, frage ich Sie hier im Hohen Hause. Was hat das miteinander zu tun? Wollen Sie jetzt Jungunternehmer fördern, oder wollen Sie über Zahnkronen streiten? – Vielleicht kann mir irgend jemand diese Frage beantworten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Er hat das Wort.

0.40

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Die entscheidende Änderung, die wir jetzt beschließen, ist zweifellos die Erweiterung der Arbeitslosenversicherung auf die Selbständigen. Es ist ein wesentlicher Schritt, wenn wir nun die Möglichkeit schaffen, auch Selbständige in die Arbeitslosenversicherung mit einzubeziehen, was konkret bedeutet, daß sie ihre Anwartschaften, die sie sich erworben haben, auf Dauer sichern können. Es ist nicht nur für die Selbständigen im bisherigen Sinn, sondern insbesondere für jene Personen, die nun als neue Selbständige ins Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz einbezogen wurden, von Bedeutung, daß sie sich die Arbeitslosenversicherung wahren können, und zwar in allen Bereichen.

Meine Damen und Herren! Auf diese Art und Weise können auch der Anspruch auf Karenzgeld und Notstandshilfe gewahrt werden. Es ist ein ganz entscheidender Schritt, daß wir die soziale Sicherheit auf alle Personen, die irgendwo und irgendwann erwerbstätig sind, ausdehnen beziehungsweise damit die soziale Sicherheit verstärken.

Wir stehen auch voll dazu, meine Damen und Herren, daß die ASVG-Novelle, die jetzt im Sozialausschuß beraten wird, sowie die Novellen zum Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz und zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz so bald wie möglich beschlossen werden. Wir hoffen, daß es noch vor dem Sommer möglich sein wird, die nach wie vor offenen Fragen zu klären und auch hiebei zu einem positiven Abschluß zu kommen. Ich stimme mit Ihnen vollkommen überein, Herr Abgeordneter Peter: Wir brauchen diese Regelungen unbedingt für die jungen Leute, die neu selbständig werden, damit sie in diesem Fall im Bereich der Beitragszahlung Erleichterungen erhalten. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Peter. )

Insgesamt glaube ich, daß wir auf einem guten Wege sind und nicht nur heute, sondern auch in der nächsten Zeit die notwendigen Beschlüsse fassen können. Ich meine, wir können diesen Vorlagen unsere Zustimmung geben, da die Regelungen im Sinne einer Verbesserung der sozialen Sicherheit getroffen wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

0.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Sie hat das Wort.

0.42

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gleich vorweg sagen, daß wir dem Entgeltfortzahlungsgesetz nicht die Zustimmung erteilen werden, weil bis heute nicht geregelt ist, welche Daten diese Chipkarte enthalten soll, wie der Datenschutz gewährleistet ist, und weil vor allem die Frage noch immer nicht geklärt ist, wieviel die Einführung der Chipkarte letztendlich kosten wird.


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Sie wissen ganz genau, daß Sie mit den 300 Millionen Schilling, die Sie jetzt aus der Entgeltfortzahlung freimachen wollen, bei weitem nicht auskommen werden, um die Chipkarte zu finanzieren. Sie beginnen die Vorbereitungsarbeiten, ohne zu wissen, welche Daten auf der Chipkarte sein werden, wann Sie sie einführen werden, welchen Datenschutz Sie sicherstellen können et cetera, et cetera. All diese Fragen sind noch nicht geklärt, und meiner Meinung nach ist es eine Vergeudung, 300 Millionen Schilling für etwas auszugeben, wenn man noch nicht weiß, wie die Sache im Endeffekt ausschauen und welchen Erfolg man letztlich damit verbuchen wird.

Der Regierungsvorlage betreffend die Novellierung des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetzes werden wir zustimmen, weil sie Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringt und jetzt zum Beispiel auch Personen, die über Leasing-Firmen angestellt sind, darüber Bescheid wissen werden, welche Rechte und Möglichkeiten ihnen zustehen.

Ablehnen werden wir auf jeden Fall den Antrag der Frau Abgeordneten Reitsamer bezüglich das Post-Betriebsverfassungsgesetz. Wir haben dem Post-Betriebsverfassungsgesetz schon bei dessen Einführung nicht zustimmen können, weil wir eine echte Vereinheitlichung von ArbeitnehmerInnenrechten wollen und keine Aufsplitterung, und gemäß diesem Antrag der Frau Abgeordneten Reitsamer und des Herrn Feurstein wird das passive Wahlrecht für AusländerInnen wie bei der Bahn wieder nicht eingeführt. Vielmehr ist dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz nur Grundlage dafür, daß es in Zukunft wahrscheinlich noch weitere Sonderregelungen geben wird. Für die Post und für die Bahn gibt es bereits solche Sonderregelungen, und es erhebt sich die Frage, welche Sonderregelungen für welche ArbeitnehmerInnen Sie noch zu treffen beabsichtigen. Warum streben Sie im Sinne aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht eine Vereinheitlichung, sondern eine Zerstückelung an? – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

0.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

0.45

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte nur kurz zum Antrag 819/A Stellung nehmen, weil mir dieser Antrag besonders wichtig ist, da es in diesem um den Anspruch auf Ausbildungs-Arbeitslosengeld und um die Gewährung von Weiterbildungsgeld geht.

Meine Damen und Herren! Wir haben für Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, Stiftungen und Umschulungseinrichtungen geschaffen, in welchen diese sich beruflich neu orientieren können und somit neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Daß diese Ausbildungsmöglichkeiten sehr wichtig sind, sehe ich in meinem Bezirk, weil gerade wir stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Und wenn man an der Basis steht und plötzlich mit einer großen Anzahl von Arbeitsplatzverlusten konfrontiert ist, dann kann man erst richtig erkennen und auch schätzen, wie wichtig es ist, daß Einrichtungen zur Verfügung stehen, mit welchen ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Zukunft gegeben werden kann. Damit die Betroffenen diese Schulungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können, ist es aber notwendig, daß das Ausbildungs-Arbeitslosengeld, mit dem die Betroffenen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, um welches es in diesem Antrag geht, auch zur Verfügung steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokraten werden weiterhin bemüht sein, die Situation von arbeitslos gewordenen Menschen zu verbessern und ihnen die Möglichkeit zu geben, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Er hat das Wort.

0.47

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag 819/A betreffend ein Bundesgesetz, mit welchem das Arbeitslosenversicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Karenzgeld


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133. Sitzung / Seite 220

gesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden, bringt sicherlich aus heutiger Sicht eine Verbesserung der sozialen Absicherung von Personen, die ohne Arbeitslosenversicherungspflicht erwerbstätig waren, nämlich von Selbständigen, freien Dienstnehmern, also arbeitslosenversicherungsfreien unselbständig Erwerbstätigen oder neuen Selbständigen, sowie Personen, die außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes beschäftigt waren.

Der Kernpunkt dieses Antrages betrifft also die Schaffung von Abhilfe für den genannten Personenkreis, der durch das Strukturanpassungsgesetz aus dem Jahr 1996 seine alten Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung verloren hat und nach der geltenden Gesetzeslage gegenwärtig bestenfalls noch Sozialhilfe erhalten konnte. Nun soll für die Rahmenfristerstreckung über drei Jahre ein einheitlicher monatlicher Betrag von 500 S bezahlt werden, was allerdings zu einem Arbeitslosengeld von maximal dem Ausgleichszulagenrichtsatz führt. Der Nachkauf aufgrund des durch dieses Strukturanpassungsgesetz aus dem Jahr 1996 entstandenen Lochs für den genannten Personenkreis wird jedenfalls 8 500 S kosten. Unser Vorschlag, der in mehreren Anträgen zum Ausdruck gebracht wurde, betreffend die Schaffung einer Art ewiger Anwartschaft, wenn die Betroffenen lange Zeit hindurch versichert waren und wenig Leistungen bezogen haben, würde den Bedürfnissen der Wirtschaft eher gerecht werden und entspräche auch eher dem alten Rechtszustand, als die Rahmenfristerstreckung auch ohne jegliche Beiträge erfolgte. Das ist ein weiteres Manko in diesem Gesetz. Wir hätten uns bessere Lösungen vorgestellt, wie etwa – wie schon erwähnt – die Schaffung der ewigen Anwartschaft, wenn jemand vorher lange genug unselbständig erwerbstätig war und Versicherungszeiten erworben hat.

Ein großer Vorteil ist, daß es zu einer Valorisierung und zu einer Erhöhung der Einheitswertgrenze für den Bezug von Arbeitslosengeld oder Karenzgeld von 54 000 S auf 60 000 S kommt, wenn jemand in der Land- und Forstwirtschaft tätig war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

0.50

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Als letzten Tagesordnungspunkt der heutigen Tagesordnung behandeln wir einen Antrag, mit welchem das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert wird. Damit werden einige Forderungen, die seitens der Bauernschaft schon seit vielen Jahren immer wieder gestellt wurden, teilweise, allerdings in bescheidenem Ausmaß, erfüllt. Die Einheitswertgrenze wird von 54 000 S auf 60 000 S angehoben. Wichtig dabei ist vor allem die Definition des Personenkreises, für welchen diese Regelung gilt. Jetzt heißt es: "... wer einen Betrieb ab 60 000 S auf eigene Rechnung und Gefahr führt". Bisher hat die Formulierung gelautet: "... wer einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb besitzt", und diesbezüglich hat es auf seiten der Arbeitsämter viele Unklarheiten gegeben. Jetzt ist klar: Wenn die Bäuerin Mitbesitzerin ist, sozialversicherungspflichtig ist und Pensionsversicherung bezahlt, dann ist sie Betriebsführerin, und es kann auch Arbeitslosengeld, das über der Bemessungsgrundlage von 60 000 S Einheitswert liegt, ausbezahlt werden.

Wichtig ist weiters, daß jetzt eine Valorisierung verankert wird.

Außerdem war es bisher ungemein kompliziert, bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb die Einkommensituation für die Berechnung der Notstandsunterstützung zu ermitteln. Jetzt wird diese eindeutig mit 4 Prozent des Einheitswertes festgelegt.

Es gibt also eine Reihe von Verbesserungen, die wir begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

0.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Trinkl.

0.52

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes stellt


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tatsächlich einen Quantensprung in der österreichischen Sozialpolitik dar. Denn mit diesem Gesetz wird jetzt Bevölkerungsgruppen ein Arbeitslosengeldbezug ermöglicht, die bisher davon ausgeschlossen waren. Insbesondere betrifft das selbständig tätige Menschen, die wir brauchen, weil sie Arbeitsplätze schaffen. Daher möchten wir sie dazu animieren, sich selbständig zu machen, und wir meinen, daß wir mit dieser Mindestabsicherung ein wesentlichen Hindernis für Unternehmensgründungen aus dem Weg räumen.

Für uns von der Volkspartei ist es wichtig, daß durch diese Einbeziehung eine Versicherung auf freiwilliger Basis ermöglicht wird. Denn wir wollen keinen Zwang und keine Zwangsbeglückung. Wir wollen niemandem diese Versicherung aufoktroyieren. Derjenige, der sich freiwillig diese Absicherung schaffen will, hat jetzt aber die Möglichkeit dazu.

Bedauerlich finde ich es, daß die Freiheitlichen heute nicht klar zum Ausdruck gebracht haben, ob sie dafür oder dagegen sind. Wir werden es den Unternehmern dann sagen, auf welcher Seite sie stehen!

Im übrigen möchte ich feststellen, daß ich mich freue, daß es uns heute gelungen ist, einer Gruppe der Bevölkerung Möglichkeiten zu eröffnen, die wir uns viele, viele Jahre eindeutig und sehr massiv gewünscht haben! (Beifall bei der ÖVP.)

0.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin. – Bitte.

0.54

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte mich bei Ihnen für die Einbringung dieses Antrages 819/A bedanken, auf den schon in der Diskussion verwiesen wurde und mit welchem wir eine wichtige Maßnahme für unselbständig Erwerbstätige setzen, die sich für die Selbständigkeit entscheiden, daß nämlich durch die Rahmenfristerstreckung nach Maßgabe eines Versicherungsbeitrages Ansprüche gewahrt bleiben.

Ich glaube, daß es aber auch ganz wichtig ist, daß wir Vorsorge treffen, daß wir beobachten können, wie sich die Entwicklung zwischen Ausgaben und Leistungsansprüchen und auch auf der Beitragsseite darstellt und welche Gruppen in unserer Gesellschaft von dieser richtigen und notwendigen Option Gebrauch machen.

Ich möchte mich außerdem dafür bedanken, daß mit diesem Abänderungsantrag auch sichergestellt ist, daß die Auflebstiftung auch im Jahr 1999 wieder beansprucht werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

0.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals, Frau Ministerin.

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1192 der Beilagen.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die mit dieser Vorlage 1192 der Beilagen einverstanden sind, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Dies ist mit Mehrheit in zweiter Lesung angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.


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133. Sitzung / Seite 222

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1233 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist mit Einstimmigkeit beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Nationalrat beschließt in dritter Lesung mit Einstimmigkeit.

Als nächstes stimmen wir ab über die Vorlage in 1303 der Beilagen.

Auch hier darf ich wiederum bitten, im Falle der Zustimmung ein Zeichen zu geben. – Diese Vorlage ist in zweiter Lesung mit Mehrheit beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage 1303 der Beilagen auch in dritter Lesung zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Dies ist mit Mehrheit in dritter Lesung angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1304 der Beilagen.

Es liegt ein Verlangen des Abgeordneten Mag. Haupt auf getrennte Abstimmung vor, das von Abgeordnetem Mag. Peter geteilt wird.

Ich werde zunächst über die vom Verlagen auf getrennten Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Zunächst gelangen wir zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Z 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 Z 2 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Auch hier ersuche ich im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Teil des Gesetzentwurfes in zweiter Lesung einstimmig beschlossen wurde.

Ich lasse nun über Artikel 1 Z 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen. – Auch dieser Teil des Gesetzentwurfes ist einstimmig angenommen worden.

Als nächstes stimmen wir ab über Artikel 1 Z 5 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Artikel 1 Z 5 ist in zweiter Lesung mit Mehrheit beschlossen.

Als nächstes steht Artikel 1 Z 7 in der Fassung des Ausschußberichtes zur Abstimmung.

Ich bitte um ein Zeichen im Falle der Zustimmung. – Artikel 1 Z 7 ist mit Mehrheit angenommen.


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133. Sitzung / Seite 223

Als nächstes wird in getrennter Abstimmung über Artikel 1 Z 10 in der Fassung des Ausschußberichtes abgestimmt.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Ich stelle Beschlußfassung in zweiter Lesung auf Basis der Einstimmigkeit fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über Artikel 1 Z 16 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, das zu bekunden. – Artikel 1 Z 16 ist einstimmig angenommen.

Zur Abstimmung steht Artikel 1 Z 22 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Nationalrat beschließt diesen Punkt in zweiter Lesung mit Einstimmigkeit.

Als nächstes steht Artikel 2 Z 2 in der Fassung des Ausschußberichtes zur Abstimmung.

Ich ersuche im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Artikel 2 Z 2 ist einstimmig angenommen.

Wir stimmen ab über Artikel 2 Z 4.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Artikel 2 Z 4 ist einstimmig angenommen.

Wir stimmen ab in getrennter Abstimmung über Artikel 3 Z 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle Einstimmigkeit betreffend Artikel 3 Z 1 fest.

Weiters stimmen wir ab über Artikel 3 Z 4 in der Fassung des Ausschußberichtes. – Auch dieser Teil des Gesetzentwurfes ist einstimmig angenommen.

Als nächstes stimmen wir ab über Artikel 3 Z 5 in der Fassung des Ausschußberichtes. – Der Nationalrat beschließt einstimmig.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Nationalrat beschließt dies in zweiter Lesung mit Mehrheit.

Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.

Wir sind nun bei der dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Feststellung betreffend unentschuldigte Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle fest, daß Abgeordneter Rosenstingl dieser Sitzung unentschuldigt ferngeblieben ist.


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133. Sitzung / Seite 224

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Anträge 824/A bis 834/A und die Anfragen 4613/J bis 4643/J eingebracht wurden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrats berufe ich für heute, Mittwoch, den 8. Juli 1998, 12 Uhr ein.

Gleichzeitig darf ich an die für 10 Uhr anberaumte Bundesversammlung erinnern.

Die Tagesordnung der morgigen Nationalratssitzung ist im Sitzungssaal schriftlich verteilt worden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 1.02 Uhr