Fachinfos - Fachdossiers 15.04.2019

Wie europäisch ist die Europawahl? Parteien und Fraktionen

Das vorliegende Fachdossier beschäftigt sich im Zusammenhang mit den Wahlen zum Europäischen Parlament mit den Parteien auf nationaler Ebene und der Organisation der EP-Abgeordneten in den Fraktionen des Europäischen Parlaments (15.04.2019)

Wie europäisch ist die Europawahl? Europäische Fraktionen und nationale Parteien

In Medienanalysen und von politischen Parteien wird die Europawahl 2019 als "Richtungswahl über die Zukunft der EU" kommuniziert. Der Hauptgrund dafür ist, dass sich das Stärkeverhältnis von europafreundlichen und europaskeptischen Fraktionen im Europaparlament deutlich verändern könnte. Die EU-skeptischen Fraktionen könnten 2019 eine neue Sammelfraktion bilden (Ondarza/ Schenuit, Die Europawahlen 2019 und das europäische Parteiensystem, Aus Politik und Zeitgeschichte [Jänner 2019]). Bei dieser Europawahl rücken die Fraktionen des Europaparlaments stärker als in allen bisherigen Wahlkämpfen in den Blickpunkt. Die Fraktionen machen (gemeinsam mit den verhältnismäßig wenigen fraktionslosen Abgeordneten) das Europaparlament aus, dessen Stärke und Einfluss seit dem Vertrag von Lissabon bedeutend zugenommen hat (Europadossier "Wissenswertes rund ums Europäische Parlament").

Die EP-Abgeordneten werden für die Wahl von ihren nationalen Parteien aufgestellt, auch wenn sie als EP-Abgeordnete im Rahmen ihrer (transnationalen) Fraktionen handeln. Daraus resultierte bei den vergangenen Europawahlen in den meisten Fällen ein Wahlkampf, der eher von innenpolitischen als von europapolitischen Themen bestimmt war. (Träger, Die Europawahl 2014 als second-order election, in: Kaeding/ Switek (Hrsg.), Die Europawahl 2014 (2015), S. 33)

Organisation der EP-Abgeordneten in Fraktionen

Wie in jedem Parlament organisieren sich die Abgeordneten des EP in Gruppen, um die politische Willensbildung zu erleichtern und die parlamentarischen Aufgaben arbeitsteilig zu bewältigen. Die Geschäftsordnung des EP (GOEP) sieht seit 1999 zwingend eine transnationale Zusammensetzung der Fraktionen vor (siehe dazu Judge/ Earnshaw, The European Parliament [2003] S. 119 und Merten, Entwicklungsgeschichte der Fraktionen im Europäischen Parlament, in: Dialer et al [Hrsg], Das Europäische Parlament: Institution, Vision und Wirklichkeit [2010] S. 227 [233]).

Die Grafik "Europäische Fraktionen: Zahl der Mitglieder und österreichische DelegationsleiterInnen" liefert eine Übersicht über die aktuelle Sitzverteilung der 751 Sitze im Europäischen Parlament und ordnet die österreichischen Delegationsleiterinnen und -leiter der jeweiligen Fraktion zu.

Quelle: Homepage des Europäischen Parlaments, Fotos: Parlamentsdirektion, Stand 1.4.2019, eigene Darstellung.

Aktuell müssen sich zumindest 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Mitgliedstaaten zusammenfinden um sich zu einer Fraktion zusammenschließen zu können. Die Abgeordneten bringen mit der Fraktionsbildung ihre "politische Zugehörigkeit" zum Ausdruck (Art 32 GOEP). Das Stärkeverhältnis der Fraktionen ist auch in den Ausschüssen abzubilden (Art 33 GOEP). Obwohl die Abgeordneten aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten stammen und in den verschiedenen nationalen Parteien beheimatet sind, ist die Klubdisziplin im überwiegenden Teil der Fraktionen sehr hoch.

In der EP-Periode 2004–2009 lag der Kohäsionsgrad in vier Fraktionen über 0,9, in der EP-Periode 2009–2014 sogar in fünf Fraktionen. Eine vollständige Klubdisziplin würde einen Kohäsionsgrad von 1 ergeben. Betreffend die EP-Periode 2014 bis 2019 siehe VoteWatchEurope, EP2019: group discipline under pressure post-elections? (in englischer Sprache). Derzeit gibt es acht Fraktionen im Parlament; 21 der 751 EP-Mitglieder sind fraktionslos (Homepage des EP).

Europäische politische Parteien

Bedeutend jünger als die Fraktionen sind die Parteien auf europäischer Ebene. Der Vertrag von Maastricht 1992 legte fest: „Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.“ Auf der Grundlage der EU-VO Nr 1141/2014 idF 2018/673 sind derzeit zehn europäische Parteien anerkannt. Für Anerkennung und Registrierung ist seit 2017 die „Behörde für europäische politische Parteien und europäische Stiftungen“ zuständig. Einer europäischen Partei müssen zumindest Mitgliedsparteien aus sieben Mitgliedstaaten angehören, deren Abgeordnete im EP, in nationalen oder regionalen Parlamenten sitzen oder die bei der EP-Wahl zumindest 3 % der Stimmen erzielt haben. Sie erhalten finanzielle Mittel aus dem EU-Haushalt, beschließen u.a. ihre (europaweiten) Wahlprogramme und wählen den Spitzenkandidaten/die Spitzenkandidatin für die EP-Wahl. Sie spielen auch im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens in der Koordination der Staats- und RegierungsvertreterInnen im Rat sowie der nationalen Parteien eine Rolle.

Nationale Kandidatenaufstellung

Der Weg in das EP verläuft jedoch über die nationalen (Wahl-)Parteien. Die auf die einzelnen Mitgliedsstaaten verteilten EP-Sitze werden nämlich mittels national abgehaltener Wahlen besetzt. Der Beschluss des Rates zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen (Direktwahlakt) gibt nur einen sehr allgemeinen Rahmen für die nationalen, sehr heterogenen Wahlvorschriften vor (EPRS: Auf einen Blick, Infografik, Europawahl 2019: Nationale Bestimmungen [2018] und EPRS, Das Europäische Parlament: Wahlmodalitäten [2018]). In Österreich muss der Wahlvorschlag von wenigstens drei Abgeordneten zum Nationalrat oder von wenigstens einem (österr.) EP-Abgeordneten oder von mindestens 2 600 (in Österreich wahlberechtigten) Personen unterschrieben sein. Er hat die "Parteibezeichnung in Worten sowie allenfalls eine Kurzbezeichnung bestehend aus nicht mehr als sieben Buchstaben, die ein Wort ergeben können" zu enthalten (§ 31 EuWO). Diese gegenüber der Nationalratswahlordnung um zwei Buchstaben längere Kurzbezeichnung soll gemäß den ErlRV zur Europawahlordnung 1996 (18 d. Blg, XX. GP) den Parteien ermöglichen, "einen Europa-Bezug", sprich zur jeweiligen europäischen Partei oder Fraktion im EP, herzustellen. Davon wurde bisher kein Gebrauch gemacht (siehe wahlwerbende Parteien der Europawahlen 1996, 1999, 2003, 2009 und 2014 lt Homepage des BMI).

Die im Juli 2018 vom Rat beschlossene Änderung des Direktwahlakts, welche erst nach Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten in Kraft treten wird, regt an, "dass die Stimmzettel den Namen oder das Logo der europäischen Partei, der die nationale Partei oder der Einzelbewerber angehört, tragen". Dies würde in Österreich eine Änderung der EuWO (§ 61) voraussetzen. Der Wähler und die Wählerin würde damit direkt informiert sein, ob die österreichische (Wahl-)Partei einer europäischen Partei angehört und wenn ja, welcher. Dies würde auch Hinweise geben, welcher EP-Fraktion die KandidatInnen auf der österreichischen Liste angehören werden.

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