Parlamentskorrespondenz Nr. 580 vom 23.09.1997

AUFTAKT DER ARCHITEKTURTAGE 97 IM PARLAMENT

Veranstaltungsreihe unter dem Motto Architektur ist überall

Wien (PK) - "Architektur ist überall" lautet das Motto der diesjährigen "Architekturtage", die heute im Parlament von Nationalratspräsident Dr. Heinz FISCHER eröffnet wurden. Die Bundeskammer der Architekten will mit dieser Veranstaltungsreihe auf die Bedeutung zeitgenössicher Architektur hinweisen und die Rolle der Politik in Sachen Architekturkultur unterstreichen.

Nationalratspräsident Dr. Heinz FISCHER erinnerte einleitend daran, dass der Auftakt zu den Architekturtagen nun schon zum zweiten Mal im Parlament stattfindet. Es mag sein, dass dem Thema Architektur seitens der Politik noch mehr Zeit und Interesse gewidmet werden sollte, räumte er ein, trat aber Behauptungen entgegen, wonach es früher in dieser Hinsicht besser gewesen sei. Ziel der Veranstaltung ist es nach Meinung Fischers, Defizite und Versäumnisse aufzuzeigen, aber auch auf Erfolge in der Zusammenarbeit von Politik und Architektur hinzuweisen.

Seitens der Architekten klagte DI Peter SCHEIFINGER, eine falsch verstandene Deregulierung führe dazu, dass die Architektur allzu oft von rein wirtschaftlichen Interessen getragen werde, was sich bis in die Gesetzgebung hinein auswirke. Er appellierte an die Politik, sich an der Schaffung eines Klimas zu beteiligen, in dem Architektur auch künftig gestaltet werden kann.

DI Friedrich ACHLEITNER kritisierte in seinem Vortrag die Abwesenheit der Politik in Sachen Architektur und meinte, das Verhältnis zwischen Politik und Architektur sei heute so schlecht wie nie zuvor. Er sprach von Berührungsängsten der Politiker mit der Architektur und wandte sich gegen Tendenzen der Nichteinmischung der Politik in die Kultur und die Architektur. Eine Politik, die sich nicht mehr mit Kultur beschäftigt, könne auch keine Instrumente zu deren Förderung schaffen, meinte er warnend.

In einer anschliessenden Podiumsdiskussion machte die Vorsitzende des Kulturausschusses, Abgeordnete Dr. Heide SCHMIDT (L) auf die Wechselwirkung zwischen Politik und Architektur aufmerksam. Die Politik ist aufgefordert, Architektur möglich zu machen und in der Bevölkerung das Bewusstsein für eine zeitgenössische Baukunst und deren Akzeptanz zu schaffen, sagte sie.

Abgeordneter Dr. Josef CAP (SP) führte die Zurückhaltung der Politik auf historische Gründe zurück. Zu oft sei Architektur von der Politik missbraucht und instrumentalisiert worden, erinnerte er mit einem Hinweis auf die Nazi-Zeit. Die Politiker sind aber nach Meinung Caps am derzeitigen negativen Architekturklima in Österreich nicht ganz unbeteiligt. Während man in Paris mutige Projekte wie das Musée d'Orsay, die Défense oder die Louvre-Pyramide realisiert, streitet man in Wien über den Leseturm, gab er kritisch zu bedenken.

Abgeordneter Franz MORAK (VP) diagnostizierte eine Kluft zwischen den Architekten und der Bevölkerung. Es stelle sich die Frage, ob die Architektur die richtigen Antworten auf die alltägliche Herausforderung des Bauens finde oder sich bloss in elitären Ansprüchen erschöpfe, sagte er. Morak rief zu Überzeugungsarbeit auf und plädierte für eine Förderung der Architektur durch Präsentation und Diskussion.

Abgeordneter Dr. Michael KRÜGER (FP) wandte sich gegen ein zu starkes Eingreifen des Staates in das Berufswesen der Architekten. Es sei nicht Aufgabe der Politik, Kritik an Planungen zu betreiben, Gestaltungsentscheidungen müssten  durch unabhängige Beiräte getroffen werden. Die Politik ist nach Ansicht Krügers aber aufgefordert, Rahmenbedingungen für die freie Berufsausübung der Architekten und für einen fairen Wettbewerb zu schaffen.

Abgeordnete Dr. Madeleine PETROVIC (G) sprach sich für einen Dialog zwischen Politik und Architektur aus und betonte, die Politik dürfe sich in der Architektur nicht verschweigen, sie müsse vielmehr Partei ergreifen, Bauentscheidungen seien letztlich politische Entscheidungen. Es gehe darum, ein Klima zu schaffen, in dem mutige Projekte wieder möglich werden und nicht von Populisten zu Fall gebracht werden, sagte sie.(Schluss)