Parlamentskorrespondenz Nr. 697 vom 23.11.2000

HUBSCHRAUBER, NATO, ÖSTERREICHISCHE VERTEIDIGUNGSDOKTRIN UND DIE EU

Fragestunde mit Verteidigungsminister Scheibner im Nationalrat

Wien (PK) - Nach Eröffnung der Sitzung übergab Präsident Fischer für kurze Zeit den Vorsitz an Präsident Prinzhorn im Zusammenhang mit Äußerungen, die unter Prinzhorns Vorsitz in der vorangegangen Sitzung gefallen waren. Präsident Prinzhorn erteilte Abgeordnetem Pilz (G) und Abgeordnetem Westenthaler (F) auf der Grundlage des Stenographischen Protokolls der gestrigen Sitzung einen Ordnungsruf.

Vom Hubschrauberkauf des österreichischen Bundesheers über organisatorische Fragen bis zu den Themen Österreich und die NATO sowie Österreichs Beitrag zur EU-Krisenbewältigung spannte sich dann der Bogen der Fragen, die die Abgeordneten in der Fragestunde des Nationalrats an Verteidigungsminister Scheibner stellten.

Abgeordneter Ing.  K a i p e l (S): Durch welche organisatorischen Maßnahmen wird die im internationalen Vergleich überdimensionierte Führungsstruktur des Bundesheeres den neuen Aufgabenstellungen angepasst?

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Bundesminister Scheibner verwies auf die 1998 durchgeführte Anpassung der Heeresgliederung 1992, in der einschneidende Strukturmaßnahmen verfügt worden seien. Diese Maßnahmen (wie die Verringerung der Korpskommanden von 3 auf 2, die Verringerung der Panzergrenadierbrigaden auf 2 und eine Reduzierung bei der Verwaltung) seien im Sommer des laufenden Jahres abgeschlossen worden. Eine Projektgruppe arbeite an Reformen bei der Spitzengliederung des Verteidigungsministeriums, Ende des Jahres würden Ergebnisse erwartet. Auf eine Zusatzfrage führte Minister Scheibner aus, auf Grund der topographischen Situation Österreichs und im Hinblick auf Katastrophenfälle seien die neun Militärkommanden erforderlich, damit in jedem Bundesland ein Führungskommando vorhanden sei. Nach einer eben abgeschlossenen Reduktion müsse vor weiteren Überlegungen eine Evaluierung der Maßnahmen erfolgen wobei aufgabenorientiert vorzugehen sei.

Abgeordneter  M u r a u e r (V): Welche Gründe waren für die Anschaffung des amerikanischen Hubschraubers Black Hawk ausschlaggebend?

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Scheibner erinnerte zunächst an den Anlassfall der Katastrophe von Galtür. Nach einer ersten Evaluierung seien zwei Modelle - Black Hawk und Superpuma - für die Entscheidung verblieben; die Entscheidung für den Black Hawk habe vor allem bei der technischen Beurteilung Vorteile des US-Modells ergeben. Derzeit werde über die geeignetsten Standorte für das Gerät beraten, im Gespräch seien Hörsching und Langenlebarn. Die Entscheidung müsste auch Aspekte der Logistik und der raschen Verfügbarkeit in ganz Österreich berücksichtigen. Auf eine Zusatzfrage zur Finanzierung erklärte der Minister, die gegenüber einer Empfehlung des Landesverteidigungsrats um eine halbe Mrd. S höheren Kosten seien vor allem dem Sicherheitsaspekt und der Transportkapazität geschuldet. Scheibner verwies in diesem Zusammenhang auch auf die 200 % Kompensation im wirtschaftlichen Bereich, vor allem in den Bereichen Hochtechnologie und Telekommunikation. Auf eine Vergleicherprobung der beiden Modelle sei verzichtet worden, weil beide Modelle nicht neu, sondern am Markt eingeführt seien und in einem verkürzten Verfahren dieser Vergleich nicht vorgesehen sei. Zudem seien die Unterschiede in der Transportkapazität bei Personen gering.

Abgeordneter Dr.  P i l z (G): Mit welchen Vertretern des US-Militärs haben in den letzten Monaten von Seiten des Bundesministeriums für Landesverteidigung Treffen stattgefunden, um die NATO-Zukunft Österreichs zu besprechen?

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Derartige Treffen hätten mit niemandem stattgefunden, erklärte der Minister, es gebe die jährlichen Stabsgespräche, das letzte mit den USA hätte am 6. Oktober stattgefunden. Derartige Treffen hätten den Sinn, eine möglichst enge bilaterale Kooperation zu erreichen und Informationen auszutauschen sowie gemeinsame Vorhaben - Ausbildungen, Seminare, Übungen - zu planen. Die Frage eines möglichen NATO-Beitritts stehe zudem in der laufenden Legislaturperiode nicht auf der Tagesordnung. Zudem sei diese Frage von der Regierung, dem Parlament und dem österreichischen Volk im Wege einer Volksabstimmung zu entscheiden. Österreich beteilige sich an der Partnerschaft für den Frieden, eine Ausweitung dieser Aktivitäten sei aber nicht geplant, vielmehr konzentriere man sich voll auf die Sicherheitspolitik im Rahmen der EU.

Abgeordneter  J u n g (F): Welche Kräfte des Bundesheeres werden als österreichischer Beitrag zur Entwicklung von militärischen Fähigkeiten der EU zur Krisenbewältigung bereitgestellt?

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Der Verteidigungsminister erinnerte zunächst an den Gipfel von Köln, bei dem sich Österreich im Vorjahr verpflichtet habe, am Aufbau einer gemeinsamen Sicherheitspolitik teilzunehmen. Österreichs Beitrag werde 2000 Soldaten betragen: ein gepanzertes Infanteriebataillon, ein leichtes Bataillon und Unterstützungsmodule wie Wasseraufbereitungsanlagen. Ziel sei die Errichtung einer Friedensunion, die es unmöglich mache, dass in Europa Kriege geführt werden. Die Entscheidung über den Einsatz werde zentral erfolgen, die Ausbildung und Stationierung aber dezentral und möglichst breit gestreut, darüber würden derzeit Untersuchungen angestellt. Auf eine Zusatzfrage zur Finanzierung sagte Scheibner, es sei klargestellt, dass die zusätzlichen Kosten nicht aus dem niedrigen Landesverteidigungsbudget bedeckbar seien. Die Einigung mit dem Finanzminister sehe vor, dass dann, wenn die Budgettangenten klar seien, die Verhandlungen über die zusätzliche Finanzierung einsetzen. Im Bereich der Infrastruktur bestehe Nachholbedarf, das Gerät reiche gerade zur Sicherstellung der Ausbildung. Das zusätzliche Engagement sei damit nicht abdeckbar. Beim Radpanzer Pandur bestehe etwa ein Zusatzbedarf von 80 bis 90 Stück.

Abgeordneter  L e i k a m (S): Über welche offenen Punkte des Kaufvertrages für die "Black Hawk"-Hubschrauber werden mit der Herstellerfirma noch Detailverhandlungen geführt?

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Verhandlungen würden über die Preisgestaltung und über die Zahlungsbedingungen geführt, sagte Scheibner. Die Aufforderung an die Firmen, bei ihren Wirtschaftspaketen Nachbesserungen vorzunehmen, hätte zusätzliche Aufträge in Höhe von 1,5 Mrd. S erbracht. Interventionen habe es, wie Scheibner auf eine Zusatzfrage betonte, bei ihm nicht gegeben. Bei der Hubschrauberbeschaffung handle es sich nicht um Einzelkäufe, sondern um eine Systementscheidung mit einem Systempreis, der auch Infrastruktur und Ausbildung umfasse. Auf eine Zusatzfrage, gegen wen die Abfangjäger, deren Beschaffung beabsichtigt sei, eingesetzt werden sollten, betonte Scheibner, man sollte dazu kommen, dass die Streitkräfte demokratischer Staaten nicht gegen, sondern für jemand seien: für die Sicherheit der Bevölkerung und in Regionen und für die Überwachung der Sicherheit. Ein Land, das auf seine Souveränität Wert legt, sollte das auch in Bezug auf die Lufthoheit tun. Die Alternative sei die eigene Luftraumüberwachung oder die Übertragung dieser Aufgabe an andere.

Abgeordneter Dr.  P i l z (G): Warum wird die Militärdoktrin des neutralen Österreichs in Abstimmung mit den USA, lt."Defence News" vom 9. Oktober 2000, erarbeitet?

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Die österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin und die Diskussion darüber sei in Österreich zu führen, betone Scheibner. Seit letztem Mai würde in einer kleinen Arbeitsgruppe von Experten - aus den Bereichen Bundeskanzleramt, Vizekanzleramt, Außenamt und Verteidigungsministerium - ein Entwurf für die neue Verteidigungs- und Sicherheitsdoktrin erarbeitet, der dann breit diskutiert werden würde. Scheibner sprach sich gegen eine öffentliche Diskussion von Teilergebnissen aus, zunächst sollte man die Experten arbeiten lassen. Der Minister plädierte für einen möglichst breiten nationalen Konsens in der Sicherheitspolitik. Es sei ihm Anliegen und Verpflichtung, diesen Konsens zu erhalten, daher sollte eine breite Diskussion entwickelt und jede neue Idee aufgenommen werden. Die Situation sei heute eine andere als in den 70er Jahren und im Kalten Krieg, daher müsse auch die Verteidigungsdoktrin eine andere sein als damals. Die direkte militärische Bedrohung habe abgenommen, erforderlich sei eine umfassende Betrachtungsweise der Landesverteidigung, die auch ziviles Krisenmanagement, Katastropheneinsätze und Auslandseinsätze enthalten.

Abgeordneter Dr.  B ö s c h (F): Welche Beschaffungsschritte werden mit welcher Priorität noch in dieser Legislaturperiode getätigt?

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Im Hinblick auf das knappe Investitionsbudget nannte Minister Scheibner folgende Prioritäten: Erneuerung der Mannesausrüstung, Transportkapazität, Sanitätsbereich, Pionierbereich und Luftraumüberwachung - letzteres werde aber erst in der nächsten Legislaturperiode budgetwirksam. Generell hielt der Minister fest, dass es keine 2-Klassen-Armee geben dürfe, im Inland wie im Ausland müsse das notwendige Gerät vorhanden sein. Auf eine Zusatzfrage, in der G-Abgeordneter Peter Pilz die Studiengebühren gegen die Kosten für Abfangjäger aufrechnete, wandte sich Scheibner gegen diese Art der Aufrechnung und gegen das Ausspielen von Sicherheitsausgaben gegen Kosten für andere wichtige Aufgaben. Die Beschaffungen seien auf den Grundbedarf ausgerichtet.

Abgeordnete  H a g e n h o f e r (S): Welche neuen Rahmenbedingungen insbesondere in der Organisations- und Personalstruktur wurden bzw. werden für den am 1. Jänner 1998 an der Militärakademie eingerichteten Fachhochschul-Studiengang "Militärische Führung" geschaffen?

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Scheibner verwies auf einen entsprechenden - erfolgreichen - Probebetrieb, jetzt sei ein neuer Organisationsplan erstellt worden, über den noch umfassend informiert werden würde. Hinsichtlich der internationalen Vergleichbarkeit betonte Scheibner, dass bei Ausbildung, Motivation und Einsatzbereitschaft der Offiziere Österreich im Spitzenfeld liege. Auf eine Zusatzfrage nach der Anerkennung von Ausbildungen an der Militärakademie als universitärer Ausbildung erklärte Scheibner, eine Arbeitsgruppe beschäftige sich derzeit mit der Frage des universitären Charakters der weiterführenden Offiziersausbildung. Hier müsse eine breite Palette von Kriterien erfüllt werden. In anderen Bereichen - Unteroffiziersausbildung, Sanitätsausbildung - seien bereits Fortschritte in Richtung ziviler Ausbildungsschritte erzielt worden. Auf eine Zusatzfrage zu Maßnahmen zur Verhinderung von rechtsextremen Kräften im Bundesheer betonte Scheibner, dass Menschen mit radikalen Ideen im Bundesheer nichts verloren hätten. In den letzten Jahren sei auch kein derartiger Fall vorgekommen, betonte Scheibner.

(Schluss)