Parlamentskorrespondenz Nr. 406 vom 05.06.2002

NOVELLE ZUM SICHERHEITSPOLIZEIGESETZ BRINGT UMFANGREICHE ÄNDERUNGEN

Vorsitzwechsel: Anton Gaal folgt Anton Leikam

Wien (PK) - In einer Sitzung des Innenausschusses wurde heute, nachdem der bisherige Vorsitzende, S-Abgeordneter Leikam, sein Nationalratsmandat zurückgelegt hat, ein neuer Vorsitzender gewählt. Die Fraktionen stimmten einhellig dem Vorschlag, lautend auf Abgeordneten Anton Gaal, zu.

Erster Tagesordnungspunkt war die Sicherheitspolizeigesetz-Novelle  2002, die nicht nur eine Übertragung des Fund- und Passwesens auf Gemeindeorgane bringt, sondern u.a. auch die Ausbildung der Sicherheitsexekutive reformiert und den Zeugenschutz erweitert.

In der Debatte meinte Abgeordneter Rudolf Parnigoni (S) zur Sicherheitspolizeiakademie, dass die Novelle keinen Ansatz für die Schaffung einer Fachhochschule enthalte und dass die Akademie in Traiskirchen noch immer nicht in Betrieb genommen wurde. Zudem befürchtet er, dass durch die Neuorganisation der Direktor bei gleichzeitiger Umgehung transparenter Lösungen einseitige Personalpolitik betreiben könnte. Grundsätzlich bejahte er die Regelungen zum Zeugenschutz, als problematisch sah er die Bestimmung an, dass private Personen mit verdeckten Ermittlungen betraut werden können, ohne dass sie kontrolliert werden. Dies ermögliche dem Innenminister den Aufbau einer "privaten Geheimpolizei".

Abgeordneter Paul Kiss (V) wies darauf hin, dass man den Weg fortsetze, die Exekutive von Arbeiten zu "entfrachten", die keine Exekutivtätigkeiten sind. Positiv registrierte er, dass die SPÖ die Verbesserungen des Zeugenschutzes begrüße.

Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) erwähnte in ihrer Wortmeldung die Entlastungen für die Exekutive, begrüßte die Entrümpelungen im ABGB und betonte, dass die Ausbildungsreform für die Exekutive darauf Rücksicht nehme, dass auf die Beamten im Zuge der Kriminalitätsentwicklung weitere Aufgaben zukommen.

Abgeordneter Peter Pilz (G) machte auf die Stellungnahme des Verfassungsdienstes aufmerksam, in der darauf hingewiesen wurde, dass der Innenminister die Absicht habe, "Spitzel" in das Polizeisystem einzuführen, und knüpfte daran eine Reihe von konkreten Anfragen.

Bundesminister Ernst Strasser bekannte sich zur Verwaltungsreform und dazu, dass die Kernaufgaben polizeilicher Tätigkeit genau definiert werden. Zufrieden zeigte er sich darüber, dass das Grundkonzept des Zeugenschutzes akzeptiert wird.

Seitens des Ressorts wurde darauf hingewiesen, dass Informanten Personen sind, die von sich aus Informationen an die Sicherheitsexekutive liefern. Ist ein Informant im Rahmen des Gerichtsverfahrens nicht mehr geheimzuhalten, werde er als Zeuge auftreten. Macht er sich selbst straffällig, wird die Person auf keinen Fall geheimgehalten. Für Informanten gebe es keine Tarnidentität; eine solche sei verdeckten Ermittlern vorbehalten.

In der weiteren Diskussion sprach Abgeordnete Gisela Wurm (S) vor allem die Häftlingsdatei an, Abgeordnete Ludmilla Parfuss (S) kam wie schon zuvor Abgeordneter Pilz auf die Spitzel zu sprechen, der neue Ausschussobmann Anton Gaal warf im Zusammenhang mit der Sicherheitsakademie dem Minister vor, ein "Schmalspurprogramm" für die Akademie vorzusehen, und Abgeordnete Terezija Stoisits (G) zeigte sich verwundert darüber, wie Stellungnahmen, etwa die des Datenschutzrates, bewertet werden.

Heftige Kritik kam vom Abgeordneten Peter Pilz (G), der dem Minister verdeckten Verfassungsbruch vorwarf. Die Bestimmungen des Gesetzen liefen auf die Einrichtung eines Spitzelsystems hinaus, meinte er.

Bundesminister Ernst Strasser wies diese Anschuldigung mit scharfen Worten zurück. Nichts in diesem Gesetz rechtfertige den Ausdruck Spitzelsystem, betonte er.  Keine einzige Bestimmung des Sicherheitspolizeigesetzes sei bisher wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden, erinnerte Strasser.

Die Vorlage wurde mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien verabschiedet.

VERMUMMUNGSVERBOT: JA ODER NEIN - EXPERTENHEARING BESCHLOSSEN

Die Einführung eines Vermummungsverbotes ist Ziel eines gemeinsamen Antrages von ÖVP und FPÖ (680/A). Konkret sollen künftig keine Personen an einer Versammlung teilnehmen dürfen, die ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände allein zu dem Zweck verhüllen oder verbergen, ihre Wiedererkennung zu verhindern, oder die Gegenstände mit sich führen, die nur dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern. Weiters wird Personen, die Waffen oder Gegenstände bei sich haben, die lediglich dazu dienen, Gewalt gegen Menschen oder Sachen auszuüben (z.B. Ziegel, Pflastersteine, Brechstangen, Farbbeutel, Schleudern etc.), die Teilnahme an Versammlungen untersagt.

In den Erläuterungen des Antrags wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Vermummungsverbot nur für Versammlungen gilt und Verkleidungen oder das Tragen von Masken bei öffentlichen Belustigungen, volksgebräuchlichen Festen und Umzügen (etwa Perchtenläufen) nicht davon erfasst sind.

Die SozialdemokratInnen hingegen sprechen sich gegen ein generelles Vermummungsverbot, aber für eine flexible Regelung eines solchen Verbots aus. In einem Initiativantrag (681/A) verlangen sie eine Änderung des Versammlungsgesetzes, wonach die Behörde dann ein Vermummungsverbot verhängen kann, "wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es werde im Schutz einer solchen Aufmachung zu Handlungen kommen, die Leben oder Gesundheit von Menschen gefährden oder Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß gefährden". Diese Befugnis soll die Exekutive sowohl im Vorfeld als auch während einer Versammlung haben, um etwaige Eskalationen zu verhindern.

Die Grünen wiederum verlangten in einem Entschließungsantrag ein Verbot der Überwachung von TeilnehmerInnen an einer angemeldeten Kundgebung aus Gründen der Prävention. Sie argumentieren, dass MitarbeiterInnen, deren Betriebe aus geschäftlichem Interesse die Teilnahme an Demonstrationen untersagen, ebenso Grund haben, polizeiliche Überwachungen zu fürchten, wie KritikerInnen der Regierung, die eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst haben oder

anstreben. (683/A[E])

In einer weiteren Initiative forderten die Grünen die Regierung auf, jene rechtlichen Grundlagen zu erarbeiten, die notwendig sind, damit BeamtInnen der Wachkörper auf ihren Uniformen gut sichtbare Namensschilder oder zumindest Dienstnummern tragen, damit ihre Identität für die Betroffenen sicher feststellbar ist. (684/A[E])

Die Fraktionen einigten sich auf ein Expertenhearing über diese vier Anträge, das am 3. Juli um 12 Uhr abgehalten werden soll. Ein Antrag der SPÖ und der Grünen auf Medienöffentlichkeit des Hearings fand bei der Abstimmung keine Mehrheit.

SPÖ UND GRÜNE FÜR EINE ÄNDERUNG DES WAFFENGESETZES

Vertagt wurden auf Antrag der ÖVP zwei Anträge von SPÖ und Grünen betreffend eine Änderung des Waffengesetzes, wohingegen ein Antrag der Grünen, zu dieser Thematik einen Unterausschuss einzusetzen, in der Minderheit blieb. Ein Initiativantrag zur Novellierung des Waffengesetzes stammt von der SPÖ. Demnach soll der Erwerb, die Einfuhr, der Besitz und das Führen von Feuerwaffen verboten werden. Ausnahmen soll es nur für Personen geben, die zum Schutz- und Wachpersonal konzessionierter Wach- und Schließgesellschaften gehören, für SportschützInnen, für Personen mit einer gültigen Jagdkarte und für Angehörige einer traditionellen Schützenvereinigung. Die Gültigkeitsdauer von Waffenpässen und Waffenbesitzkarten für EWR-Bürger soll 2 Jahre betragen, jene für die anderen ausgestellten Berechtigungen sei angemessen zu befristen. Die Munition für Feuerwaffen darf nur InhaberInnen eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte überlassen und nur von diesen erworben und besessen werden, geht es nach den vorgeschlagenen neuen Bestimmungen. Weiters soll das Führen von Schusswaffen nur Menschen mit Wohnsitz im Bundesgebiet und nur aufgrund eines hiefür von der Behörde ausgestellten Waffenpasses gestattet sein. (694/A)

Für ein generelles Verbot - mit Ausnahamen - des Erwerbs, der Einfuhr, des Besitzes und des Führens von Schusswaffen treten die Grünen ein und verlangen in einem Entschließungsantrag eine entsprechende Änderung des Waffengesetzes. Das Sammeln von Waffen soll nur zulässig sein, wenn diese zuvor durch geeignete und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahmen schussuntauglich gemacht wurden. Darüber hinaus soll die Bundesregierung die Möglichkeit einer Rückführung von derzeit im Umlauf befindlichen Waffen prüfen.

Als Begründung dieser Initiative führen die Grünen an, dass eine gewissenhafte Überprüfung der großen Anzahl von WaffenbesitzerInnen – Schätzungen gehen von 300.000 bis 350.000 legalen Schusswaffen aus – vollkommen unrealistisch sei. Die Tatsache, dass in Privaträumen Schusswaffen verfügbar seien, schaffe erst die Gelegenheit, diese auch einzusetzen. (688/A[E]) (Schluss)