Parlamentskorrespondenz Nr. 94 vom 13.02.2004

MINISTER HAUPT KÜNDIGT VALORISIERUNG DES PFLEGEGELDS 2005 AN

Ausführliche Debatte über Bericht zur sozialen Lage

Wien (PK) - Bei der heutigen Sitzung des Sozialausschusses stand zunächst der Bericht über die soziale Lage 2001-2002 als erster Punkt auf der Tagesordnung. Dieses Übersichtswerk aus dem Sozialbereich wurde von allen Abgeordneten zum Anlass genommen, um grundsätzliche Fragen zu diskutieren, etwa die Lohnentwicklung, die Sozialquote, die Einkommensverteilung, die Situation der behinderten Menschen in Österreich, die beruflichen Rahmenbedingungen für Frauen, das Pensionssystem u.v.m.

Von der Opposition wurde vor allem kritisiert, dass der bisher übliche Datenanhang nur mehr im Internet abrufbar wäre, dass die Datenlage nicht aktuell sei und dass der Bericht generell eine schlechtere Qualität als früher aufweise, da wichtige Bereiche fehlen. Sozialminister Herbert Haupt wies darauf hin, dass der Bericht bereits im Jänner des Vorjahres von seinem Ressort ans Parlament weitergeleitet wurde. Auch denke er, dass durch die Abrufbarkeit der Daten im Internet ein leichterer und österreichweiter Zugang gewährleistet sei. Im Zuge der Beantwortung der zahlreichen Fragen kündigte er u.a. an, dass das Pflegegeld per Anfang nächsten Jahres valorisiert werden soll.

Dem Sozialbericht zufolge betrugen die nach der EU-konformen Methode berechneten Sozialausgaben im Jahr 2000 insgesamt 59,6 Mrd. €, das entspricht 29,1 % des Brutto-Inlandsproduktes. Die Sozialquote (Anteil der Sozialausgaben am Brutto-Inlandsprodukt) ist damit nach einem leichten Rückgang 1997 und 1998 (-0,2 % bzw. -0,3 %) in den Jahren 1999 und 2000 wieder auf 29,1 % gestiegen.

Abgeordnete Ridi Steibl (V) lobte den exzellenten Bericht, der ein sozialpolitisches Handbuch darstelle, mit dem man gut arbeiten könne. Insgesamt zog sie eine positive Bilanz und wies u.a. auf die deutliche Erhöhung der Versehrtenrente für Schwerstversehrte, den Anstieg der Familienleistungen um 72 % sowie auf den Zuwachs bei den Pflegegeldbezügen bei Menschen über 60 Jahre hin. Besorgt äußerte sie sich hinsichtlich der Einkommen von unselbständig erwerbstätigen Frauen; hier müsse noch etwas getan werden. Bei den Alleinerzieherinnen habe die Regierung jedoch schon wichtige Akzente gesetzt, meinte Steibl, und führte etwa die Erhöhung der Zuverdienstgrenze sowie den Kinderabsetzbetrag an.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) bedauerte, dass er den Bericht zur sozialen Lage zum ersten Mal nicht zur Kenntnis nehmen könne, da seiner Meinung nach wesentliche Bereiche fehlen. Da das Sozialressort für manches nicht mehr zuständig sei, gebe es z.B. keinen Bericht mehr über die Arbeit in Österreich. Außerdem hätte er sich eine ausführlichere Erörterung der Verteilungsfrage erwartet. Öllinger bemängelte grundsätzlich die oftmals sehr schlechte Datenlage im Sozialbereich. Sodann befasste er sich mit den inhaltlichen Fragen und wies u.a. darauf hin, dass das Wifo trotz gleicher Datengrundlage auf andere Ergebnisse (z.B. bei der Sozialquote) komme. Was die Ausgaben im Bereich Invalidität anbelangt, so könne er nicht erkennen, dass sie überdurchschnittlich hoch sind, wie dies von der Regierung behauptet wurde. Außerdem regte er eine grundsätzliche Debatte darüber an, warum die Einkommensunterschiede immer größer werden und darüber wie eine gerechte Verteilung der Sozialversicherungsbeiträge erreicht werden könne.

Auch Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) schloss sich der Kritik Öllingers in Bezug auf den Bericht an. Wichtige Bereiche fehlen und außerdem basieren die Ergebnisse teilweise auf Daten des Jahres 1999. Was den Inhalt angeht, so könne man herauslesen, dass die Armut sprunghaft angestiegen sei und es immer mehr Menschen gebe, die von ihrer Erwerbstätigkeit nicht leben können ("working poor"). Sie ersuchte den  Minister, aktuellere Daten vorzulegen, damit man über die Konsequenzen der derzeitigen Politik fundiert diskutieren könne.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (F) machte darauf aufmerksam, dass durch die Umstrukturierungen bei den Ressorts manche Bereiche in andere Ministerien gewandert sind und die jeweiligen Berichte daher von diesen Ressorts vorgelegt werden. Er ging dann auf die Sozialausgaben ein und meinte, dass Österreich im europäischen Mittelfeld liege. Dolinschek erinnerte an die zahlreichen sozialpolitischen Erfolge der Bundesregierung, etwa die Maßnahmen für behinderte Menschen, das Kinderbetreuungsgeld, die Wiedereinführung der Heimfahrtsbeihilfe, die Familienhospizkarenz etc.

Abgeordnete Renate Csörgits (S) bemängelte die Politik der Bundesregierung in Bezug auf behinderte Menschen und wies darauf hin, dass noch immer viele Betriebe und auch Ministerien nicht ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Verschlechtert habe sich auch die Situation für die Frauen, da sie trotz einer erhöhten Erwerbstätigkeit und einer besseren Schulausbildung vor allem in den untersten Einkommensschichten vertreten sind.

Es sei nicht entscheidend, welchen Umfang ein Bericht habe, sondern welche Qualität er aufweise, argumentierte Abgeordneter Walter Tancsits (V). Auch er kam sodann darauf zu sprechen, welche Maßnahmen für Alleinerzieher und Alleinverdiener gesetzt wurden. Überdies befasste er sich mit der aktiven Arbeitsmarktpolitik, für die die höchsten Mittel, die jemals zugeführt wurden, eingesetzt werden. Der Abgeordneten Csörgits teilte er mit, dass laut Information des AMS eine große Nachfrage nach Teilzeitjobs bestehe.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) merkte kritisch an, dass der Zugang zur vorzeitigen Alterspension in der letzten Zeit immer mehr erschwert wurde, was insbesondere die Schwerst- und Schichtarbeiter treffe. Er erkundigte sich auch beim Minister, ob an eine Neuregelung bei der Invaliditätspension gedacht sei, da er aus persönlicher Erfahrung wisse, dass es oft zu unmenschlichen Entscheidungen komme.

Abgeordneter Walter Schopf (S) machte auf Probleme aufmerksam, die im Zusammenhang mit befristeten Auszahlungen von Invaliditätspensionen entstehen, und warf der Regierung vor, dafür verantwortlich zu sein, dass in Österreich bald 600.000 Personen von akuter Armut betroffen seien.

Abgeordneter Maximilian Walch (F) äußerte sich im Zusammenhang mit der Pensionsreform zustimmend zur vorgesehenen Schwerarbeiterregelung und gab zu bedenken, dass von der geltenden so genannten "Hacklerregelung" viele profitiert hätten, nur "wirkliche Hackler" nicht. Für Personen, die am Bau arbeiteten, sei es nahezu unmöglich, auf 45 Versicherungsjahre zu kommen, skizzierte Walch.

Abgeordneter Franz Riepl (S) übte in mehreren Punkten Kritik am Inhalt des Sozialberichts und wies u.a. darauf hin, dass dieser ganze 19 Worte zum Thema Ambulanzgebühren enthalte, obwohl dies, wie er meinte, "d e r  sozialpolitische Murks der Regierung" gewesen sei. Außerdem vermisste er Hinweise auf Einnahmensausfälle für die Kranken- und Sozialversicherungsträger, die durch gesetzliche Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung verursacht worden seien. Auch die Darstellung der sozialen Lage der Bezieher von Unfallrenten erachtet Riepl als unzureichend.

Bundesminister Herbert Haupt: Die Arbeitslosigkeit sei sicherlich ein sehr ernstes Problem, räumte Haupt ein, man müsse aber bedenken, dass Österreich in diesem Bereich noch immer an dritter Stelle liege. Außerdem habe sich 2003 gerade bei der Frauenbeschäftigung eine positive Entwicklung ergeben. Es sei ihm allerdings ein wichtiges Anliegen, noch mehr Frauen zu bestärken, nicht-traditionelle Berufe zu ergreifen. Da Frauen bei Vorstellungsgesprächen oft zu bescheiden auftreten, würden von seinem Ressort Empowermentkurse unterstützt, die schon gute Erfolge zeitigen. Besonderes Augenmerk lege diese Bundesregierung auch auf die Situation von Alleinerzieherinnen, betonte der Ressortchef, und bei der Steuerreform habe man daher deutliche Akzente gesetzt, z.B. die Erhöhung der Zuverdienstgrenze von 10 auf 15 %. Nachholbedarf gebe es sicher noch bei den Gehältern, weshalb er sich dafür einsetzen werde, dass bei den Kollektivvertragsverhandlungen höhere Abschlüsse für Frauen erzielt werden. Er habe auch erreicht, dass das "Tohuwabohu" rund um die Rückzahlungen der Karenzgeldzuschüsse beendet ist und die Rückzahlungen und Zinsen sistiert werden, berichtete Haupt.

Weiters informierte der Sozialminister die Abgeordneten über die Verwendung der Mittel aus der Behindertenmilliarde. Im Jahr 2003 habe es ca. 15.500 Fälle gegeben, wobei der Frauenanteil gegenüber dem Vorjahr gestiegen sei (von 38 % auf 44 %). Insgesamt wurden 67 Mill. € an Mitteln eingesetzt, führte Haupt weiter aus. Was das Pflegegeldgesetz betrifft, so sei eine Novelle in Begutachtung, erläuterte Haupt; eine Valorisierung ist per Anfang des Jahres 2005 vorgesehen.

In Richtung des Abgeordneten Keck merkte Haupt an, dass die

Zugänge zur Invaliditätspension um 38 % höher sind als 1999. Auch er empfinde die derzeitige Judikatur bei den Arbeits- und Sozialgerichten als unbefriedigend und oft nicht menschenwürdig, weshalb er schon entsprechende Verhandlungen aufgenommen habe. Er könne sich auch die Einführung von Teilpensionen für chronisch kranke Menschen vorstellen, damit sie während der Behandlungsdauer und der Rehabilitation keine Angst um ihren Arbeitsplatz haben müssen. Schließlich teilte er den Mandataren noch aktuelle Daten hinsichtlich der Hacklerregelung und Schwerarbeiterregelung mit, wobei bei letzterer mit einem Neuzugang von 7 % gerechnet wird.

(Fortsetzung)