Parlamentskorrespondenz Nr. 187 vom 16.03.2004

EU-ERWEITERUNGSANPASSUNGSGESETZ IM SOZIALAUSSCHUSS BESCHLOSSEN

Bartenstein: Sanfter Übergang am österreichischen Arbeitsmarkt

Wien (PK) - In der heutigen Sitzung des Sozialausschusses warf zunächst die bevorstehende EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 ihre Schatten voraus. Gleich zu Beginn befassten sich die Abgeordneten nämlich mit dem so genannten EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz, das eine siebenjährige Übergangsfrist auf dem Arbeitsmarkt für die Bürger aus den neuen Mitgliedsstaaten vorsieht. Während die Vertreter der Regierungsfraktionen den Entwurf verteidigten, weil damit ein langsamer und geordneter Übergang am Arbeitsmarkt gewährleistet werde, übte die Opposition Kritik am Gesetz. Die Sozialdemokraten räumten zwar ein, dass es einen Handlungsbedarf gebe, bemängelten aber einige Punkte des Entwurfs. Die Grünen kritisierten insbesondere die Ungleichbehandlung zwischen den einzelnen Staaten, zumal Malta und Zypern von der Regelung ausgenommen werden und auch die Schweizer Staatsbürger den Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. - Bei der Abstimmung wurde die Vorlage mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ angenommen.

In der Folge stand noch eine Reihe von Anträgen der Opposition auf der Tagesordnung, die jedoch alle vertagt wurden. Inhaltlich befassten sich die Vorschläge der Opposition mit folgenden Themen: Abschaffung der Konkurrenzklausel in Arbeitsverträgen sowie Einschränkung der Rückforderungsansprüche für Ausbildungskosten durch Arbeitgeber (SPÖ), die gesetzliche Verankerung eines Mindestlohnes in der Höhe von 1.100 € (Grüne) sowie die Einführung des passiven Wahlrechts von AusländerInnen bei Arbeiterkammerwahlen (Grüne). - Der Ausschuss wurde schließlich kurz vor 15 Uhr unterbrochen, damit die Abgeordneten wieder an der Sondersitzung des Nationalrates teilnehmen konnten.

EU-ERWEITERUNG: 7-JÄHRIGE ÜBERGANGSFRIST FÜR ARBEITNEHMER AUS DEN NEUEN MITGLIEDSSTAATEN

Österreich will den Arbeitsmarkt und den heimischen Dienstleistungssektor nicht sofort für BürgerInnen und UnternehmerInnen der neuen EU-Mitgliedstaaten öffnen und beabsichtigt, die gemäß EU-Erweiterungsvertrag möglichen Übergangsfristen in Anspruch zu nehmen. Zur Sicherung des Gleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt erlaubt der Vertrag, insgesamt eine siebenjährige Übergangsfrist einzuführen, wobei die Lage zunächst nach zwei Jahren und dann nach weiteren drei Jahren neu zu beurteilen ist.

Ein entsprechender Gesetzentwurf sieht nun vor, dass die neuen EU-Bürger während der Übergangsfrist weiter in den Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes fallen. Für die Republik Malta und die Republik Zypern gelten ab dem Beitritt jedoch die volle EU-Freizügigkeit und EU-Dienstleistungsfreiheit. Österreich ist aber verpflichtet, jenen neuen EU-BürgerInnen freien Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren, die am Tage des Beitritts oder nach dem Beitritt rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen mindestens zwölf Monate in Österreich zum Arbeitsmarkt zugelassen waren, oder die Voraussetzungen für einen Befreiungsschein erfüllen oder seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen sind und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügen.

Dieses Recht kommt auch deren Ehegatten und Kindern zu, wenn sie am Tag des Beitritts oder, sofern sie erst später nachziehen, mindestens 18 Monate einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet haben. Zudem muss Österreich Arbeitskräfte aus den neuen EU-Mitgliedstaaten gegenüber Arbeitskräften aus Drittstaaten beim Zugang zum Arbeitsmarkt bevorzugen. - Im Ausländerbeschäftigungsgesetz wird überdies berücksichtigt, dass Schweizer BürgerInnen und UnternehmerInnen ab 1. Juni 2004 EU-weit freien Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Dienstleistungssektor erhalten. (Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert werden - EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz) (414 d.B.)

Abgeordneter Karl Öllinger (G) erachtete das Gesetz als nicht geeignet, um Antworten auf die Probleme des Arbeitsmarktes zu geben. Man sollte sich z.B. überlegen, wie die große Gruppe an illegal beschäftigten Personen in die Legalität übergeführt werden könne. Weitere Kritikpunkte waren, dass ein völlig neuer Status von Arbeitnehmern geschaffen werde und dass es zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Ausländern kommen, zumal Zypern, Malta und die Schweiz von der Regelung ausgenommen werden.

Weiters vermisste der G-Redner die Möglichkeit einer Verbandsklage im Arbeitsrecht.

Abgeordneter Franz Riepl (S) bezeichnete es zunächst als positiv, dass die Regierung den Handlungsbedarf erkannt habe. Der Entwurf sei jedoch oberflächlich und schlecht durchdacht, weshalb seine Fraktion den Entwurf ablehne. Wenn er den Gesetzestext richtig verstanden habe, dann werden die Kontingente bald keine Bedeutung mehr haben, da z.B. Grenzgänger nach einer 12-monatigen Beschäftigung aus dieser Quote herausfallen und neue Arbeitnehmer wieder hinzukommen.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) erinnerte daran, dass Österreich das erste Land in der EU war, das dieses Thema überhaupt aufs Tapet gebracht habe. Es gehe bei dem Gesetz um einen geordneten und langsamen Übergang auf dem Arbeitsmarkt, da in diesem sensiblen Bereich eine schlagartige Änderung sehr negative Folgen hätte. Wer 12 Monate in Österreich arbeitet, komme aus dem Kontingent heraus und falle unter die völlige Freizügigkeit, stellte Tancsits gegenüber seinem Vorredner klar.

Die Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Maximilian Walch (beide F) sprachen von einer notwendigen Übergangsregelung. Er sei sehr erfreut über die siebenjährige Frist, meinte Walch, weil damit sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber geschützt seien.

Auf die Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes kam Walter Schopf (S) zu sprechen. Er kritisierte, dass etwa Saisonniers in die Versicherung einzahlen müssen, aber von den Leistungen ausgeschlossen sind.

Er stehe hinter dem restriktiven Ansatz der Regierungsvorlage, betonte Bundesminister Martin Bartenstein, weil damit ein sanfter Übergang am Arbeitsmarkt ermöglicht werde. Allerdings gebe es auch eine Reihe von Verbesserungen, da etwa all jene Personen, die 12 Monate legal in Österreich beschäftigt sind, freien Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Malta und Zypern seien deshalb davon ausgenommen, weil in beiden Fällen mit keinem signifikanten Immigrationsdruck auf den österreichischen Arbeitsmarkt gerechnet werde.

Was die Frage der Kontingente angeht, so sei er sicher, dass diese nicht obsolet werden, da es auf die reale Umsetzung der Regelungen bezüglich der Saisonniers, der Praktikanten und Grenzgänger ankomme. Hinsichtlich der Änderungen im Arbeitslosenversicherungsrecht teilte der Ressortchef mit, dass es keine negative Stellung vom Verfassungsdienst gegeben hat. Wenn Saisonniers keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen würden, dann wäre er sicher sofort mit Vorwürfen des Lohndumpings, des Schaffens von unzulässigen Anreizen etc. konfrontiert.

Der S-Abgeordneten Silhavy teilte Bartenstein mit, dass die Bündelung der Kräfte im Bereich der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung bereits Erfolge zeitigte. So seien die Kontrollen und Anzeigen um die Hälfte gestiegen; außerdem wurden um ein Viertel mehr Übertretungen festgestellt als im Vorjahr.

Er bedankte sich noch für die Ausführungen des Abgeordneten Öllinger, weil er heute klar zum Ausdruck gebracht habe, dass die Grünen für eine sofortige Öffnung des Arbeitsmarktes eintreten.

EU-ARBEITSZEIT-RICHTLINIE GILT AUCH FÜR ARBEITNEHMER/INNEN IN VERKEHRSUNTERNEHMEN

Zusätzlich auf die Tagesordnung kam ein Entwurf betreffend die Änderung des Arbeitszeit- und des Arbeitsruhegesetzes, wodurch eine EU-Richtlinie in Österreich umgesetzt wird. Tägliche Mindestruhezeiten mit Verkürzungs- und/oder Teilungsmöglichkeiten für Eisenbahn-, Straßenbahn- und Seilbahnunternehmen sowie für Unternehmen der Binnen- und Hochseeschifffahrt, Regelungen über die tägliche Ruhezeit für das Flughafenpersonal (mit Ausnahme des fliegenden Personals) sowie Modifizierungen der Bestimmungen über das Führen von Arbeitszeitaufzeichnungen und das Aushängen von Dienstplänen in der Binnen- und Hochseeschifffahrt sind Kernpunkte der Regierungsvorlage, die einstimmig beschlossen wurde.

Die Abgeordneten Barbara Prammer (S) und Karl Öllinger (G) sprachen von einer längst fälligen Umsetzung einer Richtlinie, der sie zustimmen können. (Forts.)