Parlamentskorrespondenz Nr. 364 vom 18.05.2004

WIE KANN DIE QUALITÄT DES SCHULSYSTEMS VERBESSERT WERDEN?

Aktuelle Aussprache im Unterrichtsausschuss

Wien (PK) - Ein breiten Raum nahm im heutigen Unterrichtsausschuss die Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses ein. Die Abgeordneten stellten zahlreiche Fragen zu den verschiedensten Themenbereichen, wobei die geplanten Bildungsstandards, Probleme kleiner Pflichtschulen sowie die neuen Verhältniszahlen an Pflichtschulen und die Diskussion im Konvent zu Fragen des Bildungssystems im Vordergrund standen. Deutlich wurden wieder die unterschiedlichen Auffassungen von Opposition und Regierungsfraktionen im Hinblick auf ganztägige Betreuungsformen, auf das Für und Wider der ziffernmäßigen Benotung und die Notwendigkeit, Klassen zu wiederholen.

NETZWERKE FÜR KLEINE SCHULSTANDORTE

Die ÖVP (Abgeordneter Nikolaus Prinz) warf der SPÖ vor, nur mehr Schulstandorte mit 300 Schülerinnen und Schülern aufrechterhalten zu wollen, was eine Schließung zahlreicher kleiner Schulstandorte bedeuten würde. Daraufhin machte Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) klar, dass die SPÖ keineswegs kleine Schulstandorte aufgeben wolle, vielmehr gehe es darum, Netzwerke und Verbände für kleinere Schulstandorte zu bilden, um durch derartige Verwaltungseinheiten möglichst viele Standorte zu erhalten. Er wurde darin von der Abgeordneten Heidrun Walther (S) unterstützt, die meinte, dass kleine Schulen Netzwerke schaffen müssten, um Synergieeffekte zu erzielen. Die Notwendigkeit einer intakten Pflichtschulinfrastruktur sprachen auch die Abgeordneten Fritz Neugebauer und Christoph Kainz (beide V) an.

Bundesministerin Elisabeth Gehrer bekräftigte, dass die kleineren Schulen unbedingt als lebendiges Zentrum im Dorf erhalten bleiben müssten. Gleichzeitig machte sie klar, dass man Standorte mit weniger als zehn Kindern nicht werde weiterführen können. Viele Schulen arbeiteten derzeit bereits eng zusammen und hätten zahlreiche interessante Initiativen gestartet.

NOTEN ODER VERBALE BEURTEILUNG?

Eine äußerst kontroversielle Diskussion entzündete sich auch am Vorschlag der SPÖ, die Schulnoten abzuschaffen und von Klassenwiederholungen abzugehen. Dies war von den Abgeordneten Wolfgang Großruck, Alfred Brader und Silvia Fuhrmann (alle V) angesprochen worden. Letztere kritisierte auch die Forderungen der SPÖ zu ganztägigen Schulformen. Dazu meinte Abgeordneter Erwin Niederwieser (S), dass zum Beispiel das finnische Bildungssystem, das von Abgeordneten der Regierungsfraktionen so gerne als Vorbild herangezogen werde, exzellente Ergebnisse ohne das System des Sitzenbleibens erziele. Auch die Zukunftskommission habe angeregt, darüber nachzudenken, da das Sitzenbleiben mehr Nachteile als Vorteile bringe. Seine Klubkollegin Heidrun Walther ergänzte, dass sich die verbale Beurteilung gut bewährt habe und nichts dagegen spreche, diese auch auszudehnen.

Nach Auffassung Gehrers sollten die Noten für die Kinder transparent gemacht werden. Sie berichtete den Abgeordneten, dass an alle ersten Klassen der Hauptschulen und AHS Leistungsmappen ausgeteilt würden, worin den Kindern sämtliche Leistungen und Initiativen bestätigt würden, die diese außerhalb des Lehrplans ergriffen.

BILDUNGSSTANDARDS - CHANCE FÜR QUALITÄTSSTEIGERUNG ODER KONTROLLE ?

Ausführlich wurde über die geplanten Bildungsstandards diskutiert. Abgeordnete Michaela Sburny (G) lehnte diese nicht kategorisch ab, meinte aber, dass die Diskussion in Kontrollmechanismen auszuarten drohe. Viele Lehrerinnen und Lehrer hätten das Gefühl, dass es nicht um Verbesserungen gehe, sondern um Kontrolle und hätten daher Angst davor. Man werde daher konkrete Maßnahmen setzen müssen, um die Evaluierung als etwas Positives zu vermitteln, aus der man etwas lernen könne. Sie befürchte auch, dass man das komplexe Punktesystem der PISA-Studie nicht übernehmen werde. Ihr Klubkollege Dieter Brosz warf die Frage auf, ob es sinnvoll sei, die Bildungsstandards an den Schnittstellen in der vierten und achten Schulstufe anzusetzen.

Begrüßt wurden die Bildungsstandards von Abgeordneter Mares Rossmann (F) sowie von Abgeordnetem und Ausschussvorsitzendem Werner Amon (V). Bundesministerin Gehrer sieht in den Bildungsstandards einen ersten Schritt von der Input-Orientierung zur Output-Orientierung. Die Rückmeldungen seien wichtig, um Verbesserungen zu erzielen, sagte sie. Keinesfalls wolle sie ein Ranking für die Schulen daraus entwickeln, denn die Eltern sollten sich auch in Zukunft ihr eigenes Bild von den Schulen machen. Zur Angst vieler Lehrerinnen und Lehrer vor diesen Bildungsstandards sagte sie, dass das Ministerium vorsichtig vorgehen werde. Das Ganze habe nichts mit Notengebung zu tun, sondern stelle eine Zielüberprüfung dar, um Verbesserungen der gesamten Unterrichtsgestaltung in Zukunft zu erreichen. Überprüft würde bei den Schülerinnen und Schülern nicht nur kognitives Wissen, vielmehr gehe es um größere Kompetenzen. Derzeit würden die Bildungsstandards an 100 Schulen getestet, das Pädagogische Institut in Linz würde diese dann auswerten und Rückmeldungen an die Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler schicken.

Gehrer nahm auch zur Frage "Klasse Zukunft" Stellung, die von den Abgeordneten Erwin Niederwieser und Christine Lapp (beide S) angesprochen wurde. Lapp thematisierte in diesem Zusammenhang auch die Integration Behinderter, indem sie auf den Entwurf eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes hinwies. Beim Projekt "Klasse Zukunft" gehe es, so Gehrer, um die Weiterentwicklung der Qualität an den Schulen. Ende Mai werde die erste Diskussionsrunde beendet sein, dann werde man daran gehen, Handlungsfelder zu definieren und in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Abgeordneter Lapp sagte sie zu, dass man im Rahmen der neuen Pädagogischen Hochschulen überlegen werde, wie man behinderten Menschen eine Teilbefähigung für das Lehramt ausstellen könne.

GEHRER GEGEN EINE ZENTRALISIERUNG DER PFLICHTSCHULEN

Zur Diskussion im Konvent, angeschnitten von Abgeordneter Mares Rossmann (F), sagte Gehrer, dass sie einen schmalen und schlanken Grundsatzparagraphen in der Bundesverfassung anstrebe. Für sie stünde Effizienz und nicht Einsparung im Vordergrund. Das zukünftige Schulsystem sollte lange Amtswege ersparen und kundenorientiert sein. Dezidiert sprach sich Gehrer gegen eine Zentralisierung der Pflichtschulen in Bundeskompetenz aus, da ihrer Meinung nach das regionale Angebot erhalten bleiben sollte. Verzichten könnte man ihr zufolge auf die Bezirksschulräte. Den Ländern sollten Bildungsmanager zur Verfügung gestellt werden. Sie stellt sich eine Landesbildungsdirektion pro Bundesland vor.

Nachdem die Abgeordneten Christian Faul und Erwin Niederwieser (beide S) die Probleme an den Hauptschulen durch die neuen Verhältniszahlen thematisiert hatten und Abgeordnete Beate Schasching (S) berichtete, dass sich viele Lehrerinnen und Lehrer demotiviert fühlten und sich in der inneren Emigration befänden, sagte Gehrer, dass durch die Reduktion um zwei Stunden an den Hauptschulen keineswegs Dienstposten gekürzt worden seien. Vielmehr stünden diesen Schulen nun mehr Freiräume für zusätzliche Aktivitäten und Schwerpunktsetzungen zur Verfügung. Eindringlich wies sie darauf hin, dass die neuen Verhältniszahlen nicht sie ausgemacht habe, sondern die Landeshauptleute. Sie wollte die Verhältniszahlen bei 9,8 einfrieren und habe auch davor gewarnt, zu starr vorzugehen. Sie habe sich aber nicht durchgesetzt, da die Landeshauptleute bei ihrem Beschluss bleiben wollten.

Die Abgeordneten Michaela Sburny und Dieter Brosz (beide G) schnitten die Probleme bei der Angabe der Sozialversicherungsnummer aufgrund des Bildungsdokumentationsgesetzes an. Gehrer erwiderte, dass seitens des Datenschutzrates keine Bedenken dagegen bestünden und eigene Kennzahlen einen enormen administrativen Aufwand darstellten. (Fortsetzung)