Parlamentskorrespondenz Nr. 319 vom 28.04.2005

FINANZAUSSCHUSS: TRINKGELDER WERDEN GÄNZLICH STEUERFREI GESTELLT

Neue Haftungsregeln für Bankprüfer werden beschlossen

Wien (PK) - Bei der heutigen Sitzung des Finanzausschusses standen im Anschluss an die Debatte über EU-Vorhaben im Finanzbereich noch zahlreiche weitere Regierungsvorlagen und Anträge auf der Tagesordnung, u.a. eine gemeinsame Initiative aller vier Fraktionen bezüglich der gänzlichen Steuerbefreiung von Trinkgeldern. Außerdem beschlossen die Mandatare neue Haftungsregeln für Bankprüfer, zahlreiche Änderungen in diversen Steuergesetzen sowie die Einführung einer Mindesthandelsspanne für Zigaretten, um den Tabaktrafikanten ein gesichertes Einkommen zu gewährleisten. Anträge der Grünen Fraktion beinhalteten u.a. Forderungen nach einer ORF-Gebührenbefreiung für hörbehinderte und gehörlose Menschen, Steuerentlastungsmaßnahmen für behinderte Menschen sowie nach einer nachhaltigen Energie- und Rohstoffpolitik der Weltbank. Weiters wurde ein Investitionsschutzabkommen mit Kambodscha sowie die Leistung eines Beitrages zum Asiatischen Entwicklungsfonds angenommen.

TRINKGELDER WERDEN GÄNZLICH STEUERFREI GESTELLT

Auf Basis eines Vierparteien-Antrages empfahlen die Mitglieder des Finanzausschusses einstimmig eine Änderung des Einkommensteuergesetzes zur ausdrücklichen Steuerbefreiung von Trinkgeldern. Im Laufe der Debatte wurde ein V-S-F-G-Abänderungsantrag zum Einkommenssteuergesetz eingebracht, in dem darauf hingewiesen wird, dass aus Gründen der Verfahrensökonomie alle von dritter Seite freiwillig an Arbeitnehmer gewährten ortsüblichen Trinkgelder zur Gänze lohn- bzw. einkommensteuerfrei sind. Damit sollen in Hinkunft auch Kreditkartentrinkgelder von der Lohnsteuer befreit sein. Näher spezifiziert wird auch der Begriff "ortsübliches Trinkgeld": Es sei einerseits eine Unterscheidung auf Grund der geographischen Lage (Stadt, Land) und andererseits auch eine Branchendifferenzierung vorzunehmen (beispielsweise handwerkliche Berufe und Gastronomie). Innerhalb ein und derselben Branche sei ebenfalls eine abgestufte Betrachtung anzustellen (z.B. "Haubenlokal" versus "Beisl").

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sprach von einer vernünftigen Lösung, während sich Abgeordneter Werner Kogler (G) dahingehend erkundigte, ob alle noch offenen Fragen geklärt wurden. Staatssekretär Alfred Finz teilte dem Abgeordneten Kogler mit, dass zwei Gutachten eingeholt wurden und alle Fragen geklärt werden konnten. - Bei der Abstimmung wurde der Antrag in der Fassung eines Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

MINDESTHANDELSSPANNE FÜR ZIGARETTEN SOLL EXISTENZ DER TRAFIKANTEN SICHERN

Zur Existenzsicherung von Trafikanten, aber auch aus Gesundheits- und Jugendschutzgründen beantragten die Abgeordneten Stummvoll (V) und Neudeck (F) die Verankerung einer Mindesthandelsspanne für Zigaretten im Tabakmonopolgesetz - "nicht niedriger als jene Spanne, die sich bei einem Preis von 0,1650 € je Stück ergibt". Diese Regelung soll per 1. September 2005 in Kraft treten. - Seine Fraktion werde den Antrag unterstützen, kündigte Abgeordneter Werner Kogler (G) an. Es sei aber interessant, dass in manchen Bereichen sehr wohl "rabiat in das Marktgeschehen" eingegriffen werde, in anderen Fällen staatliche Regulative aber strikt abgelehnt werden. - Der Antrag wurde in der Fassung eines Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

PFANDBRIEFE SOLLEN SICHERER UND ATTRAKTIVER WERDEN


Sodann befassten sich die Mandatare mit Änderungen im Hypothekenbank- und im Pfandbriefgesetz, die die Attraktivität österreichischer Pfandbriefe durch verminderte Schuldnerrisiken und Bedienung von Pfandbriefen im Konkursfall einer Hypothekenbank erhöhen sollen. In einem Abänderungsantrag zum Bankwesengesetz wird darauf hingewiesen, dass die Klarstellung, wonach die umschriebenen Tätigkeiten von Verbriefungspezialgesellschaften keine Bankgeschäfte darstellen, eine von mehreren Anpassungen der Rechtsordnung ist, die die Forderungsverbriefung als Finanzierungsform erleichtern sollen.

Er könnte zwar grundsätzlich zustimmen, meinte Abgeordneter Christoph Matznetter (S), aber einige Punkte seien kritikwürdig. Als Beispiel führte er an, dass bei Übertretungen nur mehr eine Verwaltungsstrafe anfalle und kein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird. Verwaltungsstrafen haben den Vorteil, dass sie rascher und flexibler seien, gab Staatssekretär Alfred Finz dem Abgeordneten Matznetter gegenüber zu bedenken, zumal die Gerichte jetzt schon überlastet sind. - Bei der getrennten Abstimmung wurde die Vorlage in der Fassung eines Abänderungsantrags teils mehrheitlich, teils einstimmig angenommen.

NEUE HAFTUNGSREGELUNGEN FÜR BANKPRÜFER

Änderungen in den Gesetzen für Bankwesen, Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht stellen klar, dass die Haftung des Bundes zwar für Schäden gilt, die ein Bankprüfer als Organ der Finanzmarktaufsicht verursacht, nicht aber für Schäden, die er als von einer Bank bestellter Abschlussprüfer verursacht. Da in der ursprünglichen Version Verfassungsbestimmungen enthalten waren und kein Konsens mit der Opposition erreicht wurde, haben die Regierungsfraktionen im Laufe der Sitzung einen Abänderungsantrag eingebracht, wodurch der Ausschluss der Organstellung der Abschlussprüfer einfachgesetzlich geregelt werden kann. Ein weiterer mit dieser Thematik im Zusammenhang stehender V-F-Antrag dient dazu, die entsprechenden Änderungen in jenen Aufsichtsgesetzen vorzunehmen, die nicht Gegenstand der Regierungsvorlage sind (Investmentfondsgesetz, Immobilien-Investmentfondsgesetz, Börsegesetz, Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und Pensionskassengesetz).

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) war der Auffassung, dass kein akuter Handlungsbedarf bestehe, da kein Insolvenzfall drohe. Es seien nur Adaptionen hinsichtlich des Inkrafttretens von Basel II notwendig. Kritisch beurteilte er, dass im Zuge der Risikoklassifizierung die kompletten Kundendaten an externe Stellen übertragen werden können.

Auch von Seiten des Verfassungsdienstes des BKA wurde bestätigt, dass im vorliegenden Fall eine einfachgesetzliche Regelung ausreiche, erläuterte Staatssekretär Alfred Finz. Was die Vorgangsweise bei der Risikoklassifizierung angehe, so verwies Finz darauf, dass natürlich der Datenschutz gewährleistet werden müsse. Die Bedenken Matznetters bezüglich der internen Revision teile er nicht, denn unabhängig davon, wie die Revision organisiert sei, ändere dies nichts an der Haftung des Vorstandes. - Die Regierungsvorlage wurde in der Fassung des Abänderungsantrages - ebenso wie der damit im Zusammenhang stehende Antrag - mit V-F-Mehrheit angenommen.

Einstimmig angenommen wurde sodann eine EU-Anpassung des Scheidemünzengesetzes, das dem Schutz des Euro vor Verwechslung mit ähnlichen Medaillen und Münzstücken dient.

STEUERGESETZE WERDEN EU-VORSCHRIFTEN ANGEPASST

Änderungen in mehreren Steuergesetzen dienen EU-Anpassungen und der Lösung steuerrechtlicher Detailprobleme, etwa Mehrfachabschreibungen beim Reimport von Gütern, Doppelbegünstigung von Beiträgen an betriebliche Kollektivversicherungen. Klargestellt wird, dass der Zeitplan für die EU-Quellensteuersätze ab dem neuen Einführungsdatum 1.7.2005 läuft und das KeSt-Meldesystem auch für die Quellensteuer der EU gilt. Eingeführt wird ein elektronisches Zollanmeldungssystem und im Finanzausgleich sowie im Kunstförderungsbeitragsgesetz erfolgen redaktionelle Korrekturen.

Der gleichen Besteuerung von Zinsen auf dem EU-Binnenmarkt dient laut EU-Richtlinie aus 2003 ein automatischer Informationsaustausch zwischen Mitgliedsländern über Sparzinsen, die an Bürger anderer Mitgliedstaaten gezahlt werden. In Österreich, Belgien und Luxemburg gilt zunächst ein bloßer Quellensteuerabzug mit Überweisung von 75 % der in Österreich einbehaltenen Quellensteuer an das Heimatland des Sparers. Die Anwendung der Richtlinie setzt aber voraus, dass auch für die Schweiz, Liechtenstein, Andorra, San Marino und Monaco sowie die Kanalinseln, die Isle of Man und assoziierte sowie abhängige Gebiete in Übersee gleiche Regeln gelten. Diesem Zweck dienen Abkommen mit den Niederlanden über die Besteuerung von Zinserträgen für Aruba, für die Niederländischen Antillen sowie mit Guernsey, Jersey und der Isle of Man. - Diese wurde alle einstimmig verabschiedet.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) thematisierte grundsätzliche steuerrechtliche Fragen und war der Auffassung, dass die Endbesteuerung in Österreich nicht gerecht sei. Auch kleine Sparer müssten 25 % KeSt zahlen, obwohl sie möglicherweise gar keine Steuern zahlen müssten. Außerdem bestehe durch die neue Regelung das Risiko, dass die KeSt auf 35 % ansteigt.

Staatssekretär Alfred Finz sprach von einer temporären Lösung, da eine weiter reichende Variante eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses bedeutet hätte. Er informierte auch darüber, dass noch nicht alle Drittländer das Abkommen ratifiziert haben. - Bei der getrennten Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung eines Abänderungsantrages teils einstimmig, teils mehrheitlich angenommen.

INVESTITIONSSCHUTZABKOMMEN MIT KAMBODSCHA BESCHLOSSEN

Einstimmig angenommen wurde sodann ein Abkommen mit Kambodscha zur wechselseitigen Förderung und zum Schutz von Investitionen. Die Abgeordneten Christoph Matznetter (S) und Michaela Sburny (G) erinnerten allerdings daran, dass es das Versprechen von Seiten des Finanzministeriums gebe, ein Musterschutzabkommen vorzulegen. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) verwies darauf, dass nun schon seit längerer Zeit über dieses Thema diskutiert werde und auch eine Enquete zu diesem Thema im Parlament abgehalten wurde. Entsprechende Vorschläge liegen daher bereits vor, sie müssten nur mehr aufgegriffen werden. Sein Ressort halte das abgegebene Versprechen, erklärte Staatssekretär Alfred Finz, ein neues Musterschutzabkommen soll noch vor dem Sommer ausgearbeitet werden. Dabei sollen auch die Vorschläge der Opposition berücksichtigt werden, sagte er zu.

GRÜNE WOLLEN "STEUERZUCKERLN" FÜR BETRIEBLICHE FORSCHUNG EVALUIEREN


Ob die Erhöhung des Forschungsfreibetrages von 15 % auf 25 %, wie im "Wachstums- und Standortgesetz 2003" beschlossen, tatsächlich zu mehr Forschung führe und in welchem Ausmaß Klein- und Mittelbetriebe die Begünstigungen nützen können, lauten die Fragen, die Michaela Sburny und Werner Kogler (beide G) durch eine Evaluation bis 2006 beantwortet sehen wollen (305/A[E]). Dieser Antrag wurde auch vom Abgeordneten Johann Moser (S) unterstützt. Eine rasche Evaluierung wäre seiner Meinung nach notwendig, um festzustellen, ob die Mittel richtig eingesetzt werden und ob damit die erwünschten Anreize geschaffen wurden.

Staatsekretär Alfred Finz machte darauf aufmerksam, dass im Falle einer indirekten Förderung erst dann seriöse Aussagen getroffen werden könne, wenn die Veranlagungen vorliegen. Diese Meinung vertrat auch Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V), der deshalb einen Vertagungsantrag einbrachte. Er signalisierte aber die Bereitschaft von Seiten der Regierungsfraktionen, Gespräche bezüglich eines gemeinsamen Antrages in dieser Frage zu führen. - Der Antrag wurde mit V-F-Mehrheit angenommen.

GRÜNE: HÖRBEHINDERTE MENSCHEN SOLLEN VON ORF-GEBÜHR BEFREIT WERDEN

Die Befreiung hörbehinderter und gehörloser Menschen von ORF-Gebühren forderte Abgeordnete Theresia Haidlmayr in einem Antrag. Solange es in Österreich kein ähnliches Angebot für behinderte Menschen gebe wie z.B. in skandinavischen Ländern, sei es nicht einzusehen, warum diese Personengruppe für etwas zahlen müsse, das sie gar nicht nützen kann. Die Abgeordneten Josef Bucher (F) und Walter Tancsits (V) sprachen von einer "schlüssigen" Forderung. Da jedoch eine Novelle hinsichtlich der Fernmeldegebühren vorbereitet wird und einige Fragen noch eingehender diskutiert werden müssen, sprachen sie sich für die Vertagung des Antrags aus. - Dieser Vertagungsantrag wurde mit V-F-Mehrheit angenommen.

HAIDLMAYR FÜR STEUERLICHE ENTLASTUNGEN VON BEHINDERTEN MENSCHEN

Seit 17 Jahren gebe es keine steuerliche Entlastungen für behinderte Menschen, zeigte Abgeordnete Haidlmayr auf. In einem Antrag forderte sie daher eine Entlastung behinderter Menschen durch höhere Steuerfreibeträge und durch Auszahlung der Negativsteuer. Staatssekretär Alfred Finz erinnerte daran, dass eine Reihe von Maßnahmen für die Behinderten gesetzt werden, z.B. die Erhöhung der Familienbeihilfe und die Ausgaben im Rahmen der Behindertenmilliarde (im Jahr 2003: 72 Mill. €). Was die Auswirkungen der Steuerreform angeht, so sei es derzeit noch zu früh, eine Evaluierung vorzunehmen, argumentierte er. - Der Antrag wurde mit V-F-Mehrheit vertagt.

Gegen Ende der mehrstündigen Debatte traten die Grünen noch für eine Entschließung zugunsten einer nachhaltigen Energie- und Rohstoffpolitik der Weltbank ein. - Mit dem Versprechen des Ausschussvorsitzenden Günter Stummvoll (V), dass über diesen Antrag noch einmal Anfang Herbst diskutiert werden soll, wurde über einen Vertagungsantrag abgestimmt, der mehrheitlich angenommen wurde.

Schließlich wurde noch die Regierungsvorlage über die Leistung eines Beitrags zum Asiatischen Entwicklungsfonds (ADF-IX) und zum Technischen Hilfe-Sonderfonds der Asiatischen Entwicklungsbank in der Höhe von 24 Mill. € einstimmig angenommen. (Schluss)