Parlamentskorrespondenz Nr. 352 vom 04.05.2005

KOMPROMISS ÜBER FALL DER ZWEIDRITTELMEHRHEIT BEI SCHULGESETZEN

Entsprechende Änderung des B-VG passiert den Unterrichtsausschuss

Wien (PK) - Die bisher notwendige Zweidrittelmehrheit bei  Schulgesetzen wird grundsätzlich abgeschafft. In Hinkunft soll ein Großteil der Änderungen im Schulwesen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können. Verfassungsrechtlich und somit mit qualifizierter Mehrheit abgesichert bleiben dieSchulgeldfreiheit, die Schulpflicht, das öffentliche Schulwesen, das Verhältnis der Schule und Kirchen, einschließlich des Religionsunterrichts, sowie ein differenziertes Schulsystem, das "zumindest nach Bildungsinhalten in allgemeinbildende und berufsbildende Schulen und nach Bildungshöhe in Primar- und Sekundarschulbereiche gegliedert ist". Bei den Sekundarschulen ist eine "weitere angemessene Differenzierung" vorzusehen. Die Verfassung wird hinkünftig auch eine Bestimmung enthalten, in der die Ziele des österreichischen Schulwesens, in Anlehnung an das Schulorganisationsgesetz, festgeschrieben werden.

Die entsprechenden Änderungen zum Bundes-Verfassungsgesetz passierten heute den Unterrichtsausschuss mit den Stimmen der Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Abgeordneter Mares Rossmann (Freiheitlicher Parlamentsklub). Die Grünen sowie Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitlicher Parlamentsklub) zeigten sich skeptisch und stimmten dagegen. Damit dürfte das notwendige Quorum für diese Verfassungsänderung in der Plenarsitzung des Nationalrates gesichert sein.

Der Einigung war ein langes Tauziehen um die endgültigen Formulierungen vorausgegangen, unter anderem ein so genannter Schulgipfel mit dem Bundeskanzler, der Unterrichtsministerin und Vertretern der vier Parlamentsparteien sowie dem Erzbischof von Wien Kardinal Schönborn. Der heutige Konsens konnte auch erst nach zweimaliger Unterbrechung des Ausschusses erzielt werden.

Bundesministerin Gehrer bezeichnete die weitreichende Abschaffung des Erfordernisses der Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen als einen großen Fortschritt. Die nun vorliegende Einigung bringe der Schule die nötige Sicherheit, ermögliche aber ausreichende Bewegung, so die Ministerin.

Auch Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) zeigte sich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Der Beschluss stelle einen bedeutenden Schritt für die Bildungspolitik dar, sagte er. Vieles werde in Zukunft leichter zu ändern sein. Selbstverständlich werde aber auch weiterhin ein möglichst breiter Konsens, vor allem auch mit den Gebietskörperschaften, anzustreben sein. Der SPÖ sei es wichtig gewesen, auf die vorgebrachten Bedenken Rücksicht zu nehmen.

Abgeordneter Werner Amon (V), der Vorsitzende des Ausschusses, sprach von einem spannenden Neubeginn in der Bildungspolitik. Es sei gelungen, wesentliche Grundsätze verfassungsrechtlich festzuschreiben, aber jene Flexibilität zu eröffnen, die für eine gedeihliche Weiterentwicklung des Bildungssystems erforderlich sei.

Diesen positiven Einschätzungen schloss sich Abgeordnete Mares Rossmann (F) an. Ihr wäre zwar die generelle Abschaffung der Zweidrittelmehrheit lieber gewesen, aber auch sie habe die in der Öffentlichkeit geäußerten Bedenken sehr ernst genommen.

Ihre Klubkollegin Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) äußerte sich demgegenüber skeptisch, vor allem in Bezug auf die Absicherung des differenzierten Schulsystems. Wenn mit der vorliegenden Formulierung auch eine innere Differenzierung ausreichend sei, dann sei ihr dies zu wenig, stellte sie fest.

An der Formulierung hinsichtlich des differenzierten Schulsystems stieß sich auch Abgeordneter Dieter Brosz (G), jedoch aus anderen Gründen. Seiner Meinung nach wird die zentrale Frage umschifft und die Interpretation werde zum Verfassungsgerichtshof verlagert. Damit nehme man eine Absage an die Politik in Kauf, so die Befürchtung von Brosz. Abgeordnete Sabine Mandak (G) kritisierte insbesondere die Formulierungen für die Zielbestimmungen und hinterfragte, was man mit den Begriffen "gesund" und "pflichttreu" meine.

Grundlage für den Beschluss war eine Regierungsvorlage des Bundeskanzleramtes zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes, die unter Berücksichtigung eines gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Werner Amon (V), Erwin Niederwieser (S) und Mares Rossmann (Freiheitlicher Parlamentsklub) mehrheitlich angenommen wurde. (847 d.B.) Miterledigt wurde ein Initiativantrag der beiden Regierungsfraktionen, der, wie die Regierungsvorlage, noch die ersatzlose Streichung des Erfordernisses der Zweidrittelmehrheit vorsah. (531/A)

Ein Antrag der Grünen betreffend Nachmittagsbetreuung für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie für außerordentliche SchülerInnen wurde einstimmig vertagt. (528/A[E]) Als Begründung wurde angeführt, dass sich Abgeordneter Huainigg (V), der heute nicht anwesend sein konnte, zu dem Thema einbringen möchte. Es wurde jedoch zugesagt, diesen Antrag bei der nächsten Sitzung des Unterrichtsausschusses in Verhandlung zu nehmen. (Schluss)


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