Parlamentskorrespondenz Nr. 695 vom 22.09.2005

Verkehrsausschuss: Grünes Licht für Licht am Tag

Expertenhearing brachte wenig Entscheidungshilfen

Wien (PK) - Seit Jahren diskutiert, ohne eindeutiges Ergebnis: An diesem Bild änderte heute auch ein Expertenhearing im Verkehrsausschuss des Nationalrats nichts. Das Hearing wurde zum Thema "Licht am Tag" durchgeführt, das im Zuge der 26. KFG-Novelle eingeführt werden soll. Die Mitglieder des Ausschusses bekamen unterschiedliche Standpunkte und von einander abweichende, wiewohl jeweils wissenschaftlich unterstützte Standpunkte und Ansichten zu hören, ohne allerdings echte Entscheidungshilfen für die Beschlussfassung im Ausschuss zu bekommen. Gemeinsamer Nenner von PolitikerInnen und Experten: Ja zu mehr Verkehrssicherheit generell, ja auch zu "Licht am Tag", allerdings in der technischen Version des "Daytime Running Light" (DRL), und zwar europaweit. Vizekanzler Verkehrsminister Hubert Gorbach kündigte an, dies zum Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft in Sachen Verkehrssicherheit zu machen.

Die Statements der fünf Experten

Verkehrsminister Gorbach skizzierte eingangs der von Ausschuss-Obmann Kurt Eder (S) geleiteten Sitzung das in der EU wie national gesteckte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 auf die Hälfte zu reduzieren. Mit 878 Toten im Straßenverkehr habe man im Vorjahr in Österreich den tiefsten Wert seit Anfang der 60er Jahre erreicht, im laufenden Jahr habe es bis 18. September 537 Tote (gegenüber 626 im gleichen Zeitraum des Vorjahres) gegeben. "Wir sind gut, aber zu langsam unterwegs", fasste Gorbach zusammen, "unsere Maßnahmen wirken." Zum Thema "Licht am Tag" verwies der Minister auf die Vorreiterrolle der skandinavischen Länder und nannte Berechnungen, denen zufolge die Maßnahme die Zahl der Verkehrstoten in Österreich um 30 jährlich reduzieren würde. Der volkswirtschaftliche Nutzen sei mit ca. 175.000 € jährlich geschätzt worden.

Nach dem Ressortchef kamen die Experten zu Wort. DI Dr. Ernst Pfleger näherte sich dem Thema aus der Sicht der sehphysiologischen Forschung. Er unterschied streng zwischen Abblendlicht und Tagfahrlicht (DRL) und nannte zwei Kategorien von Wahrnehmungsfehlern: einerseits infolge mangelhafter Beleuchtung und anderseits infolge eines "Informationsüberangebots". Von ihm bzw. seinem Institut durchgeführte Untersuchungen hätten keine nachvollziehbaren Sicherheitsvorteile ergeben, positiven Wirkungen von Licht am Tag in bestimmten Situationen stünden auch Nachteile gegenüber. Pfleger plädierte für klare Einschaltempfehlungen in bestimmten Situationen, die in einem Katalog erfasst werden sollten, bzw. für DRL.

Dr. Othmar Thann (Kuratorium für Verkehrssicherheit) bezog sich auf eine umfassende EU-Studie aus dem Jahr 2003, deren Ergebnis unter dem Strich einen Vorteil für Tagfahrlicht gewesen sei. Ausführlich ging er auf häufig geäußerte Vorurteile gegenüber Licht am Tag ein: Es stimme etwa nicht, dass Motorräder zu spät gesehen würden, dass die Gefährdung für schwächere Verkehrsteilnehmer steige und dass ein Gewöhungseffekt eintrete. Blendwirkung entstehe nur bei falsch eingestellter Beleuchtung, wenn das Fahrzeug überladen sei oder ein Augenleiden vorliege. Die Erhöhung des Spritverbrauchs betrage etwa ein Prozent - bei Klimaanlagen sei sie 32 Mal höher. Der höhere Verschleiß bei Glühlampen würde durch den Gewinn an Sicherheit mehr als aufgewogen, der erhöhte CO2-Ausstoß sei marginal. Zusammenfassend betonte Thann, dass "Licht am Tag etwas bringen wird".

ARBÖ-Generalsekretär Dr. Rudolf Hellar leitete sein Statement damit ein, er verfolge die Debatte über "Licht am Tag" seit 1978. Das Abblendlicht bei Motorrädern habe sich bewährt, durch generelles Licht am Tag würde dieser Vorteil aufgegeben. Hellar votierte angesichts der derzeit sehr unterschiedlichen Regelungen in Europa für eine einheitliche Regelung im Sinne von DRL und wandte sich gegen die derzeit beabsichtigte Lösung im Sinne von Abblendlicht. Allgemein zum Thema Verkehrssicherheit kritisierte der Experte, dass man von der jährlichen Überprüfung von Kraftfahrzeugen abgegangen sei.

Dr. Hugo Haupfleisch vom ÖAMTC präsentierte Ergebnisse einer Umfrage seiner Organisation im März. Diese habe ergeben, das sich 71 % für und 21 % der Befragten gegen Licht am Tag ausgesprochen hätten, wobei die Gegnerschaft bei älteren Menschen stärker ausgeprägt gewesen sei. Die Gegner der Maßnahme seien zum Teil sehr emotional, man solle sie nicht "niederbügeln", sondern überzeugen. Auch er nannte den "Fleckerlteppich" innerhalb der EU unbefriedigend. Er sprach sich grundsätzlich für Licht am Tag aus, aber in Form einer EU-weiten Ausrüstungsbestimmung für DRL; Österreichs Präsidentschaft sollte dafür genutzt werden. Außerdem brauche es Zeit für individuelle Nachrüst-Möglichkeiten.

Die Diskussion über Licht am Tag sei ein Schulbeispiel dafür, wie dehnbar der Begriff "wissenschaftlich" sei, eröffnete DI Wolfgang Rauh (Verkehrsclub Österreich) sein Statement. Für einen Sicherheitsvorteil bei Licht am Tag gebe es keinen nachvollziehbaren Nachweis. Abblendlicht gefährde ungeschützte Verkehrsteilnehmer sehr wohl, einer Studie in Dänemark zufolge hätten die Unfälle mit Fußgehern durch Licht am Tag zugenommen. Er appellierte daher an die Abgeordneten, Abblendlicht am Tag nicht verpflichtend einzuführen.

der Die Runde der PolitikerInnen

In der Runde der PolitikerInnen nutzten diese die Gelegenheit, sowohl ergänzende Fragen an die Experten zu stellen als auch den eigenen Standpunkt zu umreißen. Weniger Verkehrstote wären auf jeden Fall ein Erfolg einer derartigen Maßnahme, erklärte Abgeordneter Klaus Wittauer (F). G-Abgeordnete Gabriela Moser sah in der Frage Licht am Tag nicht das "Haupthandlungsfeld" und plädierte dafür, in Fragen der Verkehrssicherheit dort anzusetzen, wo "es wirklich etwas bringt". Abgeordnete Petra Bayr (S) konstatierte eine Diskrepanz der Studien. Abgeordneter Werner Miedl (V) sah die Schwierigkeit der Politik, angesichts divergierender Expertenmeinungen zu klaren Entscheidungen zu kommen. Im Zweifel sei er für mehr Verkehrssicherheit, sein Wunsch sei aber einheitliches Tagfahrlicht in Europa. Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (G) stellte die - im Entwurf vorgesehene - Möglichkeit der Verwendung von Nebelscheinwerfern am Tag in Frage, Abgeordnete Elke Achleitner (F) fragte nach Details bezüglich Abblendlicht und DRL und Abgeordnete Karin Hakl (V) steuerte Erfahrungen aus Tiroler Sicht - im Zusammenhang mit der Nähe zu Italien, wo es außerhalb des Ortsgebiets die Verpflichtung zum Fahren mit Licht gibt - bei.

Verkehrsminister Hubert Gorbach wies in einer zweiten Wortmeldung darauf hin, dass die von seinem Ressort herangezogenen 41 Studien ergeben hätten, dass Licht am Tag auf jeden Fall die Verkehrssicherheit fördere, und zwar auch hinsichtlich der schwächeren Verkehrsteilnehmer. Er zeigte sich überzeugt, dass die Industrie "sehr schnell reagieren" werde, wenn eine EU-einheitliche Vorgangsweise entwickelt werde, für die er sich einsetze. Gorbach verwies im übrigen auf vorgesehene Übergangsfristen und eine beabsichtigte Informationskampagne.

S-Abgeordneter Peter Marizzi wollte auch andere Themen - die Gefahr einer Erhöhung der LKW-Höchstlast auf 40 t und das Thema Gefahrenguttransporte - angesprochen wissen. Abgeordneter Roderich Regler (V) bekannte sich als ein zu DRL bekehrter ehemaliger Skeptiker. S-Abgeordneter Gerhard Reheis setzte sich für Empfehlungen an die Autofahrer bis zur endgültigen Entscheidung im Sinn des europaweiten DRL aus - eine Auffassung, der sich auch G-Abgeordnete Gabriela Moser anschloss.

Im Zweifel für Fortschritt in der Verkehrssicherheit - damit umriss Staatssekretär Helmut Kukacka seine Position. Den Erkenntnisgewinn aus dem Expertenhearing bewertete er als gering. Die Regelung solle aber nicht einfach nur eingeführt, sondern von einer kritischen Evaluierung begleitet werden, schlug Kukacka vor. Nach zwei- bis dreijähriger Evaluierung sollte eine Zwischenbilanz gezogen werden.

In einer abschließenden Runde der Experten zeigte sich übereinstimmende Befürwortung von DRL. ÖAMTC-Experte Haupfleisch sagte "vorsichtig ja" zu Nebelscheinwerfern auch am Tag. DI Rauh sprach sich für "verträgliche" Beleuchtung und gegen die Einrichtung eines Dauerprovisoriums aus.

Debatte und Abstimmung

In der Debatte forderte sodann Abgeordneter Peter Marizzi (S) eine getrennte Abstimmung, um seiner Fraktion die Zustimmung zu "Licht am Tag" zu ermöglichen. Abgeordnete Gabriela Moser (G) drängte auf eine rasche Umsetzung genannter Maßnahme und unterstrich die Bedeutung einer entsprechenden Evaluation unter besonderer Berücksichtigung der diesbezüglichen Auswirkungen auf einspurige Fahrzeuge und Fußgänger.

Abgeordneter Werner Miedl (V) griff die Idee einer Evaluierung als sinnvoll auf und zeigte sich erfreut über die gemeinsamen Anstrengungen im Wirken für mehr Verkehrssicherheit. Gleichzeitig brachte er einen Antrag auf Ausschussfeststellung ein, wonach es künftig abgestufte Strafrahmen geben solle, zumal Fahren ohne Bremsen wohl ein wesentlich ernster zu nehmendes Delikt sei als wenn bloß das Licht bei der Kennzeichentafel nicht funktioniert.

Abgeordneter Klaus Wittauer (F) zeigte sich erfreut über den Konsens und erklärte, seine Fraktion werde der gewählten Vorgangsweise zustimmen. Ähnlich äußerte sich seine Fraktionskollegin Elke Achleitner. Staatssekretär Eduard Mainoni war gleichfalls darüber erfreut, dass die Erhöhung der Verkehrssicherheit allen ein Anliegen sei und meinte, man befinde sich auf dem richtigen Weg, zu dem auch "Licht am Tag" gehöre.

Nach einer kurzen Debatte zwischen den Abgeordneten Günther Reheis (S) und Roderich Regler (V) über die geplanten Änderungen bei den Tonnagen für LKW brachte Miedl einen weiteren Antrag auf Ausschussfeststellung ein, der von allen vier Parteien unterstützt wurde. Darin geht der Verkehrsausschuss davon aus, dass innerhalb von zwei Jahren durch wissenschaftliche Untersuchungen die Wirksamkeit von "Licht am Tag" auf die Verkehrssicherheit untersucht wird und gegebenenfalls entsprechende Adaptionen oder Modifikationen vorgenommen werden. In der Abstimmung wurde die KFG-Novelle mehrheitlich angenommen, "Licht am Tag" fand die Zustimmung aller Fraktionen. Gleichfalls wurde letztgenannte Ausschussfeststellung einstimmig angenommen, während die erste Ausschussfeststellung die Zustimmung der Regierungsfraktionen fand.

Mehrheitlich abgelehnt wurden die drei in diesem Tagesordnungspunkt mitbehandelten Oppositionsanträge. Grün-Abgeordnete treten dafür ein, die im Jahr 2002 beschlossene "Pickerl"-Regelung - für neue Pkw und Kombi erfolgt die erste Überprüfung nach drei Jahren und die zweite erst nach weiteren zwei Jahren - durch die frühere Regelung zu ersetzen, hätten doch Langzeitbeobachtungen und Untersuchungen des ÖAMTC ergeben, dass bei der ersten verpflichtenden Überprüfung schwere technische Mängel etwa in den Bereichen Bremsen, Lenkung, Radaufhängung und Bereifung bestehen. (529/A[E]) Nach Meinung von S-Abgeordneter Bayr sollten Motorradbesitzer von der Verpflichtung der Genehmigung bestimmter Zubehörteile befreit werden. (213 /A[E])

Die SPÖ tritt in einem Entschließungsantrag dafür ein, die Markteinführung lärmarmer Reifen durch ein spezielles Gütezeichen zu fördern. (387/A(E))

Ohne Debatte wurden schließlich die Novelle des Gefahrgutbeförderungsgesetzes und die Regierungsvorlage betreffend die Satzung der Internationalen Fernmeldeunion mehrheitlich angenommen. Die Regierungsvorlage einer Änderung des Gefahrengutbeförderungsgesetzes (1060 d.B.) dient im wesentlichen der Umsetzung internationaler Vorgaben, nimmt aber auch Anpassungen in einigen Detailbereichen vor, so etwa bei den Bestimmungen über das Vorgehen bei Gefahrgutkontrollen unterwegs und in Unternehmen sowie bei den Strafbestimmungen. Zudem werden die Strafbestimmungen neu gefasst, insbesondere ist eine Heraufsetzung der Höchststrafe und bestimmter Mindeststrafen vorgesehen. Schließlich nimmt die Novelle auch auf die Auflösung der Zollwache Bedacht. Da Österreich Mitglied der Internationalen Fernmeldeunion ist, soll auch die durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten in Marrakesch 2002 beschlossene Änderungsurkunde ratifiziert werden. Darin geht es vor allem um eine Flexibilisierung der Verfahrensregeln sowie um Präzisierungen der Regelungen des Regulierungsausschusses und weiters um die Einführung von Vierjahresplänen für Strategie, Betrieb und Finanzplanung. (1001 d.B.) (Fortsetzung)